© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 116/16 Ausweisung von Ausländern aufgrund strafbarer Handlungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 116/16 Seite 2 Ausweisung von Ausländern aufgrund strafbarer Handlungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 116/16 Abschluss der Arbeit: 11. April 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 116/16 Seite 3 1. Begriffe Das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt für Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland ist im Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1 geregelt. Ausländer ist gemäß § 1 Abs. 1 AufenthG jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes2 ist. Ausländer, die keine Bürger der Europäischen Union sind, benötigen gemäß § 4 Absatz 1 AufenthG grundsätzlich einen sogenannten Aufenthaltstitel für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen eines solchen Aufenthaltstitels . In der Folge wird ein Ausländer nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig und hat das Bundesgebiet zu verlassen. Das deutsche Recht unterscheidet die Ausweisung von der Abschiebung , welche die zwangsweise Vollstreckung der Ausreisepflicht darstellt. 2. Rechtliche Regelungen zur Ausweisung von Ausländern aufgrund strafbarer Handlungen Gemäß § 53 Absatz 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. In jedem Fall ist gemäß § 52 Abs. 2 AufenthG ein einzelfallbezogener Abwägungsprozess erforderlich , bei dem insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige zu berücksichtigen sind. Ausländer, die als Asylberechtigte anerkannt sind, dürfen nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten der Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Die gegeneinander vorzunehmende Abwägung der Interessen wird in § 54 AufenthG (Ausweisungsinteresse ) und § 55 AufenthG (Bleibeinteresse) in umfassenden Tatbestandskatalogen definiert. Das Ausweisungsinteresse wirkt gemäß § 54 Abs. 1 AufenthG unter anderem dann besonders schwer, wenn der Ausländer – wegen vorsätzlicher Straftat(en) zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde (Nr. 1), 1 http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004. 2 http://www.gesetze-im-internet.de/gg. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 116/16 Seite 4 – die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet (Nr. 2), – zur Leitung eines unanfechtbar verbotenen Vereins gehört, weil dessen Zwecke oder seine Tätigkeiten beispielsweise den Strafgesetzen zuwiderlaufen (Nr. 3), – sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt, öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht (Nr. 4) oder – zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft (Nr. 5). Ferner wiegt das Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 AufenthG unter anderem dann als schwer, wenn der Ausländer – wegen vorsätzlicher Straftat(en) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (Nr. 1) oder zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist (Nr. 2), – Handel mit Betäubungsmitteln betreibt oder das Betreiben versucht (Nr. 3) oder gefährliche Betäubungsmittel verbraucht und nicht zur Rehabilitation bereit ist (Nr. 4), – eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik teilzunehmen (Nr. 5), – eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht (Nr. 6), – einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebietes eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist (Nr. 9). Eine Ausweisung stellt das Ergebnis einer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durchgeführten Abwägung von Bleibe- und Ausweisungsinteressen dar. Das Vorliegen der oben angeführten Straffälligkeiten führt daher nicht automatisch zu einer Ausweisung eines Ausländers. 3. Statistische Daten zur Ausweisung von Ausländern aufgrund strafbarer Handlungen Im sogenannten Ausländerzentralregister (AZR) sind die Daten derjenigen Ausländer gespeichert, die nicht nur vorübergehend, sondern mindestens 3 Monate in der Bundesrepublik Deutschland leben oder gelebt haben. Zum Stichtag 31. Dezember 2015 waren im AZR insgesamt 285.703 Ausländer mit einer Ausweisungsverfügung erfasst. Eine Differenzierung nach der Art der Strafe, die im jeweiligen Einzelfall zu einer Ausweisung geführt hat, wird im AZR nicht vorgenommen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 116/16 Seite 5 Die Zahl der Ausweisungen differenziert nach Jahren:3 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Zahl der Ausweisungen 4.247 4.483 4.328 3.916 3.411 3.310 Darüber hinaus werden in der sogenannten Strafverfolgungsstatistik Angaben über Verurteilungen nach dem Strafgesetzbuch und über die Straffälligkeit verschiedener Personengruppen erfasst. Danach besitzt etwa ein Fünftel aller Verurteilten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nicht alle ausländischen Verurteilten auch zur Wohnbevölkerung in Deutschland gehören. So werden beispielsweise auch Touristen oder Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, in der Verurteiltenstatistik mitgezählt. Ferner haben Verstöße gegen Aufenthalts- und Einreisebestimmungen (insbesondere Ausländer- und Asylverfahrensgesetz) einen beträchtlichen Anteil an den Verurteilungen von Ausländern, die naturgemäß in der Liste der Straftaten bei deutschen Verurteilten keine Rolle spielen. Die Zahl und der Anteil verurteilter Ausländer differenziert nach Jahren:4 Jahr Straftaten insgesamt Verurteilte Ausländer Anzahl Anteil 2012 773.901 176.942 22,9 % 2013 755.938 185.042 24,5 % 2014 748.782 194.673 26,0 % Ende der Bearbeitung 3 Vgl. BT-Drs. 18/7844; BT-Drs. 18/4596; BT-Drs. 18/2279; BT-Drs. 17/10459. 4 Vgl. Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung, Fachserie 10 Reihe 3 – 2014, S 478, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafverfolgung 2100300147004.pdf?__blob=publicationFile.