© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 114/19 Gesetzgebungskompetenz für ein Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ohne steuerrechtlichen Bezug Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 114/19 Seite 2 Gesetzgebungskompetenz für ein Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ohne steuerrechtlichen Bezug Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 114/19 Abschluss der Arbeit: 15. Mai 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 114/19 Seite 3 1. Fragestellung Von 1940 bis 1990 galt in Deutschland das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz1, das Wohnungsunternehmen Steuererleichterungen und andere Vergünstigungen als Ausgleich für die Einhaltung bestimmter Vorgaben gewährte. Der Sachstand befasst sich mit der Frage, ob heute ein ähnliches Gesetz von den Ländern erlassen werden könnte. Die finanzielle Förderung der Wohnungsunternehmen soll dabei aber nicht auf Steuererleichterungen, sondern beispielsweise auf der Vergabe günstiger Darlehen beruhen. 2. Wohnungsgemeinnützigkeit Gemeinnützige Wohnungsunternehmen waren insbesondere kommunale Unternehmen, deren Tätigkeit darauf ausgerichtet war, breite Bevölkerungsschichten mit Wohnungen zu versorgen.2 Die Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen richtete sich nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz , das aus dem Jahr 1940 stammte. Das Gesetz fasste mehrere frühere Gesetze und Verordnungen zusammen.3 Die Anerkennung eines Wohnungsunternehmens als gemeinnützig zog bestimmte Bindungen nach sich.4 So wurde die Gewinnausschüttung auf 4 Prozent beschränkt und der Mietpreis war den Preisbildungsmechanismen des freien Marktes entzogen, weil nach dem Prinzip der Kostendeckung vermietet werden musste. Zudem waren gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen zum stetigen Bau verpflichtet und dabei auf Wohnungen mit maximal 120 qm beschränkt. Im Gegenzug zu den Beschränkungen sah das Gesetz bestimmte Privilegien vor. So konnten gemeinnützige Wohnungsunternehmen Steuererleichterungen und -befreiungen in Anspruch nehmen und zinsgünstige oder zinslose Kapitaldarlehen erhalten.5 Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wurde zum 1. Januar 1990 durch das Steuerreformgesetz aufgehoben.6 Die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit wird seit einigen Jahren diskutiert.7 1 Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940 (RGBl. I S. 437). 2 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Gemeinnützigkeit der Wohnungswirtschaft, WD 7 - 3000 - 006/13, S. 4. 3 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Gemeinnützigkeit der Wohnungswirtschaft, WD 7 - 3000 - 006/13, S. 4. 4 Siehe dazu Schwarz, Strategisches Management in der Wohnungswirtschaft, 2004, S. 53 f. 5 Siehe zu weiteren Privilegien Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Gemeinnützigkeit der Wohnungswirtschaft, WD 7 - 3000 - 006/13, S. 5 f. 6 Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I S. 1093). 7 Siehe etwa zur Diskussion in der 18. Wahlperiode https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse 18/a16/Oeffentliche_Anhoerungen/oeffentliches-fachgespraech-96-sitzung-wohnungsgemeinnuetzigkeit- 478208 (Stand: 13. Mai 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 114/19 Seite 4 3. Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen Als Gesetzgebungskompetenz für ein neues Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ohne steuerrechtlichen Bezug kommt die Zuständigkeit der Länder für das Wohnungswesen in Betracht. Die Kompetenz für das Wohnungswesen gehörte bis zur Föderalismusreform von 2006 als Bestandteil von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung.8 Im Zuge der Reform wurde das Wohnungswesen aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG entfernt. Es fällt seither gemäß Art. 70 GG in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Länder. Für den Bund verbleiben in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG nur Einzelkompetenzen im Bereich des Wohnens. Er ist weiterhin zuständig für den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht , das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannsiedlungsrecht. Ursprung der Schaffung der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen war die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg.9 Das Wohnungswesen umfasst daher öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung.10 Zum Kompetenztitel gehören unter anderem Regelungen über die Bewirtschaftung des Wohnraums, die soziale Wohnraumförderung, der Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Wohnungsgenossenschaftsrecht.11 Das Wohnungswesen umfasst auch die Förderung des Wohnungsbaus.12 Ein Gesetz, das finanzielle Anreize für die Schaffung von Wohnraum setzt, dient dieser Förderung.13 Falls das Gesetz auch eine Beschränkung der Vermietung auf untere Einkommensschichten enthielte, dürfte es zudem auch der sozialen Wohnraumförderung unterfallen, die ebenfalls zum Kompetenzbereich des Wohnungswesens gehört. Ein Gesetz zur Förderung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen ohne steuerrechtlichen Bezug dürfte daher in den ausschließlichen Kompetenzbereich der Länder fallen. So kommen auch Holm/Horlitz/Jensen in ihrer Studie zur Einführung der „Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit “ zu dem Schluss, dass aufgrund der Föderalismusreform eine Änderung des 8 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 9 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, S. 244 ff. (244). 10 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, S. 244 ff. (244). 11 Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 131; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 12 Vgl. BVerfGE 21, 117 (128). 13 Vgl. BVerfGE 21, 117 (128) zum Zweiten Wohnungsbaugesetz. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 114/19 Seite 5 Grundgesetzes für eine erneute Einführung der Wohnungsgemeinnützigkeit als Bundesgesetz notwendig wäre.14 Nach einer 2019 erfolgten Grundgesetzänderung besteht für den Bund gemäß Art. 104d GG bisher nur die Möglichkeit, den Ländern Finanzhilfen auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus zu gewähren.15 *** 14 Holm/Horlitz/Jensen, Neue Wohnungsgemeinnützigkeit, 2017, S. 22 Fn. 4. 15 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404).