© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 121/16 Jagd mit halbautomatischen Waffen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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SL-Büchse-2 Schuss“). Er würde die Waffe bei der Jagdausübung nur mit einem Zwei-Schuss-Magazin verwenden; doch wolle er sie für das sportliche Schießen und zur Übung jagdlicher Disziplinen mit einem größeren Magazin benutzen. Die zunächst nur streitbefangene Frage, ob der Zusatz „2-Schuss“ waffenrechtlich zulässig ist, führte im Rahmen der Revision zu der grundsätzlichen Frage, ob halbautomatische Waffen mit einer größeren Magazinkapazität von zwei Schuss überhaupt zulässige Jagdwaffen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Waffengesetz (WaffG) sind. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Zulässigkeit solcher Waffen mit der Begründung , die Regelung in § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG verbiete nicht nur die konkrete Verwendung von halbautomatischen Waffen mit mehr als zwei Schuss bei der Jagdausübung, sondern untersage schon den Besitz solcher halbautomatischer Waffen, die für die Verwendung größerer Magazine geeignet sind (austauschbare Magazine). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG. Verbietet es die Regelung, halbautomatische Waffen mit mehr als zwei Schuss Magazinkapazität bei der Jagdausübung zu verwenden (Verwendungsverbot) oder verbietet sie es, solche Waffen zu Jagdzwecken zu besitzen (Besitzverbot)? Unabhängig von den hier nicht zu prüfenden Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sollen im Folgenden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Auslegung der einschlägigen waffengesetzlichen Vorschriften dargestellt werden. In Bezug auf die Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG als Besitzverbot schließt sich die Frage nach dem weiteren Umgang mit den „Bestandswaffen“, d.h. mit den halbautomatischen Waffen, für die bereits waffenrechtliche Erlaubnisse erteilt wurden, an. 2. Jagdverbot mit halbautomatischen Waffen mit mehr als zwei Schuss Der Umgang mit Waffen und Munition bedarf nach § 2 Abs. 2 WaffG der Erlaubnis. Der Umgang mit Waffen umfasst nach § 1 Abs. 3 WaffG u.a. den Erwerb, den Besitz von und das Schießen mit Waffen. Zu den erlaubnispflichtigen Waffen gehören nach § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. der Anlage 2 (Waffenliste) Abschnitt 2 und Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2 zum WaffG die hier fraglichen halbautomatischen Schusswaffen.2 In Bezug auf die Erlaubniserteilungen für den Erwerb und den Besitz von Waffen (Waffenbesitzkarte) sowie für das Schießen mit Waffen (Erlaubnisschein) nach § 10 Abs. 1 und 5 WaffG gelten für Jäger nach § 13 WaffG Sonderregelungen. Inhaber eines gültigen Jahresjagdscheins bedürfen zum Erwerb von Jagdwaffen keiner Erlaubnis, § 13 Abs. 3 S. 1 WaffG. Ferner dürfen Jäger mit Jagdwaffen zur befugten Jagdausübung ohne Erlaubnis schießen, 1 BVerwG, Urteil vom 07.03.2016 - 6 C 60/14 -, juris. 2 Danach sind halbautomatische Waffen Schusswaffen, die nach Abgabe eines Schusses selbsttätig erneut schussbereit werden, bei einmaliger Betätigung des Abzuges oder einer anderen Schussauslösevorrichtung jeweils aber nur einen Schuss abgeben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/16 Seite 4 § 13 Abs. 6 S. 1 WaffG. Erforderlich ist aber die Eintragung erworbener Jagdwaffen in die Waffenbesitzkarte nach § 13 Abs. 3 S. 2 WaffG. Der Nachweis des für die Erlaubniserteilung nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG erforderlichen Bedürfnisses für den Waffenbesitz setzt für Jäger u.a. voraus, dass es sich um zulässige Jagdwaffen im Sinne des Bundesjagdgesetzes handelt, § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Eine ausdrückliche