© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 113/17 Die unbefugte Veröffentlichung interner Informationen im Wahlkampf Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 113/17 Seite 2 Die unbefugte Veröffentlichung interner Informationen im Wahlkampf Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 113/17 Abschluss der Arbeit: 30.05.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 113/17 Seite 3 1. Fragestellung In den vergangenen Wahlkämpfen in den USA und Frankreich haben sich Unbekannte aus Rechnern der Wahlkampfzentralen interne e-Post verschafft. Medien und politische Gegner haben diese interne e-Post anschließend veröffentlicht. Es stellt sich die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, im Wahlkampf zu verbieten, solche Interna zu veröffentlichen. 2. Bundeswahlleiter und Bundeswahlgesetz In Deutschland ist der Bundeswahlleiter das zentrale Wahlorgan des Bundeswahlgesetzes. Er organisiert und überwacht die Wahlen und Wahlvorbereitungen in Deutschland auf Bundesebene. Dies sind die Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Wahlen zum Europäischen Parlament.1 Der Bundeswahlleiter hat keine Kompetenz, den Parteien die Veröffentlichung bestimmter Inhalte zu verbieten. Die Grenzen der Veröffentlichung ergeben sich aus Sanktionen (Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) sowie aus zivilrechtlichen Ansprüchen. 3. Veröffentlichung wahrer Tatsachen 3.1. Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht Für die Veröffentlichung interner Informationen kommen je nach Umständen die folgenden Tatbestände in Betracht: 3.1.1. Bundeswahlgesetz Das Bundeswahlgesetz enthält eine Vorschrift, die sich lediglich auf den Wahltag und die Wahlgebäude bezieht. Die Vorschrift ist nicht durch eine Ordnungswidrigkeit sanktioniert: § 32 Unzulässige Wahlpropaganda und Unterschriftensammlung, unzulässige Veröffentlichung von Wählerbefragungen (1) Während der Wahlzeit sind in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten. […] Ein generelles zeitliches Verbot, Wahlkampf zu betreiben, zum Beispiel am Wahltag, besteht jedoch nicht. 3.1.2. Strafgesetzbuch (StGB) Der folgende Straftatbestand schützt nur vor einer Täuschung beim Akt der Wahl selbst, also bei der Stimmabgabe. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit des Wählers, nicht aber seine Willensbildungsfreiheit (Motivirrtum aufgrund unwahrer Wahlpropaganda) vor Täuschung geschützt:2 1 https://www.bundeswahlleiter.de/en/index.html (Deutsch und Englisch). 2 Von Heintschel-Heinegg, Beck‘scher Online Kommentar StGB, 33. Edition, Stand: 1. Dezember 2016, Rn. 1-2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 113/17 Seite 4 § 108a Wählertäuschung (1) Wer durch Täuschung bewirkt, daß jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen nicht oder ungültig wählt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 3.1.3. Bundesdatenschutzgesetz Am ehesten relevant sind wohl die folgenden Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG): § 43 Bußgeldvorschriften […] (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet, 2. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereithält, 3. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, abruft oder sich oder einem anderen aus automatisierten Verarbeitungen oder nicht automatisierten Dateien verschafft, 4. die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, durch unrichtige Angaben erschleicht, […] (3) Die Ordnungswidrigkeit kann im Fall des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu dreihunderttausend Euro geahndet werden. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reichen die in Satz 1 genannten Beträge hierfür nicht aus, so können sie überschritten werden. § 44 Strafvorschriften (1) Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche Stelle, die oder der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und die Aufsichtsbehörde. Die vorgenannten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten liegen nur vor, insoweit es sich um personenbezogene Daten handelt. Nach § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).