Deutscher Bundestag Haftung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Rahmen ihrer Amtsausübung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Haftung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Rahmen ihrer Amtsausübung Verfasser: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung, WD 6: Arbeit und Soziales WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 5 2. Einleitung 6 2.1. Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken Az. 6 O 152/11 6 2.2. 8 2.3. Prüfauftrag 8 3. Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG 8 3.1. Amtswalter im Sinne des Art. 34 GG 9 3.2. Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes 10 3.2.1. Rechtsnatur der Amtsausübung durch die Mitglieder des Bundestages 11 3.2.1.1. Mandatsausübung im engeren Sinne 11 3.2.1.2. Mandatsausübung im weiteren Sinne 11 3.2.1.2.1. Teilnahme am Straßenverkehr 13 3.2.1.2.2. Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten 14 3.2.2. Zwischenergebnis zur Prüfung der Rechtsnatur von Mandatshandlungen 16 3.3. Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht 16 3.3.1. Amtspflichtverletzung bei legislativem Handeln oder Unterlassen 17 3.3.2. Drittbezogenheit der Amtspflicht 17 4. Fiskalhaftung 18 4.1. Fiskalhaftung nach §§ 89, 31 BGB 18 4.2. Fiskalhaftung nach §§ 831, 823 ff. BGB bzw. nach § 278 BGB 18 5. Eigenhaftung der Abgeordneten 19 6. Haftung von Bundestagsabgeordneten als Arbeitgeber 20 6.1. Schadensersatzansprüche der Mitarbeiter 20 6.1.1. Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer 20 6.1.1.1. Grundsatz 20 6.1.1.2. Haftung 21 6.1.1.3. Haftungsfreistellung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten 21 6.1.2. Pflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts 21 6.1.3. Pflicht zum Schutz des Arbeitnehmereigentums 22 6.1.3.1. Grundsatz und Haftungsumfang 22 6.1.3.2. Haftung ohne Verschulden 22 6.1.3.3. Haftungsausschluss 23 6.2. Schadensersatzansprüche Dritter 23 Wissenschaftliche Dienste Seite 4 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 6.2.1. Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber 23 6.2.2. Freistellungsansprüche des Arbeitnehmers bei Haftung gegenüber Dritten 24 6.2.3. Freistellungsansprüche des Arbeitnehmers bei Haftung gegenüber Arbeitskollegen 25 6.3. Fazit 25 Wissenschaftliche Dienste Seite 5 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 1. Zusammenfassung Obgleich den Mitgliedern des Bundestages ein öffentliches Amt im Sinne des Art. 34 GG anvertraut ist, finden sich keine belastbaren Anhaltspunkte für eine Amtshaftung der Abgeordneten mit einer Haftungsüberleitung auf den Staat, sofern sie bei der Mandatsausübung Schäden bei Dritten verursachen. Im Rahmen der Rechtsetzung (Mandatsausübung im engeren Sinne) werden die Abgeordneten zwar hoheitlich tätig. Eine Amtshaftung scheitert jedoch regelmäßig an der fehlenden Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht im Zusammenhang mit dem Rechtsetzungsakt. Bei der Mandatsausübung im weiteren Sinne handeln die Abgeordneten regelmäßig durch Realakte , die nicht eindeutig der öffentlich-rechtlichen Amtsausübung zuzurechnen oder sogar unzweifelhaft privatrechtlich einzuordnen sind. Das Bestehen von Amtshaftungsansprüchen kann daher in diesem Bereich der Mandatsausübung nicht sicher festgestellt werden. Sollten Abgeordnete bei der Amtsausübung im weiteren Sinne im Einzelfall schlicht-hoheitliche Tätigkeiten durch Rechtshandlungen im Wege des Privatrechts (zum Beispiel durch den Abschluss von Verträgen) vornehmen, findet das Verwaltungsprivatrecht Anwendung. Im Bereich des Verwaltungsprivatrechts gibt es jedoch keine Amtshaftung, sondern neben der Eigenhaftung des Beamten nach § 839 BGB nur die staatliche Fiskalhaftung. Eine Fiskalhaftung der Abgeordneten dürfte grundsätzlich ausscheiden. Die Abgeordneten sind bei ihren Handlungen keine durch die Organisationsregelungen des Deutschen Bundestages verfassungsmäßig berufenen Vertreter des Parlaments. Da sich die Abgeordneten gegenüber dem Deutschen Bundestag weder in einem Über- und Unterordnungsverhältnis befinden, noch als weisungsgebundene Hilfsperson des Bundestages bei der Erfüllung von privatrechtlichen Verrichtungen anzusehen sind, besteht keine Fiskalhaftung des Staates für ein Organverschulden der Abgeordneten