© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 111/19 Besetzung des Nationalen Begleitgremiums Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 2 Besetzung des Nationalen Begleitgremiums Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 111/19 Abschluss der Arbeit: 13.05.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 3 1. Fragestellung Die Ausarbeitung thematisiert die Zusammensetzung des am Standortauswahlverfahren für hochradioaktive Abfälle beteiligten Nationalen Begleitgremiums. Dabei werden auch die rechtlichen Auswirkungen einer fehlerhaften Zusammensetzung des Gremiums dargestellt. 2. Standortauswahlverfahren Für die Suche nach einem atomaren Endlager wird das Standortauswahlverfahren durchgeführt. Das Standortauswahlverfahren ist im Standortauswahlgesetz (StandAG) geregelt. Für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle soll ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Abs. 3 S. 1 Atomgesetz (AtG) in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 StandAG). Das Standortauswahlverfahren betrifft mithin allein die Auswahl eines geeigneten Standortes für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle.1 Die an den bestmöglichen Standort zu stellenden Anforderungen werden in den §§ 22 ff. StandAG konkretisiert. Am Standortauswahlverfahren sind verschiedene Akteure beteiligt. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) richtet als Vorhabenträgerin für den Bund die Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 StandAG i.V.m. § 9a Abs. 3 S. 2 AtG ein.2 Neben der BGE als ausführender Akteurin, kommt dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) die Funktion als Regulierungs- und Überwachungsbehörde zu.3 Es ist darüber hinaus Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 4 Abs. 2 S. 1 StandAG). Das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung ist in §§ 5 - 11 StandAG geregelt. Zusätzlich sind demnach das Nationale Begleitgremium (§ 8 StandAG), die Fachkonferenz Teilgebiete (§ 9 StandAG), die Regionalkonferenzen (§ 10 StandAG) und die Fachkonferenz Rat der Regionen (§ 11 StandAG) am Verfahren beteiligt. Der Ablauf des Standortauswahlverfahrens ist in den §§ 12 - 21 StandAG geregelt. Danach unterteilt sich das Verfahren in drei Phasen. Auf eine übertägige Erkundung der in Betracht kommenden Regionen folgen deren untertägige Erkundung und letztlich die Festlegung eines Standorts. Die Phasen enden jeweils mit einem Gesetzesbeschluss (§ 15 Abs. 3, § 17 Abs. 2 S. 4 und § 20 Abs. 2 StandAG). Vor dem Gesetzesbeschluss am Ende der zweiten und dritten Phase stellt das BfE durch Bescheid fest, ob das bisherige Verfahren rechtmäßig verlaufen ist (§ 17 Abs. 3 S. 1 und § 19 Abs. 2 S. 3 StandAG). 1 Wollenteit, Das neue Standortauswahlgesetz: Ziele, Prinzipien, Akteure und neue Beteiligungsformate, NuR (2018) 40, 668 (670). 2 Albin/Leuscher, Aufsicht im Endlagerbereich, ZUR 2018, 515 (516). 3 Wollenteit, Das neue Standortauswahlgesetz: Ziele, Prinzipien, Akteure und neue Beteiligungsformate, NuR (2018) 40, 668 (672). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 4 3. Nationales Begleitgremium Das Nationale Begleitgremium ist ein eigens für das Standortauswahlverfahren entwickeltes Gremium. Seine Aufgabe besteht darin, das Verfahren vermittelnd und unabhängig zu begleiten (§ 8 Abs. 1 S. 1 StandAG). Es soll als eine gegenüber Behörden, Parlament und unmittelbar beteiligten Unternehmen und Experteneinrichtungen unabhängige gesellschaftliche Instanz Neutralität und Fachwissen besitzen.4 Durch seine Möglichkeiten auf die Standortauswahl einzuwirken, soll Vertrauen in die Durchführung des Verfahrens ermöglicht werden.5 Daher wurde das Gremium außerhalb politisch-administrativer Strukturen als ein Instrument der Außenkontrolle ausgestaltet.6 Ihm kommt eine Wächterfunktion über die Akteure des Standortauswahlverfahrens zu.7 Wesentliche Befugnis des Gremiums ist nach § 8 Abs. 1 S. 2 und 3 StandAG, sich mit allen das Standortauswahlverfahren betreffenden Fragen zu befassen. Es kann den Akteuren des Verfahrens Fragen stellen und deren Beantwortung einfordern.8 Das Gremium kann Stellungnahmen abgeben und auf diese Weise seine Auffassungen zu Verfahrensfragen darlegen. Weiterhin kann es dem Deutschen Bundestag Empfehlungen zu Veränderungen des Standortauswahlverfahrens geben (§ 8 Abs. 1 S. 3 StandAG).9 Dem Gremium steht schließlich ein umfassendes Einsichtsrecht in die Verfahrensakten und -unterlagen der Verfahrensbeteiligten zu (§ 8 Abs. 2 S. 1 StandAG). 