© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 122/20 Zustimmungsbedürftigkeit des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 2 Zustimmungsbedürftigkeit des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 122/20 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick zur Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen 4 3. Inhalt des 8. FStrÄndG 5 4. Zustimmungsbedürftigkeit des 8. FStrÄndG? 6 4.1. Änderung des FStrG (Art. 1) 6 4.2. Änderungen des StVG und der GebOSt im Zusammenhang mit Gebühren für Bewohnerparkausweise (Art. 2 Nr. 1 und Art. 3) 7 4.3. Verlängerung der Mautbefreiung für Erdgas-LKW (Art. 5) und Datenaustausch zur Überprüfung des Umweltbonus für elektrisch betriebene Fahrzeuge (Art. 2 Nr. 2 und 3, Art. 4) 9 4.4. Änderung des InfrGG (Art. 6) und des FStrBAG (Art. 7) 9 5. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 4 1. Einleitung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden gebeten zu prüfen, ob das am 14. Mai 2020 vom Bundestag beschlossene1 Achte Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften (8. FStrÄndG) ein Einspruchsgesetz ist oder der Zustimmung des Bundesrates bedarf (Art. 78 Var. 1 GG). Die Prüfung kann aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit nur summarisch erfolgen. 2. Überblick zur Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen Ein Gesetz bedarf nur dann der Zustimmung des Bundesrates, wenn dies im Grundgesetz ausdrücklich angeordnet ist.2 Diese ist lediglich ausnahmsweise und nur für Fälle einer besonders gewichtigen Berührung der föderalen Ordnung und des Interessenbereichs der Länder vorgesehen.3 Eine Zustimmungsbedürftigkeit wird allerdings nicht allein dadurch begründet, dass in Länderinteressen eingegriffen wird. Derartige ungeschriebene Zustimmungserfordernisse hat das Bundesverfassungsgericht in keinem Fall anerkannt; sie werden von der überwiegenden Meinung im Schrifttum abgelehnt.4 Vielmehr zählt das Grundgesetz die Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen abschließend auf (Enumerationsprinzip).5 Das vom Bundestag im Sinne von Art. 78 GG „beschlossene Gesetz“ stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine durch den Gesetzesbeschluss des Bundestages zu einer Einheit zusammengefasste gesetzgeberische Einheit6 von Regelungen dar (sog. Einheitstheorie7 oder Einheitsthese8). Enthält ein Gesetz auch nur eine einzige zustimmungsbedürftige Regelung, so bedarf das Gesetz als Ganzes, also einschließlich seiner zustimmungsfreien Bestandteile, der Zustimmung des Bundesrates.9 Bei verweigerter Zustimmung können auch die nicht zustimmungs- 1 BT-PlPrt. 19/160, S. 19957A (alle in der Ausarbeitung enthaltenen Verweise auf Internetfundstellen wurden zuletzt am 26. Mai 2020 abgerufen). 2 Vgl. BVerfGE 37, 363 (381). 3 BVerfGE 61, 149 (206). 4 Näher dazu Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 88. EL August 2019, Art. 77 Rn. 96 m.w.N. 5 Kersten, aaO; eine Auflistung der Artikel, die gegenwärtig eine Zustimmung des Bundesrates vorsehen, findet sich dort in Rn. 95. 6 BVerfGE 8, 274 (294 f.); 37, 363 (381); 55, 274 (319, 327). 7 Vgl. etwa Dittmann/Winkler, in: Sachs, GG, 8. Auflage 2018, Art. 84 Rn. 33. 8 So bspw. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL Oktober 2019, Art. 84 Rn. 140 ff.; Trute, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 84 Rn. 46 ff. mit starker Kritik an der Einheitsthese. 9 BVerfGE 1, 76 (79); 8, 274 (294 f.); 24, 184 (195); 37, 363 (381); 55, 274 (318 f.); 105, 313 (339). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 5 bedürftigen Teile des Gesetzes nicht in Kraft treten; andernfalls käme durch eine einseitige Entscheidung des Bundesrates ein vom Bundestag möglicherweise so nicht gewolltes „Teilgesetz“ zustande.10 Ist eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich, liegt ein Einspruchsgesetz vor.11 Ein solches kommt zustande, wenn der Bundesrat keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG auf Einberufung eines Vermittlungsausschusses stellt, keinen fristgemäßen Einspruch einlegt, diesen zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestag überstimmt wird (Art. 78 GG). 