oder ihr Verschulden als Verrichtungs- beziehungsweise Erfüllungsgehilfen. Soweit für eine Amtshaftung aus den oben genannten Gründen kein Raum ist, haften Abgeordnete für ihre privatrechtlichen Handlungen im Rahmen der Mandatsausübung im weiteren Sinne grundsätzlich wie jeder andere Teilnehmer am Privatrechtsverkehr. Infolge der Vielschichtigkeit der individuellen Mandatsausübungsmöglichkeiten ergeben sich auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Haftungsrisiken, die nur im konkreten Einzelfall belastbar rechtlich beurteilt werden können. Hinsichtlich der Haftung der Abgeordneten als Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern bestehen nicht unerhebliche Haftungsrisiken, die sich sowohl aus eigenen Pflichtverletzungen der Abgeordneten, aber auch aus ihrer bloßen Arbeitgebereigenschaft ergeben können. Während die Haftung für Personenschäden der Mitarbeiter im Rahmen von Arbeitsunfällen aufgrund der Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung überwiegend ausgeschlossen ist und die Haftung für Sachschäden am Eigentum der Mitarbeiter sich zum Teil vertraglich ausschließen lässt oder durch eine Kaskoversicherung abgedeckt ist, bestehen aufgrund des arbeitsrechtlichen Haftungsfreistellungsanspruchs der Mitarbeiter erhebliche Haftungsrisiken bei fahrlässiger Schädigung Dritter im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung. Wissenschaftliche Dienste Seite 6 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 2. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der zivilrechtlichen Haftung der Mitglieder des Bundestages für Schäden infolge von Tätigkeiten im Rahmen ihrer Mandatsausübung sowie einer möglichen Überleitung dieser Haftung auf den Staat. Ferner wird die Haftung der Abgeordneten als Arbeitgeber dargestellt. Den Anlass der Untersuchung bildet ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Februar 2012, durch das ein Mitglied des Bundestages zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland gesamtschuldnerisch zum Ersatz des Schadens verpflichtet wurde, den eine Teilnehmerin an einer von dem Abgeordneten initiierten Informationsreise in einem Gebäude der Bundeszentrale für politische Bildung erlitten hatte. Die vorliegende Ausarbeitung wurde gemeinschaftlich von den Fachbereichen WD 3 (Verfassung und Verwaltung), WD 6 (Arbeit und Soziales) und WD 7 (Zivil- Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht , Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) erstellt. Die Bearbeitung der Gliederungspunkte 1 bis 3 erfolgte durch WD 3. Gliederungspunkte 4 und 5 wurden von WD 7 und Gliederungspunkt 6 wurde durch WD 6 bearbeitet. 2.1. Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken Az. 6 O 152/11 Gemäß der Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Februar 2012 (Az. 6 O 152/11) wurden die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte zu 1) sowie ein Abgeordneter als Beklagter zu 2) gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin zwei Drittel der materiellen und immateriellen Schäden aus einem Unfallereignis vom 30. September 2010 zu ersetzen, das sich in einem in dem Eigentum der Bundesrepublik stehenden Gebäude in Berlin ereignet hatte. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Tatbestand zugrunde: Nach dem Vortrag der Klägerin hatte diese zusammen mit ihrem Ehemann an einer von dem Abgeordneten angebotenen Reise nach Berlin teilgenommen. Die Reise habe aus einer Bahnfahrt nach Berlin sowie einer Hotelunterbringung und einem umfangreichen Programm bestanden. Im Rahmen des Besuchsprogramms hätten die Klägerin sowie ihr Ehemann am 30. September 2010 die Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin besucht. Bei dem Besuch habe die Klägerin die Toilette im Eingangsbereich des Gebäudes benutzt. Direkt neben dem schmalen Durchgang zur Toilette befinde sich ein Wasserbassin, welches mit Düsen und einer Beleuchtung ausgestattet sei, die zum Schadenszeitpunkt nach dem Vortrag der Klägerin nicht eingeschaltet gewesen sind. Das Bassin sei auch nicht mit einer Absperrung vom Gehweg oder in sonstiger Weise gesichert gewesen. Beim Verlassen der Toilette habe die Klägerin sodann das Gleichgewicht verloren und sei in Ermangelung einer Absperrung oder sonstigen Sicherung in das Becken gefallen. Dabei habe