© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 119/15 Rechtsfragen der Zulassung einer Petition als öffentliche Petition Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 119/15 Seite 2 Rechtsfragen der Zulassung einer Petition als öffentliche Petition Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 119/15 Abschluss der Arbeit: 13. Mai 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 119/15 Seite 3 1. Fragestellung Gebeten wird um eine Einschätzung, ob die Behandlung einer konkreten Petition als sog. öffentliche Petition zulässig ist oder vielmehr aus rechtlichen Gründen zu unterbleiben hat. Vor diesem Hintergrund wird auch um Prüfung der Frage gebeten, ob dem Anliegen der Petition verfassungsrechtliche Hindernisse in Gestalt der Unternehmensfreiheit entgegenstünden. Aufgrund der Kürze der zur Bearbeitung zur Verfügung stehenden Zeit wird im Folgenden eine lediglich kursorische Prüfung der aufgeworfenen Fragen vorgenommen. 2. Inhalt der Petition Die Petition hat folgenden Wortlaut: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass das Finanzministerium in Wahrnehmung der Rechte des Anteilseigners die Aufgabe übertragen bekommt, die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten bei T-Mobile US zu kontrollieren und darauf hinzuwirken, dass das Unternehmen Deutsche Telekom AG (DTAG) an allen seinen Standorten die ILO-Standards umsetzt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht darin behindert, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihre Rechte auszuüben. Eigentum verpflichtet (Art. 14 GG). Die Bundesrepublik Deutschland besitzt – direkt und indirekt (KfW) – 31,7 Prozent der Anteile der Deutschen Telekom AG (DTAG) und ist damit der größte Einzeleigentümer. Die DTAG wiederum ist Haupteigentümerin des Unternehmens T-Mobile US (TMUS). Das Unternehmen TMUS verstößt systematisch gegen Arbeitnehmerrechte und diskriminiert Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Gegen international geltende Arbeitsstandards wird ständig verstoßen. Dieses Verhalten wird von der DTAG nicht unterbunden. Im Gegenteil, wiederholt wird gegen die unternehmerische Verantwortungspflicht gehandelt: • Zuletzt bei der Hauptversammlung von TMUS im Jahr 2014: Die DTAG, mit Beteiligung des DTAG-Vorstandsvorsitzenden, stimmte gegen einen Antrag, der die Anwendung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte für das Unternehmen TMUS vorsah. • Die DTAG / T-Mobile US verweigerte den Eintritt in ein Verfahren, das 2011 auf Basis der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen eingeleitet wurde – siehe dazu die abschließende Erklärung der OECD-Kontaktstelle der USA vom Juli 2013. Mit der Unterzeichnung der Richtlinien der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) hat sich die Bundesrepublik bzw. die Bundesregierung dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der Richtlinien hinzuwirken. Stattdessen verfolgt die Bundesregierung bisher eine Politik der Nicht-Einmischung bei dem Unternehmen, das es zu großen Teilen besitzt. Mit dieser Haltung gefährdet die Bundesregierung nicht nur ihr eigenes Ansehen sondern auch das der OECD-Richtlinien, wenn sie für deren Geltung nicht eintritt. Ähnlich verhält es Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 119/15 Seite 4 sich mit den Pflichten der Bundesregierung, die sich aus den Leitprinzipien der Vereinten Nationen (VN/UN) für Wirtschaft und Menschenrechte ergeben und die im Rahmen einer Politik der Nichteinmischung nicht zur Geltung gebracht werden. Die Bundesrepublik hat die ILO-Konventionen unterzeichnet, in denen das Recht auf Vereinigungsfreiheit (C87) und Kollektivverhandlungen (C98) garantiert wird. Wenn es um die Einhaltung von ILO-Kernarbeitsnormen geht, deren Geltung auch dann angenommen wird, wenn Staaten diese nicht ratifiziert haben, kann sich nicht auf die Einhaltung nationalen Rechts zurückgezogen werden. Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, dass Unternehmen, die ihren Hauptsitz in der Bundesrepublik haben, im Ausland die Standards nach oben setzen, anstatt sich nach unten zu orientieren. Eine besondere Verantwortung der Bundesregierung besteht bei Unternehmen, an denen die Bundesrepublik Deutschland Anteile hält.“ 3. Verfassungsrechtliche Bewertung des Anliegens der Petition Das Petitum zielt auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages. Mit diesem soll das Bundesministerium der Finanzen aufgefordert werden, in Wahrnehmung der Rechte des Bundes als Anteilseigner der Deutschen Telekom AG – zum einen die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bei der Tochtergesellschaft T-Mobile US zu kontrollieren – und zum anderen darauf hinzuwirken, dass die Deutsche Telekom AG an allen Standorten die ILO-Standards umsetzt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht darin behindert, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihre Rechte auszuüben. Aus grundrechtlicher Sicht ist das Petitum bereits deshalb unproblematisch, weil es auf einen Beschluss des Bundestages abzielt, der für die Bundesregierung nicht bindend ist. Ergriffe das Bundesministerium der Finanzen im Zuge einer etwaigen Umsetzung eines solchen Beschlusses wie auch immer geartete Maßnahmen, müsste das Ministerium selbst sicherstellen, dass diese im Einklang mit den Grundrechten stehen (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Darüber hinaus sollen die „Kontrolle“ ebenso wie das „Hinwirken“ in Wahrnehmung der aufgrund der Eigentümerstellung bestehenden Rechte erfolgen. In der Wahrnehmung bestehender Einwirkungsbefugnisse nach Maßgabe des Aktienrechts ist keine Verletzung der Unternehmerfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG zu erblicken. Die Tochtergesellschaft T-Mobile US Inc. ist überdies als US-amerikanische Gesellschaft keine Trägerin deutscher Grundrechte, da Art. 19 Abs. 3 GG die Geltung der Grundrechte nur auf inländische juristische Personen erstreckt. Verfassungsrechtliche Gründe stehen dem Anliegen der Petition insoweit nicht entgegen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 119/15 Seite 5 4. Zulassung als öffentliche Petition Eine andere Frage ist, ob die Petition als öffentliche Petition zugelassen werden kann. Nach Ziffer 2.2 Abs. 4 der nach § 110 Abs. 1 GOBT aufgestellten Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (im Folgenden: Verfahrensgrundsätze) sind öffentliche Petitionen „Bitten oder Beschwerden von allgemeinem Interesse an den Deutschen Bundestag. Sie werden im Einvernehmen mit dem Petenten auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht . Mit der Veröffentlichung erhalten weitere Personen oder Personengruppen über das Internet die Gelegenheit zur Mitzeichnung der Petition oder zur Abgabe eines Diskussionsbeitrages hierzu.“ Durch die Mitzeichnung werden die Individualpetitionen zu Sammelpetitionen.1 Einzelheiten zur Zulassung und Bearbeitung öffentlicher Petitionen sind in der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen geregelt (im Folgenden: Richtlinie), auf die Ziffer 7 Abs. 4 der Verfahrensgrundsätze Bezug nimmt. Die Richtlinie stellt klar, dass dem Petenten aus einer Ablehnung der Veröffentlichung keine Nachteile im parlamentarischen Prüfverfahren entstehen. Vielmehr werden öffentliche Petitionen ebenso wie nichtöffentliche Petitionen entsprechend den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen für Petitionen behandelt. Das durch Art. 17 und 45c GG geschützte Petitionsrecht wird durch die Ablehnung der Zulassung als öffentliche Petition daher nicht tangiert. Das grundrechtliche Petitionsrecht