© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 116/21 Die Chancengleichheit der Parteien und die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung Verletzung durch die Übergabe von Fördermittelbescheiden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/21 Seite 2 Die Chancengleichheit der Parteien und die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung Verletzung durch die Übergabe von Fördermittelbescheiden Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 116/21 Abschluss der Arbeit: 29.06.2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/21 Seite 3 1. Fragestellung Es wird gefragt, ob das Gebot der Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt wird, dass die Möglichkeit zu einer „medienwirksamen“ Übergabe von Fördermittelbescheiden des Bundes nicht den Vertretern der Oppositionsparteien offen steht. Dabei wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Übergabe von Fördermittelbescheiden des Bundes“1 Bezug genommen. 2. Bekanntgabe von Fördermittelbescheiden Die Bundesministerien können auf der Grundlage der §§ 23, 44 der Bundeshaushaltsordnung2 (BHO) sowie der Nr. 15.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO3 eigene Förderrichtlinien bereichsspezifisch erlassen. In diesen Richtlinien sind unter anderem die Förderungskriterien und das Verfahren festgelegt. Wie ein Zuwendungsbescheid bekanntzugeben ist, ist dort nicht geregelt. Die Vorgaben für die Übergabe von Fördermittelbescheiden, die Verwaltungsakte i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG darstellen, richten sich somit nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Einschlägig ist der § 41 VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch oder öffentlich bekannt gegeben werden kann. In der Antwort der Bundesregierung haben folgende Ressorts angegeben, ihre Fördermittelbescheide per Post (bzw. elektronisch) nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes4 zu versenden: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Auswärtiges Amt, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesministerium der Finanzen und Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 3. Öffentlichkeitswirksame Übergabe von Fördermittelbescheiden Eine über die postalische Bekanntgabe hinaus eventuell stattfindende Übergabe eines Bescheids während einer Veranstaltung gehört nicht mehr zum rechtserheblichen Handeln des Bundesministeriums , sondern stellt lediglich einen symbolischen Akt ohne rechtliche Relevanz für den jeweiligen Fördermittelbescheid dar. In diesem Rahmen kommt dem Bundesministerium als Veranstalter bei der Gestaltung des Termins ein weiter politischer Spielraum zu. Begrenzt wird dieser Spielraum durch die aufgrund seiner 1 BT-Drs. 19/15634. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO) vom 19. August 1969, BGBl. I S. 1284. 3 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001 (GMBl 2001, S. 307). 4 Verwaltungszustellungsgesetz vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354), zuletzt geändert durch Artikel 15 Absatz 2 des Gesetzes vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/21 Seite 4 Bindung an Recht und Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG vom Staat zu beachtende Neutralitätspflicht5 und die Gleichheitsgebote. 3.1. Übergabe durch Bundestagsabgeordnete Grundsätzlich ist eine Übergabe von Fördermittelbescheiden durch Bundestagsabgeordnete aus kompetenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen.6 Im Rahmen des politischen Gestaltungsspielraums , der der Regierung bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zukommt, können Bundestagsabgeordnete aber zu Terminen eingeladen werden. Der Spielraum wird durch die Neutralitätspflicht und die Gleichheitsgebote begrenzt. Ein sachlicher Grund für eine Einladung könnte beispielsweise in einem Wahlkreisbezug bestehen. Eine Beschränkung der Einladung auf ausschließlich der Partei der Ministeriumsleitung angehörige Personen stellte wohl eine unzulässige Konzentrierung dar. Es besteht jedoch keine Pflicht, stets Angehörige aller Fraktionen einzubeziehen. Treten private Akteure wie die Förderungsempfänger als Organisatoren auf, können diese im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG frei entscheiden, wen sie einladen. 3.2. Übergabe durch Bundesminister/in Findet eine Übergabe durch den oder die jeweilige/n Bundesminister/in statt, so zählt dies zur Öffentlichkeitsarbeit des jeweiligen Ministeriums, zu dessen Arbeitsbereich die Vergabe von Fördermitteln entsprechend der eigenen Förderrichtlinien gehört. Dass diese von der/dem jeweiligen Minister/in übernommen wird, entspricht der Informationsfunktion des Ministeriums7. 3.3. Übergabe durch Parlamentarische Staatssekretäre und Ministeriumsbeamte Dies gilt auch für Parlamentarische Staatssekretäre, wenn diese in ihrer Funktion als Vertretung des Bundesministers auftreten. Entsprechend ist auch eine Übergabe durch Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter als Ministerialbeamte oder Inhaber anderer Ämter, die nach Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet sind,8 unproblematisch. 4. Ergebnis Die Übergabe von Fördermitteln durch Mitglieder der Regierung und deren Vertreter stellt eine zulässige Form von Öffentlichkeitsarbeit dar. Werden Bundestagsabgeordnete dann eingeladen, sind die Neutralitätspflicht und Gleichheitsgebote zu beachten. *** 5 Di Fabio, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 27 Rn. 16, 3. Auflage 2004. 6 Vgl. Antwort der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, BT-Drs. Drucksache 19/15634, S. 2. 7 BVerfGE 44, 125, 147 f. 8 Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Auflage 2021, Art. 43 Rn. 32.