© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 112/16 Zur Verfassungsmäßigkeit einer sog. Ausbildungsumlage Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 2 Zur Verfassungsmäßigkeit einer sog. Ausbildungsumlage Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 112/16 Abschluss der Arbeit: 22. April 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung WD 4: Haushalt und Finanzen Die Ausführungen unter 2.2. stammen vom Fachbereich WD 4 (Haushalt und Finanzen). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben 4 2.1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 4 2.1.1. Recht der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG 5 2.1.2. Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes 5 2.2. Finanzverfassungsrechtliche Anforderungen an eine Ausbildungsumlage als Sonderabgabe 7 2.2.1. Begriff der Sonderabgabe 7 2.2.2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben im Allgemeinen 7 2.2.3. Finanzverfassungsrechtliche Prüfung einer Sonderabgabe Ausbildungsumlage 8 2.2.3.1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Ausbildungsumlage? 8 2.2.3.2. Homogene Gruppe 8 2.2.3.3. Besonderer Finanzierungsbedarf und “gruppennützige Verwendung“ 9 2.2.3.4. Haushaltsrechtliche Informations- und Dokumentationspflicht/Prüfungspflicht 11 2.2.3.5. Zulässigkeit der Berufsausbildungsplatzabgabe der Höhe nach 11 2.3. Vereinbarkeit mit den Grundrechten 12 2.3.1. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG 12 2.3.2. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG 14 2.3.3. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 4 1. Fragestellung Dieser Ausarbeitung liegt eine Anfrage zugrunde, in der um die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer sog. Ausbildungsgarantie gebeten wird. Diese soll einen gesetzlich garantierten Anspruch aller Ausbildungsinteressierten auf einen Ausbildungsplatz beinhalten. Zur Finanzierung ist eine Umlagefinanzierung vorgesehen. Diese soll derart gestaltet sein, dass alle Betriebe zwei Prozent ihrer Bruttolohnsumme in eine gemeinsame Kasse einzahlen. Betriebe die ausbilden und dabei bestimmte Qualitätsstandards einhalten, sollen Kosten aus der Umlagefinanzierung erstattet bekommen . Die Kostenerstattung soll sich dabei nach den Ausbildungsjahren der Auszubildenden richten. Die Mittel aus der Umlagefinanzierung sollen eingesetzt werden als Ausgleich für die ausbildenden Betriebe, für die Kosten der außerbetrieblichen Ausbildung sowie zur Förderung von entsprechenden Programmen und ausbildungsbegleitenden Maßnahmen. Bestehende tarifvertragliche Branchenregelungen und Sozialkassen sollen Vorrang besitzen und abweichende branchenspezifische Regelungen enthalten können, solange sie die gesetzlichen Mindeststandards in Wirkung und Umfang erfüllen. Der Fokus der folgenden Ausarbeitung liegt auf der Umlagefinanzierung, die den Kern der Ausbildungsgarantie bildet. Der angesprochene Aspekt des Anspruchs der Ausbildungsinteressierten auf einen Ausbildungsplatz konnte nicht ausreichend konkretisiert werden, dass eine rechtliche Prüfung möglich gewesen wäre. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben Bei der Schaffung einer entsprechenden Ausbildungsumlage sind formelle und materielle Vorgaben der Verfassung zu beachten. In formeller Hinsicht stellen sich zum einen die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und zum anderen die Frage nach der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit. In materieller Hinsicht kommt es auf die Vereinbarkeit der zu schaffenden Regelung mit den Grundrechten an. 2.1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Die geplante Umlage stellt eine Abgabe nichtsteuerlicher Art dar, so dass sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. Grundgesetz (GG) richtet. Nach Art. 70 Abs. 1, Art. 30 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zuweist. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 2 GG).1 1 Die folgenden Ausführungen zur Frage der Gesetzgebungskompetenz beruhen auf der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Gesetzgebungskompetenz für eine Ausbildungsplatzumlage, WD 3 - 179/07, 2007, S. 5 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 5 2.1.1. Recht der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1980 entschieden, dass das Ausbildungsplatzförderungsgesetz von 1976 einschließlich seiner Regelung einer Ausbildungsumlage unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) fällt: „Zum ‚Recht der Wirtschaft‘ gehört auch der Fragenkreis der praktischen beruflichen Ausbildung , die traditionell und strukturell von den in der Wirtschaft tätigen Arbeitgebern wahrzunehmen ist. […] Der Bund kann […] im Rahmen derartiger Regelungen Abgabenerhebungen [vorsehen]“.2 2.1.2. Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes Auf bestimmten Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung hat der Bund gemäß Art. 72 Abs. 2 GG nur die Gesetzgebungskompetenz, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Auch für den Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gelten diese Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine bundesgesetzliche Regelung erst dann zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich, „wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet.“3 Es erscheint fraglich, ob derzeit in Deutschland ein Mangel an Ausbildungsplätzen besteht, der sich in den einzelnen Bundesländern in einer derart erheblichen Weise auseinander entwickelt hat. In Bezug auf die Tatbestandsvariante der Wahrung der Rechtseinheit betont das Bundesverfassungsgericht , dass die bloße Unterschiedlichkeit von Landesrecht eine Regelung durch den Bund nicht erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG machen kann.4 Vielmehr erfüllt „Gesetzesvielfalt auf Länderebene […] die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1 GG erst dann, wenn sie eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann. Gerade die Unterschiedlichkeit des Gesetzesrechts oder der Umstand, dass die Länder eine regelungsbedürftige Materie nicht regeln, müssen das gesamtstaatliche Rechtsgut der Rechtseinheit, verstanden als Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtsgemeinschaft, bedrohen.“5 Das Vorliegen einer derartigen Rechtszersplitterung bei der Regelung einer Ausbildungsumlage durch die Länder ist nicht ohne weiteres ersichtlich. 2 BVerfGE 55, 274 (308 f.), Hervorhebung nicht im Original. 3 BVerfGE 106, 62 (144). 4 BVerfGE 106, 62 (145). 5 BVerfGE 106, 62 (145). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 6 Der Erlass von Bundesgesetzen zur Wahrung der Wirtschaftseinheit gemäß Art. 72 Abs. 2 GG steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann im gesamtstaatlichen, also im gemeinsamen Interesse von Bund und Ländern, wenn Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten.6 Als derartige Nachteile kommen im vorliegenden Fall unter anderem eine regionale Ballung oder Ausdünnung von Ausbildungsplätzen und eine Beeinflussung der Standortentscheidung von Unternehmen in Betracht.7 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Neuregelung der Altenpflege einschließlich der Ausbildung die Notwendigkeit einer Wirtschaftseinheit bejaht, wenn andernfalls die Verteilung des wirtschaftlichen (personellen und sachlichen) Potentials verzerrt würde.8 In diesem Zusammenhang führt das Gericht aus: „Unterschiedliche Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen können aber im deutschen Wirtschaftsgebiet störende Grenzen aufrichten, sie können eine Ballung oder Ausdünnung des Nachwuchses in bestimmten Regionen bewirken, sie können das Niveau der Ausbildung beeinträchtigen und damit erhebliche Nachteile für die Chancen des Nachwuchses sowie für die Berufssituation im Gesamtstaat begründen.“9 Ob im vorliegenden Fall Landesregelungen bezüglich einer Ausbildungsumlage oder ein Untätigbleiben der Länder tatsächlich erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen würden, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Der Bundesgesetzgeber müsste – sofern er sich hier auf die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG beruft – seine Prognose entweder anhand etwaig vorhandenen Datenmaterials belegen oder sich – sofern keine empirischen Daten oder verlässliche Erfahrungssätze vorliegen – auf seinen Prognosespielraum berufen.10 Festzuhalten ist, dass der Bund gemäß Art. 72 Abs. 2 GG auf dem Gebiet des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für eine Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt, soweit er darlegen kann, dass die Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. 