© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 123/17 Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 123/17 Seite 2 Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 123/17 Abschluss der Arbeit: 19.06.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 123/17 Seite 3 1. Einleitung Es wird darum gebeten, Gutachten zusammenzustellen, die sich mit dem Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten befassen. Darüber hinaus wird nach Materialen zur Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bezug auf syrische Asylsuchende gefragt . Konkret geht es darum, welche asylrechtlichen Schutztitel syrischen Asylsuchenden seit 2015 zuerkannt wurden. 2. Überblick zu den asylrechtlichen Schutzkategorien Zunächst bietet der Aktuelle Begriff Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Kategorien des asylrechtlichen Schutzes in Deutschland (Nr. 30/15), abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/399484/0eaad68b0a3fa65669f964738bac3f25/kategorien-des-asylrechtlichenschutzes -in-deutschland-data.pdf, einen Überblick über die verschiedenen asylrechtlichen Schutzkategorien und ihre verfassungsund unionsrechtlichen Grundlagen. Dabei werden die asylrechtlichen Schutzkategorien von der Duldung und von anderen humanitären Aufenthaltstiteln abgegrenzt. Für den hier fraglichen Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten ist ferner die Vorschrift des § 25 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) von Bedeutung. Aus § 25 AufenthG ergibt sich der Aufenthaltstitel, der für den jeweiligen asylrechtlichen Schutztitel zu erteilen ist. Der Aufenthaltstitel des asylrechtlich Schutzberechtigten wiederum ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Familiennachzug nach § 29 AufenthG. So differenziert § 29 AufenthG zwischen Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten, die über Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG verfügen (§ 29 Abs. 2 AufenthG), und national subsidiär Schutzberechtigten , die einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG besitzen (§ 29 Abs. 3 AufenthG). 3. Familiennachzug Der Sachstand Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Fragen zur Integration (WD 3 - 3000 - 005/17), - Anlage 1 - fasst auf S. 5 f. die Voraussetzungen des nationalen Rechts für den Familiennachzug zu Asylberechtigten , anerkannten Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten kurz zusammen, wobei auch auf die nachzugsberechtigten Familienmitglieder eingegangen wird. Ergänzend ist auf die Vorschrift des § 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG zu verweisen, die für den Familiennachzug zu national subsidiär Schutzberechtigten besondere Voraussetzungen aufstellt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 123/17 Seite 4 Die unionsrechtlichen Vorgaben zum Familiennachzug – einschließlich der Vorgaben zu den nachzugsberechtigten Familienmitglieder (S. 16) – erläutert die Ausarbeitung vom Fachbereich Europa, Unionsvorgaben zum Familiennachzug (PE 6 - 3000 - 148/16), abrufbar unter: http://www.bundestag .de/blob/490514/6be84c6bf4dfc809ddd4c77f7731dd42/pe-6-148-16-pdf-data.pdf. Die besondere Problematik des Familiennachzugs zu international subsidiär Schutzberechtigten wird aus nationaler Sicht in den Ausarbeitungen Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aussetzen des Familiennachzugs zu international subsidiär Schutzberechtigten aus verfassungsrechtlicher Sicht (WD 3 - 3000 - 296/15), - Anlage 2 - und Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Familiennachzug zu Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten (WD 3 - 3000 - 239/16), - Anlage 3 - behandelt. In Bezug auf die unionsrechtliche Perspektive ist wiederum auf das o.g. Gutachten des Fachbereichs Europa (S. 18 ff.) zu verweisen. 4. Entscheidungspraxis des BAMF in Bezug auf syrische Asylsuchende Die Frage, welche asylrechtlichen Schutztitel das BAMF syrischen Asylsuchenden seit 2015 erteilt hat, beantwortet die Bundesregierung in der BT-Drs. 18/11262 vom 21.02.2017, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/18/112/1811262.pdf. Aus der dort aufgeführten Asylstatistik ergibt sich für die besonders relevanten Schutzkategorien der Flüchtlingseigenschaft und der internationalen subsidiären Schutzberechtigung u.a. Folgendes: Herkunftsland Syrien Flüchtlingseigenschaft internationale subsidiäre Schutzberechtigung 4. Quartal 2015 (S. 5) 56.252 8 Jahr 2015 (S. 6) 99.970 61 Jahr 2016 (S. 4) 165.764 121.562 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 3 - 3000 - 123/17 Seite 5 Für den Zeitraum Januar 2017 bis Mai 2017 ergibt sich aus der Asylstatistik des BAMF, Asylgeschäftsstatistik (01-05/17), vom 08.06.2017, abrufbar unter: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/hkl-antrags -entscheidungs-bestandsstatistikl-kumuliert-2017.pdf?