3. Inhalt des 8. FStrÄndG Durch die in Art. 1 des Entwurfs vorgesehene Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) „soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, wonach Betriebswege im Zuge von für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmten Bundesfernstraßen bedarfsabhängig so zu bauen und zu unterhalten sind, dass auf diesen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.“12 Der ursprüngliche Gesetzentwurf wurde auf einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen hin im Verkehrsausschuss hinsichtlich Art. 1 ergänzt und um sechs Artikel erweitert:13 In Art. 1 wurde zusätzlich eine Änderung des FStrG zur Erleichterung der Errichtung von Mobilfunkmasten entlang der Bundesfernstraßen aufgenommen. Durch Art. 2 Nr. 1 soll das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und durch Art. 3 die durch das Bundesministerium für Verkehr erlassene Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) so geändert werden, dass die Länder eine Ermächtigungsgrundlage erhalten, um die Gebührensätze für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel eigenständig regeln zu können. Mit Art. 2 Nr. 2 und 3 und Art. 4 sollen weitere Rechtsgrundlagen für den – auch automatisierten – Abruf und die Übermittlung von Daten aus dem Zentralen Fahrzeugregister im Zusammenhang mit der Überprüfung der Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (sog. Umweltbonus ) geschaffen werden. Durch die Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (BFStrMG) in Art. 5 soll die Befreiung von mit Erdgas betriebenen Fahrzeugen von der LKW-Maut über den 31. Dezember 2020 hinaus um drei Jahre bis zum 31. Dezember 2023 verlängert werden. 10 BVerfGE 8, 274 (294 f.). 11 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 88. EL August 2019, Art. 77 Rn. 95 f. 12 BT-Drs. 19/17290, S. 1 (Hervorhebung nur hier). 13 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss), BT- Drs. 19/19132, S. 4 ff. und 12 ff.; zum Änderungsantrag siehe S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 6 Art. 6 sieht eine Ergänzung von § 6 S. 2 Infrastrukturgesellschafterrichtungsgesetz (InfrGG) bezüglich der Beleihung einer Gesellschaft privaten Rechts für die Autobahnen in Bundesverwaltung mit Befugnissen zur Durchführung des StVG und auf diesem basierenden Rechtsverordnungen vor. Nach Art. 7 soll § 4 Abs. 1 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz (FStrBAG) hinsichtlich des Umfangs der auf das Fernstraßenbundesamt übertragbaren Aufgaben präzisiert werden. Art. 8 regelt das Inkrafttreten. 4. Zustimmungsbedürftigkeit des 8. FStrÄndG? Die Bundesregierung ging in ihrem Gesetzentwurf nicht von einer Zustimmungsbedürftigkeit aus.14 Der Bundestag hat das 8. FStrÄndG in der im o.g. Umfang erweiterten Ausschussfassung angenommen , die ebenfalls keine Zustimmung des Bundesrates vorsieht.15 So lautet die dem Inhalt des Gesetzes vorangestellte Eingangsformel: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen.“ Im Fall der Zustimmungsbedürftigkeit wäre die (noch erforderliche) Zustimmung des Bundesrates in der Eingangsformel erwähnt.16 Bislang liegen keine Drucksachen des Bundesrates vor, aus denen erkennbar ist, ob dieser nunmehr von einer Zustimmungsbedürftigkeit des stark erweiterten Gesetzes ausgeht. Der Bundesrat ist an die Bewertung der Bundesregierung und des Bundestages, ob ein Gesetz zustimmungsbedürftig ist, jedenfalls nicht gebunden. Die weitere Beratung des Gesetzes ist für die 990. Sitzung des Bundesrates am 5. Juni 2020 angesetzt.17 Auch der Bundespräsident prüft eigenständig, ob ein Gesetz nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen ist, bevor er dieses nach Gegenzeichnung (Art. 58 GG) ausfertigt und verkündet (Art. 82 Abs. 1 GG). Hat der Bundesrat zugestimmt, obwohl dies nicht erforderlich war, ist dies unschädlich. Im umgekehrten Fall darf der Bundespräsident ein Gesetz nicht ausfertigen, wenn dieses zustimmungsbedürftig ist und die Zustimmung des Bundesrats fehlt.18 4.1. Änderung des FStrG (Art. 1) Weder in Bezug auf die Öffnung der Betriebswege der Bundesfernstraßen für den öffentlichen Radverkehr noch in Bezug auf die Erleichterung der Errichtung von Mobilfunkmasten entlang von Bundesfernstraßen ergeben sich Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer Zustimmung des Bundesrats. 