vermittelt nach überwiegender Auffassung auch keinen Anspruch auf Behandlung einer Petition als öffentliche Petition und damit auf Eröffnung der Möglichkeit zur Mitzeichnung durch weitere Petenten.2 Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie, die in Ziffer 1 vielmehr klarstellt, dass ein Rechtsanspruch auf Annahme einer Petition als öffentliche Petition nicht bestehe. Der Petitionsausschuss ist bei der Entscheidung über die Behandlung einer Petition als öffentliche Petition allerdings nach Art 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und muss daher insbesondere das in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde Willkürverbot beachten.3 Ohne sachlichen Grund darf er vergleichbare Sachverhalte nicht ungleich behandeln. Sachliche Gründe, bei deren Vorliegen 1 Vgl. Guckelberger, Neue Erscheinungen des Petitionsrechts: E-Petitionen und öffentliche Petitionen, DÖV 2008, 85 (90); Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 24. Edition 2015, Art. 17 Rn. 13.1. 2 Vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 24. Edition 2015, Art. 45c Rn. 15 und Art. 17 Rn. 13.2 f. m.w.N.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 73. Ergänzungslieferung 2014 (Kommentierung 63. Ergänzungslieferung 2011), Art. 45c Rn. 69a; ebenso bereits , Ist die Ablehnung der Behandlung einer Petition als öffentliche Petition ein Verwaltungsakt?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WF III - 018/06), 2006, S. 7. 3 Vgl. Guckelberger, Neue Erscheinungen des Petitionsrechts: E-Petitionen und öffentliche Petitionen, DÖV 2008, 85 (93). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 119/15 Seite 6 eine Zulassung als öffentliche Petition abzulehnen ist oder abgelehnt werden kann, werden in der genannten Richtlinie aufgeführt. Nach Ziffer 3 lit. a der Richtlinie wird eine öffentliche Petition einschließlich ihrer Begründung dann nicht zugelassen, wenn die Anforderungen der Ziffer 2.1 nicht erfüllt sind. Dort wird unter anderem gefordert, dass Anliegen oder Teile eines Anliegens der Petition sich nicht erkennbar auf Personen beziehen dürfen. Unter den Begriff der „Person“ werden in der allgemeinen Rechtssprache sowohl natürliche als auch juristische Personen gefasst. Die vorliegende Petition bezieht sich ausdrücklich auf das Geschäftsgebaren zum einen der Deutschen Telekom AG und zum anderen deren Tochtergesellschaft der T-Mobile US Inc. Bei beiden Gesellschaften handelt es sich um juristische Personen des Privatrechts. Ein erkennbarer Personenbezug im Sinne der Ziffer 2.1 der Richtlinie liegt damit vor. Es erscheint auch nicht möglich, diesen durch anonymisierende Formulierungen zu beseitigen, da aufgrund der Besonderheiten des Sachverhalts eine Identifizierung möglich bleibt. Abgesehen davon, erscheint eine Annahme als öffentliche Petition auch angesichts der in ihrer Begründung behaupteten Rechtsverstöße bedenklich. Dort wird unter anderem vorgetragen, das Unternehmen T-Mobile US Inc. verstoße „systematisch gegen Arbeitnehmerrechte“ und ständig gegen „international geltende Arbeitsstandards“. Die Behauptung, ein konkret benanntes Unternehmen begehe systematischen Rechtsbruch, kann zu dessen Ruf- und Geschäftsschädigung führen. Dieser Fall ist in der Richtlinie nicht ausdrücklich geregelt. Eine Gesamtschau der Ausschlussgründe der Ziffer 3 der Richtlinie legt aber nahe, dass auch derartige Rechtsgüter bzw. Interessen Privater geschützt werden sollen. Dies kommt vor allem in Ziffer 3 lit. h der Richtlinie zum Ausdruck , die zum einen Persönlichkeitsrechte von Personen schützt, zum anderen Werbung für kommerzielle Produkte oder Verfahren ausschließt. Umgekehrt dürften danach auch unternehmensschädigende Behauptungen von der Annahme als öffentliche Petition ausgeschlossen sein. (gez. )