“ Als „persönliche“ Verhältnisse gelten Angaben über den Betroffenen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 113/17 Seite 5 selbst, seine Identifizierung und Charakterisierung (z. B. Name, Anschrift, Familienstand, Geburtsdatum , Staatsangehörigkeit, Konfession, Beruf, Erscheinungsbild, Eigenschaften, Aussehen, Gesundheitszustand , Überzeugungen). „Sachliche“ Verhältnisse sind Angaben über einen auf den Betroffenen beziehbaren Sachverhalt, z. B. seinen Grundbesitz, und vertragliche oder sonstige Beziehungen zu Dritten, z. B. das Führen eines Telefongesprächs mit Dritten.3 Gerichte sehen es zum Beispiel als Straftat an, wenn eine Privatperson das Führungszeugnis einer anderen Privatperson im Netz veröffentlicht, um deren Ansehen zu schaden.4 Regelmäßig anders dürfte der Fall zu beurteilen sein, wenn die Presse persönliche Daten veröffentlicht, die einen Politiker oder Wahlkandidaten betreffen. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und die Pressefreiheit sind wichtige verfassungsrechtliche Aspekte, hinter denen ein Geheimhaltungsinteresse oftmals zurücktreten muss.5 Aus diesem Grund stellt § 41 BDSG die Presse weitgehend von den Vorgaben des BDSG frei. Ähnliches gilt für den Schutz der freien Meinungsäußerung in politischen Auseinandersetzungen. So hat es das Oberlandesgericht Stuttgart zum Beispiel für zulässig erachtet, dass in einer politischen Auseinandersetzung eine e-Post öffentlich gemacht wurde, die nur für einen begrenzten Personenkreis bestimmt war.6 3.2. Zivilrecht Aus den vorgenannten Gründen ergeben sich oftmals auch keine zivilrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung, solange es um politische Sachverhalte geht. So hat der Bundesgerichtshof es zum Beispiel für zulässig erachtet, dass die Presse den Kaufpreis eines Grundstücks veröffentlicht, das ein Politiker erworben hatte.7 4. Veröffentlichung falscher Tatsachen Das Strafgesetzbuch enthält die folgenden Tatbestände zu Falschinformationen: § 186 Üble Nachrede Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 3 Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 12. Auflage 2015, Rn. 6-7. 4 Amtsgericht Marburg, Urteil vom 1. Juni 2006, 2 Js 17479/04-51 Ls; bestätigt durch LG Marburg, Beschluss vom 22. November 2007, 4 Qs 54/07. 5 Vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958, 1 BvR 400/51; BVerfGE 7, 198 „Lüth“; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1961, VI ZR 204/60; BGHZ 36, 77 „Waffenhändler“. 6 Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 10. November 2010, 4 U 96/10. 7 BGH, Urteil vom 19. Mai 2009, VI ZR 160/08 (KG) „Joschka Fischer“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 113/17 Seite 6 § 187 Verleumdung Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 188 Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine üble Nachrede (§ 186) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren , so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. (2) Eine Verleumdung (§ 187) wird unter den gleichen Voraussetzungen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In den zwei großen deutschen Urteilsdatenbanken sind nur wenige Verurteilungen nach §§ 186 und 187 StGB zu Sachverhalten im politischen Kontext enthalten. Zu § 188 StGB ist keine Verurteilung ersichtlich. Auch bei diesen Vorschriften sind die Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung als mögliche Rechtfertigung zu berücksichtigen. 5. Ausländische Dienstprogramme („Server“) Nach § 3 StGB gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen werden. Tatort im Sinne des § 9 Abs. 1 Alternative 1 StGB ist zunächst der Handlungsort. Bei der Bestimmung des Handlungsortes bei Internetdelikten, kommt es insbesondere darauf an, von wo aus die strafbaren Texte in das Netz gestellt werden und wo das die Texte verwaltende Dienstprogramm belegen ist.8 Wenn Inhalte allein durch Handlungen im Ausland durch ein ausländisches Dienstprogramm abgelegt oder dort nicht gelöscht werden, besteht kein inländischer Handlungsort.9 *** 8 Fischer, StGB, 63. Auflage 2016, § 9 StGB Rn. 5 ff. 9 Fischer (Fn. 8) Rn. 5b.