4. Zusammensetzung des Nationalen Begleitgremiums (§ 8 Abs. 3 StandAG) Die Zusammensetzung des Nationalen Begleitgremiums regelt § 8 Abs. 3 S. 3 bis 5 StandAG. Es soll aus 18 Mitgliedern bestehen, von denen zwölf anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sein sollen. Sie werden vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Daneben werden sechs Bürger, darunter zwei Vertreter der jungen Generation, von der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ernannt. Die Amtszeit eines Mitgliedes beträgt drei Jahre (§ 8 Abs. 3 S. 2 StandAG). Eine Wiederberufung ist zweimal möglich (§ 8 Abs. 3 S. 3 StandAG). Nach § 8 Abs. 3 S. 1 StandAG dürfen die Mitglieder weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundes- oder einer Landesregierung angehören. Sie dürfen zudem keine wirtschaftlichen Interessen in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung im weitesten Sinne haben. Dies soll die Unabhängigkeit der Gremienmitglieder gewährleisten und Interessenskonflikte vermeiden.10 4 BT-Drs. 18/11398, S. 53. 5 BT-Drs. 18/11647, S. 17. 6 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 8 StandAG Rn. 7. 7 Smeddinck, in: Smeddinck (Hrsg.), 1. Aufl. 2017, § 8 StandAG Rn. 43. 8 BT-Drs. 18/11398, 53. 9 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 8 StandAG Rn. 14. 10 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 8 StandAG Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 5 5. Verfahrensfehler bei der Besetzung des Nationalen Begleitgremiums Ein Gremiumsmitglied darf in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung keine wirtschaftlichen Interessen im weitesten Sinn haben (§ 8 Abs. 3 S. 1 StandAG). Die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen im weitesten Sinn zu stellen sind, ist nicht abschließend geklärt. Im StandAG wird der Begriff der wirtschaftlichen Interessen nicht konkretisiert. Auch in der Literatur zum StandAG wurde die Frage bisher nicht vertieft erörtert. Die Regelungen entsprechen jedoch im Wesentlichen den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts . Es liegt daher nahe, diese zur Auslegung hinzuzuziehen.11 Im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht darf für eine Behörde nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter ist (§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG). Hierbei steht dem Beteiligten gleich, wer durch die Tätigkeit oder die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann (§ 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Der Begriff des Vorteils ist weit gefasst. Darunter fallen vor allem wirtschaftliche, aber auch rechtliche oder immaterielle Besserstellungen.12 Der Vorteil im Verwaltungsverfahrensrecht muss unmittelbar durch die Tätigkeit oder die Entscheidung erlangt werden. Bei verständiger Würdigung des Sachverhalts muss daher die konkrete Möglichkeit der Vorteilserlangung nicht ganz entfernt liegen.13 Die Verwirklichung des Vorteils ist jedoch nicht erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu aus: „Ausschluss- und Befangenheitsregelungen haben grundsätzlich nicht nur Bedeutung, wenn eine Interessenkollision wirklich vorliegt, sondern zielen gerade darauf ab, dass schon der ‚böse Schein‘ möglicher Parteilichkeit vermieden wird.“14 Ob nach diesen Maßstäben ein wirtschaftliches Interesse im weitesten Sinne nach § 8 Abs. 3 S. 1 StandAG vorliegt, wird letztlich vom Einzelfall abhängen.15 Hierbei dürften an das Vorliegen eines solchen Interesses keine hohen Anforderungen zu stellen sein. In Abgrenzung zum allgemeinen Verwaltungsrecht, wo zumindest ein unmittelbarer Vorteil verlangt wird, ist ein wirtschaftliches Interesse im weitesten Sinne noch weitgehender. Der Gesetzgeber hat mit seiner Formulierung klargestellt, dass er bereits geringfügige Interessenkollisionen ausschließen wollte. 6. Rechtsfolgen fehlerhafter Gremienbesetzung Vor dem Gesetzesbeschluss am Ende der beiden letzten Phasen ergeht jeweils ein Bescheid, der das ordnungsgemäß durchgeführte Verfahren feststellt. Da Verfahrensfehler keine Auswirkung 11 Vgl. Smeddinck, in: Smeddinck (Hrsg.), 1. Aufl. 2017, § 20 StandAG, Rn. 29. 12 Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2019, § 20 VwVfG Rn. 39. 13 Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2019, § 20 VwVfG Rn. 40. 14 BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 C 58/81 –, juris Rn 40. 