Liste der zulässigen bzw. unzulässigen Jagdwaffen enthält das Bundesjagdgesetz nicht. Geregelt sind in § 19 BJagdG aber „sachliche Verbote“. Verboten ist es gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG, „auf Wild mit halbautomatischen Waffen, die mehr als zwei Patronen in das Magazin aufnehmen können, zu schießen“. Legt man dieses Verbot so aus, dass es halbautomatische Waffen mit größerer Magazinkapazität als zwei Schuss generell verbietet, scheidet eine Erlaubniserteilung für den Besitz solcher Waffen nach § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG aus. Sieht man in § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG lediglich ein Verbot, halbautomatische Waffen mit größerer Magazinkapazität als zwei Schuss konkret bei der Jagd zu verwenden, kommt eine Erlaubniserteilung für den Besitz solcher Waffen in Betracht. 3. Einfachgesetzliche Auslegungsmöglichkeiten des Jagdverbots 3.1. Jagdverbot als Verwendungsverbot Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG ist das Schießen auf Wild mit halbautomatischen Waffen, die mehr als zwei Patronen in das Magazin aufnehmen können, verboten. Man kann diese Vorschrift so auslegen, dass allein das „Schießen auf Wild“ mit einer größeren Magazinkapazität als zwei Schuss vom Verbot umfasst sein soll. Damit wäre lediglich eine bestimmte Verwendung der halbautomatischen Waffen verboten, nicht aber die Waffenart als solche. In diesem Sinne versteht das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) die Vorschrift in § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG als Verbot einer bestimmten Verwendung von halbautomatischen Waffen, nämlich dem „Schießen auf Wild mit Magazinen, die eine Kapazität von mehr als zwei Patronen haben“.3 Zur Begründung verweist das OVG NRW darauf, dass halbautomatische Waffen üblicherweise mit Magazinen unterschiedlicher Kapazität verwendet und die Magazine fortlaufend ausgewechselt würden. Die Beschränkung auf zwei Schuss Magazinkapazität könne daher kein Verbot der Waffe selbst sein.4 3.2. Jagdverbot als Besitzverbot Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG lässt aber auch die Auslegung zu, dass eine bestimmte Waffenart, nämlich die der halbautomatischen Waffen mit größerer Magazinkapazität als zwei 3 OVG NRW, Urteil vom 24.09.2014 - 20 A 1347/12 -, juris, Rn. 32. Nach diesem Urteil so nun auch Papsthart, in: Steindorf, Waffenrecht (10. Aufl., 2015), Rn. 5 zu § 13 WaffG. 4 OVG NRW (Fn. 3), Rn. 32 ff. (Hervorhebung nicht im Original). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/16 Seite 5 Schuss, unzulässig sein soll. Anknüpfungspunkt für diese auf die Beschaffenheit der halbautomatischen Waffen abstellende Auslegung ist die Formulierung: „Waffen, die mehr als zwei Patronen in das Magazin aufnehmen können“. In diesem Sinne versteht das BVerwG das Jagdverbot als ein Verbot von Waffen mit näher bezeichneten Eigenschaften und nicht als Verwendungsverbot.5 Zur Begründung verweist das BVerwG auf den Normzweck des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG: „Es liegt auf der Hand, dass das Verbot sicherstellen soll, dass Tiere unter Beachtung der allgemein anerkannten Anforderungen an eine waidgerechte Jagd erlegt werden. Die Waidgerechtigkeit fordert, dass ein Tier nicht unnötig leidet. Daher soll es möglichst mit dem ersten Schuss getötet werden; ‚Dauerbeschuss‘ gilt es zu vermeiden. Um die Beachtung dieser jagdethischen Vorgabe mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten, ist es geboten, für die Reichweite des Verbots auf die abstrakte Verwendungsmöglichkeit einer halbautomatischen Schusswaffe abzustellen. In diese Richtung weist auch der waffengesetzliche Grundsatz der Gefahrenvorsorge. Es ist ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers, das Risiko einer nicht sachgerechten Verwendung von Schusswaffen durch vorbeugende Maßnahmen soweit als möglich zu minimieren (…).