6 BVerfGE 106, 62 (146). 7 Siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Gesetzgebungskompetenz für eine Ausbildungsplatzumlage, WD 3 - 179/07, 2007, S. 6. 8 BVerfGE 106, 62 (146 f.). 9 BVerfGE 106, 62 (147). 10 Vgl. BVerfGE 106, 62 (151). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 7 2.2. Finanzverfassungsrechtliche Anforderungen an eine Ausbildungsumlage als Sonderabgabe 2.2.1. Begriff der Sonderabgabe Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erstmals in seinem Urteil zur Berufsbildungsabgabe im Jahre 1980 Kriterien zum Wesen und zur Zulässigkeit einer Sonderabgabe festgelegt.11 Sonderabgaben weisen folgende Merkmale auf:12 – Hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht – Keine unmittelbare Gegenleistung durch den Staat – Abgabe wird dem Betroffenen voraussetzungslos auferlegt – Erhebung nur von bestimmten Gruppen – Die Gruppe der Betroffenen trifft eine spezielle Verantwortlichkeit für die jeweilige bsd. Finanzaufgabe – Aufkommen der Sonderabgabe fließt grundsätzlich in einen Sonderfonds außerhalb des allgemeinen Finanzhaushalts (daher auch Bezeichnung als Sonderabgabe „mit Finanzierungszweck “) Keine Voraussetzung dagegen ist, dass für die Abgabe eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand geschuldet wird.13 2.2.2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben im Allgemeinen Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Sonderabgabe sind enge Grenzen gesetzt: Hier gewährt das BVerfG dem Gesetzgeber keinen weiten Gestaltungsspielraum, da es einen grundsätzlichen Vorrang des Finanzierungsinstruments der Steuer gegenüber der Sonderabgabe sieht.14 Um verfassungsrechtlich zulässig zu sein, muss eine Sonderabgabe folgende Voraussetzungen erfüllen:15 11 BVerfGE 55, 274 (298, 303 f., 305-308), des Weiteren BVerfGE 67, 256. 12 Koenig, in: Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 3 Rn. 35. 13 Hummel, Das Merkmal der Finanzierungsverantwortung in der Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , in: Deutsches Verwaltungsblatt, DVBl 2009, 874. 14 Hummel, Das Merkmal der Finanzierungsverantwortung in der Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , in: Deutsches Verwaltungsblatt, DVBl 2009, 874 (882). 15 Koenig, in: Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 3 Rn. 36 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 8 – Die Abgabe muss einen Sachzweck verfolgen, der über eine bloße Mittelbeschaffung hinausgeht , – die Norm, mit welcher die Abgabe erlassen wird, muss neben der Belastung selbst enthalten o eine Angabe zur Verwendung des Aufkommens, o die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich. – Die Gesetzgebungskompetenz muss sich aus einer Sachgesetzgebungskompetenz aus den Art. 70 ff. Grundgesetz (GG) ergeben. – Die Abgabe darf nur eine vorgefundene, homogene Gruppe belasten. – Diese belastete Gruppe muss die sog. Finanzierungsverantwortung für den mit der Erhebung der Abgabe verfolgten Zweck innehaben. – Zwischen der Belastung durch die Abgabe und dem mit der Abgabe verfolgten Zweck, d.h. den durch die Abgabe finanzierten Begünstigungen, muss ein sachgerechter Zusammenhang bestehen; dies ist der Fall, wenn das Abgabenaufkommen „gruppennützig“ verwendet wird. – Sonderabgaben sollen regelmäßig zeitlich begrenzt sein, der Gesetzgeber muss daher fortlaufend überprüfen, ob die Abgabe weiter beizubehalten oder ggf. zu modifizieren ist. – Über die Sonderabgabe hat der Gesetzgeber eine sog. haushaltsrechtliche Informationspflicht.16 2.2.3. Finanzverfassungsrechtliche Prüfung einer Sonderabgabe Ausbildungsumlage 2.2.3.1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Ausbildungsumlage? Bezüglich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes wird auf die vorgenannten Ausführungen unter Punkt 2.1. verwiesen. 2.2.3.2. Homogene Gruppe „Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, wodurch die Unterscheidbarkeit der Abgabepflichtigen von der Allgemeinheit gesichert werden soll: Dies ist nur dann der Fall, wenn sich die Gruppe der Abgabepflichtigen durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit (Sozialordnung) vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzen lässt. Der Gesetzgeber darf nicht aus Anlass der Abgabenerhebung beliebig Gruppen bilden, die nicht durch die Rechts- oder Sozialordnung vorgegeben sind.