15 Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), 17. Aufl. 2016, § 20 VwVfG Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 6 auf das verfahrensbeendende Gesetz haben, sind die Bescheide der Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung möglicher Verfahrensfehler.16 Im Ergebnis dürfte sich die fehlerhafte Besetzung des Nationalen Begleitgremiums regelmäßig nicht auf die wirksame Durchführung des Standortauswahlverfahrens auswirken. Dies folgt zwar nicht aus der direkten Anwendung des StandAG. Denn es trifft keine Aussage über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Verfahrensvorschrift des § 8 Abs. 3 StandAG. Die regelmäßige Unbeachtlichkeit ergibt sich jedoch aus einer vergleichenden Betrachtung der entsprechenden Vorschriften anderer Gesetze.17 Im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gilt der Grundsatz, dass ein materiell-rechtlich nicht zu beanstandender Verwaltungsakt auch dann Bestand haben soll, wenn er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.18 Gemäß § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht an einem der in § 44 VwVfG genannten Nichtigkeitsgründe leidet, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist. Das setzt allerdings voraus, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat. Der Fehler hat die Entscheidung dann offensichtlich nicht beeinflusst, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht die Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Das folgt aus der Erwägung, dass bei fehlendem Einfluss des Verfahrensfehlers in der Sache ohnehin nicht eine andere als die getroffene Entscheidung ergangen wäre. Es ist daher die hypothetische Frage zu stellen, ob die Behörde auch bei fehlerfreier Durchführung des Verfahrens zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre.19 Bei der hypothetischen Betrachtung wird maßgeblich unterschieden, ob die Behörde eine gebundene Entscheidung fällt oder ihr ein Entscheidungsspielraum eingeräumt ist. Ist der Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt, wirkt sich ein Verfahrensfehler grundsätzlich auf die Entscheidung aus. Denn es besteht die Möglichkeit, dass die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften eine andere Entscheidung getroffen hätte. Daher ist im Regelfall solange davon auszugehen, dass ein Fehler das Verfahren beeinflusst hat, bis die Behörde das Gegenteil beweisen kann.20 Etwas anderes gilt jedoch etwa bei einer gebundenen Entscheidung.21 Ausgeschlossen ist der Einfluss auch dann, wenn der Verfahrensfehler nachweislich aus tatsächlichen Umständen keinen 16 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 17 StandAG Rn. 14. 17 Wiegand, Konsens durch Verfahren? Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz nach dem Standortauswahlgesetz im Verhältnis zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, NVwZ 2014, 830 (834). 18 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer (Hrsg.), 17. Aufl. 2016, § 46 VwVfG Rn. 4. 19 Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2018, § 46 VwVfG Rn. 34. 20 Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2018, § 46 VwVfG Rn. 35. 21 Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2018, § 46 VwVfG Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 7 Einfluss auf die Entscheidung hatte, bei einer rechtzeitigen Korrektur des Fehlers vor Verfahrensabschluss .22 Einen Sonderfall stellen zudem Gremienentscheidungen dar. Wirkt eine vom Verfahren ausgeschlossene Person an der gemeinsam zu treffenden Entscheidung mit, beeinflusst dies in der Regel die Entscheidung.23 Speziell bei Ermessensentscheidungen kann eine ausgeschlossene Person bereits durch ihre Teilnahme an der Beratung Einfluss auf die anderen Organmitglieder ausüben und diese zu einem abweichenden Abstimmungsverhalten veranlassen.24 Hier ist jedoch im Hinblick auf die Aufgaben und Befugnisse des Nationalen Begleitgremiums zu beachten, dass dieses über sein Informations- und Fragerecht hinausgehend keine eigenen Entscheidungen trifft, die Einfluss auf das Standortauswahlverfahren haben. Eine Kausalität zwischen einer fehlerhaften Besetzung des Gremium und eines daraus resultierenden Einflusses auf die spätere Entscheidung dürfte sich nur schwer belegen lassen. Beim Standortauswahlverfahren liegt zudem ein Vergleich mit den Regelungen zum Planfeststellungsverfahren nahe. Im Planfeststellungsverfahren kommt gemäß § 75 Abs. 1a S. 2 VwVfG die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung wegen Verfahrensfehlern nur nachrangig in Betracht. Die Planerhaltung geht grundsätzlich einer Aufhebung vor, insbesondere wenn eine Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren möglich sind.25 Dadurch soll bewirkt werden, dass der Plan im Anschluss an ein sehr aufwendig durchgeführtes Verfahren beim Vorliegen bestimmter Fehler aufrechterhalten bleibt. Der Vergleich mit dem Standortauswahlverfahren liegt besonders nahe, da ein atomares Endlager ursprünglich im Wege eines atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens bestimmt werden sollte. Nunmehr hat sich der Gesetzgeber für zwei selbstständige Verfahren entschieden: Standortauswahlverfahren und atomrechtliches Genehmigungsverfahren.26 Da es sich bei dem Standortauswahlverfahren um solch ein umfangreiches und langwieriges Verfahren wie das Planfeststellungsverfahren handelt, sind nach Auffassung in der Literatur die für das Planfeststellungsverfahren geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden.27 Auch dieser Ansatz spricht daher eher dafür, dass sich eine fehlerhafte Besetzung des Nationalen Begleitgremiums regelmäßig nicht auf die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Entscheidungen auswirken dürfte. 