© 2013 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 121/13 Klagemöglichkeiten gegen ein Ministerium Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 2 Klagemöglichkeiten gegen ein Ministerium Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 121/13 Abschluss der Arbeit: 5. Juli 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Klagemöglichkeiten 4 2.1. Rechtsweg 4 2.2. Normenkontrollverfahren 4 2.3. Leistungsklage 5 2.3.1. Klagebefugnis 5 2.3.1.1. Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Espoo- Konvention 5 2.3.1.1.1. Information über das geplante Vorhaben 6 2.3.1.1.2. Beteiligung der Öffentlichkeit 6 2.3.1.1.3. Zwischenergebnis 6 2.3.1.2. Grenzüberschreitende UVP gemäß § 9b UVPG 7 2.4. Klage nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz 8 2.4.1. Zulässigkeit der Verbandsklage 8 2.4.2. Begründetheit der Verbandsklage 9 3. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 4 1. Einleitung Am Standort Hinkley Point (Großbritannien) sollen zwei neue Reaktoren errichtet werden. Die Bundesregierung wurde über dieses Bauvorhaben im Oktober 2010 unterrichtet, hat aber keine Notifizierung gemäß der Espoo-Konvention erhalten. Die britische Regierung und auch die EU- Kommission sind zu dem Ergebnis gekommen, dass durch das Vorhaben nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen auf Nachbarstaaten zu rechnen sei. Großbritannien hat aber die Republik Österreich nach der Espoo-Konvention beteiligt, die im März 2013 ihre Stellungnahme abgeben hat.1 Die schriftliche Aufforderung an den zuständigen Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Großbritannien auch um eine grenzüberschreitende Beteiligung der deutschen Bevölkerung zu ersuchen, wurde mit Verweis auf die Prüfungen der britischen Regierung und der EU-Kommission zurückgewiesen. Vorliegend sollen die Klagemöglichkeiten gegen das Nichthandeln des genannten Ministeriums im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung aufgezeigt werden. 2. Klagemöglichkeiten 2.1. Rechtsweg Nach § 40 VwGO ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Das »Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen«,2 das 1991 im finnischen Espoo von der Mehrheit der Mitgliedstaaten der UNECE unterzeichnet wurde, gilt für Projekte, die grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben können. Der Schwerpunkt des Übereinkommens ist die Verfahrensbeteiligung der voraussichtlich betroffenen Staaten. Klagebegehren ist, das Bundeministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu verpflichten, eine offizielle Notifizierung Deutschlands durch Großbritannien für das Erweiterungsvorhaben Reaktor Hinkley Point C zu einzufordern und so die Beteiligung der deutschen Bevölkerung an der Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) zu erreichen. Es handelt sich bei den UVP des Espoo-Konvention um besondere grenzüberschreitende Verfahrensregeln, mithin ist ein Streit um ihre Nichtdurchführung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. 2.2. Normenkontrollverfahren Bei einem Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO entscheidet das Gericht über Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden, und über Rechtsvorschriften unterhalb des Landesrechts, wie Verordnungen und Satzungen.3 Er ist aber nicht die statthafte Klage- 1 Nachzulesen: http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/espooverfahren/espoo_uk/uvpkkwhinkleypoint/, letzter Aufruf: 27.6.2013. 