“17 16 BVerfGE 108, 186 (218 f.). 17 Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts V, § 119 Rn. 79. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 9 „Die mit der Berufsausbildungsabgabe belastete Gruppe der Arbeitgeber ist eine homogene Gruppe. Sie ist durch eine in der Sozialwirklichkeit bestehende gemeinsame Interessenlage verbunden und von der Allgemeinheit und anderen Gruppen zuverlässig abgrenzbar. Die Arbeitgeber selbst sehen sich als homogene Gruppe. Dies zeigt sich schon daran, dass sie sich zur Darstellung, Bewahrung und Durchsetzung ihrer gemeinsamen Interessen zu sozialpolitischen Organisationen zusammengeschlossen haben, die unter dem Namen "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände " eine Arbeitsgemeinschaft bilden, deren Ziel es ist, die "gemeinschaftlichen sozialpolitischen Belange" aller Arbeitgeber zu wahren (§ 1 Abs. 1 der Satzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände). Auch der Gesetzgeber ist seit jeher davon ausgegangen, dass die Arbeitgeber eine homogene Gruppe in der Sozialwirklichkeit darstellen. So hat er z. B. in den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes das Bestehen gemeinsamer Arbeitgeberinteressen und deren Wahrung durch entsprechende Verbände vorausgesetzt. Die Arbeitgeber treten nach den Grundgedanken des Tarifvertragsgesetzes wie auch in der Sozialwirklichkeit im Rahmen einer Sozialpartnerschaft als Interessengegenpol zur Gruppe der Arbeitnehmer auf (vgl. § 2 Abs. 1-3, § 5 Abs. 1 und 2 und § 12 TVG). Branchentypische, strukturbedingte, organisatorische oder quantitative Unterschiede innerhalb der Gruppe der Arbeitgeber sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erheblich. Denn sie ändern nichts an der prinzipiell gleichen Interessenlage und der gleichermaßen bestehenden, aus der Arbeitgebereigenschaft folgenden Stellung und Verantwortung in der Gesellschaft.“18 2.2.3.3. Besonderer Finanzierungsbedarf und “gruppennützige Verwendung“ „Der Gesetzgeber darf sich der Sonderabgabe – in der Abgrenzung zur Steuer – nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. In dem Gesetz muss außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung ihres Aufkommens auch die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen.19 Bei Gesetzen, die das Recht der Wirtschaft betreffen, muss daher das Gesetz selbst wirtschaftsgestaltenden Inhalt haben.20 Dies wäre in Bezug auf die Ausbildungsplatzumlage insoweit der Fall, als dass mit dem Umlagesystem eine grundsätzliche Verantwortlichkeit für jedes Unternehmen zur Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze statuiert würde. Gleichzeitig würden alle Betriebe eine Umlage zahlen, aus der staatliche Ersatzangebote zur Ausbildung finanziert werden sollen um die Versorgungslücke mit Ausbildungsplätzen durch nicht ausbildende Betriebe zu schließen. Ausbildungsbetriebe würden durch Zuschüsse aus dem Umlagefinanzierungsfonds nachträglich entlastet. Die Konzeption hat in der Gesamtbetrachtung wirtschaftsgestaltenden Inhalt, da statt der bisherigen freiwilligen Vereinbarungen zur beruflichen Ausbildung nunmehr ein Umlagesystem finanzielle 18 BVerfGE 55, 274 (312), Rn. 83 f. 19 BVerfGE 67, 256 (275) – Investitionshilfegesetz; 82, 159 (179 f.) – Absatzfonds. 20 BVerfGE 82, 159 (179) – Absatzfonds. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 10 Belastungen und Anreize zur Schaffung von Ausbildungsplätzen verbindlich für alle Betriebe statuieren würde. Die Anforderungen an den besonderen Sachzweck der Sonderabgabe sieht auch Pieroth21 in Bezug auf eine ausschließliche Verwendung der eingezahlten Mittel für die Unterstützung ausbildender Betriebe als unproblematisch gegeben an, wenn eine sonstige Verwendung für das öffentliche Gemeinwesen – explizit oder implizit – ausgeschlossen wäre. Dies ist jedoch beim hier zu prüfenden Vorhaben fraglich. Die Erlöse der Umlage sollen sowohl ausbildenden Betrieben als auch außerbetrieblichen Ausbildungsangeboten zu Gute kommen. Letzteres würde jedoch verfassungsrechtlichen Bedenken insbesondere im Hinblick auf das Kriterium der “gruppennützigen Verwendung“ begegnen. Der BVerfG-Entscheidung