© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 121/15 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Einrichtung eines Kinderbeauftragten beim Bundestag Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/15 Seite 2 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Einrichtung eines Kinderbeauftragten beim Bundestag Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 121/15 Abschluss der Arbeit: 21.05.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/15 Seite 3 1. Einleitung Vor dem Hintergrund einer Petition zur Einsetzung eines Kinder- und Jugendbeauftragten durch den Bundestag1 wird darum gebeten, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung eines Kinderbeauftragten beim Bundestag zu erörtern sowie thematisch einschlägige Informationen/Materialien zusammenzutragen. 2. Regelungsvielfalt Für die Einrichtung eines Kinderbeauftragten gibt es kein feststehendes Muster. Weder die Rechtsstellung eines Kinderbeauftragten noch seine Aufgaben und Befugnisse sind begrifflich vorbestimmt. Vielmehr sind verschiedene konzeptionelle Ausgestaltungen denkbar. Ein öffentlich-rechtlich Beauftragter fungiert typischerweise als Überwachungs-, Beschwerde- und Beratungsinstanz sowie als Vertreter bestimmter Interessen.2 Zur Wahrnehmung dieser Funktionen ist die Verleihung einer (gewissen) unabhängigen Rechtsstellung sowie die Einräumung bestimmter Befugnisse denkbar (z.B. Akteneinsichtsrechte, Teilnahmebefugnisse an Sitzungen inkl. Rede- und Anhörungsrechte, Abgabe von Stellungnahmen, Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren, Öffentlichkeitsarbeit). Ein öffentlich-rechtlicher Beauftragter in diesem Sinne könnte zum Schutz von Kinderrechten und Kinderinteressen konzipiert werden (Kinderbeauftragter3). Die organisatorische Anbindung kann – wie das Beispiel des Kinderbeauftragten in Sachsen-Anhalt zeigt4 – bei der Exekutive erfolgen5 oder – wie vorliegend angestrebt – bei der Legislative. Ein bei der Legislative angesiedelter Kinderbeauftragte könnte die bisherige Kinderschutzeinrichtung des Bundestages, die als Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingerichtete Kinderkommission, ergänzen. 3. Regelungsvorschläge Die Einrichtung eines Kinderbeauftragten wird vielfach mit der UN-Kinderrechtskonvention in Verbindung gebracht, eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Einrichtung von Kinderbeauftragten 1 Vgl. Petition 57180, Einsetzung einer/eines Kinder- und Jugendbeauftragten im Deutschen Bundestag (29.01.2015), abrufbar unter: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2015/_01/_29/Petition_57180.html. 2 Franke-Wöller, Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nach polnischem Vorbild (2009), 353 ff. m.w.N. 3 Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung „Kinderombudsmann“, siehe Franke-Wöller (Fn. 2), 20. 4 Vgl. dazu den Internetauftritt des Kinderbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt, abrufbar unter: http://www.sachsen-anhalt.de/lj/politik-und-verwaltung/landesbehoerden/landesbeauftragte/kinderbeauftragter /kinderbeauftragter/; zu Kinderbeauftragten auf Landesebene siehe auch Franke-Wöller (Fn. 2), 322 ff. 5 Vgl. dazu Jeand‘Heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote zum Wohl des Kindes und staatliche Interventionspflichten aus der Garantienorm des Art. 6 Abs.2 Satz 2 GG (1993), 262 ff.; Franke-Wöller (Fn. 2), 371 f.; allgemein zu Beauftragten der Exekutive , Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 282/10). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/15 Seite 4 folgt aus ihr allerdings nicht.6 Die Vorschläge zur Einrichtung eines Kinderbeauftragten auf Bundesebene sind vielfältig. So forderten beispielsweise der Kinderschutzbund Deutschland und UNICEF Deutschland im Jahr 2010 die Eirichtung eines Kinderbeauftragten bei der Bundesregierung .7 Ein Gesetzentwurf aus dem Jahr 1998 hingegen war darauf gerichtet, einen Kinderbeauftragten beim Bundestag einzurichten. Dieser sollte die Tätigkeit der Kinderkommission verstärken und – als unabhängige Institution – u.a. die „Überwachung der aktuellen anstehenden Gesetzesvorhaben “ gewährleisten sowie „in Einzelfällen für Klärung und Hilfe sorgen“.8 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird ebenfalls ein parlamentarischer Kinderbeauftragter empfohlen, und zwar nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten des Bundestages.9 4. Kinderbeauftragter beim Bundestag 4.1. Regelungsebene Die Einrichtung eines Kinderbeauftragten beim Bundestag könnte, wie im Gesetzentwurf aus dem Jahr 1998 vorgeschlagen, durch bundesgesetzliche Regelung erfolgen.10 Wird eine dem Wehrbeauftragten des Bundestages vergleichbare Stellung angestrebt, könnte auch eine verfassungsrechtliche Verankerung des Kinderbeauftragten, z.B. in einem Art. 45d GG, erfolgen. Nach der für den Wehrbeauftragten gewählten Regelungstechnik könnte sich die verfassungsrechtliche Verankerung darauf beschränken, die Rahmenbedingungen des Kinderbeauftragten, also seine Existenz, seine Stellung als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle sowie seine allgemeine Funktion zum Schutz von Kindern festzulegen und die weitere Ausgestaltung einer bundesgesetzlichen Regelung vorzubehalten.11 Die insoweit vorzunehmende Verfassungsänderung müsste den Anforderungen des Art. 79 GG genügen und dürfte insbesondere die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten änderungsfesten Grundsätze nicht berühren. Ein auf die genannten 6 Vgl. , Zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland, Kurzinformation des Fachbereichs WD 2 Nr. 088/15. 7 Siehe dazu den Internetauftritt des Deutschen Kinderschutzbundes unter: http://www.dksb.de/Content/shownews .aspx?news=48. 8 BT-Drs. 13/10880. Laut parlamentarischem Informationsdienst liegen zu diesem Gesetzentwurf keine weiteren Dokumente vor. 9 Franke-Wöller (Fn. 3), 377 und Jeand‘Heur (Fn. 5), 269 ff. 10 BT-Drs. 13/10880. 11 Vgl. die entsprechenden Formulierungsvorschläge bei Jeand‘Heur (Fn. 5), 271 Fn. 81: „Als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle, insbesondere bei der Wahrnehmung des der staatlichen Gemeinschaft überantworteten Wächteramtes zum Schutze des Kindeswohls, wird ein Kinderbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“; Franke-Wöller (Fn. 2), S. 374 Fn. 1037: „Als Hilfsorgan des Bundestages bei der parlamentarischen Kontrolle, insbesondere zum Schutz der Grundrechte und des Kindeswohls , wird ein Kinderrechtsbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/15 Seite 5 allgemeinen Rahmenbedingungen beschränkter verfassungsrechtlicher Regelungsgehalt begegnet insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 4.2. Inhaltliche Ausgestaltung Soweit mit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Kinderbeauftragten keine abweichenden Regelungen einhergehen,12 sind bei der inhaltlichen (einfachgesetzlichen) Ausgestaltung des Kinderbeauftragten insbesondere die grundgesetzliche Gewaltentrennung zwischen Legislative und Exekutive (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) sowie die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 20 Abs. 1 GG) zu beachten. 