22 Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2018, § 46 VwVfG Rn. 38. 23 Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), 42. Edition Stand 01.01.2018, § 46 VwVfG Rn. 38. 24 Vgl. BVerwG NVwZ 2018, 1570 (1572) (Personalrat); OVG Münster Beschl. v. 26.05.2014 - 19 B 203/14 (Von der Lehrerkonferenz berufene Teilkonferenz). 25 Smeddinck, in: Smeddinck (Hrsg.), 1. Aufl. 2017, § 20 StandAG, Rn. 30. 26 Wiegand, Konsens durch Verfahren? Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz nach dem Standortauswahlgesetz im Verhältnis zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, NVwZ 2014, 830. 27 Smeddinck, in: Smeddinck (Hrsg.), 1. Aufl. 2017, § 20 StandAG, Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 111/19 Seite 8 7. Rechtsschutz bei fehlerhafter Gremienbesetzung Eine mögliche Rechtsschutzmöglichkeit gegen die fehlerhafte Besetzung des Nationalen Begleitgremiums bietet ein Vorgehen gegen die Bescheide nach §§ 17 Abs. 3 S. 1 und 19 Abs. 2 S. 3 StandAG. Die Besetzungsentscheidung kann als Zwischenakt nach § 44a VwGO in aller Regel nicht selbstständig angefochten werden. Die endgültige Entscheidung über die Auswahl des Standortes erfolgt hingegen durch Bundesgesetz. Gegen dieses kann nur im Wege der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 4a Grundgesetz (GG) i.V.m. § 13 Abs. 8a, §§ 90 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) vorgegangen werden. Denn die Aufhebung von Gesetzen unterliegt dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts .28 Die Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer beschwerdebefugt ist. Diese Beschwerdebefugnis liegt vor, wenn der Beschwerdeführer durch das Gesetz selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen ist. Da die Verfassungsbeschwerde ein Instrument des Individualrechtsschutzes ist, muss er geltend machen, durch das Gesetz möglicherweise in seinen individuellen Rechten verletzt zu sein. Dem kann er nur genügen, indem er einen materiell-rechtlichen Verstoß des Gesetzes gegen seine Grundrechte substantiiert behauptet. Ein Verfahrensfehler stellt in aller Regel keinen Eingriff in eine subjektive Rechtsposition dar.29 Für die Beseitigung des standortentscheidenden Bundesgesetzes wegen eines Verfahrensfehlers ist die Verfassungsbeschwerde daher kein aussichtsreicher Rechtsschutzweg. Der jeweils vor dem Gesetzesbeschluss der zweiten und dritten Phase zu erlassene Bescheid bildet jedoch einen Anknüpfungspunkt für ein gerichtliches Vorgehen gegen die Standortentscheidung. Bei den Bescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte.30 Daher ist nach § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Anfechtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart, um die Aufhebung des Bescheids zu erreichen (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).31 Für das Klageverfahren gegen die Bescheide gelten diverse Besonderheiten. So ist gemäß § 17 Abs. 3 S. 4, § 19 Abs. 2 S. 7 StandAG kein Vorverfahren durchzuführen. Über Klagen gegen die Bescheide entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug (§ 17 Abs. 3 S. 5, § 19 Abs. 2 S. 8 StandAG). Schließlich findet auf Rechtsbehelfe gegen die Bescheide das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) entsprechende Anwendung (§ 17 Abs. 3 S. 3, § 19 Abs. 2 S. 6 StandAG). Das hat unter anderem zur Folge, dass sowohl Umweltschutzvereinigungen nach § 3 UmwRG als auch kommunale Gebietskörperschaften, deren Einwohner und Grundstückseigentümer, in deren Gebiet ein zur untertägigen Erkundung vorgeschlagener Standort liegt, gegen den Bescheid vorgehen können.32 *** 28 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 17 StandAG Rn. 14. 29 Vgl. Smeddinck, in: Smeddinck (Hrsg.), 1. Aufl. 2017, § 20 StandAG, Rn. 29. 30 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 17 StandAG Rn. 16. 31 Wollenteit, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, 1. Aufl. 2019, § 17 StandAG Rn. 19. 32 Wiegand, Konsens durch Verfahren? Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz nach dem Standortauswahlgesetz im Verhältnis zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, NVwZ 2014, 830 (833).