sie sich das Schienbein und das Wadenbein oberhalb des Knöchels gebrochen. Aufgrund des erlittenen Schocks sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, das Bassin selbständig zu verlassen und sei unter Wasser geblieben. Von einem weiteren Reiseteilnehmer sei sie schließlich aus dem Bassin herausgezogen worden und so vor dem möglichen Ertrinken gerettet worden. Nach der von der Klägerin vorgetragenen Rechtsauffassung haften die Beklagten für den eingetretenen Schaden als Gesamtschuldner. Die Bundesrepublik Deutschland hafte als Eigentümerin des Gebäudes, in dem Wissenschaftliche Dienste Seite 7 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 der Schaden eingetreten ist, infolge der Verletzung der sie treffenden Verkehrssicherungspflichten auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Abgeordnete hingegen müsse sich die schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Bundesrepublik Deutschland zurechnen lassen und hafte als Veranstalter der Reise nach schuldrechtlichen Grundsätzen. Die Buchungsbestätigung vom 27. August 2010 sei auf dem Briefpapier des Abgeordneten erstellt und in dessen Namen abgegeben worden. Auf der Programmübersicht sei zwar die Aussage enthalten, dass das Bundespresseamt die Reise finanziere. Dies ändere aber nichts daran, dass der Abgeordnete Organisator der Reise und somit auch Vertragspartner der Klägerin geworden sei, was sich auch aus einer ausdrücklichen Feststellung in dem Programmhinweis ergebe. Nach Rechtsauffassung der Klägerin habe sie den Reisevertrag mit dem Abgeordneten abgeschlossen. Der Abgeordnete hafte insoweit direkt als Vertragspartner auf Schadenersatz. Der Abgeordnete hatte in dem Rechtstreit vorgetragen, er sei zu keinem Zeitpunkt Veranstalter der Reise gewesen. Die Programmübersicht trage das Logo des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Bundespresseamt) und im Text der Programmübersicht heiße es weiter, dass die Tagung für politisch Interessierte auf Anregung des Abgeordneten stattfinde. Die Einladung enthalte keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine von dem Abgeordneten organisierte private Veranstaltung handle. Die gewählte Formulierung mache deutlich, dass der Abgeordnete zwar als Ideengeber fungiert habe, aber die Reise nicht selbst durchführe. Das von der Klägerin angeführte Bestätigungsschreiben sei nach Auffassung des Abgeordneten nicht entscheidungsrelevant, da durch ein derartiges Bestätigungsschreiben nur bestätigt werden könne, was zuvor auch angeboten worden sei. Angeboten worden sei jedoch eine Reise, veranstaltet durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, nicht durch den Abgeordneten. Nach den Entscheidungsgründen des Landgerichts haftet zunächst die Bundesrepublik Deutschland in dem tenorierten Umfang als Eigentümer des Gebäudes, in dem es zu der Verletzung der Klägerin gekommen ist. Daneben haftet auch der Abgeordnete in demselben Umfang, da sich dieser die schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Eigentümerin des Gebäudes zurechnen lassen müsse. Der Abgeordnete sei in dem konkreten Fall als Reiseveranstalter anzusehen. Reiseveranstalter sei derjenige, der eine Gesamtleistung in eigener Verantwortung organisiere, anbiete und erbringe. Für das Erbringen einer Reise in eigener Verantwortung, sei das Auftreten nach Außen und dessen Beurteilung aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden maßgeblich. Ergebe sich bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände aus der Sicht der Reisenden , dass eine Person vertragliche Reiseleistungen in eigener Verantwortung anbiete, müsse sich diese Person daran festhalten lassen. Der Abgeordnete sei somit als Reiseveranstalter Vertragspartner der Klägerin geworden und hafte dieser wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Reisevertrag, da ihm die schuldhafte Außerachtlassung der Verkehrssicherungspflichten durch die Bundesrepublik Deutschland zivilrechtlich zuzurechnen sei. Wissenschaftliche Dienste Seite 8 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 2.2. 