© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 124/17 Die Zusammenarbeit von Bundestag und Landesparlamenten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 2 Die Zusammenarbeit von Bundestag und Landesparlamenten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 124/17 Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung: Deutschland als Bundesstaat 4 2. Formen der Zusammenarbeit 4 2.1. Konferenzen der Landtagspräsidenten und Landtagsdirektoren 4 2.2. Petitionsausschüsse 5 2.3. Parlamentsverwaltungen 6 2.4. Parteimitglieder 6 2.5. Fraktionen 6 2.6. Doppelmandat im Bundestag und Landesparlament 7 2.7. Vereinigungen von Abgeordneten 7 3. Zusammenfassung 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 4 1. Einleitung: Deutschland als Bundesstaat „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, so heißt es im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Artikel 20 Abs. 1 GG). Die bundesstaatliche Ordnung gilt in Deutschland für die Ewigkeit – keine noch so große Mehrheit kann sie abschaffen (Artikel 79 GG). Bundestaat, das bedeutet: 16 Bundesländer haben sich zusammengeschlossen. Damit verfügt Deutschland über eine gemeinsame Verfassung – das Grundgesetz, ein gemeinsames Parlament – den Bundestag, und eine Bundesregierung. Die Gesetze des Bundes gelten im gesamten Bundesgebiet . Nicht nur der Bund hat Staatsqualität, sondern auch die Länder. Sie haben ihre eigenen Verfassungen , Regierungen und Verwaltungsbehörden. Landesparlamente beschließen eigene Landesgesetze . Das Grundgesetz regelt, welche Gesetze der Bund und welche die Länder erlassen dürfen. Der Bundestag, besteht aus direkt vom Volk gewählten Abgeordneten. Die Länder sind in einem eigenen Gesetzgebungsorgan vertreten. Dies ist der Bundesrat. In ihm sind nur die Regierungen der Länder vertreten – und nicht die Landesparlamente. Eine formelle Zusammenarbeit von Bundestag und Landesparlamenten sieht die Verfassung daher nicht vor. Bundestag und Landesparlamente arbeiten getrennt für ihren jeweiligen Staatsbereich. Gleichwohl haben sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger informelle Beziehungen zwischen dem Bundestag und den Landesparlamenten herausgebildet. 2. Formen der Zusammenarbeit Die folgenden sieben informellen Verknüpfungen zwischen Bundestag und Landesparlamenten sind zu nennen: 2.1. Konferenzen der Landtagspräsidenten und Landtagsdirektoren Die Konferenz der Landtagspräsidenten findet seit 1947 regelmäßig statt.1 Zunächst diente die Konferenz dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Sukzessive entwickelte sich die Konferenz auch zu einem Ort der Formulierung gemeinsamer Standpunkte in Form von Entschließungen und Empfehlungen. Allerdings ist die Konferenz der Landtagspräsidenten im Grundgesetz nicht erwähnt. Sie kann daher keine bindenden Beschlüsse fassen.2 Seit der 6. Wahlperiode (1969-1972) nimmt neben dem Präsidenten des Bundesrates auch der Präsident des Bundestages an den Konferenzen teil.3 1 Böhringer, in: Busch (Hrsg.), Parlamentarische Demokratie – Bewährung und Verteidigung, 1984, S. 153 (154). 2 Klatt, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 67 Rn. 66. 3 Böhringer (Fn. 1), S. 154. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 5 Vor jeder Konferenz der Landtagspräsidenten gibt es eine Konferenz der Landtagsdirektoren. Die Direktoren leiten in jedem Parlament im Auftrag des Präsidenten die Verwaltung. Die Konferenz der Landtagsdirektoren bereitet die Konferenz der Landtagspräsidenten inhaltlich vor. Ferner bereitet sie die Umsetzung von Beschlüssen der Konferenz der Landtagspräsidenten vor. Zu dem Teilnehmerkreis der Konferenz der Landtagsdirektoren zählt auch der Direktor beim Deutschen Bundestag. Die Konferenzen finden regelmäßig im Frühjahr und im Sommer eines jeden Jahres statt. Bei gewichtigen Anlässen kommt es mitunter auch zu Sonderkonferenzen.4 Die Länder wechseln sich als Gastgeber der Konferenz ab. Der Gastgeber der jeweiligen Konferenz hat den Vorsitz inne und fungiert als Sprecher der