2 Übereinkommen vom 25.2.1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, umgesetzt durch das Espoo-Vertragsgesetz vom 7.6.2002, BGBl, II 2002, S. 1406 ff. sowie das Zweite Espoo- Vertragsgesetz vom 17.3.2006, BGBl. II 2006, S. 224 ff. 3 Giesberts, in Beck‘scher Online Kommentar, VwGO, § 47 Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 5 art bei Landesgesetzen, ausländischem Recht sowie normenkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften , Richtlinien und Entscheidungen, die keine Außenrechtswirkung aufweisen.4 Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat hier abgelehnt, Großbritannien um die Einleitung der grenzüberschreitenden UVP nach der Espoo-Konvention zu ersuchen. Ein Normenkontrollantrag ist nicht zulässig für die Rüge der Nichteinforderung eines unterbliebenen Umweltverträglichkeitsverfahren zwischen Vertragsstaaten. Damit scheidet die Normenkontrollklage nach § 47 VwGO gegen den Bundesminister für Umwelt , Naturschutz und Reaktorsicherheit aus. 2.3. Leistungsklage Begehrt wird bei der allgemeinen Leistungsklage ein Tun, Dulden oder Unterlassen, das auch ein schlicht hoheitliches Verhalten sein kann.5 Hier soll das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den britischen Staat um Beteiligung an der Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben mit grenzüberschreitenden Auswirkungen ersuchen. 2.3.1. Klagebefugnis Zum Ausschluss von Popularklagen ist auch für die allgemeine Leistungsklage die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich.6 Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung der streitigen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.7 Keine subjektiven Rechte ergeben sich aus Regelungen, die nur dem Schutz der Allgemeinheit dienen, mögen sie auch Einzelne objektiv begünstigen.8 Ob eine Norm demjenigen dient, der vom Staat eine Leistung verlangt, hängt davon ab, ob sich aus ihren Tatbestandsmerkmalen ein einschlägiger Personenkreis bestimmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet.9 Die Espoo- Konvention müsste einem einzelnen Bürger in Deutschland ein solches subjektives Recht auf Einforderung der Beteiligung an der Umweltverträglichkeitsprüfung auch für Vorhaben in Nachbarstaaten geben. Das Recht müsste sich darauf richten, das Ersuchen um Notifizierung, d.h. also eine Anfrage auf Beteiligung, durchzusetzen. 2.3.1.1. Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Espoo-Konvention Die Espoo-Konvention schreibt bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Verfahrensbeteiligung der voraussichtlich betroffenen Staaten für Projekte vor, die grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben können. Bisher wurde das Verfahren insbesondere für Projekte, wie z.B. Brücken, 4 Giesberts, in Beck‘scher Online Kommentar, VwGO, § 47 Rn. 26. 5 von Nicolai, Helmuth, in Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2010, § 42 Rn. 32. 6 BVerwGE 100 S. 39 ff. (41). 7 von Nicolai, Helmuth, in Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2010, § 42 Rn. 46. 8 Steinbeiß-Winkelmann, Christine, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, Anmerkungen zu einer „unendlichen Geschichte” in NJW 2010, S. 1233 ff. (1234). 9 BVerwGE 117, 93 ff. (99). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 6 Dämme, Pipelines oder atomare Zwischen- und Endlager durchgeführt, die in einer Grenzregion zwischen zwei Staaten realisiert wurden.10 Es ist vom Sinn und Zweck auch für die Erweiterung von nuklearen Reaktoranlagen, mithin für Hinkley Point C anzuwenden. Das sogenannte »Espoo- Verfahren« gliedert sich im Wesentlichen in drei Abschnitte: Benachrichtigung, Umweltverträglichkeitsprüfung , Entscheidung, aus denen sich subjektive Rechte eines Bürgers ergeben könnten. 2.3.1.1.1. Information über das geplante Vorhaben Der Vertragsstaat, auf dessen Gebiet ein solches Projekt realisiert werden soll (Ursprungspartei) hat betroffene Staaten sobald wie möglich, spätestens jedoch zu dem Zeitpunkt zu benachrichtigen , an dem er seine eigene Öffentlichkeit unterrichtet (Art. 3 Abs. 1 Espoo-Konvention). Bei der sog. Notifizierung stellt er die notwendigen Informationen über das geplante Projekt, insbesondere zu den grenzüberschreitenden Auswirkungen und über die Art der möglichen Entscheidung zur Verfügung (Art. 3 Abs. 2).11 Ist eine Vertragspartei der Auffassung, dass sie von einer geplanten Tätigkeit betroffen sein könnte und ist eine Benachrichtigung nicht erfolgt, so tauschen sich nach Art. 3 Abs. 7 die Beteiligten auf Ersuchen der betroffenen Vertragspartei über die Frage der grenzüberschreitender Auswirkungen aus. Können sie sich nicht einigen, so kann die Frage einer Untersuchungskommission (nach Anhang 4 der Konvention) vorgelegt werden, die ein Gutachten dazu erstellt. 