__blob=publicationFile. u.a. Folgendes: Herkunftsland Syrien Flüchtlingseigenschaft internationale subsidiäre Schutzberechtigung Jan. – Mai 2017 (S. 6) 19.962 37.275 *** © 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 005/17 Fragen zur Integration von Flüchtlingen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 2 Fragen zur Integration von Flüchtlingen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 005/17 Abschluss der Arbeit: 16.01.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, welche Behörden auf Bundesebene für die Aufgaben der Flüchtlingsintegration zuständig sind und ob es eine gesetzliche Grundlage für integrationspolitische Maßnahmen auf Bundesebene gibt. Darüber hinaus soll erläutert werden, unter welchen Voraussetzungen Asylbewerber und asylrechtlich Schutzberechtigte Zugang zu Integrationsmaßnahmen und Anspruch auf Familiennachzug haben sowie einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. 2. Behördliche Zuständigkeiten auf Bundesebene Eine besondere ministerielle Zuständigkeit für die Integration von Flüchtlingen gibt es auf Bundesebene nicht. Die mit diesen Themen verbundenen Aufgaben verteilen sich vielmehr auf die einzelnen Fachministerien. Hervorzuheben sind insoweit das Bundesministerium des Innern mit seinen Zuständigkeiten für das Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das für die soziale Sicherung und die Arbeitsmarktintegration (auch) von Migranten zuständig ist. Aber auch die anderen Bundesministerien weisen in ihren Geschäftsbereichen einzelnen Einheiten Integrationsthemen zu. Hinzu kommt die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, die als Staatsministerin beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Zu ihren Aufgaben gehört es nach § 93 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1, die Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten zu fördern und insbesondere die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik auch im Hinblick auf arbeitsmarkt- und sozialpolitische Aspekte zu unterstützen. Besondere Integrationsaufgaben obliegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Nach § 75 Nr. 2 a), b), Nr. 9 AufenthG ist das BAMF für die Konzeption und Durchführung der Integrationskurse und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung sowie für entsprechende Beratungsangebote zuständig. Ferner hat das BAMF der Bundesregierung fachlich auf dem Gebiet der Integrationsförderung zuzuarbeiten, Informationsmaterial über die Integrationsangebote zusammenzustellen sowie wissenschaftliche Forschung zu Integrationsthemen zu betreiben, § 75 Nr. 3, Nr. 4a) AufenthG. 3. Gesetzliche Grundlage für integrationspolitische Maßnahmen auf Bundesebene Die Vorschrift des § 45 AufenthG sieht vor, dass Bund und Länder die bereits gesetzlich geregelten Integrationskurse (§§ 43 ff. AufenthG) durch weitere Integrationsangebote ergänzen sollen, insbesondere durch sozialpädagogische und migrationsspezifische Beratungsangebote. Ferner soll das Bundesministerium des Innern oder eine von ihm bestimmte Stelle ein bundesweites Integrationsprogramm entwickeln, das die bestehenden Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und von privaten Trägern zusammenfasst und Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Integrationsangeboten gibt. 1 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_aufenthg/englisch_aufenthg.html#p1435. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 4 4. Zugang zu Integrationsangeboten Zu den auf Bundesebene geregelten Integrationsangeboten gehören die Teilnahme an Integrationskursen (§§ 43 ff. AufenthG) und berufsbezogener Deutschsprachförderung (§ 45a AufenthG) sowie die Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten, die auf der Grundlage des Arbeitsmarktprogramms „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ von der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt werden, vgl. § 5a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Dauer des Asylverfahrens hat keinerlei Einfluss auf die Zugangsberechtigung zu diesen Integrationsangeboten. 