Nr. WD 3 - 3000 - 120/17 (7. Juni 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der Anwendungsbereich eines künftigen Gesetzes zu Interessenvertretern könnte Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ) einschließen. Es stellt sich die Frage, inwieweit dies mit Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Ferner stellt sich die Frage, ob Ausnahmen für Gewerkschaften in Lobbygesetzen international üblich sind. Die Beurteilung hängt von der Ausgestaltung eines künftigen Interessenvertretungsgesetzes ab. Unterstellt, es liegt überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG vor, dürfte nach summarischer Prüfung die bloße Pflicht zu gewisser Transparenz keine offensichtliche unverhältnismäßige Beschränkung von Art. 9 Abs. 3 GG darstellen. Eine Publikation aus dem Jahr 2012 kommt zu dem gegenteiligen Ergebnis.1 Dieses Ergebnis ist umstritten.2 Ferner ist zu bedenken, dass sich die Interessenvertretung von Gewerkschaften nicht notwendigerweise im Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG bewegen muss. Gewerkschaften beziehen oftmals Position zu allgemeinen gesellschaftlichen Themen, wie dem Umweltschutz. Zum Beispiel sieht das Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 1996 Folgendes vor: „Wer das Leben der Menschen für die Zukunft sichern will, muß ökologisch umsteuern. Es ist untragbar, 1 Sodan, Lobbyregister als Verfassungsproblem, LKV 2012, 193 ff.; ähnlich Sodan, Schriftliche Stellungnahme zu den Anträgen „Transparenz herstellen – Einführung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters“ (BT-Drucks. 18/3842) und „Transparenz schaffen – Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyisten einführen“ (BT-Drucks. 18/3920), 2016, https://www.bundestag.de/blob/422454/28c79ed0d199a2c8e489cc7ee904aaad/stellungnahme _sodan-data.pdf. 2 Hoppe, Stellungnahme zur Anhörung des Ältestenrats des Hessischen Landtags, Drs. 18/5450, S. 13, Fn. 23, http://starweb.hessen.de/cache/AV/18/AER/AER-AV-001-T1.pdf: „[K]aum überzeugende Begründung, die sich für die verfassungsrechtliche Abwägung vor allem auf politische Äußerungen in Parlamenten und auf einfachgesetzliche Bestimmungen stützt, und der Koalitionsfreiheit einen verfassungsrechtlichen Vorrang vor dem Demokratiegebot und dem freien Abgeordnetenmandat einräumt. Im Übrigen legt der Beitrag nicht im Einzelnen dar, warum eine Registrierungspflicht für Lobbytätigkeiten in den Schutzbereich des Grundrechts eingreifen sollte.“ Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Transparenz in der Interessenvertretung und Tarifautonomie Kurzinformation Transparenz in der Interessenvertretung und Tarifautonomie Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 daß 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Ressourcen verbrauchen. Der Ressourcenund Energieverbrauch muß erheblich reduziert werden.“3 In rechtsvergleichender Hinsicht gibt es folgende Varianten: Die Lobbygesetze des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten und Kanadas machen keine Ausnahme für Gewerkschaften; ganz im Gegenteil sind in Kanada „unions“ explizit einbezogen : „[lobbying] ‚organization‘ includes […] (b) a trade union or labour organization“ (Section 2 Lobbying Act 1985). Das österreichische Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz aus dem Jahr 2012 macht eine Ausnahme für die Gewerkschaften in § 1 Abs. 2: „Dieses Bundesgesetz ist auf die Interessenvertretung durch die Sozialpartner und kollektivvertragsfähigen Einrichtungen mit Ausnahme der Registrierungspflichten nach den §§ 9 und 12 nicht anzuwenden.“ Gleiches gilt für den irischen Regulation of Lobbying Act 2015 (Section 5 no. 5): ausgenommen sind „communications forming part of, or directly related to, negotiations on terms and conditions of employment undertaken by representatives of a trade union on behalf of its members“. Die „Policy Proposals“4 der irischen „Government Reform Unit, Department of Public Expenditure and Reform“, aus dem Jahr 2012 begründen diese Ausnahme mit einem Verweis auf Artikel 152 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („Die Union anerkennt und fördert die Rolle der Sozialpartner auf Ebene der Union unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme. Sie fördert den sozialen Dialog und achtet dabei die Autonomie der Sozialpartner.“). Über den pauschalen Verweis hinaus fehlt aber jegliche Begründung, warum Artikel 152 Individualrechte begründen sollte, in die der Lobbying Act eingreifen könnte. Der Kommentierung zufolge hat Art. 152 lediglich programmatischen Charakter.5 *** 3 https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/dt_gewerkschaftsbund_dgb_572.htm. 4 S. 50, http://per.gov.ie/wp-content/uploads/Regulation-of-Lobbying-Policy-Proposals-3.pdf. 5 Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 152 Rn. 1.