2.3.1.1.2. Beteiligung der Öffentlichkeit Die beteiligten Vertragsparteien stellen sicher, dass die Öffentlichkeit der betroffenen Vertragspartei in den voraussichtlich betroffenen Gebieten über die geplante Tätigkeit unterrichtet wird und die Möglichkeit erhält, Stellungnahmen oder Widersprüche dazu abzugeben; ferner sorgen sie für die Übermittlung dieser Stellungnahmen oder Widersprüche entweder unmittelbar oder gegebenenfalls über die Ursprungspartei an die zuständige Behörde (Art. 3 Abs. 8). 2.3.1.1.3. Zwischenergebnis Im vorliegenden Fall fehlt es an der notwendigen Mitteilung, d.h. Notifizierung über die geplante Erweiterung des Reaktorstandorts Hinkley Point, die vom BMU erbeten worden war. Großbritannien ist zu dem Ergebnis gekommen, dass durch das Vorhaben nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen auf Nachbarstaaten zu rechnen sei und hat insofern Deutschland nur inoffiziell über den Bau informiert. Die Bundesrepublik Deutschland hätte daraufhin Großbritannien ersuchen können, sich über diese Einschätzung austauschen und eine Einigung über die UVP erzielen können, hat aber nicht gehandelt. Zwar räumt die Konvention damit der Öffentlichkeit der betroffenen Vertragspartei, hier den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland, die Möglichkeit ein, über ein Vorhaben wie die neuen Reaktoren in Hinkley Point C informiert zu werden und 10 Abromeit, Carolin, in ZUR 2007, Die Ostseepipeline: Praxisbericht einer grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung nach der Espoo-Konvention, S. 354 ff. (355). 11 Abromeit, Carolin, in ZUR 2007, Die Ostseepipeline: Praxisbericht einer grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung nach der Espoo-Konvention, S. 354 ff. (357). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 7 ggfs. eine Stellungnahme dazu abzugeben, sowie sie die Bürger der Republik Österreich hatten. Das ist aber gerade kein individualisierendes Tatbestandsmerkmal, sondern betrifft die Allgemeinheit und damit alle Bürger gleich. Ein einschlägiger Personenkreis, der sich von der Öffentlichkeit unterscheiden lässt, ist nicht erkennbar. Damit sieht die Espoo-Konvention kein subjektiv -öffentliches Recht vor. 2.3.1.2. Grenzüberschreitende UVP gemäß § 9 b UVPG Fraglich ist, ob sich aus § 9 b UVPG (Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben) ein subjektiv-öffentliches Recht auf Ersuchen der Beteiligung an einer grenzüberschreitenden UVP gegen das Bundesumweltministerium ergeben könnte. Der nationale Gesetzgeber hat die völkerrechtlichen Vorgaben u.a. der Espoo-Konvention im UVPG umgesetzt und versucht damit, eine umfassende gegenseitige Beteiligung von zwei benachbarten Staaten bei der Vorhabenzulassung zu gewährleisten.12 § 9 b UVPG regelt die verfahrensrechtliche Verwirklichung inländischer Interessen in einem ausländischen Entscheidungsprozess.13 Ebenso wie es ausländischen Staaten im Rahmen des § 8 UVPG eingeräumt ist, sich in einem deutschen Genehmigungsverfahren zu beteiligen, sieht § 9 b Abs. 1 S. 1 UVPG vor, dass eine deutsche Behörde die zuständige Behörde des anderen Staats um Übermittlung von Unterlagen über ein Vorhaben ersuchen kann, das voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland haben würde.14 Hält die zuständige deutsche Behörde eine Beteiligung am Genehmigungsverfahren für erforderlich, hat sie dies der zuständigen ausländischen Behörde gemäß § 9 b Abs. 1 S. 2 UVPG mitzuteilen und diese ggfs. um weitere Angaben zu ersuchen. In den künftig betroffenen Gebieten macht die zuständige deutsche Behörde das Vorhaben gemäß § 9 b Abs. 2 S. 1 UVPG der Öffentlichkeit bekannt. Dies räumt aber einem einzelnen Bürger noch kein subjektiv öffentliches Recht ein, denn der Regelungsinhalt der Norm beschränkt sich darauf, die deutschen Behörden dazu anzuhalten, von den zuständigen ausländischen