4.1. Integrationskurse Die Teilnahme an Integrationskursen nach den §§ 43 ff. AufenthG ist schon vor Abschluss des Asylverfahrens möglich. Allerdings haben nur Asylbewerber mit „guter Bleibeperspektive“ Zugang, d.h. Ausländer, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (§ 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 AufenthG). Bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten (§ 29a Asylgesetz – AsylG2) besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist, § 44 Abs. 4 S. 3 AufenthG. Die Teilnahme an Integrationskursen von Asylbewerbern mit „guter Bleibeperspektive“ steht unter dem Vorbehalt verfügbarer Kapazitäten, § 44 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Asylbewerber mit „guter Bleibeperspektive“ können darüber hinaus verpflichtet werden, an einem Integrationskurs teilzunehmen , wenn sie arbeitsfähig und nicht erwerbstätig sind, das 18. Lebensjahr vollendet haben und der Vollzeitschulpflicht nicht mehr unterliegen, § 5b Abs. 1 AsylbLG. Entsprechende Pflichtverletzungen haben Leistungskürzungen zur Folge, § 5b Abs. 2 AsylbLG. Nach Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge sowie international subsidiär Schutzberechtigte3 einen Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen, § 43 Abs. 1 Nr. 3 lit. c) AufenthG. Ausländer mit Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen sind unter bestimmten Voraussetzungen zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet, z.B. wenn sie sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, § 44a Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AufenthG. 4.2. Berufsbezogene Deutschsprachförderung Nach § 45a AufenthG kann die Integration in den Arbeitsmarkt durch berufsbezogene Deutschsprachförderung unterstützt werden. Asylbewerber haben nur dann Zugang zu diesen Maßnahmen, wenn sie über eine „gute Bleibeperspektive“ verfügen, d.h. wenn ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, § 45a Abs. 2 S. 3 AufenthG. Bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten (§ 29a AsylG) besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist, § 44a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nur dann, wenn der Ausländer Sozialleistungen bezieht und die Teilnahme an der Maßnahme in einer Eingliederungsvereinbarung vorgesehen ist, § 45a Abs. 2 S. 1 AufenthG. 2 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_asylvfg/englisch_asylvfg.html#p0012. 3 Zum international subsidiären Schutzstatus siehe Art. 15 ff. Richtlinie 2011/95/EU. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 5 4.3. Arbeitsgelegenheiten Nach § 5a Abs. 1 AsylbLG können die zuständigen Behörden Asylbewerbern „zu ihrer Aktivierung“ Arbeitsgelegenheiten zuweisen, die durch das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen “ bereitgestellt werden. Eine Zuweisung kann dabei nur gegenüber solchen Asylbewerbern erfolgen, die arbeitsfähig und nicht erwerbtätig sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und nicht der Vollzeitschulpflicht unterliegen. Eine Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten an Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten kommt nicht in Betracht, § 5a Abs. 1 S. 2 AsylbLG. Die Wahrnehmung der zugewiesenen Arbeitsgelegenheit ist grundsätzlich verpflichtend, § 5a Abs. 2 AsylbLG. Entsprechende Pflichtverletzungen haben Leistungskürzungen zur Folge, § 5a Abs. 3 AsylbLG. 5. Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten Ein Familiennachzug zu Ausländern während des Asylverfahrens kommt nicht in Betracht, auch nicht bei langer Verfahrensdauer. Voraussetzung für den Familiennachzug ist vielmehr, dass den asylrechtlich Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, § 29 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. 5.1. Anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge Auf den Familiennachzug zu Flüchtlingen besteht für die sog. Kernfamilie, also Ehegatten (§ 30 AufenthG), minderjährige ledige Kinder (§ 32 AufenthG) und Eltern minderjähriger Kinder (§ 36 Abs. 1 AufenthG) unter bestimmten Umständen ein Anspruch. Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann der Familiennachzug gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG gewährt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Grundsätzlich setzt der Familiennachzug dabei nach § 29 Abs. 1, 2 AufenthG voraus, dass ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht und der Lebensunterhalt des Nachzugswilligen gesichert ist. Diese Voraussetzungen gelten für den Nachzug der Eltern zu einem minderjährigen Kind nach § 36 Abs. 1 AufenthG nicht. Für den Nachzug des Ehegatten und/oder minderjähriger lediger Kinder sind die Voraussetzungen des ausreichenden Wohnraums und der Lebensunterhaltssicherung nach § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG entbehrlich, wenn der Antrag auf Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach der unanfechtbaren Anerkennung der Asylberechtigung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Zusammenführenden gestellt wird und die Familienzusammenführung in einem Drittstaat, zu dem der Ausländer oder seine Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist. 5.2. International subsidiär Schutzberechtigte Der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Familiennachzug zu Flüchtlingen im Jahr 2015 zunächst gleichgestellt. Mit dem am 17.03.