2.3. Prüfauftrag Mit Schreiben vom 30. März 2012 hat den Unterabteilungsleiter WD über die Bitte in Kenntnis gesetzt, gutachterlich prüfen zu lassen, inwieweit Schadenersatzansprüche, die in der Folge der Ausübung des Mandats gegenüber einem Abgeordneten geltend gemacht werden, eine Staatshaftung begründen. Dabei sollten Haftungsrisiken der Abgeordneten nicht nur hinsichtlich der Berlin-Informationsreisen, sondern auch allgemein infolge der Mandatsausübung gemäß § 44a Abgeordnetengesetz bzw. der Ausübung im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) behandelt werden. Als besonderer Aspekt in diesem Zusammenhang sei auch die Frage der Haftung von Abgeordneten bei Unfällen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gutachterlich zu würdigen. 3. Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Verstoßen Abgeordnete vorsätzlich oder fahrlässig bei der Ausübung ihres öffentlichen Amtes gemäß Art. 48 Abs. 2 GG gegen die ihnen Dritten gegenüber obliegenden Rechtspflichten, könnte dies einen Schadenersatzanspruch nach § 839 BGB auslösen, der unter den Voraussetzungen des Art. 34 Satz 1 GG auf den Staat übergeleitet wird. Art. 34 Satz 1 GG lautet: „Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.“ Wissenschaftliche Dienste Seite 9 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 § 839 BGB und Art. 34 GG bilden eine einheitliche Anspruchsgrundlage.1 Sind die Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB gegeben, dann trifft bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 34 GG die Schadenersatzpflicht nicht den Amtswalter, sondern den Staat.2 Im Fall der Amtshaftung haftet der Staat somit nicht neben, sondern anstelle des Amtsträgers.3 3.1. Amtswalter im Sinne des Art. 34 GG Die Amtshaftung setzt ein Handeln oder Unterlassen eines Amtsträgers in Ausübung eines öffentlichen Amtes voraus. Ein Amtshaftungsanspruch im Fall der Mandatsausübung von Abgeordneten könnte demnach dann bestehen, wenn Parlamentsabgeordnete bei der haftungsauslösenden Handlung in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden sind. Während § 839 BGB den Amtspflichtverstoß eines Beamten fordert, kommt es nach Art. 34 GG auf den Rechtsstatus des Handelnden nicht an. Entscheidend ist vielmehr die öffentlich-rechtliche Funktionsausübung des Handelnden.4 Art. 34 GG erweitert insoweit den Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB.5 Aufgrund der weiteren Fassung des Art. 34 GG können Handelnde im Sinne des Art. 34 GG all diejenigen sein, die ihrer Funktion nach bei der Schadensverursachung eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen haben. Diese erweiterte Definition des Handelnden wird mit dem Begriff des Beamten im haftungsrechtlichen Sinne umschrieben.6 Hoheitlich handelt die öffentliche Hand nicht nur durch Verwaltungsbehörden, sondern auch durch Regierungen, Minister, Gerichte, Parlamente, Volksvertretungen und Repräsentationsorgane.7 Auch der Parlamentsabgeordnete übt gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG ein öffentliches Amt aus und steht somit in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Staat mit der Folge, dass Abgeordnete als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen sind.8 Die Abgeordneten des 1 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 10; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., 2007, Rn. 98; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, § 26, Rn. 7. 2 BGHZ 1, 388, 391; BGHZ, 4, 10, 45; BGHZ, 34, 99, 101; Hecker, in: Erman, BGB Bd. 2, 12. Aufl., 2008, § 839, Rn. 20; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, § 26, Rn. 7; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 119; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 10 f. 3 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 26, Rn. 7. 4 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 12; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 131; Staudinger, in: Schulze u.a., BGB Handkommentar, 7. Auflage, 2012, § 839, Rn. 6. 5 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 129. 6 Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., 2007, Rn. 101. 7 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 13. 