Konferenz. Die Parlamentsverwaltung des jeweiligen Gastgeberlandes führt die Geschäfte der Konferenz ein Jahr lang bis sie die Parlamentsverwaltung des nächsten Gastgeberlandes übernimmt. Das Spektrum der behandelten Themen ist vielfältig. Erörtert werden praktisch-organisatorische Fragestellungen wie etwa – die Verwendung eines elektronischen Vorgangs- und Informationssystems der Landtage, – Themen der Parlamentsreform, – neuere Entwicklungen in den Abgeordnetengesetzen, – oder die Einbindung deutscher Parlamente im zusammenwachsenden Europa.5 Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Betreuung der Landtagspräsidenten- und Landtagsdirektorenkonferenz nimmt für den Bundestag in dessen Verwaltung ein Referat wahr, das unter anderem für „Landesparlamente“ zuständig ist (PM 3). 2.2. Petitionsausschüsse Bereits seit 30 Jahren treffen sich in der Regel alle zwei Jahre die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder zum Zwecke des Gedankenaustausches über das Petitionsrecht und Fragen aus der Praxis.6 Für die Treffen gibt es keine Geschäftsordnung. 4 So die zwei Sonderkonferenzen am 29. August 2014 und 15. Dezember 2014 zu den Bund-Länder-Finanzen. 5 Einen Überblick über Themen der Landtagspräsidentenkonferenzen 1990-2012 gibt: Feldkamp, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1990-2010, Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, 2010, Kapitel 12.3; für die Landtagspräsidentenkonferenzen vor 1994 siehe Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Bd. II, S. 2940; für die Jahre bis 1984: Böhringer (Fn. 1), S. 153-177. 6 Vgl. auch den Bericht des Petitionsausschusses – Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages 2006, BT-Drs. 16/6270 vom 6. August 2007, S. 9; weitere Beispiele für Treffen mit einzelnen Landtagsausschüssen: Bericht des Petitionsausschusses – Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages 2007, BT-Drs. 16/9500 vom 17. Juni 2008, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 6 2.3. Parlamentsverwaltungen Den parlamentarischen Betrieb des Bundestages und der Landesparlamente unterstützt jeweils ein Verwaltungsapparat aus Beamten und öffentlichen Angestellten. Diese bereiten insbesondere die Sitzungen der Parlamente sowie ihrer Ausschüsse und parlamentarischen Gremien vor. Die Verwaltungen des Bundestages und der Landesparlamente leisten sich gegenseitig Amtshilfe. Benötigt die Bundestagsverwaltung zum Beispiel ein internes Gutachten zu einem Gesetzgebungsvorhabens eines Landes, so tauscht sie sich hierzu mit der Verwaltung des Landesparlamentes aus. 2.4. Parteimitglieder Die zu einer politischen Partei gehörenden Mitglieder des Bundestages und der Landesparlamente arbeiten je nach Bedarf zusammen. Sie können so auf Landes- und Bundesebene geschlossen auftreten . Damit können sie ihren Vorstellungen besonderes Gewicht verleihen. In der Praxis ist diese Form der Zusammenarbeit jedoch – außer in Zeiten des Wahlkampfes – nicht sonderlich ausgeprägt.7 Es dominiert in der Regel die individuelle Mandatsausübung.8 2.5. Fraktionen In der Regel schließen sich die zu einer politischen Partei gehörenden Abgeordneten in jedem Parlament zu Fraktionen zusammen. In einzelnen Fällen haben sich Fraktionen aus Bundestag und Landesparlamenten inhaltlich zu gemeinsamen Konzepten abgestimmt, zum Beispiel zur Medien- oder Energiepolitik.9 Darüber hinaus kommen die einer Partei zugehörigen Vorsitzenden der Fraktionen aus Bundestag und Landesparlamenten regelmäßig zu Konferenzen zusammen.10 Aus diesen Konferenzen gehen gemeinsame politische Beschlüsse hervor, z.B. zu Themen der Wirtschaft, des Internets oder der Klimapolitik.11 7 Klatt (Fn. 2), § 67, Rn. 81. 8 Klatt (Fn. 2), § 67, Rn. 82. 9 Klatt (Fn. 2), § 67, Rn. 94. 10 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 491. Zum Teil haben diese Konferenzen einen eigenen ständigen Netzauftritt: http://cducsufvk.de/. 