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren wurde der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten jedoch für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt. Regelungstechnisch erfolgte die Aussetzung des Familiennachzugs durch eine Übergangsvorschrift in § 104 Abs. 13 AufenthG. Diese sieht vor, dass der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten , die nach dem 17.3.2016 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, bis zum 16.3.2018 nicht gewährt wird. Dabei gilt die Aussetzung des Familiennachzugs auch für den Nachzug zu minderjährigen Kindern. Die Übergangsvorschrift enthält allerdings einen ausdrücklichen Hinweis Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 6 auf die Anwendbarkeit der §§ 22, 23 AufenthG, nach denen eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen aus dem Ausland im Rahmen von Ermessensentscheidungen weiterhin möglich bleibt. 6. Einbürgerung Für die Einbürgerung von Flüchtlingen gibt es keine besonderen Bestimmungen. Vielmehr gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 8 ff. Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG). Dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung zu erwerben, § 10 StAG (Anspruchseinbürgerung ). Grundsätzlich sind nach § 10 Abs. 1 StAG folgende Bedingungen zu erfüllen: ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, seit acht Jahren gewöhnlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland, Lebensunterhaltssicherung (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, ausreichende Deutschkenntnisse, Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland, keine Verurteilung wegen einer Straftat, Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und Verlust bzw. Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. Die Teilnahme an Integrationskursen wirkt sich positiv auf die Einbürgerungschancen aus. Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des BAMF die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die achtjährige Frist des § 10 Abs. 1 StAG nach § 10 Abs. 3 S. 1 StAG auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere im Hinblick auf Sprachkenntnisse, kann die Frist nach § 10 Abs. 3 S. 2 StAG auf sechs Jahre verkürzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, von den oben genannten Voraussetzungen im Rahmen des § 8 StAG zugunsten des Ausländers abzuweichen. Nach § 8 StAG liegt die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Vorliegen bestimmter Mindestvoraussetzungen im Ermessen der Behörde (Ermessenseinbürgerung). Die Ermessenseinbürgerung findet insbesondere auf Ehegatten oder Lebenspartner von Deutschen Anwendung (§ 9 StAG). Eine Einbürgerung ist nach § 11 StAG ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche, extremistische oder terroristische Bestrebungen oder Betätigungen durch den Ausländer bestehen. Dieser Ausschlussgrund gilt für die Anspruchseinbürgerung und für die Ermessenseinbürgerung. *** © 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 296/15 Aussetzen des Familiennachzugs zu international subsidiär Schutzberechtigten aus verfassungsrechtlicher Sicht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 296/15 Seite 2 Aussetzen des Familiennachzugs zu international subsidiär Schutzberechtigten aus verfassungsrechtlicher Sicht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 296/15 Abschluss der Arbeit: 23.11.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 296/15 Seite 3 1. Fragestellung Nach dem Beschluss der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5. November 2015 soll u.a. der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt werden. Konkret heißt es im Beschluss: „Zur besseren Bewältigung der aktuellen Situation soll der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt werden. Die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen wir noch in diesem Jahr.“1 Es wird die Frage gestellt, ob dieses Vorhaben mit Verfassungsrecht, insbesondere mit Art. 6 GG vereinbar ist.2 2. Gesetzliche Neuregelung Der Beschluss sieht vor, dass die Aussetzung durch eine gesetzliche Regelung erfolgen soll. Dabei geht es nicht um einen absoluten Ausschluss des Familiennachzugs, wie ihn § 29 Abs. 3 S. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für Ausländer mit bestimmten Aufenthaltstiteln regelt. Vielmehr ist das Aussetzen des Familiennachzugs auf zwei Jahre befristet vorgesehen. Adressaten der Regelung sind „Ausländer mit subsidiärem Schutz“. Subsidiär schutzberechtigt sind nach § 4 Asylgesetz (AsylG) Ausländer, denen ein ernster Schaden droht, u.a. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (international subsidiär Schutzberechtigte ). Für die konkrete Umsetzung dieses Vorhabens kommen verschiedene Regelungsmöglichkeiten in Betracht. Seit dem 1.8.2015 gilt für international subsidiär Schutzberechtigte ein privilegierter, an die Rechtsstellung der Asylberechtigten und Flüchtlinge angeglichener Familiennachzug nach § 29 Abs. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 3 c), § 32 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Man könnte z.B. erwägen, „nur“ den privilegierten Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen, im Übrigen aber den nicht-privilegierten Familiennachzug für Ausländer mit humanitären Aufenthaltstiteln (§ 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG) beizubehalten. Denkbar wäre auch, dass der Familiennachzug schlechthin für zwei Jahre ausgeschlossen wird, so dass erst nach Ablauf der Frist ein privilegierter oder nicht-privilegierter Familiennachzug in Betracht kommt. Aus dem Koalitionsbeschluss lässt sich ferner nicht ableiten, ob und inwieweit für bestimmte Familiennachzugsfälle, z.B. zum Kindernachzug (§ 32 AufenthG), Sonderregelungen gelten sollen. Mangels konkreter Regelungsvorschläge kann eine abschließende verfassungsrechtliche Beurteilung, die beispielsweise auch Fragen der Gleichbehandlung verschiedener Ausländergruppen nach Art. 3 Abs. 1 GG umfassen würde, nicht erfolgen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf das in erster Line betroffene Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG und die daraus folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. 1 https://www.spd.de/scalableImageBlob/131046/data/20151105_koabeschluss-data.pdf. 2 Zu den unionsrechtlichen Vorgaben vgl. das Gutachten des Fachbereichs PE 6 (PE 6 – 3000 – 152/15). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 296/15 Seite 4 3. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG 3.1. Kein Anspruch auf Familiennachzug Die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG zum Schutz von Ehe und Familie stehen Beschränkungen des Familiennachzugs nicht grundsätzlich entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in seinem grundlegenden Beschluss aus dem Jahr 1987 festgestellt, dass die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen des Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG keinen grundrechtlichen Anspruch auf Familiennachzug begründen.3 Vielmehr überantworte das Grundgesetz es der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen Fremden der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werde.4 3.2. Anspruch auf „angemessene Berücksichtigung“ Aus dem grundrechtlichen Gehalt des Art. 6 GG als wertentscheidende Grundsatznorm folgert das Bundesverfassungsgericht aber einen Anspruch darauf, dass „die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen des Antragstellers an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz in seinem Art. 6 dem Schutz von Ehe und Familie erkennbar beimisst. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen.“5 Diese aus Art. 6 GG folgende Berücksichtigungspflicht bindet nach Art. 1 Abs. 3 GG auch den Gesetzgeber.6 Die hier vorgesehene gesetzliche Einschränkung des Familiennachzugs könnte gegen die Berücksichtigungspflicht verstoßen, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Vernachlässigung des Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG erweist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es darauf an, ob die gesetzliche Regelung einen legitimen Zweck verfolgt und insofern ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel darstellt. Legitim ist ein Zweck in diesem aufenthaltsrechtlichen Zusammenhang nicht erst, wenn er dem Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang dient.7 Vielmehr kann sich der Gesetzgeber auch auf allgemeine Interessen zur Begrenzung der „Zuwanderung von Ausländern ins Bundesgebiet“8 berufen. Befristete Einschränkungen des Familiennachzugs dürften – unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung – jedenfalls die mit dem bisher geltenden privilegierten Familiennachzug verbundenen Anreizwirkungen schmälern und damit ein geeignetes Mittel zur Begrenzung der Zuwanderung darstellen. Ob im Sinne der 3 BVerfGE 76, 1, 47 f. 4 BVerfGE 76, 1, 46. 5 BVerfGE 76, 1, 49 f., Hervorhebung nicht im Original. 6 Vgl. dazu auch Uhle, in: Beck`scher Online-Kommentar, GG (Stand: 01.09.2015), Rn. 44 zu Art. 6. 7 BVerfGE 76, 1, 53. 8 BVerfGE 76, 1, 47. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 296/15 Seite 5 Erforderlichkeit weniger belastende, gleich wirksame Beschränkungen des Familiennachzugs in Betracht kommen und ob die Beschränkungen unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter angemessen sind, kann aber nur anhand eines konkreten Regelungsvorschlages geprüft werden. Die Schaffung einer erforderlichen und angemessenen Beschränkung des Familiennachzugs erscheint jedoch nicht ausgeschlossen. Insoweit ist auf Seiten der Familiennachzugswilligen zwar zu berücksichtigen , dass dem international subsidiär Schutzberechtigten die Herstellung der Familieneinheit durch eine Rückkehr ins Herkunftsland nicht zuzumuten wäre. Auf der anderen Seite fällt aber ins Gewicht, dass vorliegend gerade kein absoluter Ausschluss des Familiennachzugs nach dem Modell des § 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG geplant ist, sondern „nur“ eine zweijährige Maßnahme. Angesichts der großen Zahl der Familiennachzugswilligen besteht ferner ein schützenswertes Interesse, die Anreizwirkungen des Familiennachzugs zu beschränken. Eine zweijährige Wartefrist könnte darüber hinaus dazu dienen, den Ausländer mit international subsidiärer Schutzberechtigung zu befähigen, die Lasten des Familiennachzugs z.B. durch eine Erwerbstätigkeit selbst oder weitgehend selbst zu tragen. Eine Verzögerung des Familiennachzugs um zwei Jahre dürfte danach nicht grundsätzlich unverhältnismäßig sein. Ende der Bearbeitung © 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 239/16 Familiennachzug zu Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten Rechtsgrundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers aus nationaler Sicht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 2 Familiennachzug zu Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten Rechtsgrundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers aus nationaler Sicht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 239/16 Abschluss der Arbeit: 04.11.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 3 1. Einleitung Den rechtlichen Rahmen für den Familiennachzug zu Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten bilden das nationale und das Unionsrecht.1 Gegenstand dieser Ausarbeitung ist der Familiennachzug aus nationaler Perspektive.2 Konkret sollen die einfachgesetzlichen Rechtsgrundlagen für den Familiennachzug zu Flüchtlingen und international subsidiär Schutzberechtigten dargestellt sowie die Gestaltungsmöglichkeiten des nationalen Gesetzgebers in Bezug auf mögliche Verschärfungen des Nachzugsrechts erläutert werden. 2. Einfachgesetzliche Rechtsgrundlagen Der Familiennachzug zu Ausländern (Stammberechtigten) ist in den §§ 27 ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Die Voraussetzungen des Familiennachzugs hängen im Einzelnen davon ab, welchen Aufenthaltstitel der Stammberechtigte besitzt und welches Familienmitglied den Nachzug begehrt. Anerkannte Flüchtlinge verfügen über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AufenthG, international subsidiär Schutzberechtigte haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AufenthG. 2.1. Flüchtlinge Auf den Familiennachzug zu Flüchtlingen besteht für die sog. Kernfamilie, also Ehegatten (§ 30 AufenthG), minderjährige ledige Kinder (§ 32 AufenthG) und Eltern minderjähriger Kinder (§ 36 Abs. 1 AufenthG) unter bestimmten Umständen ein Anspruch. Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann der Familiennachzug gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG gewährt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Grundsätzlich setzt der Familiennachzug dabei nach § 29 Abs. 1, 2 AufenthG voraus, dass ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht und der Lebensunterhalt des Nachzugswilligen gesichert ist. Diese Voraussetzungen gelten für den Nachzug der Eltern zu einem minderjährigen Kind nach § 36 Abs. 1 AufenthG nicht. Für den Nachzug des Ehegatten und/oder minderjähriger lediger Kinder sind die Voraussetzungen des ausreichenden Wohnraums und der Lebensunterhaltssicherung nach § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG entbehrlich, wenn der Antrag auf Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Zusammenführenden gestellt wird und die Familienzusammenführung in einem Drittstaat, zu dem der Ausländer oder seine Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist. 1 Zu den asylrechtlichen Schutzkategorien vgl. Wissenschaftliche Dienste, Kategorien des asylrechtlichen Schutzes in Deutschland, Aktueller Begriff vom 15.12.2015, abrufbar unter http://www.bundestag.btg/Butag- Verw/W/Ausar-beitungen/Einzelpublikationen/Ablage/2015/Kategorien_des_a_1450169075.pdf. 2 Zur unionsrechtlichen Perspektive siehe Deutscher Bundestag, Fachbereich Europa, Unionsvorgaben zum Familiennachzug (PE - 3000 - 148/16). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 4 2.2. International subsidiär Schutzberechtigte Der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Familiennachzug zu Flüchtlingen mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 zunächst gleichgestellt.3 Mit dem am 17.03.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren wurde der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten jedoch für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt.4 Regelungstechnisch erfolgte die Aussetzung des Familiennachzugs durch eine Übergangsvorschrift in § 104 Abs. 13 AufenthG. Diese sieht vor, dass der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten, die nach dem 17.3.2016 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, bis zum 16.3.2018 nicht gewährt wird. Dabei gilt die Aussetzung des Familiennachzugs auch für den Nachzug zu minderjährigen Kindern. Die Übergangsvorschrift enthält allerdings einen ausdrücklichen Hinweis auf die Anwendbarkeit der §§ 22, 23 AufenthG, nach denen eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen aus dem Ausland im Rahmen von Ermessensentscheidungen weiterhin möglich bleibt.5 3. Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers Inwieweit der deutsche Gesetzgeber das Recht auf Familiennachzug gestalten bzw. verschärfen kann, ergibt sich in erster Linie aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Soweit das Unionsrecht dem deutschen Gesetzgeber danach noch Gestaltungsspielräume belässt, stellt sich die Frage nach den zu berücksichtigenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. 3.1. Flüchtlinge Aufgrund der sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts, die Vorrang vor dem nationalen Recht genießen, kommen eine Abschaffung oder nennenswerte Einschränkungen des Familiennachzugsrechts nicht Betracht. Insbesondere ist der Anspruch auf Familiennachzug der Kernfamilie nach dem geltenden EU-Sekundärrecht zu beachten.6 3.2. International subsidiär Schutzberechtigte Auch für den Nachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten können primär- und sekundärrechtliche Vorgaben des Unionsrechts einschlägig sein. Einen Anspruch auf Familiennachzug gewährt das EU-Sekundärrecht allerdings nicht.7 Daher erscheinen Verschärfungen des Familiennachzugsrechts , die über die jetzige Aussetzung des Familiennachzugs hinausgehen, nicht von 3 Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015, BGBl. I 2015, 1386. 4 Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016, BGBl. 2016, 390. 5 Vgl. BT-Drs. 18/7538, 9. 6 Hierzu ausführlich Fachbereich Europa (Fn. 2), Ziff. 4.1. 7 Siehe Fachbereich Europa (Fn. 2), Ziff. 2.2.2. und Ziff. 4.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 5 vornherein unionsrechtlich ausgeschlossen. Fraglich ist, welche verfassungsrechtliche Vorgaben der Gesetzgeber insoweit zu berücksichtigen hat. 3.2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG Die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG zum Schutz von Ehe und Familie stehen Beschränkungen des Familiennachzugs nicht grundsätzlich entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in seinem grundlegenden Beschluss aus dem Jahr 1987 festgestellt, dass die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen des Art. 6 Abs. 1, 2 S. 1 GG keinen grundrechtlichen Anspruch auf Familiennachzug begründen.8 Vielmehr überantworte das Grundgesetz es der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen Fremden der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werde.9 Aus dem grundrechtlichen Gehalt des Art. 6 GG als wertentscheidender Grundsatznorm folgert das Bundesverfassungsgericht aber einen Anspruch darauf, dass „die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen des Antragstellers an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz in seinem Art. 6 dem Schutz von Ehe und Familie erkennbar beimisst. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen.“10 Diese aus Art. 6 GG folgende Berücksichtigungspflicht bindet nach Art. 1 Abs. 3 GG auch den Gesetzgeber.11 In Bezug auf eine den Gesetzgeber bindende Pflicht, die wertsetzende Bedeutung des Art. 6 GG nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen, ist aber der grundsätzlich weite Gestaltungsspielraum zu beachten, der dem Gesetzgeber bei der Wahrnehmung von Schutz- und Förderpflichten zukommt. Wie weit dieser Spielraum bei der Ausgestaltung des Familiennachzugsrechts konkret reicht, lässt sich der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. Sie zeigt aber einige Wertungen auf, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen zu berücksichtigen sind und die eine gewisse Orientierung für weitere Verschärfungen des Familiennachzugsrechts geben können. 8 BVerfGE 76, 1, 47 f.; siehe auch BVerfG, 2 BvR 1001/04 – juris, Rn. 17 mit Hinweis in die insoweit ständige Rechtsprechung. 