Stellen wichtige Informationen einzufordern, ohne dies erzwingen zu können.15 Die deutschen Behörden sind zwar verpflichtet, die Beteiligungsmöglichkeiten auszuschöpfen, wenn sich eine grenzüberschreitende Umweltrelevanz zeigt (§ 9 b Abs. 1 S. 1 UVPG); ein Durchsetzungsrecht besteht mangels territorialer Hoheit im Ausland nicht.16 Die herrschende Meinung lehnt daher bislang ein eigenständiges subjektives Recht Drittbetroffener auf Durchführung einer UVP im Hinblick auf den rein prozeduralen Charakter des UVPG ab.17 12 Kment, Martin, in Natur und Recht (NUR) 2012, Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben und Planungen – eine Analyse des § 9 b UVPG, S. 321 ff. (323). 13 Kment, Martin, in Natur und Recht (NUR) 2012, Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben und Planungen – eine Analyse des § 9 b UVPG, S. 321 ff. (323). 14 Kment, Martin, in Natur und Recht (NUR) 2012, Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben und Planungen – eine Analyse des § 9 b UVPG, S. 321 ff. (324). 15 Wagner, in Hoppe/Beckmann, Kommentar UVPG, 2012, § 14 j Rn. 3. 16 Epping/Gloria, in Ipsen, Völkerrecht, 2012, § 23 Rn. 66 ff. 17 Gärditz, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 2012, Vorbem. zu §§ 14 a bis 14 n UVPG, Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 8 Damit fehlt es für die Klagebefugnis am subjektiv-öffentlichen Recht. Eine allgemeine Leistungsklage eines einzelnen Bürgers gegen die Ablehnung des Umweltministers, Großbritannien um Beteiligung an der UVP zu ersuchen, ist nicht zulässig. 2.4. Klage nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Ein entsprechender Rechtschutz könnte in Form des Rechtsbehelfs nach § 1 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz möglich sein. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) soll gemeinsam mit dem Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz die europäische Richtlinie 2003/35/EG (sog. Öffentlichkeits -Richtlinie) in deutsches Recht umsetzen.18 Sinn und Zweck dieser beiden Gesetze ist es, der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich an Genehmigungsverfahren zu umweltrelevanten Vorhaben durch Einsichtnahme in die Planungsunterlagen und Stellungnahmen zu beteiligen und gegenüber ergehenden Genehmigungsentscheidungen eine gerichtliche Kontrolle zu initiieren.19 2.4.1. Zulässigkeit der Verbandsklage § 2 Abs. 1 UmwRG enthält die maßgeblichen Kriterien für die Zulässigkeit einer Klage. Rechtsbehelfe können nach Maßgabe der VwGO eingelegt werden, so dass also grundsätzlich alle Verfahrensarten der VwGO, somit auch die allgemeine Leistungsklage nach UmwRG offenstehen.20 2.4.1.1. Klagebefugnis Klagebefugt sind nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigungen, womit das Gesetz die Möglichkeit der Verbandsklage im deutschen Verwaltungsprozessrecht erweitert.21 Ähnlich wie die VwGO sah das UmwRG vor, dass bei Rechtsbehelfen anerkannter Umweltvereinigungen nur Verletzungen solcher Umweltvorschriften gerügt werden können, die dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte dienen. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu im sogenannten Trianel-Urteil entschieden, dass der deutsche Gesetzgeber die Umweltverbandsklage im UmwRG zu eng gefasst habe und damit hinter den europarechtlichen Anforderungen zurückgeblieben sei.22 Es widerspreche zu einen dem Ziel der Richtlinie 2003/35/EG, der betroffenen 18 Die Europäische Gemeinschaft hat zur Anpassung des europäischen Rechts an das Aarhus-Übereinkommen die Richtlinien 2003/4/EG (Umweltinformationsrichtlinie), 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) und 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) erlassen. Diese sind in Bundesrecht durch das Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004, durch die Rechtsvorschriften Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, beide vom 7. Dezember 2006, letzteres in überarbeiteter Form vom 8.4.2013, sowie durch das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUPG) vom 25.6.2005 und das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24.6.2004 umgesetzt worden. 