“6 Darüber hinaus habe der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG den Beitritt zu internationalen Artenschutzabkommen ermöglichen wollen. Das insoweit einschlägige Berner Abkommen verbiete die Verwendung von Mitteln, die zum wahllosen Fangen und Töten geeignet seien, worunter auch halbautomatische Waffen fielen, deren Magazin mehr als zwei Patronen aufnehmen könnten.7 Die jagdgesetzliche Unzulässigkeit von halbautomatischen Waffen mit größerer Magazinkapazität führt nach Auffassung des BVerwG gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zu einem generellen Besitzverbot. Das Besitzverbot umfasse auch das Training im jagdlichen Schießen. 4. Verfassungsrechtliche Vorgaben Eine objektiv fehlerhafte Auslegung des einfachen Rechts durch die Verwaltung und in der Folge durch die Fachgerichte verstößt nicht als solche gegen Verfassungsrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine fehlerhafte Auslegung des einfachen Rechts erst dann 5 BVerwG (Fn. 1), Rn. 12: „Die inhaltliche Reichweite dieses Verbotstatbestands ist nicht darauf beschränkt, Jägern als Verhaltenspflicht aufzugeben, mit halbautomatischen Schusswaffen nur dann auf Wild zu schießen, wenn sie ein nur zwei Patronen fassendes Magazin eingelegt haben. Vielmehr dürfen sie mit halbautomatischen Waffen, die auch für ein größeres Patronenmagazin geeignet sind, die Jagd nicht ausüben. Das Einlegen eines Magazins mit einer Kapazität von nur zwei Patronen führt nicht dazu, dass mit der halbautomatischen Waffe auf Wild geschossen werden darf.“ So auch, Heller/Soschinka, Waffenrecht (3. Aufl., 2013), Rn. 1360 f., allerdings ohne weitere Begründung und Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht (9. Aufl., 2015), Rn. 5 zu § 13 WaffG. 6 BVerwG (Fn. 1), Rn. 16. 7 BVerwG (Fn. 1), Rn. 17. Vgl. dazu den Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes in BT-Drs. 7/4285, 14: „Durch die Einfügung von Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe c soll der Bundesrepublik Deutschland der Beitritt zu bestehenden oder in Vorbereitung befindlichen internationalen Konventionen über den Artenschutz ermöglicht werden.“ Siehe ferner Anhang IV zum Berner Abkommen (BGBl. II 1984, 618 ff.), wonach eine „halbautomatische oder automatische Waffen, deren Magazin mehr als zwei Patronen aufnehmen kann“ zu den verbotenen Mitteln des Tötens im Sinne des Art. 8 Berner Abkommen gehört. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/16 Seite 6 verfassungsrechtlich relevant, wenn sie unter Missachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung8 oder unter Verkennung der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte erfolgt.9 Fraglich ist, ob die hier erörterten Auslegungsvarianten der waffengesetzlichen Vorschriften solche Verfassungsrechtsverletzungen begründen. 4.1. Verfassungsrechtliche Grenzen der Auslegung Die verfassungsrechtlichen Grenzen für die Auslegung des einfachen Rechts ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Rechtsstaatsprinzip erfordert in Bezug auf die Auslegung des einfachen Rechts, dass sich der Richter nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entzieht, sondern die gesetzgeberischen Grundentscheidungen respektiert und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringt.10 Die hiernach zulässige richterliche Rechtsfortbildung überschreitet jedoch die Grenzen des Rechtsstaatsprinzips, wenn die Interpretation „den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird“ (unzulässige richterliche Rechtsfortbildung).11 Überdies kommt ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht, wenn die Auslegung „unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist“ und sich der Schluss aufdrängt, dass die Auslegung „auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht“.12 Die Auslegungsvarianten des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG sowohl als Verwendungsverbot als auch als Besitzverbot von halbautomatischen Waffen mit einer Magazinkapazität mit mehr als zwei Schuss überschreiten die dargestellten verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung des einfachen Rechts nicht. Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG lässt – wie vom OVG NRW vertreten – die Annahme eines bloßen Verwendungsverbotes der halbautomatischen Waffe mit größerer Magazinkapazität als zwei Schuss für die Jagdausübung zu. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Vielmehr enthält der Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG – wie vom BVerwG vertreten – auch Hinweise darauf, dass halbautomatische Waffen, die nach ihrer Beschaffenheit mehr als zwei Schuss aufnehmen können, jagdgesetzlich unzulässig sind. Dass halbautomatische Waffen üblicherweise mit auswechselbaren Magazinen betrieben werden, schließt eine Auslegung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG als Besitzverbot dabei nicht aus. Es gibt keine zwingenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Verwendung gerade von halbautomatischen Waffen mit auswechselbaren Magazinen für Jagdzwecke gewährleisten wollte, zumal halbautomatische Waffen mit einer auf zwei Schuss begrenzten Magazinkapazität auch 8 Vgl. dazu BVerfGE 128, 193, 209 m.w.N.; Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz (1. Aufl., 2013), Rn. 257 f. zu § 90. 9 Vgl. BVerfGE 111, 366, 372 m.w.N.; Lenz/Hansel (Fn. 8), Rn. 254 f. zu § 90. 10 BVerfGE 128, 193, 210. 11 BVerfGE 128, 193, 210. 12 Vgl. BVerfG NJW 2011, 3217 f. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/16 Seite 7 (noch) gebräuchlich sind.13 Ferner können für die Auslegung als Besitzverbot Argumente zum Normzweck und zur Entstehungsgeschichte herangezogen werden. Unabhängig von der „richtigen“ Auslegung des einfachen Rechts bleibt für die verfassungsrechtliche Bewertung jedenfalls festzuhalten, dass beide Auslegungsvarianten weder eine unvertretbare noch eine willkürliche Auslegung der einschlägigen waffenrechtlichen Vorschriften darstellen. 4.2. Bedeutung der Grundrechte Bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts ist die Bedeutung der Grundrechte zu berücksichtigen. Eine spezifische Verfassungsrechtsverletzung liegt vor, wenn die Auslegung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruht. Eine solche grundsätzlich unrichtige Anschauung ist anzunehmen, wenn die Auslegung „die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt“.14 Die hier fragliche Auslegung betrifft den Besitz an und die Verwendung von halbautomatischen Waffen mit mehr als zwei Schuss Magazinkapazität. Der Besitz und die Nutzungen des Eigentums fallen in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Allerdings sind Einschränkungen durch gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung – wie hier in Form der waffenrechtlichen Vorschriften – möglich. Während die Auslegungsvariante des OVG NRW nur die Verwendungsmöglichkeit der halbautomatischen Waffen mit mehr als zwei Schuss Magazinkapazität betrifft, schließt die Annahme eines generellen Besitzverbots den Besitz und jegliche Verwendungsmöglichkeit aus. Die strengere Auslegung – wie vom BVerwG vertreten – erweist sich aber nicht schon deswegen als unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Eigentumsgrundrechts, als eine weniger eingriffsintensive Auslegung möglich ist. Die Verhältnismäßigkeit eines generellen Besitzverbots ergibt sich vielmehr aus der Abwägung mit den zu schützenden Rechtsgütern. Insoweit kann – wie sich auch aus der Argumentation des BVerwG ergibt – auf den verfassungsrechtlich geschützten Tierschutz (Art. 20a GG) sowie auf die Gefahrenvorsorge verwiesen. Im Verhältnis zu den Gefahren durch eine missbräuchliche Verwendung der halbautomatischen Waffen mit mehr als zwei Schuss Magazinkapazität für Tier und Mensch erweist sich die Beschränkung der eigentumsgrundrechtlich geschützten Besitz- und Verwendungsrechte als angemessen. Die Auslegung der hier einschlägigen waffenrechtlichen Vorschriften als generelles Besitzverbot an halbautomatischen Waffen mit größerer Magazinkapazität als zwei Schuss beruht damit nicht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts. Dass die betroffenen Jäger angesichts einer anderen Verwaltungspraxis auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes und der Verwendungsmöglichkeit in Bezug auf halbautomatische Waffen mit einer größeren Magazinkapazität als zwei Schuss vertraut haben mögen, betrifft nicht die Auslegung der §§ 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, 19 Abs. 1 Nr. 2 c) BJagdG als solche, sondern den weiteren Umgang mit den für diese Waffen erteilten Waffenerlaubnissen („Bestandswaffen“). 13 In diese Richtung Heinrich, in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht (10. Aufl. 2015), Rn. 5 zu § 13 WaffG, der darauf verweist, dass moderne halbautomatische Waffen meist wechselbare Magazine hätten. 14 BVerfGE 111, 266, 373. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/16 Seite 8 5. Umgang mit „Bestandswaffen“ Die hier behandelte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entfaltet Rechtskraftwirkungen zwar nur für den konkret entschiedenen Fall im Verhältnis zu den Beteiligten (§ 121 Verwaltungsgerichtsordnung ). Gleichwohl kommt ihr im Hinblick auf die entschiedenen grundsätzlichen Rechtsfragen Präjudizwirkung zu mit der Folge, dass Verwaltung und Verwaltungsgerichte ihre Rechtsanwendung entsprechend anpassen dürften, falls keine neuen Tatsachen oder neue Rechtserkenntnisse entgegenstehen. Bei Rechtskraft des bundesverwaltungsgerichtlichen Urteils werden neue waffenbesitzrechtliche Erlaubnisse in vergleichbaren Fällen wohl nicht mehr erteilt werden. In Bezug auf bereits erteilte Waffenerlaubnisse stellt sich die Frage nach ihrer Aufhebung. Bei der waffenrechtlichen Besitzerlaubnis handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Aufhebung richtet sich allerdings nicht nach den allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern zur Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 48, 49 VwVfG). Vielmehr verdrängt die speziellere Vorschrift des § 45 WaffG die allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze .15 Vorliegend kommt die Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse nach § 45 Abs. 1 WaffG in Betracht. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, „wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen“. Maßgeblich ist, ob bei der Erteilung gegen zwingendes Recht verstoßen wurde, und zwar unabhängig davon, ob der Verstoß auf einem Tatsachen- oder Rechtsirrtum beruht.16 Die Rücknahme ist – im Gegensatz zur Rücknahme nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften – zwingend. Damit wird der sicherheitspolizeilichen Zielsetzung des Waffengesetzes Rechnung getragen.17 Der abschließende Charakter der spezielleren Rücknahmeregelungen in § 45 WaffG hat ferner zur Folge, dass ein Rückgriff auf die Frist- und Entschädigungsregelungen in § 48 Abs. 3 S. 1 VwVfG des Bundes und der Länder ausscheidet.18 Ende der Bearbeitung 15 Siehe Gerlemann, in; Steindorf, Waffenrecht (10. Aufl., 2015), Rn. 1 zu § 1 WaffG. 16 Vgl. Gerlemann (Fn. 15), Rn. 5 zu § 45 WaffG. 17 Siehe Heller/Soschinka (Fn. 5), Rn. 982. 18 Zum abschließenden Charakter des § 45 WaffG Gerlemann (Fn. 15), Rn. 1 zu § 1 WaffG; Heller/Soschinka (Fn. 5), Rn. 984.