© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 115/21 Verpflichtung der Länder zur Ausführung von Bundesgesetzen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 2 Verpflichtung der Länder zur Ausführung von Bundesgesetzen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 115/21 Abschluss der Arbeit: 14. Juni 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 3 1. Problemaufriss Die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden, Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Die Ausführung der Bundesgesetze erfolgt im Regelfall durch die Länder als eigene Angelegenheit, Art. 83 GG. Der Sachstand stellt die verfassungsrechtlichen Maßstäbe dar, anhand derer die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder zu messen ist. Zudem beleuchtet er die Handlungs-, insbesondere Rechtsschutzinstrumente, welche gegen die Länder bei fehlerhafter Ausführung von Bundesgesetzen zur Verfügung stehen. 2. Die Verwaltungskompetenzen nach dem Grundgesetz 2.1. Aufteilung der Verwaltungskompetenzen Die Verwaltungskompetenzen werden im achten Abschnitt des Grundgesetzes geregelt. Als Grundsatz bestimmt Art. 83 GG, dass die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Daraus folgt erstens eine Regelzuständigkeit der Länder für die Ausführung der Bundesgesetze und zweitens die Landeseigenverwaltung als Regelform der Ausführung.1 Die Ausführung der Landesgesetze obliegt den Ländern.2 2.2. Umfang der Ausführungspflichten Art. 83 GG bestimmt nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Länder zur Ausführung von Bundesgesetzen.3 Mithin sind die Länder von Verfassungs wegen gehalten, ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entsprechend den Anforderungen sachgerechter Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes einzurichten.4 Eine weitere Konkretisierung in der verfassungsgerichtlichen Judikatur ist noch nicht zu verzeichnen . Insbesondere bleibt offen, wie umfangreich Intensität und Effektivität der Aufgabenerfüllung sein müssen. 2.3. Die Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG. Sie haben eine grundsätzlich umfassende Organisationsgewalt.5 1 Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 12. 2 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 83 Rn. 8. 3 BVerfGE 37, 363 [385]; BVerfGE 75, 108 [150}; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 83 Rn. 168. 4 BVerfGE 55, 274 [318]. 5 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 4 Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 84 Abs. 2 GG. Zudem kann der Bund die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren bundeseinheitlich regeln. Die Länder besitzen jedoch eine Befugnis zum Erlass abweichender Regelungen, Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG. In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln, Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG. Solche Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, Art. 84 Abs. 1 S. 6 GG. Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen, Art. 84 Abs. 5 S. 1 GG. 2.4. Die Bundesaufsicht Gemäß Art. 84 Abs. 3 GG obliegt der Bundesregierung die Aufsicht über die rechtmäßige Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder. Als Mittel der Rechtsaufsicht sieht Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG die Entsendung von Beauftragten vor. Ihre Befugnisse umfassen Untersuchungen durch Akteneinsicht , Vernehmungen und sonstige Formen der Informationsbeschaffung.6 Ein Weisungsrecht gegenüber den Ländern kommt dem Beauftragten jedoch nicht zu.7 Dies ergibt sich insbesondere aus einem Umkehrschluss aus Art. 84 Abs. 5 GG. Daneben kommt eine Aktenvorlage im Falle eines konkreten Verdachts8 sowie die Anforderung eines Berichts in Betracht.9 Im Rahmen der Bundesaufsicht kann die Bundesregierung feststellen, dass durch ein Land Recht verletzt wurde (Mängelrüge).10 Mängel im Sinne des Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG liegen vor, wenn beim Gesetzesvollzug Rechtsfehler aufgetreten sind.11 Bei der Bundesaufsicht handelt es sich um eine Rechtskontrolle. Den Maßstab bilden dabei das Grundgesetz, das einfache Bundesrecht, die nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassenen Verwaltungsvorschriften sowie die Einzelweisungen nach Art. 84 Abs. 5 GG.12 Ob das Landesrecht auch zum Prüfungsmaßstab gehört, ist strittig.13 Die Bundesaufsicht 6 Hermes, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2018, Art. 84 Rn. 103. 7 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 63. 8 BVerfGE 127, 165 [221]. 9 Hermes, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2018, Art. 84 Rn. 104. 10 Hermes, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2018, Art. 84 Rn. 105. 11 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 84 Rn. 240. 12 Winkler, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 46; Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 64. 