9 BVerfGE 76, 1, 46. 10 BVerfGE 76, 1, 49 f., Hervorhebung nicht im Original. 11 Vgl. dazu auch Uhle, in: Kluth/Heusch (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar, GG (Stand: 2015), Rn. 44 zu Art. 6; Burgi, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz (Stand: 2002), Rn. 64 zu Art. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 6 Zur streitbefangenen Regelung einer achtjährigen Wartefrist für den Familiennachzug verweist das Bundesverfassungsgericht auf die bloß vorübergehende Beeinträchtigung des Art. 6 GG: „Eine Regelung, die, wie die hier in Rede stehende, einem begrenzten Kreis von Personen für geraume, aber überschaubare Zeit die Verwirklichung des Wunsches verwehrt, in räumlich ganz bestimmter Hinsicht als Ehegatten oder Familie zusammenzuleben, ohne ein solches Zusammenleben schlechthin zu hindern oder den Betroffenen eine schlechterdings unzumutbare Herstellung der Einheit von Ehe und Familie anzusinnen, vermag die prägenden Elemente des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde liegenden Bildes von Ehe und Familie nicht in Frage zu stellen.“12 Das Bundesverfassungsgericht hält die Wartefrist für angemessen, betont aber zugleich, dass es sich um eine Konstellation handelt, in der die Herstellung der Familieneinheit im Ausland zumutbar wäre. Man könnte daraus schlussfolgern, dass eine achtjährige Wartefrist für den Fall, dass die Herstellung der Familieneinheit im Ausland – wie auch bei international subsidiär Schutzberechtigen – unzumutbar ist, in Bezug auf Art. 6 GG problematisch wäre. Jedenfalls dürfte der völlige Ausschluss des Familiennachzugs – wenn man ihn überhaupt für zulässig erachtet – besonders hohen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen.13 Dafür sprechen auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der Möglichkeit, den Familiennachzug zu kontingentieren: „Eine ‚Kontingentierung‘ des Ehegattennachzugs müsste Bedenken im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG begegnen. Eine Behandlung von Nachzugswilligen nach dem ‚Warteschlangenprinzip‘ wäre dem Schutz- und Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG schwerlich angemessen, weil eine hinreichende Berücksichtigung von Umständen des Einzelfalles nicht gewährleistet wäre und die Betroffenen der Gefahr langer Wartezeiten ausgesetzt wären.“14 Schließlich stellt das Bundesverfassungsgericht die besondere Bedeutung der zunehmenden Aufenthaltsdauer für den Familiennachzug heraus: „Mit zunehmender Aufenthaltsdauer schreitet im Regelfall die Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse voran; zugleich wächst die Entfremdung vom jeweiligen Heimatland. Dem unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Wunsch eines nachzugsbegehrenden Ausländers nach ehelichem und familiärem Zusammenleben in der Bundesrepublik Deutschland ist daher bei wachsender Dauer des Aufenthaltes seines Ehegatten im Bundesgebiet zunehmendes Gewicht beizumessen.“15 12 BVerfGE 76, 1, 49. 13 Vgl. dazu die verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf § 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG, der den Familiennachzug zu Ausländern mit nur vorübergehenden Aufenthaltstiteln ausschließt, Tewocht, in: Beck`scher Online-Kommentar Ausländerrecht (Stand: August 2016), Rn. 11 f. 14 BVerfGE 76, 1, 65. 15 BVerfGE 76, 1, 69. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 239/16 Seite 7 3.2.2. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG Soweit der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten im Vergleich zu anderen asylrechtlich Schutzberechtigten und anderen Ausländern strengeren Anforderungen unterliegt und damit eine nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich relevante Ungleichbehandlung vorliegt, bedarf es einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, die am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet ist. Dabei können sich die rechtfertigenden Unterschiede aus den verschiedenen Aufenthaltsbedingungen der jeweiligen Ausländergruppen ergeben. So haben die international subsidiär Schutzberechtigten zunächst nur Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von einem Jahr, § 26 Abs. 1 S. 3 AufenthG. Flüchtlinge hingegen erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von drei Jahren, § 26 Abs. 1 S. 2 AufenthG. Die Unterschiede zwischen den Ausländergruppen müssen allerdings so gewichtig sein, dass sie die konkrete Ungleichbehandlung beim Familiennachzug rechtfertigen. Je weiter beispielsweise der Status der international subsidiär Schutzberechtigten dem Flüchtlingsstatus angenähert ist, als desto schwieriger erweist sich die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung beim Familiennachzug. Ende der Bearbeitung