© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 116/18 Gewerberechtliche Anforderungen für Kurierfahrer Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/18 Seite 2 Gewerberechtliche Anforderungen für Kurierfahrer Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 116/18 Abschluss der Arbeit: 02.05.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/18 Seite 3 1. Fragestellung Dem vorliegenden Sachstand liegt unter anderem die Fragestellung zugrunde, welche gewerberechtlichen Anforderungen Kurierfahrer zu beachten haben. Dabei kommen solche der Gewerbeordnung [GewO] sowie des Güterkraftverkehrsgesetzes [GüKG] in Betracht. Ferner wird danach gefragt, welche datenschutzrechtlichen Maßgaben beim Einsatz von Privatpersonen als Kurierfahrer zu beachten sind. 2. Anzeigepflicht gemäß § 14 Abs. 1 GewO Gewerberechtlicher Ausgangspunkt für das Betreiben eines Kurierdienstes ist die GewO. Gemäß § 1 Abs. 1 GewO ist der Betrieb eines Gewerbes grundsätzlich jedermann gestattet, soweit nicht durch die GewO selbst Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Der Grundsatz der Gewerbefreiheit ist indes für den ganz überwiegenden Teil der Gewerbe zugunsten der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingeschränkt.1 So bestimmt § 14 Abs. 1 S. 1 GewO, dass derjenige, der den selbstständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen muss.2 In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der Begriff des Gewerbes, der vom Gesetz selbst an keiner Stelle definiert wird, dahin zu verstehen ist, dass es sich um eine nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt, die nicht zur Urproduktion, zu den freien Berufen oder zur bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zu rechnen ist.3 Ferner darf die Tätigkeit nicht nach § 6 vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommen sein. Kuriertätigkeiten sind weder ein freier Beruf noch fallen sie unter den Ausschlusstatbestand des § 6 GewO. Kurierfahrer betreiben somit ein Gewerbe, wenn ihre Tätigkeit die positiven Voraussetzungen des Gewerbebegriffs erfüllt. Dies gilt es im jeweiligen Einzelfall festzustellen. Insbesondere dürfte die Subsumtion der Kuriertätigkeit unter das Merkmal der Selbstständigkeit – das heißt die Tätigkeitsausübung des Betreibenden im eigenen Namen, in eigener Verantwortung sowie auf eigene Rechnung4 – im Einzelfall häufig problematisch sein.5 § 14 Abs. 1 S. 1 GewO bezieht sich ferner ausschließlich auf stehende Gewerbe. Als stehende Gewerbe gelten alle Arten und Formen des Gewerbebetriebs, die weder dem Reisegewerbe noch 1 Vgl. dazu Huber, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 3. Kapitel, Öffentliches Wirtschaftsrecht , Rn. 292. 2 Eine Anzeigepflicht besteht jenseits der Aufnahme des Gewerbebetriebs gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 GewO für seine Verlegung, seine Aufgabe und den Wechsel oder die Ausdehnung seines Gegenstandes. Ausnahmen von der Anzeigepflicht gelten partiell für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen nach § 4 Abs. 1 S. 2 GewO. 3 Vgl. BVerwG, GewArch 1976, S. 293 (294), seitdem ständige Rechtsprechung. 4 Vgl. dazu BVerwG, NJW 1977, S. 1250. 5 Vgl. zu Kurierfahrern, wenn auch nicht im gewerberechtlichen, sondern im arbeitsrechtlichen Kontext, etwa LAG Köln, Urteil vom 28. August 2012 – 11 Sa 149/12 –, juris; allgemein dazu Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 77. EL Oktober 2017, § 14 Rn. 40 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/18 Seite 4 dem Messe-, Ausstellungs- und Marktwesen zuzuordnen sind.6 Kurierdienste unterfallen ersichtlich nicht dem Messe-, Ausstellungs- und Marktwesen. Denkbar ist jedoch, dass sie wegen ihres mobilen Charakters dem grundsätzlich strenger reglementierten, erlaubnispflichtigen Reisegewerbe zuzuordnen sind. Die Abgrenzung des stehenden Gewerbes vom Reisegewerbe folgt aus der Begriffsbestimmung des § 55 Abs. 1 GewO.7 Danach betreibt ein Reisegewerbe, „wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung […] oder ohne eine solche zu haben“ bestimmte, näher bezeichnete Tätigkeiten ausübt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass alle gewerblichen Tätigkeiten, die auf vorhergehende Bestellung (auch außerhalb einer gewerblichen Niederlassung) vorgenommen werden, zum stehenden Gewerbe zu rechnen sind. Die Initiative zur Erbringung von Kuriertätigkeiten geht gerade nicht von dem Kurierfahrer aus, sondern erfolgt in der Regel auf vorhergehende Bestellung des Empfängers, sodass Kurierdienstleistungen dem stehenden Gewerbe unterfallen. Der selbstständige Betrieb eines Kurierdienstes ist somit der zuständigen Behörde gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 