11 Siehe z.B. die Entschließung der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz, 23. Mai 2017, Die wirtschaftliche Zukunft in Deutschland sichern; Beschluss der Konferenz der SPD-Fraktionsvorsitzenden, 17. März 2017, Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken; Beschluss der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 24. März 2017, Raus aus der Kohle: Mit Klimaschutz und Energiewende zukunftsfähig aufstellen; Erklärung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN, 13. Mai 2017: Digitalisierung nicht bekämpfen sondern gestalten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 7 2.6. Doppelmandat im Bundestag und Landesparlament Doppelmandate entstehen, weil Abgeordnete der Landesparlamente ihr Mandat häufig als „Karrieresprungbrett “ nutzen und sich in den Bundestag wählen lassen.12 Die Rückkehr vom Bundestag in ein Landesparlament ist dagegen eher selten. Das Grundgesetz beinhaltet keine explizite Regelung, ob ein Abgeordneter zugleich ein Mandat im Bundestag und in einem Landtag bekleiden kann. Ein Doppelmandat wird aber grundsätzlich als mit dem geltenden Recht vereinbar angesehen.13 In der Praxis sind Doppelmandate wegen der zeitlichen Belastung problematisch. Insgesamt bildet die Gruppe der Doppelmandatsträger im Bundestag daher die Ausnahme. Die meisten Doppelmandatsträger entscheiden sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Wahl in das zweite Parlament für eines der beiden Mandate. Doppelmandate von drei Monaten Dauer oder länger sind äußerst selten: Zwischen 1990 und 2012 lag die Zahl jeweils zwischen null und drei Abgeordneten; dabei lag die Dauer des Doppelmandats meist deutlich unter einem Jahr.14 2.7. Vereinigungen von Abgeordneten Abgeordnete von Bundestag und Landesparlamenten sind auch in privaten Vereinigungen organisiert . Zu nennen sind insbesondere die folgenden zwei: – Deutsche Parlamentarische Gesellschaft e.V. Dieser 1951 gegründete Verein hat zum Ziel, „die menschlichen, sachlichen und politischen Beziehungen im Kreise der Mitglieder der Parlamente des Bundes, der Länder und der europäischen Institutionen zu pflegen“ (§ 1 Satzung). Der Verein erhält Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. – Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen e.V. Dieser 1970 gegründete Verein soll insbesondere das Verständnis parlamentarischer Regierungssysteme fördern und zu deren Weiterentwicklung beitragen (§ 2 Satzung). Die Mitgliedschaft steht auch Personen offen, die keine Abgeordneten sind. Auch dieser Verein erhält Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Von 1953 bis 2014 bestand ferner die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA).15 Sie war ein Zusammenschluss von Abgeordneten aus Fraktionen der Landesparlamente, des Bundestages 12 Klatt (Fn. 2), § 67 Rn. 12. 13 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aktueller Begriff Nr. 84/05 vom 10. November 2005, Inkompatibilitäten mit dem Bundestagsmandat; Wagner, Zulässigkeit des parlamentarischen Doppelmandats, 1986, S. 46 ff. 14 Feldkamp (Fn. 5), Kapitel 2.10. 15 Anmerkung: Das Ende der IPA geht wohl darauf zurück, dass 1985 Bundestag und Landesparlamente die Finanzierung einstellten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 124/17 Seite 8 und des Europäischen Parlaments.16 Ziel der IPA war es insbesondere, die Zusammenarbeit von Mitgliedern der verschiedenen Parlamente zu fördern. Dies geschah über den gegenseitigen Erfahrungs - und Materialaustausch. Auf ihre Initiative hin entstanden mehrere Gesetze insbesondere zum Umweltschutz. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen: Bund und Länder sind getrennte Einheiten mit jeweils eigenen Regierungen und Parlamenten. Die Parlamente arbeiten unabhängig in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich . Das Grundgesetz sieht daher formal keine Zusammenarbeit von Bundestag und Landesparlamenten vor. Gemessen hieran kann man sagen, dass die informelle Zusammenarbeit von Bundestag und Landesparlamenten recht vielfältig ist. Dieser Kooperationsgeist entspricht dem Grundgesetz, das auf föderale Zusammenarbeit hin ausgelegt ist. *** 16 Klatt (Fn. 2), § 67 Rn. 84.