8 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 131, m.w.N.; Wurm, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 839, Rn. 42 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 13; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, § 26 Rn. 13; Staudinger, in: Schulze u.a., BGB Handkommentar, 7. Auflage, 2012, § 839, Rn. 6; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 2, 2006, Art. 34, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Seite 10 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Deutschen Bundestages können daher im Grundsatz durch ihr Handeln oder Unterlassen eine Amtshaftung i. S. des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auslösen. 3.2. Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes Um eine Amtshaftung auszulösen, müsste ein Verhalten von Abgeordneten in Ausübung ihres öffentlichen Amtes einen Schaden verursacht haben. Durch das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung eines […] öffentlichen Amtes“ in Art. 34 Satz 1 GG wird der Anwendungsbereich der Staatshaftung kraft Amtshaftung auf die Ausübung öffentlicher Gewalt begrenzt.9 Die in einem Amtsverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehenden Amtswalter müssen, damit Art. 34 Satz GG zur Anwendung gelangt, zusätzlich gerade im öffentlich-rechtlich geordneten Funktionskreis ihrer Körperschaft den schadensbegründenden Pflichtverstoß begangen haben.10 Dabei ist zunächst zwischen Rechtshandlungen und Tathandlungen des Amtswalters zu unterscheiden . Ist der Schaden durch eine Rechtshandlung entstanden, die in den Formen des öffentlichen Rechts vorgenommen worden ist, ist das Handeln des Amtswalters stets als hoheitlich zu bewerten . Wenn der Staat seine Aufgaben durch den Erlass von Normen, Verwaltungsakten, Verwaltungsvorschriften , durch den Abschluss verwaltungsrechtlicher Verträge oder in anderen Handlungsformen des öffentlichen Rechts erfüllt, liegt somit stets ein Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes vor.11 Falls keine Rechtshandlung, sondern eine Tathandlung vorliegt, ist nach dem Aufgabencharakter und dem Funktionszusammenhang des schädigenden Verhaltens zu klären , ob die zum Schaden führende Handlung oder Unterlassung als Bestandteil der hoheitlichen Betätigung angesehen werden kann.12 Die Qualifizierung eines konkreten Verhaltens einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes bestimmt sich in diesen Fällen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach , ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss.13 9 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 143; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch Amts- und Staatshaftungsrecht, 2005, A., Rn. 15. 10 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 143. 11 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 27. 12 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 41. 13 BGHZ 42, 176 (179); BGHZ 68, 217 (218); BGHZ 69, 128 (130 f.); BGHZ 108, 230 (232). Wissenschaftliche Dienste Seite 11 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 3.2.1. Rechtsnatur der Amtsausübung durch die Mitglieder des Bundestages Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes, die an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Sie sind gemäß Art. 48 Abs. 2 GG Inhaber eines öffentlichen Amtes.14 Die Abgeordneten nehmen ihr Amt in erster Linie dadurch wahr, dass sie an den Beratungen des Bundestages und seiner Ausschüsse teilnehmen und sich dadurch an der parlamentarischen Debatte sowie an den Abstimmungen des Parlaments beteiligen.15 Der Inhalt des öffentlichen Amtes der Abgeordneten wird dabei zentral von den Rechten bestimmt, die aus der Mitgliedschaft im Parlament erwachsen. 3.2.1.1. Mandatsausübung im engeren Sinne Die Amtsträgerrechte stehen im engen Zusammenhang mit der Funktion der Abgeordneten im Parlament. Es handelt sich insoweit um Befugnisse zur Hervorbringung des parlamentarischen Willens. Zu ihnen gehören insbesondere das Anwesenheitsrecht der Abgeordneten, ihr Rederecht , ihr Initiativrecht, ihr Antragsrecht und ihr Stimmrecht.16 Machen die Abgeordneten insoweit von ihren Amtsrechten Gebrauch, agieren sie öffentlich-rechtlich, indem sie am parlamentarischen Verfahren der Rechtssetzung als hoheitlicher Handlung der Legislative teilnehmen. Die aus dieser öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Abgeordneten resultierenden Hoheitsakte können daher im Grundsatz den Anknüpfungspunkt für Amtshaftungsansprüche aufgrund legislativen Unrechts in Folge verfassungswidrig beschlossener förmlicher Gesetze eröffnen.17 3.2.1.2. Mandatsausübung