4.2.1. Gewaltentrennung Ein Kinderbeauftragter als Hilfsorgan des Bundestages kann im Hinblick auf die Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) nicht mehr Befugnisse besitzen als das Parlament selbst. Dem Kinderbeauftragten können daher „lediglich“ Aufgaben und Befugnisse zugewiesen werden, die das Gesetzgebungsverfahren sowie die parlamentarischen Kontrolle betreffen. Darüber hinausgehende Befugnisse, z.B. Weisungs-, Beanstandungs- oder Sanktionsrechte, die in die Entscheidungen der Exekutive eingreifen, könnten dem Kinderbeauftragten des Bundestages – im Gegensatz zu Beauftragten der Bundesregierung – nicht zukommen.13 4.2.2. Kompetenzen des Bundes Während sich die Aufgaben des Wehrbeauftragten des Bundestages ausschließlich auf Bereiche beziehen, die in die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit des Bundes fallen (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG, Art. 87a GG), gestaltet sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern in den die Kinderrechte und Kinderinteressen betreffenden Bereiche schwieriger. Auf Seiten des Bundes kann insoweit auf eine konkurrierende Bundeskompetenz zur Regelung der „öffentlichen Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) verwiesen werden, die auch den Kinder- und Jugendschutz umfasst,14 in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt beispielsweise das Schulrecht. Darüber hinaus liegt die Kompetenz zur Ausführung von Bundesgesetzen grundsätzlich bei den Ländern (Art. 84, 85 GG). Die Aufgaben und Befugnisse eines Bundeskinderbeauftragten müssten unter Wahrung dieser Zuständigkeitsverteilung konkretisiert werden.15 Eine Begleitung der 12 Vgl. dazu den Vorschlag von Franke-Wöller (Fn. 2), 385, in der verfassungsrechtlichen Regelung zum Kinderbeauftragten eine Handlungserweiterung gegenüber Behörden der Länder durch staatsvertragliche Vereinbarung vorzusehen. 13 Dazu Franke-Wöller (Fn. 2), 381; Jeand‘Heur (Fn. 5), 272. 14 Degenhart, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 36 zu Art. 74. 15 Treffend insoweit die Formulierung von Jeand‘Heur (Fn. 5), 274: „Dort wo die Gesetzgebungs-bzw. Verwaltungstätigkeit der Länder und ihrer Behörden beginnt, endet das Aufgabenfeld des Bundesbeauftragten. An seine Stelle tritt dann gegebenenfalls der Landeskinderbeauftragte.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/15 Seite 6 Ländergesetzgebung oder eine Kontrolle der Länderverwaltung durch einen Bundeskinderbeauftragten würde also ausscheiden. Eine Begleitung der Bundesgesetzgebung sowie eine Kontrolle der Bundesregierung und Bundesbehörden wären hingegen möglich.16 4.2.3. Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse Verfassungsrechtliche Bedenken, die Rechtsstellung des Kinderbeauftragten nach dem Vorbild des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBeauftrG) auszugestalten und dementsprechend z.B. die Wahl (§ 14 WBeauftrG), den Status (§ 15 Abs. 1 WBeauftrG) sowie die Weisungsfreiheit (§ 5 Abs. 2 WBeauftrG) des Kinderbeauftragten zu regeln, bestehen nicht. Auch vergleichbare Regelungen z.B. zum Eigeninitiativrecht (§ 1 Abs. 3 WBeauftrG), zu Informationsbeschaffungsrechten (§ 3 Nr. 1 WBeauftrG), zu Hinweisrechten gegenüber Behörden (§ 3 Nr. 2 WBeauftrG) sowie zum (zusätzlichen) Petitionsrecht (§ 7 WBeauftrG) kommen in Betracht. Über die Regelungen im WBeauftrG hinaus wird vorgeschlagen, dem Kinderbeauftragten umfassende Befugnisse zur Öffentlichkeitsarbeit17 sowie zur Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren einzuräumen.18 5. Weiterführende Links/Literaturhinweise - Links: Europäisches Kinderombudsmann-Netzwerk (ENOC): http://enoc.eu/ UNICEF - Ombudswork for children: http://www.unicef-irc.org/publications/pdf/digest1e.pdf Netzwerk Kinderrechte: http://www.netzwerk-kinderrechte.de/ - Zur Einrichtung von Kinderbeauftragten aus sozialwissenschaftlicher Perspektive: Arnold/Wüstendörfer, Auf der Seite der Kinder-Kinderbeauftragte in Deutschland (1994) - Zum öffentlich-rechtlich Beauftragten: Franke, Ein Ombudsmann für Deutschland? (1999) Krepold, Der öffentlich-rechtliche Beauftragte (1992) 16 Siehe dazu auch Franke-Wöller (Fn. 2), 382. 17 Franke-Wöller (Fn. 2), 391 ff. 18 Franke-Wöller (Fn. 2), 393 ff.; Jeand‘Heur (Fn. 5), 274 ff.