14 Vgl. die zunächst dem Bundesrat entsprechend Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG zugeleitete Gesetzesvorlage der Bundesregierung , BR-Drs. 11/20. 15 Siehe Fn. 1. 16 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 354. 17 Bundesrat, Tagesordnung der 990. Sitzung, TOP 8. 18 Pieper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, 1. Auflage 2016, § 40 Rn. 264. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 7 Die Bestimmungen unterfallen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Var. 3 GG („Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr“). Art. 74 Abs. 2 GG sieht nur für Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 und 27 GG eine Zustimmung des Bundesrates vor, nicht aber für die Regelungsmaterie des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. 4.2. Änderungen des StVG und der GebOSt im Zusammenhang mit Gebühren für Bewohnerparkausweise (Art. 2 Nr. 1 und Art. 3) Bislang ist eine Rahmengebühr von 10,20 bis 30,70 Euro pro Jahr für das „Ausstellen eines Parkausweises für Bewohner“ in Nr. 265 GebOSt geregelt. Die GebOSt stellt eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Verkehr dar, die auf der Ermächtigung in § 6a Abs. 2 (i.V.m. Abs. 3 und 4) StVG basiert. Um für Gebiete mit erheblichem Parkraummangel einen Gestaltungsspielraum für ortsangemessene Gebührenhöhen unter Einbeziehung des wirtschaftlichen Wertes des Bewohnerparkausweises zu schaffen,19 sieht Art. 2 Nr. 1 des Gesetzentwurfs die Einfügung eines neuen Abs. 5a in § 6 StVG vor: „Für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel können die nach Landesrecht zuständigen Behörden Gebühren erheben. Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. In den Gebührenordnungen können auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden. In den Gebührenordnungen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden.“ Gleichzeitig soll laut Art. 3 des Entwurfs § 6 GebOSt um einen Absatz 3 ergänzt werden: Die Gebühren-Nummer 265 der Anlage ist nicht anzuwenden, soweit 1. die Landesregierung eine Gebührenordnung nach § 6a Absatz 5a Satz 1 bis 4 des Straßenverkehrsgesetzes erlässt oder 2. diese Ermächtigung an einen anderen Rechtsträger nach § 6a Absatz 5a Satz 5 des Straßenverkehrsgesetzes weiter übertragen wird und soweit dieser auf dieser Grundlage eine Gebührenordnung erlässt.“ Auch wenn die GebOSt als Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wurde, begründet dies keine Zustimmungsbedürftigkeit des 8. FStrÄndG. Diese richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn durch Gesetz eine Rechtsverordnung 19 BT-Drs. 19/19132 (Fn. 9), S. 12 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 8 geändert werden soll, allein nach den für förmliche Gesetze geltenden Normen und nicht nach den speziellen Regelungen für Rechtsverordnungen in Art. 80 Abs. 2 GG.20 Der Bund besitzt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Var. 4 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die „Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“. Unabhängig von der Frage, ob auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen,21 ist nach Art. 74 Abs. 2 GG für konkurrierende Gesetzgebung des Bundes im Bereich von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG keine Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Gebührenbestimmungen fallen auch unter den Begriff des „Verwaltungsverfahrens“ im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG:22 Dessen Regelung obliegt nach S. 1 im Bereich der Landeseigenverwaltung den Bundesländern; der Bund ist aber unter den besonderen Vorgaben der S. 2 bis 7 ebenfalls zur Gesetzgebung befugt. Das konkrete Verhältnis von Art. 84 Abs. 1 zu den Gesetzgebungskompetenzen des Art. 70 ff. GG im Allgemeinen23 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG im Speziellen24 ist zwar bislang verfassungsgerichtlich nicht