im weiteren Sinne Außerhalb des zuvor umschriebenen Kerns des öffentlichen Amtes der Abgeordneten ist eine Qualifizierung ihrer Mandatsausübung als öffentlich-rechtliche Tätigkeit jedoch Bedenken ausgesetzt . Nehmen Abgeordnete beispielsweise an politischen Diskussionsveranstaltungen in ihrem Wahlkreis teil, um für ihre politischen Überzeugungen zu werben, handeln sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht hoheitlich. Es besteht insoweit kein rechtliches Verhältnis, das durch Über- und Unterordnung geprägt ist. Außerhalb des Kerns ihrer Mandatsausübung, also dort, wo die Abgeordneten nicht klassisch hoheitlich durch ihre Teilnahme an der Rechtssetzung agieren, bedienen sie sich nicht der Hand- 14 Klein, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 2005, § 51, Rn. 1. 15 Degenhart, Staatsrecht I, 27. Aufl., 2011, § 7, Rn. 616. 16 Degenhart, Staatsrecht I, 27. Aufl., 2011, § 7, Rn. 616; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Bd. 4, Stand Oktober 2010, Art. 38, Rn. 230; Engels, in: von Westphalen, Deutsches Regierungssystem, 2001, S. 232. 17 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 104. Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch wäre jedoch im Weiteren, dass den Abgeordneten bei ihrer legislativen Tätigkeit überhaupt Amtspflichten i. S. d. Amtshaftungstatbestandes obliegen können und diese Amtspflichten auch die für eine Schadensersatzverpflichtung notwendige „Drittbezogenheit“ aufweisen. Wissenschaftliche Dienste Seite 12 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 lungsformen des öffentlichen Rechts. Sie handeln nicht durch den Erlass von Normen oder Verwaltungsakten . Die Abgeordneten greifen bei der Mandatsausübung im weiteren Sinne regelmäßig zu Tathandlungen. Sie nehmen beispielsweise durch die Beteiligungen an öffentlichen Diskussionsrunden oder Versammlungen, durch das Verfassen von Zeitungsbeiträgen sowie durch Auftritte in sonstigen Medien am öffentlichen Diskurs teil. Die Ausprägungen der Mandatsausübung im weiteren Sinne sind überaus vielfältig, weisen häufig einen engen Bezug zur jeweiligen Persönlichkeit der Mandatsträger auf und entziehen sich daher einer abschließenden Umschreibung oder Kategorisierung. Ein großer Teil dieser Mandatstätigkeiten dürfte jedoch dem – allerdings unscharfen – Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“ zuzuordnen sein. Gemeinsam ist diesem Bereich der Mandatsausübung lediglich, dass er von tatsächlichen Handlungen und nicht von Rechtshandlungen geprägt ist. Sollten Abgeordnete bei der Amtsausübung im weiteren Sinne im Einzelfall Mandatstätigkeiten durch Rechtshandlungen im Wege des Privatrechts (zum Beispiel durch den Abschluss von Verträgen ) vornehmen, dürften derartige Handlungen unter das Verwaltungsprivatrecht fallen. Die Anwendung des Verwaltungsprivatrechts hätte zur Folge, dass trotz privatrechtlicher Handlungsform öffentlich-rechtliche Bindungen, etwa an die Grundrechte bestehen.18 Für das hier interessierende Haftungsrecht ist jedoch allein die privatrechtliche Handlungsform entscheidend.19 Im Bereich des Verwaltungsprivatrechts gibt es daher keine Amtshaftung, sondern neben der Eigenhaftung des Beamten nach § 839 BGB nur die staatliche Fiskalhaftung.20 Dort, wo die Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht in Rechtshandlungen, sondern in Realakten besteht, versagt das Merkmal der Rechtsform, um das Handeln eines Amtswalters eindeutig dem öffentlichen-rechtlichen oder dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen. Derartige Realakte, die auch als schlichtes Verwaltungshandeln bezeichnet werden, sind rechtlich indifferent.21 Da sich Tathandlungen nicht durch das Kriterium der Rechtsform erfassen lassen, ist auf andere Kriterien zurückzugreifen. Daher wird von der Rechtsprechung auf den Aufgabencharakter und den Funktionszusammenhang mit der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe abgestellt.22 Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Amtsverwalter tätig wurde, dem hoheitlichen Aufgabenbereich zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung um dem Rea- 18 BGHZ, 29, 76 (80); BGHZ 36, 91 (95 ff.); BGHZ 52, 325 (328). 19 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 150. 