vom 10. Dezember 1980 lag ein Gesetz zugrunde, bei dem die eingezahlten Mittel ausschließlich ausbildenden Betrieben zu Gute kommen sollten. Ein staatlich organisiertes Ausbildungsangebot war nicht vorgesehen. In diesem Zusammenhang stellte das BVerfG fest: „Den finanziellen Hilfen ist gemeinsam, dass sie Betrieben – und damit Arbeitgebern – oder sonstigen Einrichtungen zugutekommen, die eine betriebliche Berufsausbildung durchführen. Damit fließen sie entweder unmittelbar Arbeitgebern zu, die die Voraussetzungen nach § 2 Ausbildungsplatzförderungsgesetz (APlFG) für die Gewährung finanzieller Hilfen erfüllen, oder sie verbessern die generelle Ausbildungssituation, woran die Arbeitgeber – wie oben dargelegt – generell ein besonderes Interesse haben; insoweit werden sie mittelbar im Interesse der abgabepflichtigen Arbeitgeber verwendet. Insgesamt gesehen wird daher das Aufkommen aus der Berufsausbildungsabgabe primär im Interesse der Gruppe der Arbeitgeber genutzt. In gewisser Weise erhält damit die abgabepflichtige Gruppe für die Erbringung der Abgabe eine Art "Gegenleistung", ähnlich wie jemand, der für einen Beitrag eine staatliche Leistung erhält. Das Merkmal der Gruppennützigkeit enthält somit auch ein Element der von der Antragstellerin auf jeden Fall für eine Sonderabgabe als erforderlich angesehenen Verknüpfung mit dem Beitragsgedanken oder eine Art "Entgeltcharakter".“22 Es kann bezweifelt werden, ob eine teilweise Verwendung der Umlageerlöse für ein staatliches, außerbetriebliches Ausbildungssystem den verfassungsgerichtlichen Anforderungen an die “gruppennützige “ Verwendung der Sonderabgabenerlöse gerecht werden würde. Zwar profitieren auch bei staatlichen Ausbildungssystemen die Arbeitgeber als Gruppe von den zusätzlichen Arbeitskräften die mit Hilfe staatlicher Ausbildungsangebote dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich jedoch letztlich um eine staatliche Aufgabenwahrnehmung, die ebenso gut auch aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden könnte; zumal die Steuerfinanzierung für öffentliche Aufgaben vorrangig gegenüber der Sonderabgabenerhebung anzuwenden ist. 21 Pieroth/Barczak – Rechtsfragen einer landesrechtlichen Berufsausbildungsplatzabgabe, Rechtsgutachten erstattet dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), S. 156; http://nrw.dgb.de/++co++1b6c874e-6507-11e4-b96b- 52540023ef1a/Ausbildungsumlage-Gutachten-von-Prof-Bodo-Pieroth.pdf [zuletzt abgerufen am 21.04.2016]. 22 BVerfGE 55, 274 Rn. 96. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 11 Ein staatliches Ausbildungsangebot, das mittels Sonderumlage finanziert würde, widerspräche zudem der historischen Argumentation des BVerfG zur Berufsausbildungsplatzabgabe aus dem Jahr 1980: „Die praktische Berufsausbildung war also nie in einem engeren Sinne der staatlichen Sphäre überantwortet. Bestrebungen, sie "staatsnäher" zu organisieren, sind von den Arbeitgebern, die sich immer zu der geschichtlich gewachsenen Aufgabenteilung zwischen staatlicher und privater Verantwortung im Berufsausbildungswesen bekannt haben, stets abgelehnt worden. Wenn der Staat in Anerkennung dieser Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene Berufsausbildung der Jugendlichen überlässt, so muss er erwarten, dass die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgabe nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten und damit so erfüllt, dass grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.“23 Ein staatliches Ausbildungsangebot mittels Sonderumlagefinanzierung würde diese Argumentation des BVerfG unterlaufen und die, eine Sonderumlage rechtfertigende, historische Tatsache der beruflichen Ausbildung als Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitgeber in Deutschland in Frage stellen. 2.2.3.4. Haushaltsrechtliche Informations- und Dokumentationspflicht/Prüfungspflicht „In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss der Gesetzgeber die Sonderabgaben zunächst haushaltsrechtlich vollständig durch eine Anlage im Haushaltsplan dokumentieren. Hierdurch sollen die Vollständigkeit des Haushaltplanes und eine lückenlose parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden.“24 Schließlich muss der Gesetzgeber die sachliche Rechtfertigung in angemessenen Zeitabständen überprüfen. Der Wegfall des Finanzierungszwecks oder eine Zielerreichung sollen danach die Abschaffung der Sonderabgabe nach sich ziehen können.25 Sonderabgaben sind insofern „temporär“.26 In dem Bundesgesetz, das die Sonderabgabe einführt, müssten explizit die haushaltsrechtliche Informations- und Dokumentationspflicht sowie eine periodische Überprüfungspflicht aufgenommen werden, um den Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht Rechnung zu tragen.27 2.2.3.5. Zulässigkeit der Berufsausbildungsplatzabgabe der Höhe nach „Schließlich ist sicherzustellen, dass die Berufsausbildungsplatzabgabe ihrer Höhe nach zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Arbeitgeber führt. Dies kann beispielsweise nach dem 23 BVerfGE 55, 274 (313) Rn. 89 f. 24 Pieroth/Barczak: a.a.O. (s. Fn. 21), S. 154. 25 Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben, Jura 2010, 197 (201). 26 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 105 Rn. 10. 27 Pieroth/Barczak: a.a.O. (s. Fn. 21), S. 162. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 12 Vorbild des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes 1976 durch das Anknüpfen der Bemessungsgrundlage an die Lohnsumme und die Normierung entsprechender Freibeträge geschehen.“28 Eine derartige Orientierung an der Lohnsumme ist in der hier zu begutachtenden Konzeption, nach Angabe des Fragestellers, enthalten. Zwischenergebnis: Gestützt auf die BVerfG-Entscheidung zur Berufsausbildungsumlage bestehen keine durchgreifenden finanzverfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Ausbildungsumlage in Form der Sonderabgabe. Finanzverfassungsrechtlich bedenklich könnte jedoch eine Mittelverwendung auch für (öffentlich finanzierte) außerbetriebliche Ausbildungsangebote sein. 2.3. Vereinbarkeit mit den Grundrechten Die Schaffung einer Ausbildungsumlage könnte die betroffenen Unternehmen in ihren Grundrechten verletzen. Anzusprechen sind dabei im vorliegenden Fall das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. 2.3.1. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG fasst die Berufswahlfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit zu einem einheitlichen Grundrecht zusammen. Die im vorliegenden Fall erwogene Ausbildungsumlage stellt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar.29 Sie steht in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes und lässt objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen.30 Die Zahlungspflicht knüpft zum einen tatbestandlich an die Berufsausübung an. Zum anderen steht sie auch inhaltlich, da heißt durch ihre Zweckbestimmung (Verbesserung des Angebots an Ausbildungsplätzen) in einem besonders engen Zusammenhang mit der Berufsausübung. Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübungsfreiheit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Die entsprechende gesetzliche Grundlage muss verfassungskonform ausgestaltet sein, insbesondere hinreichend bestimmt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.31 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass der Staat mit dem Grundrechtseingriff einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln 28 Pieroth/Barczak: ebenda. 29 Siehe hierzu auch Scholz, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 75. EL September 2015 (Kommentierung: 47. EL Juni 2006), Art. 12 Rn. 430. 30 Vgl. BVerfGE 98, 83 (97), in Bezug auf Landesabfallabgabengesetze. 31 Vgl. BVerfGE 9, 83 (88). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 13 verfolgt.32 Zur berufsfreiheitsspezifischen Strukturierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Drei-Stufen-Lehre entwickelt, die zwischen Berufsausübungsregelungen sowie subjektiven und objektiven Berufswahlregelungen differenziert.33 Dabei werden qualifizierte Anforderungen an die gesetzliche Zwecksetzung im Verhältnis zur Eingriffsintensität gestellt. Nach der hier betroffenen ersten Stufe sind Berufsausübungsregeln, die die Art und Weise der Berufsausübung betreffen und im Vergleich zu Berufswahlregeln zu einer geringeren Beeinträchtigung der Berufsfreiheit führen, bereits zulässig, wenn sie aufgrund vernünftiger Erwägungen des Allgemeinwohl zweckmäßig erscheinen.34 Die hier bezweckte Schaffung von Ausbildungsplätzen stellt eine solche