GewO anzuzeigen. Welche dies ist, bestimmt sich nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht.8 Die Anzeige durch den selbstständigen Kurierfahrer ist insbesondere die Grundlage für die behördliche Überprüfung seiner Zuverlässigkeit.9 Sollten Tatsachen vorliegen, welche seine Unzuverlässigkeit dartun, ist ihm die Ausübung seines Gewerbes gemäß Art. 35 Abs. 1 GewO von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich ist.10 Eine über die Anzeigepflicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 GewO hinausgehende Erlaubnispflicht für Kurierdienste ist zumindest nach der GewO nicht ersichtlich. Kuriertätigkeiten fallen nicht unter die Vorschriften der §§ 30 ff. GewO, die für bestimmte gewerbsmäßige Tätigkeiten Erlaubnispflichten statuieren („Gewerbetreibende, die einer besonderen Genehmigung bedürfen“). 3. Regelmäßig keine Erlaubnispflicht nach § 3 GüKG Über die bloße Anzeigepflicht hinausgehende Erlaubnispflichten können sich außerdem aus diversen gewerberechtlichen Nebengesetzen ergeben. Für Kurierdienste kommt potenziell die Erlaubnispflicht nach § 3 GüKG in Betracht. Danach ist der gewerbliche Güterkraftverkehr erlaubnispflichtig , soweit sich nicht aus dem unmittelbar geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht etwas anderes ergibt. Nach der Begriffsbestimmung in § 1 GüKG ist Güterkraftverkehr die geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, die einschließlich Anhänger ein höheres zulässiges Gesamtgewicht als 3,5 Tonnen haben. Das GüKG statuiert in § 2 Abs. 1 Nr. 9 jedoch eine Bereichsausnahme für die Beförderung von Postsendungen im Rahmen von Universaldienstleistungen durch Postdienstleister gemäß § 1 Abs. 1 Post-Universaldienst- 6 Vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 77. EL Oktober 2017, § 14 Rn. 38. 7 Vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 77. EL Oktober 2017, § 14 Rn. 38 ff. 8 Vgl. exemplarisch zur Rechtslage in Bayern § 1 Abs. 2 S. 1 und Abs. 7 S. 1 der Verordnung zur Durchführung der Gewerbeordnung [GewV], wonach neben den Gemeinden die Industrie- und Handelskammern die zuständigen Behörden im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 GewO sind. 9 Vgl. zum Begriff der (Un-) Zuverlässigkeit Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Digitale Welt und Gewerberecht, WD 3 - 3000 - 217/12, S. 11 ff. 10 S. dazu VG München, Urteil vom 04. Juni 2014 – M 16 K 13.4868 –, juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 116/18 Seite 5 leistungsverordnung [PUDLV]. Postsendungen sind danach unter anderem gewöhnliche Briefsendungen sowie adressierte Pakete, deren Einzelgewicht 20 Kilogramm nicht übersteigt. Demzufolge ist der Betrieb eines Kurierdienstes nur dann nach § 3 GüKG erlaubnispflichtig, wenn er in dem Transport von Gütern – mit Ausnahme von Briefen und Paketen – besteht und mit Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen erfolgt. Dies dürfte in der Praxis indes auf die wenigsten Kurierdienste zutreffen, sodass es im Regelfall bei der Anzeigepflicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 GewO bleibt. 4. Datenschutzrechtliche Anforderungen Werden Privatpersonen als Kurierfahrer eingesetzt, kann dies grundsätzlich zu datenschutzrechtlich relevanten Fragestellungen führen. Entscheidend hierfür ist zunächst die Frage, ob im Einzelfall personenbezogene Daten verarbeitet werden. Nach Art. 2 Abs. 1 der ab dem 25.05.2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist diese insbesondere für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten anwendbar.11 Die Rechtmäßigkeit einer solchen Datenverarbeitung richtet sich dann grundsätzlich nach Art. 6 DSGVO. Demnach bedarf es entweder einer Einwilligung des Betroffenen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO oder eines Erlaubnistatbestandes gem. Art 6 Abs. 1 lit. b bis f) DSGVO. Einen möglicherweise in Betracht kommenden Erlaubnistatbestand bildet etwa Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO, wonach eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen.12 Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen der bisher geltenden Regelung in § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Ob eine Erhebung, Sammlung oder Verarbeitung von personenbezogenen Daten von Kurierfahrern durch Dritte, etwa im Auftrag von Versandhändlern mit den genannten datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, obliegt einer Prüfung im Einzelfall. *** 11 Umfassend hierzu: Ernst, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Auflage 2018, Art. 2 DSGVO Rn. 4 ff. 12 Umfassend hierzu: Albers, in: Wolff/Brink, 23. Edition Stand: 01.11.2017, Art. 6 DSGVO Rn. 28 ff.