abschließend geklärt. Insbesondere die Frage, ob Art. 84 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Var. 4 GG modifiziert bzw. ergänzt, kann hier aber offen bleiben, da Art. 84 Abs. 1 S. 5 und 6 GG nur dann eine Zustimmungsbedürftigkeit anordnet, wenn der Bund in Ausnahmefällen wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln will. Mit Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 des 8. FStrÄndG wollte der Bund den Bundesländern aber gerade einen Gestaltungsspielraum eröffnen und gestattet diesen, Nr. 265 GebOSt anzuwenden oder durch Erlass eigener Gebührenordnungen davon abzuweichen. Mithin besteht keine Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 S. 5, 6 GG. 20 BVerfGE 114, 196 (240); mit den Anforderungen an Änderungen von Rechtsverordnungen durch Gesetz beschäftigt sich bereits der Sachstand der Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Mitwirkungsund Änderungsmöglichkeiten des Bundestages in Bezug auf Rechtsverordnungen. Die Sechste Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung“, WD 3 - 3000 - 154/19, S. 5 f. 21 Siehe zur Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für (allgemeine) Höchstsätze für Parkgebühren schon den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste, „Regelungskompetenz für Parkgebühren“, WD 3 - 3000 - 284/19 und „Fragen zur Kompetenz des Bundes hinsichtlich der Regelung von Parkgebühren. Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 284/19“, WD 3 - 3000 - 004/20. 22 BVerfGE 26, 281 (298) und ausführlich dazu auch BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014, Az.: 3 CN 1.13, juris Rn. 22 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung; Zweifel an der pauschalen Zuordnung von Gebühren zum Verwaltungsverfahren Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 84 Rn. 14 m.w.N. 23 Überblick bei Hermes, in: Dreier/Hermes, GG, 3. Auflage 2018, Art. 83 Rn. 20 ff. 24 Das BVerwG nennt in ständiger Rechtsprechung beide Artikel für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nebeneinander : BVerwG, Urteil vom 22. März 1979, Az.: VII C 65.75, juris Rn. 8 = BVerwGE 8, 93 ff.; 58, 326 (330) und sprach dem Land Niedersachsen nach der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG durch die Föderalismusreform im Jahr 2006 mit Urteilen vom 26. Juni 2014, Az.: 3 CN 1.13, 3 CN 2.13, 3 CN 3.13 und 3 CN 4.13, juris für Gebühren für übermäßige Straßenbenutzung eine Abweichungsbefugnis gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG von der GebOSt des Bundes zu (siehe 3 CN 1.13, juris Rn. 10 ff., 16 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 9 4.3. Verlängerung der Mautbefreiung für Erdgas-LKW (Art. 5) und Datenaustausch zur Überprüfung des Umweltbonus für elektrisch betriebene Fahrzeuge (Art. 2 Nr. 2 und 3, Art. 4) Grundlage der Erhebung der Maut für LKW ab 7,5 t ist das im Jahr 2011 geschaffene BFStrG.25 Die Befreiung von erdgasbetriebenen LKW von der Maut wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2019 in das BFStrMG eingefügt.26 Es handelte sich dabei jeweils um Einspruchsgesetze. Anders als bei der Einführung der PKW-Maut,27 hielt auch der Bundesrat seine Zustimmung nicht für erforderlich. Anhaltspunkte für eine Zustimmungsbedürftigkeit der Verlängerung der Ausnahme überwiegend erdgasbetriebener LKW von der Maut bis zum 31. Dezember 2023 sind nicht ersichtlich. Die in Art. 2 Nr. 2 und 3 und Art. 4 des 8. FStrÄndG enthaltenen Bestimmungen zum automatisierten Datenaustausch zur Überprüfung des Umweltbonus für elektrisch betriebene Fahrzeuge erfordern – soweit ersichtlich – ebenfalls keine Zustimmung des Bundesrates. 