© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 115/17 Fragen zum deutschen und israelischen Staatsangehörigkeitsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/17 Seite 2 Fragen zum deutschen und israelischen Staatsangehörigkeitsrecht Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 115/17 Abschluss der Arbeit: 02.06.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/17 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand thematisiert Fragen zur doppelten Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung nach deutschem und israelischem Recht. Geklärt werden soll, inwieweit eine Einbürgerung bei Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit zulässig ist. Ferner sollen Änderungsmöglichkeiten der derzeit geltenden Rechtslage aufgezeigt werden. 2. Doppelte Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung nach deutschem Recht Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) ist für die Einbürgerung eines Ausländers grundsätzlich erforderlich, dass dieser seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in § 12 StAG. Einen Sonderfall bilden darüber hinaus sog. Wiedereinbürgerungen nach Art. 116 Abs. 2 GG. 2.1. Ausnahmen nach § 12 StAG Nach § 12 Abs. 1 StAG kann eine Einbürgerung bei Beibehaltung der bisherigen Staatangehörigkeit erfolgen, wenn eine Aufgabe der Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist. Die Vorschrift enthält eine abschließende Aufzählung hierbei in Betracht kommender Fallgruppen.1 Eine weitere Ausnahme zugunsten der Mehrstaatigkeit enthält § 12 Abs. 2 StAG für Staatsangehörige der Europäischen Union sowie der Schweiz. Antragstellern aus diesen Ländern ist es grundsätzlich möglich, die deutsche Staatsangehörigkeit bei Beibehaltung ihrer bisherigen zu erwerben. Schließlich lässt § 12 Abs. 3 StAG weitere Ausnahmen zugunsten der Mehrstaatigkeit zu, die nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge erfolgen. Bisher erlangte diese allgemeine Öffnungsklausel keine praktische Bedeutung.2 Nach der Gesetzesbegründung sollen solche völkerrechtlichen Verträge erfasst werden, „die eine unter Umständen befristete Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorsehen können, wenn aus der Mehrstaatigkeit resultierende Probleme gelöst werden“.3 Ob für die Anwendung der Vorschrift das bloße Bestehen eines völkerrechtlichen Vertrages ausreicht, oder der Gesetzgeber im Rahmen eines Umsetzungsgesetzes erneut tätig werden muss, wird in der Literatur als unklar eingeordnet.4 1 Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, 5. Aufl. 2010, § 12 StAG Rn. 10. 2 Geyer, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 12 StAG Rn. 31. 3 BT-Drs. 14/533, S. 19. 4 Vgl. Berlit, in: Fritz/Vormeier [Hrsg.], Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, 34. EL 2016, § 12 StAG Rn. 330. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/17 Seite 4 2.2. Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 GG Nach Art. 116 Abs. 2 GG werden frühere deutsche Staatsangehörige und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder eingebürgert, wenn ihnen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen wurde. Die Vorschrift besitzt heute vor allem für Nachkommen einen praktischen Anwendungsbereich.5 In der Einbürgerungspraxis betrifft dies insbesondere auch zahlreiche israelische Staatsbürger, die Nachkommen von verfolgten ehemaligen deutschen Staatsangehörigen sind.6 Im Falle einer Wiedereinbürgerung ist ein Verzicht oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht erforderlich . Anders als bei einer Einbürgerung nach § 10 StAG ist die Mehrstaatigkeit im Rahmen einer Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 GG daher ohne besondere Voraussetzungen zulässig.7 3. Doppelte Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung nach israelischem Recht Der Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit ist nach Angaben der Botschaft des Staates Israel in Berlin an einige Grundvoraussetzungen geknüpft. Demnach können Erwachsene aufgrund einer Entscheidung des Innenministers, die in dessen freiem Ermessen liegt, eingebürgert werden, wenn folgende Grundvoraussetzungen erfüllt sind: – Ein Aufenthalt in Israel während drei von fünf der Antragstellung auf Einbürgerung vorausgehenden Jahre. – Die Berechtigung zu ständigem Aufenthalt in Israel und Niederlassung in Israel bzw. die erklärte Absicht dazu. – Der Verzicht auf eine frühere Nationalität oder Nachweis der beabsichtigten Aufgabe einer fremden Nationalität bei Erhalt der israelischen Staatsangehörigkeit.8 – Gewisse Kenntnisse der hebräischen Sprache.9 Wie der Darstellung zu entnehmen ist, geht auch das israelische Einbürgerungsrecht grundsätzlich von einer Vermeidung der Mehrstaatigkeit aus.10 5 Vertiefend zu den Einzelheiten einer Wiedereinbürgerung von Nachkommen: Wittreck, in Dreier [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, Art. 116 GG Rn. 90 ff. 6 Vgl. hierzu etwa die Einbürgerungszahlen der Jahre 2000 bis 2015: BT-Drs. 18/10789, S. 4. 7 Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 1993 – 1 C 25/92 –,juris Rn. 39; Wittreck, in Dreier [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, Art. 116 GG Rn. 98. 8 http://embassies.gov.il/berlin/AboutIsrael/Pages/Staatsangeh%C3%B6rigkeit.aspx (Stand: 02.06.2017). 9 Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid [Hrsg.], 54. Lfg. 2012, (Abschnitt Israel), S. 21. 10 Vgl. hierzu auch: Margalith/Assan, in: Bergmann/Ferid [Hrsg.], 54. Lfg. 2012, (Abschnitt Israel), S. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 115/17 Seite 5 4. Änderungsmöglichkeiten Um israelischen Staatsbürgern über die aufgezeigten Konstellationen hinaus einen generellen Zugang zur deutschen bei Beibehaltung ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit einzuräumen, bedürfte es einer Änderung der derzeit geltenden Regelungen. Denkbar wäre es, israelische Staatsangehörige in den Regelungsbereich des § 12 Abs. 2 StAG aufzunehmen, um sie den bereits privilegierten Staatsangehörigen der Europäischen Union und der Schweiz gleichzustellen. Denkbar wäre möglicherweise auch eine völkerrechtliche Vereinbarung, die den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 StAG eröffnet. Ein solches Vorgehen wäre jedoch mit den oben aufgezeigten Rechtsunsicherheiten verbunden. ***