13 Dafür Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 64; dagegen Winkler, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 46; Suerbaum, in: BeckOK GG, 46. Ed. 15.2.2021, Art. 84 Rn. 59.1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 5 ist dabei umfassend, ihr unterfällt der gesamte Wirkungsbereich des zu vollziehenden Gesetzes einschließlich einer gesetzwidrigen Untätigkeit.14 Ein Mangel könnte dann gegeben sein, wenn ein Land aus politischen Gründen von Verwaltungshandeln absieht, obwohl eine Rechtspflicht zum Handeln besteht.15 Von der Untätigkeit oder einem inhaltlich dem Gesetz zuwiderlaufenden Handeln dürfte der Fall zu unterscheiden sein, dass die Ausführung von Gesetzen nicht oder nicht in dem erhofften Maße die erwünschten Folgen zeitigt. Werden von der Bundesregierung festgestellte Mängel nicht beseitigt, so kann der Bundesrat auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes beschließen, ob das Land das Recht verletzt hat (Art. 84 Abs. 4 S. 2 GG). Gegen den Beschluss kann dann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden (Art. 84 Abs. 4 S. 2 GG). Dies steht auch der Bundesregierung für den Fall eines ablehnenden Beschlusses des Bundesrates zu.16Auch wenn das Land nicht das Bundesverfassungsgericht anruft, aber sich weiterhin weigert, seinen Pflichten nachzukommen, kann die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht anrufen.17 Von den in Art. 84 Abs. 3 und 4 GG genannten Aufsichtsmitteln hat die Bundesregierung bislang keinen Gebrauch gemacht.18 Insofern fehlt es auch einer näheren Konturierung durch die Rechtsprechung und die Staatspraxis. 3. Handlungsmöglichkeiten bei Verstößen der Länder gegen ihre Pflicht zur Ausführung von Gesetzen 3.1. Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung 3.1.1. Bundeszwang Behebt das Land die festgestellten Mängel nicht und ruft es nicht das Bundesverfassungsgericht an oder bestätigt dieses den Beschluss des Bundesrates, so kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates den Bundeszwang nach Art. 37 GG ausüben.19 Dieser ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie angewendet worden. 14 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 64. 15 Vgl. Hirte/Kerst, LKV 2017, 210. 16 Winkler, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 49. 17 Suerbaum, in: BeckOK GG, 46. Ed. 15.2.2021, Art. 84 Rn. 63.1 18 Winkler, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 47. 19 Suerbaum, in: BeckOK GG, 46. Ed. 15.2.2021, Art. 84 Rn. 63. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 6 Im Wege des Bundeszwanges dürfen nur diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die notwendig sind (Art. 37 Abs. 1 GG). Sie müssen geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sein.20 Grundsätzlich zulässige Maßnahmen im Rahmen des Bundeszwanges sind alle tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Machtmittel.21 Denkbar ist beispielsweise eine Ersatzvornahme22 oder auch weitergehend die Sequestration im engeren Sinne, das ist die vorübergehende Wahrnehmung von Landesstaatsgewalt durch Organe des Bundes.23 Der Bundesregierung steht dabei ein Weisungsrecht gegenüber den Ländern und allen ihren Behörden zu (Art. 37 Abs. 2 GG). Die Bundesregierung kann die Ausübung des Weisungsrechts wie auch die Durchführung der weiteren Maßnahmen einem Beauftragten (Bundeskommissar) übertragen.24 Da der Bundeszwang ausschließlich dem Zweck dient, das säumige Land „zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten“ (Art. 37 Abs. 1 GG), ist das Verfahren zu beenden, sobald sein Zweck erreicht ist, also beispielsweise dann, wenn das Land nach dem Zustimmungsbeschluss des Bundesrates einlenkt und seine Bundespflichten wieder erfüllt.25 3.1.2. Vollstreckungsanordnungen des Bundesverfassungsgerichts Die Bundesregierung kann auch mittels der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Durchsetzung der den Ländern obliegenden Pflichten erzwingen. 3.1.2.1. Vollstreckungstitel Als Vollstreckungstitel kommen sowohl eine Entscheidung in der Hauptsache als auch eine einstweilige Anordnung in Betracht. Auch die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung richtet sich nach § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)26.27 Allerdings bedarf es in der Regel 20 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 66. 21 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 82. 22 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 85. 23 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 86. 24 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 86. 25 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 71. 26 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/BJNR002430951.html. 27 Sauer, in: BeckOK BVerfGG, 10. Ed. 1.1.2021, § 35 Rn. 4; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 35 Rn. 77. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 7 einer gesonderten Vollstreckungsanordnung nicht, da der Inhalt der einstweiligen Anordnung selbst rechtsgestaltend ist.28 In der Hauptsache ist ein Bund-Länder-Streit statthaft, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7, § 68 ff. BVerfGG. Der Tenor im Bund-Länder-Streit lautet nach der gesetzlichen Regelung auf Feststellung, § 69 BVerfGG i.V.m. § 67 BVerfGG. Über den Wortlaut hinaus ist ein anderer Tenor möglich.29 Aber auch für den Fall eines Feststellungstenors wird eine Vollstreckungsanordnung für zulässig gehalten.30 § 35 BVerfGG sei weit auszulegen und als ein Instrument zur umfassenden und einzelfalladäquaten Durchsetzung seiner Entscheidungen anzusehen.31 Dies spricht entscheidend dafür, auch im Falle des Bund-Länder-Streits Vollstreckungsanordnungen für rechtmäßig zu halten.32 3.1.2.2. Vollstreckungsanordnung Über den Erlass einer Vollstreckungsanordnung entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen.33 Dabei hängt die Art, das Maß und der Inhalt der Vollstreckungsanordnungen einmal vom Inhalt der Sachentscheidung ab, die vollstreckt werden soll, zum andern von den konkreten Verhältnissen, die in Einklang mit der Entscheidung zu bringen sind, insbesondere von dem Verhalten der Personen, Organisationen, Behörden, Verfassungsorgane, an die oder gegen die sich die Entscheidung richtet.34 Das Bundesverfassungsgericht kann bestimmen, wer seine Entscheidung vollstreckt, und im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln. Dabei kann es nicht nur allgemeine abstrakte Anordnungen für die Vollstreckung seiner Entscheidung erlassen, sondern auch konkrete Vollstreckungsaufträge für den Einzelfall erteilen. Die im Rahmen von § 35 BVerfGG zu treffenden Folgeregelungen sind dabei grundsätzlich auf das zur Durchsetzung der Entscheidung Unumgängliche zu beschränken.35 Zu Bund-Länder-Streiten im Bereich der Bundesaufsicht liegen keine Präzedenzfälle für Vollstreckungsanordnungen vor. 28 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 35 Rn. 72 c). 29 BVerfGE 112, 118; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 72 Rn. 6. 30 BVerfGE 6, 300 [304]; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 39; Bethge, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 35 Rn. 79. 31 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 -, Rn. 72. 32 So ausdrücklich Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 72 Rn. 60. 33 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 -, Rn. 73. 34 BVerfGE 6, 300 [303]. 35 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 -, Rn. 74. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/21 Seite 8 3.2. Handlungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages Zuständig für die Einleitung des Bundeszwangs ist allein die Bundesregierung. Das bedeutet, dass der Bundestag die Bundesregierung weder zur Einleitung des Bundeszwangs noch zu dessen Beendigung rechtlich verpflichten kann. Auch ist die Bundesregierung nicht gehalten, den Bundestag von einem beabsichtigten Einschreiten im Wege des Bundeszwangs im Vorwege zu informieren oder gar seine Zustimmung einzuholen. Dem Parlament stehen nur seine allgemeinen Kontrollinstrumente zur Verfügung.36 Ein vom Bundestag angestrengter Bund-Länder-Streit ist unzulässig, da nur die Bundesregierung Antragsteller sein kann, § 68 BVerfGG. Einer erweiternden Auslegung ist die Norm nicht zugänglich .37 Direkte Rechtsbehelfe des Bundestages gegenüber den Ländern bestehen somit nicht. Ob der Bundestag die Bundesregierung im Wege eines Organstreits (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) zur Antragstellung anhalten könnte, ist denkbar,38 allerdings bisher noch nicht Gegenstand verfassungsgerichtlicher Verfahren gewesen. 3.3. Handlungsmöglichkeiten weiterer Akteure Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen bezüglich des Nichtvollzugs von Bundesgesetzen durch die Länder nicht. Der Bürger hat keinen allgemeinen Gesetzesvollzugsanspruch.39 Auch die Mängelrüge nach Art. 84 Abs. 4 GG dient nicht dem Grundrechtsschutz, der vielmehr im Einzelfall über die allgemeinen Rechtschutzinstrumente zu erlangen ist.40 Die fachgerichtliche Kontrolle wird auch als effektiver wahrgenommen, insbesondere da sie auch eine, wenn auch begrenzte, Zweckmäßigkeitskontrolle umfasst, § 114 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)41.42 *** 36 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 37 Rn. 62. 37 BVerfGE 129, 108 [115]; Johann, in: BeckOK BVerfGG, 10. Ed. 1.1.2020, § 68 Rn. 8. 38 So für die Landesparlamente gegenüber den Landesregierungen BVerfGE 129, 108 [117]. 39 BVerfGE 132, 195 [235]; Wahl, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, 39. EL 2020, Vorbemerkung zu § 42 Abs. 2 Rn. 73. 40 BVerwG, NJW 1977, 118; Winkler, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 46. 41 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 15 Absatz 9 des Gesetzes vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/BJNR000170960.html. 42 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 84 Rn. 70.