4.4. Änderung des InfrGG (Art. 6) und des FStrBAG (Art. 7) Gemäß § 6 S. 1 kann der Bund durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates eine Gesellschaft privaten Rechts mit Befugnissen für die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung der Bundesautobahnen beleihen. Auf dieser Grundlage wurde die „Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen mbH“ (IGA) errichtet, die seit Januar 2019 unter dem Namen „Die Autobahn GmbH des Bundes“ firmiert.28 Durch Art. 6 soll § 6 S. 2 InfrGG um einen Zusatz ergänzt werden, nach dem auch die Durchführung des StVG und auf diesem basierenden Rechtsverordnungen zu den übertragbaren Befugnissen gehören. Hintergrund ist, dass unter den Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 FStrBAG auch Aufgaben des Fernstraßenbundesamtes auf die Gesellschaft weiterübertragen werden können. Art. 7 soll ferner den Umfang der – durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates – auf das Fernstraßenbundesamt übertragbaren Aufgaben in § 4 Abs. 1 FStrBAG präzisieren.29 Das InfrGG und das FStrBAG wurden im Jahr 2017 als Art. 13 und 14 des Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen.30 Nach der Rechtsprechung 25 Gesetz zur Neuregelung mautrechtlicher Vorschriften für Bundesfernstraßen vom 12. Juli 2011, BGBl. I S. 1378. 26 Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 4. Dezember 2018, BGBl. I S. 2251. 27 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen, BT- Drs. 18/3990, S. 43 f. (Nummer 14 der Stellungnahme des Bundesrates). 28 Die Autobahn GmbH des Bundes, Jahresabschluss 31. Dezember 2018 (Stand: 6. Mai 2019), S. 9. 29 BT-Drs. 19/19132, S. 15. 30 BGBl. I 2017 Nr. 57 vom 17. August 2017 S. 3122. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 122/20 Seite 10 des Bundesverfassungsgerichts ist ein Gesetz, das ein – als Einheit31 im Ganzen – mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes Gesetz ändert, nicht allein aus diesem Grund zustimmungsbedürftig.32 Eine Zustimmungsbedürftigkeit besteht nur, „wenn das Änderungsgesetz selbst neue Vorschriften enthält, die ihrerseits die Zustimmungsbedürftigkeit auslösen. Gleiches gilt, wenn von der Änderung solche Regelungen des geänderten Gesetzes betroffen sind, die seine Zustimmungsbedürftigkeit begründet hatten.“33 § 4 InfrGG stellt ein Bundesgesetz im Sinne von Art. 90 Abs. 2 S. 6 GG zur Konkretisierung der Art. 90 Abs. 2 S. 1 bis 5 GG dar, wonach die Bundesautobahnen der Bundesverwaltung unterliegen und sich der Bund dafür auch einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen kann. Art. 90 Abs. 2 S. 6 GG sieht keine Zustimmung des Bundesrates für den Erlass oder die Änderung solcher konkretisierender Bundesgesetze vor. Eine Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich hinsichtlich Art. 6 des 8. FStrÄndG auch nicht aus der Übergangsvorschrift des Art. 143e Abs. 1 S. 2 GG, wonach der Bund die Umwandlung der bisherigen Auftragsverwaltung der Länder in Bundesverwaltung durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates regelt. Unter Umwandlung wird laut der Begründung zur Schaffung von Art. 143e GG insbesondere die Entflechtung der Verwaltungsaufgaben und der Übergang der Personal- und Sachmittel verstanden.34 Diese ist im Fernstraßen-Überleitungsgesetz (FernstrÜG) geregelt, das gemeinsam mit dem InfrGG und dem FStrBAG als Art. 15 des Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften beschlossen wurde. § 4 InfrGG und der diesen ändernde Art. 6 des 8. FStrÄndG regelt demgegenüber keine Fragen der Umwandlung,35 sondern die allgemeinen Grundsätze, nach denen sich der Bund bei der Bundesverwaltung der Autobahnen einer privaten Gesellschaft bedienen kann. Das Zustimmungserfordernis des Art. 143e Abs. 1 S. 2 GG dürfte daher nicht einschlägig sein. Die Errichtung von selbstständigen Bundesoberbehörden wie dem Fernstraßenbundesamt bedarf – anders als die Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden – gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG keiner Zustimmung des Bundesrates. Die Errichtung umfasst auch die Bestimmung der Aufgaben der Behörde.36 Gleiches gilt für die Änderung oder Konkretisierung der Aufgaben. 5. Zusammenfassung Nach summarischer Prüfung ergeben sich keine Hinweise auf eine Zustimmungsbedürftigkeit des 8. FStrÄndG. *** 31 Zur Einheitstheorie bzw. Einheitsthese siehe schon oben unter 2. 32 BVerfGE 37, 363 (382 f.). 33 BVerfGE 37, 363 (383). 34 BR-Drs. 769/16, S. 16. 35 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 143e Rn. 6. 36 Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL Oktober 2019, Art. 87 Rn. 277 m.w.N.