19 Stüer, Bernhard, in Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2009, Rn. 2944. 20 Teßmer, Dirk/Kroll, Tobias, in Recht der Natur-Schnellbrief, März 2007, Verbandsklage gegen uvp-pflichtige Bebauungspläne aufgrund des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG), S. 141 ff. 21 Joachim Hartlik, Ulrich M. Gassner, Wolfgang Sinner, in PdK Bundesrepublik Deutschland Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Strategische Umweltprüfung (SUP), Band 4 a K, S. 19. 22 EuGH, C-115/09 – Slg. 2011, I-03673 Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 9 Öffentlichkeit „einen weiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren. Zum anderen sei der Effektivitätsgrundsatz beeinträchtigt, wenn die betreffenden Verbände eine Verletzung des Umweltrechts der Union nicht geltend machen könnten, weil dieses nur die Interessen der Allgemeinheit schütze.23 Am 8. April 2013 wurde das neue UmwRG beschlossen, dass diese Vorgaben berücksichtigt .24 Danach sind Verbände klagebefugt, ohne dass sie in eigenen Rechten verletzt sind. § 2 Abs. 1 UmwRG enthält die maßgeblichen Kriterien für die Zulässigkeit einer Klage.25 Der Anwendungsbereich in § 1 UmwRG knüpft an Entscheidungen bzw. Genehmigungen an, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften (wie BauGB, UVPG etc.) ergangen sind. Dazu zählen alle uvppflichtigen Vorhaben.26 Umweltverbände können gerichtlich gegen Entscheidungen auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften vorgehen, die umweltrechtliche Vorschriften der EU umsetzen, sowie gegen Entscheidungen, die sich aus unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der EU ergeben. Um der Umgehung dieser Vorschrift vorzubeugen, sollen auch dann Rechtsbehelfe eingelegt werden können, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine (rechtlich erforderliche) Entscheidung getroffen worden ist. Das kann z. B. der Fall sein bei einer Plangenehmigung für die Erweiterung einer Reaktoranlage in Großbritannien, wenn nach ordnungsgemäßer Anwendung des UVPG (§ 9b UVPG) eine grenzüberschreitende UVP nach der Espoo -Konvention durchzuführen gewesen wäre. Durch das UmwRG haben auch anerkannte Verbände eine Klagebefugnis vor den Verwaltungsgerichten gegen die Genehmigung einer umweltgefährdenden Industrieanlage, wenn sie rügen, dass eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung ausgeblieben ist.27 Fraglich ist aber, ob das Unterlassen des Bundesumweltministers, die britische Regierung um Beteiligung am UVP Verfahren Hinkley Point C zu ersuchen eine „Entscheidung“ im Sinne des UVPG ist. Es handelt sich dabei um eine interne Abwägung der Bundesregierung, eine Verfahrensbeteiligung Deutschlands einzufordern. Unter Entscheidung im Sinne des UVPG ist aber eher eine extern, dem Bürger und der Öffentlichkeit gegenüber kundgegebene Subsumtion von Tatbestandsmerkmalen nach den einschlägigen Gesetzen zu verstehen. Es handelt sich bei dem Ersuchen aber eher um interne Konsultationsverpflichtung (wie es sich auch aus Art. 3 Absatz 7 der Espoo-Konvention ergibt) zwischen zwei Vertragsparteien, die schwer justiziabel erscheint. 2.4.2. Begründetheit der Verbandsklage Nach § 2 Abs. 5 UmwRG ist ein Rechtsbehelf begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 23 EuGH, C-115/09 – Slg. 2011, I-03673 Rn. 46. 24 BGBl I 2013, 753 ff. (754). 25 Teßmer, Dirk/Kroll, Tobias, in Recht der Natur-Schnellbrief, März 2007, Verbandsklage gegen uvp-pflichtige Bebauungspläne aufgrund des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG), S. 141 ff. 26 Teßmer, Dirk/Kroll, Tobias, in Recht der Natur-Schnellbrief, März 2007, Verbandsklage gegen uvp-pflichtige Bebauungspläne aufgrund des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG), S. 141 ff. 27 Balensiefen, Alexander, in Kommentar zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, 2013, § 3 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 10 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften des Umweltschutzes verstößt und diese Verletzung Belange des Umweltschutzes berührt, die von der Vereinigung satzungsgemäß zu fördernden sind. Voraussetzung ist auch, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden hat bzw. besteht. Im Ergebnis kann die Frage, ob es sich bei der Ablehnung des BMU um eine Entscheidung im Sinne des UVPG handelt, dahinstehen, denn die Rechtsprechung fordert für die Begründetheit der Klage einen Kausalitätsnachweis. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Klage nur begründet, wenn nachweisbar die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu einer anderen planerischen Zulassungsentscheidung der Behörde geführt hätte.28 Gleiches gilt für grenzüberschreitende UVP. In der Entscheidung vom 11. August 1995 zum Wärmekraftwerk Großkrotzenburg hat der Europäische Gerichtshof die Vertragsverletzungsklage mit dem Argument abgewiesen, dass die Kommission nicht dargelegt hatte, in welchen konkreten Punkten die Anforderungen der UVP-Richtlinie nicht erfüllt worden waren. 29 Wenn trotz des Unterlassens einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nachgewiesen werden kann, dass eine andere Entscheidung hätte getroffen werden müssen, ist der verbleibende Verstoß im Wesentlichen formeller Art und kann darüber hinaus noch geheilt werden.30 Für die Erweiterung des Standorts Hinkley hatte die britische Regierung eine UVP nach britischen Recht durchgeführt und mitgeteilt, dass durch das Vorhaben keine Belange von Nachbarstaaten beeinträchtigt werden können. Zum gleichen Ergebnis ist die EU Kommission gelangt, die ausführt, dass die Durchführung des Plans für die Ableitung radioaktiver Stoffe aus den beiden neuen Reaktoren Hinkley Point C weder im Normalbetrieb noch im Störfall eine gesundheitliche signifikante radioaktive Verseuchung des Wassers, Bodens oder Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen wird.31 Die nach Espoo-Konvention beteiligte Republik Österreich hatte der Bevölkerung bis zum 1. März 2013 die Gelegenheit zur Akteneinsichtnahme in Bezug auf den Betrieb und die Erweiterung des Atomkraftwerkes Hinkley Point C, 1 und 2 eingeräumt und eine Fachstellungnahme abgegeben.32 Am 19.3.2013 hat der britische Staatsekretär für Energie und Klimawandel eine Entscheidung über den Genehmigungsantrag zu Hinkley Point C getroffen. 3. Ergebnis Das Ersuchen des Bundesumweltministers um Beteiligung der deutschen Bevölkerung nach § 9b UVPG bei der UVP Großbritanniens würde nur dann Sinn machen, wenn nachzuweisen wäre, 28 BVerwG, Beschluss vom 21.1.2008, 4 B 35.07. 29 EuGH, C-431/92 - Slg. 1995, I-02189 Rn. 45. 30 Joachim Hartlik, Ulrich M. Gassner, Wolfgang Sinner, in PdK Bundesrepublik Deutschland Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Strategische Umweltprüfung (SUP), Band 4 a K, S. 21. 31 Amtsblatt der Europäischen Union, C 33/1 vom 7.2.2012. 32 Nachzulesen: http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/espooverfahren/espoo_uk/uvpkkwhinkleypoint/, letzter Aufruf: 27.6.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 121/13 Seite 11 dass ihr Vorliegen zu einer anderen materiellen Prüfung der Umweltauswirkungen in Großbritannien geführt hätte. Es wäre kausal darzulegen, dass Großbritannien dem Ersuchen Deutschlands nachgekommen wäre und eine nachzuholende UVP in Deutschland zu einer entsprechenden Stellungnahme und zu einer anderen Entscheidung in Großbritannien geführt hätte. Es handelt sich aber bei dem Ersuchen um eine reine Konsultationsverpflichtung zwischen zwei Vertragsparteien, die nicht justiziabel erscheint. Wegen des Abwägungscharakters und des Ermessensspielraums bei planerischen Entscheidungen und der schwierigen Beweisführung der Kausalitätsfrage, ist der Erfolg einer gerichtlichen Kontrolle, selbst wenn man im Nichthandeln des BMU eine Entscheidung um Sinne des § 1 UVPG sähe, zweifelhaft. Eine Verbandsklage wäre wohl mangels Entscheidung im Sinne des UVPG nicht zulässig und mangels Kausalitätsnachweises jedenfalls nicht begründet.