vernünftige Gemeinwohlerwägung dar.35 Die Ausbildungsumlage erscheint auch geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Ausbildungsplätze zu schaffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Mittel bereits dann geeignet in diesem Sinne, wenn mit seiner Hilfe der verfolgte Zweck gefördert werden kann.36 Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; das Bundesverfassungsgericht lässt die Möglichkeit der Zweckerreichung genügen.37 Weiter müssen die Anforderungen des Gebots der Erforderlichkeit gegeben sein. Dieses fordert, dass es keine alternative staatliche Maßnahme geben darf, die den Zweck in gleicher Weise erfüllt, die grundrechtlich geschützte Freiheit aber weniger stark beschränkt.38 Ein staatlicher Appell an die soziale Verantwortung der Arbeitgeber käme als Alternative in Betracht, jedoch ist davon auszugehen, dass ein solcher nicht gleichermaßen wirksam wäre. Eine abschließende Beurteilung der Erforderlichkeit kann im vorliegenden Fall nicht erfolgen. Die Rechtsprechung beschränkt sich jedoch bei der Prüfung von Gesetzen – aufgrund eines Beurteilungs- und Prognosespielraums des 32 Siehe statt vieler nur BVerfGE 109, 279 (335 ff.). 33 BVerfGE 7, 377 (397 ff.). 34 BVerfGE 7, 377 (405 f.); BVerfGE 65, 116 (125); BVerfGE 93, 362 (369). 35 Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur gesetzlichen Einführung einer Ausbildungsgarantie besteht jedoch nach herrschender Meinung nicht, siehe Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 12 Rn. 14. Anders noch Mückenberger, Die Ausbildungspflicht der Unternehmen nach dem Grundgesetz, Rechtsgutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 1986, S. 130 f. 36 BVerfGE 96, 10 (23). 37 BVerfGE 96, 10 (23). 38 BVerfGE 25, 1 (20); BVerfGE 77, 84 (109 ff.); BVerfGE 100, 313 (375). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 14 Gesetzgebers – auf die Beanstandung eindeutig fehlender Erforderlichkeit.39 Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass eine Ausbildungsumlage jedenfalls nicht von vornherein unvereinbar mit dem Gebot der Erforderlichkeit wäre.40 Schließlich müsste die Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung auch dem Gebot der Angemessenheit entsprechen. Nach diesem Element des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf der Grundrechtseingriff nach seiner Art und Intensität nicht außer Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Ziel stehen.41 Die Grenzen für die dabei anzustellende Abwägung zu ziehen, ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da Abwägungsentscheidungen rational nur begrenzt zu strukturieren und zu kontrollieren sind.42 Im vorliegenden Fall sind die mit der Umlagefinanzierung verbundenen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber einerseits mit dem Ziel der Schaffung von Ausbildungsplätzen andererseits gegeneinander abzuwägen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Intensität der Grundrechtseingriffe. Feststeht insoweit bislang nur, dass die Umlage zwei Prozent der Bruttolohnsumme betragen soll. Anhand dieser Angabe allein kann jedoch keine abschließende Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsumlage vorgenommen werden. Entscheidend ist für das Gebot der Angemessenheit insbesondere auch, inwieweit mögliche Härtefälle berücksichtigt werden können. Zu dieser Gruppe von Härtefällen könnten Kleinstunternehmer , Existenzgründer oder solche Unternehmen, für die die Höhe der Umlage aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unzumutbar wäre, gehören. Insoweit bleibt abzuwarten, wie die Ausbildungsumlage konkret ausgestaltet wäre. Auch hier kann jedoch festgehalten werden, dass eine Ausbildungsumlage nicht per se unangemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre. 2.3.2. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG In Bezug auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ist zum einen zu prüfen, inwieweit die Schaffung einer entsprechenden Umlagefinanzierung am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist, und zum anderen zu thematisieren, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt. Eigentum im Sinne des Art. 14 GG ist jedes vermögenswerte Recht jedenfalls des Privatrechts.43 Das Vermögen als solches ist jedoch grundsätzlich kein Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG.44 Dementsprechend schützt Art. 14 GG grundsätzlich nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch 39 BVerfGE 25, 1 (19 f.); BVerfGE 50, 290 (332 ff.); BVerfGE 117, 163 (189). 40 Siehe zur Frage der Erforderlichkeit der Einführung einer Altenpflegeausbildungsumlage in Baden-Württemberg VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 22. September 2009 – 2 S 1117/07. 41 BVerfGE 50, 217 (227); BVerfGE 80, 103 (107); BVerfGE 99, 202 (212 f.). 42 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 75. EL September 2015 (Kommentierung: 48. EL November 2006), Art. 20 VII. Rn. 118. 43 Vgl. Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Stand: 27. Edition (März 2015), Art. 14 Rn. 42 ff. 44 BVerfGE 4, 7 (4. Leitsatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 15 Auferlegung von Geldleistungspflichten.45 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht jüngst die Pflicht zur Zahlung von Einkommen- und Gewerbesteuer als Eingriff in die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG angesehen.46 Entscheidend war in diesem Fall jedoch der Umstand, dass die Steuerpflicht im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht gerade an den „Hinzuerwerb von Eigentum“ anknüpft.47 Von einer derartigen Anknüpfung ist bei der im vorliegenden Fall vorgesehenen Ausbildungsumlage nicht auszugehen. Folglich ist sie auch nicht am Maßstab der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG zu messen. Da das Bundesverfassungsgericht weiter offen lässt, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist48, wird an dieser Stelle nicht weiter geprüft, ob die Schaffung einer Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vereinbaren ist. Ohnehin ist nicht davon auszugehen, dass insoweit strengere Anforderungen als in Hinblick auf die oben erörterte Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit bestehen. 2.3.3. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG Schließlich müsste eine mögliche Regelung einer Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung auch dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Danach muss der Gesetzgeber wesentlich Gleiches rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden behandeln.49 Hinsichtlich der Rechtfertigung einer (Un-)Gleichbehandlung existiert eine umfassende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die insbesondere von der sogenannten Willkürformel50 und der sogenannten Neuen Formel51 geprägt wird. In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Gericht versucht, die Formeln zusammenzufassen. Danach ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die stufenlos von gelockerten, auf ein Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können.52 45 BVerfGE 4, 7 (17); BVerfGE 10, 89 (116); BVerfGE 95, 267 (300). 46 BVerfGE 115, 97 (111). 47 BVerfGE 115, 97 (111); siehe auch von Coelln, Übungsklausur – Öffentliches Recht: Die Verfassungsmäßigkeit der Ausbildungsplatzabgabe, JuS 2009, 335 (336). 48 BVerfG (Kammer-Beschluss), NJW 2010, 3501 (3502); siehe hierzu auch Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 26. 49 Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 23. 50 Siehe BVerfGE 1, 14 (52). 51 Siehe BVerfGE 55, 72 (88). 52 BVerfGE 129, 49 (1. Leitsatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 112/16 Seite 16 Das in der Fragestellung skizzierte Modell einer Ausbildungsumlage sieht vor, dass sich alle Betriebe gleichermaßen an der Finanzierung beteiligen, so dass sich Gleichheitsfragen zunächst nur hinsichtlich der Verwendung der Mittel aus der Umlage stellen. Die Mittelverwendung ist jedoch noch nicht hinreichend konkretisiert, so dass insoweit keine verfassungsrechtliche Prüfung möglich ist. Hingewiesen sei zudem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der dem Gesetzgeber im Rahmen gewährender Staatstätigkeit eine besonders große Gestaltungsfreiheit zusteht.53 Sofern sich der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Erhebung der Ausbildungsumlage für eine Differenzierung – etwa zur Vermeidung unzumutbarer Härten – entscheidet, hat er die oben beschriebenen Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG zu wahren. Ende der Bearbeitung 53 Siehe z.B. BVerfGE 11, 50 (60).