20 BGHZ 60, 54 (56); Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 150 m.w.N.; Vinke , in: Soergel, BGB, Bd. 12, 13. Auflage, 2005, § 838, Rn. 54; vgl. zur Fiskalhaftung Gliederungspunkt 4 dieser Ausarbeitung. 21 Vinke, in: Soergel, BGB, Bd. 12, 13. Auflage, 2005, § 838, Rn. 57. 22 BGH, NJW 1992, 1227 f.; BGH, NJW 1964, 1895 (1897); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 28. Wissenschaftliche Dienste Seite 13 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 lakt ein so enger innerer und äußerer Zusammenhang bestehe, dass der Realakt als dem Bereich der hoheitlichen Betätigung angehörend angesehen werden müsse.23 Nachfolgend werden aus dem Bereich der Mandatsausübung im weiteren Sinne beispielhaft für besonders schadensträchtige Verhaltensformen die Teilnahme am Straßenverkehr durch selbstfahrende Abgeordnete und die Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten auf ihre Zugehörigkeit zum Amtspflichtenkreis der Abgeordneten untersucht. 3.2.1.2.1. Teilnahme am Straßenverkehr Für den Bereich der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr gilt nach der Rechtsprechung, dass die Zielsetzung, in deren Sinne der handelnde Amtswalter tätig wurde und sich im öffentlichen Verkehrsraum fortbewegt hat, dann dem hoheitlichen Aufgabenbereich zuzuordnen ist, wenn die zu erfüllende Aufgabe zum staatlichen Kompetenzkreis gehört.24 Die Teilnahme am Straßenverkehr erfolge in Ausübung eines öffentlichen Amtes, wenn die Fahrt mit der Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe in einem so engen äußeren und inneren Zusammenhang stehe, dass sie selbst schon als Bestandteil der Aufgabenerfüllung erscheine. Der äußere und innere Zusammenhang zwischen hoheitlicher Zielsetzung und schädigender Handlung liege schon dann vor, wenn das zur Schädigung führende Verhalten, sei es auch nur mittelbar, der Ausführung des hoheitlichen Geschäfts diene und in einer solchen Beziehung zu der unmittelbaren Verwirklichung des staatshoheitlichen Ziels stehe, dass es mit dieser als einheitlicher Lebensvorgang zu werten sei.25 Als Dienstfahrten im amtshaftungsrechtlichen Sinne sind insoweit von der Rechtsprechung beispielsweise anerkannt worden: – Streckenfahrten eines Straßenmeisters26 – Beförderung von Dienstpost durch Kurierfahrten eines Bundesministeriums27 – Fahrten eines Amtsarztes28 – Fahrt einer Lehrerin zu einer Schulwanderung.29 Andererseits sind die PKW-Fahrten eines Finanzinspektors zu Besprechungen bei einer höheren Dienststelle30 und einer Richterin zu einem Ortstermin31 von der Rechtsprechung nicht als 23 BGH, NJW 1992, 1227 f. m.w.N.; Schellhammer, Schuldrecht, 5. Auflage, 2003, Rn. 1097 m.w.N. 24 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 34. 25 BGH, NJW 1992, 1227 (1228); BGHZ 28, 297 (299). 26 BGHZ 21, 48 (52). 27 BGH, LM Art. 34 GG Nr. 25. 28 BGHZ 29, 38 (41). 29 BGH, NJW 1992, 1227 f. Wissenschaftliche Dienste Seite 14 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Dienstfahrten im haftungsrechtlichen Sinne gewertet worden, weil sich die Notwendigkeit dieser konkreten Fortbewegungsart nicht zwingend aus der Natur des Amtsgeschäfts ergebe. Aus den aufgeführten Beispielen wird deutlich, dass das Kriterium des engen inneren und äußeren Sachzusammenhangs dehnbar ist und kaum Randschärfe aufweist.32 Die eindeutige Zuordnung der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr durch einen Amtswalter zum Bereich der hoheitlichen Amtsausübung gelingt der Rechtsprechung aus diesem Grund nicht immer zweifelsfrei. Generalisierend dürfte davon auszugehen sein, dass die Zielsetzung einer Mandatstätigkeit im weiteren Sinne dann am ehesten dem hoheitlichen Aufgabenbereich der Abgeordneten zuzurechnen ist, desto enger die betreffende Handlung mit dem Kernbereich der Mandatsausübung, also der rechtssetzenden Tätigkeit der Abgeordneten, verbunden ist. So spricht beispielsweise manches dafür, Fahrten der Abgeordneten zu Diskussionsveranstaltungen, bei denen sie ihre politischen Handlungsabsichten im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren erläutern und Anregungen anderer Teilnehmer aufnehmen können, als Vorbereitungsmaßnahme zur Erfüllung der hoheitlichen Rechtssetzungsaufgabe zu verstehen. Ob die Rechtsprechung im Beispielsfall jedoch auch einen inneren und äußeren Sachzusammenhang zwischen der hoheitlichen Zielsetzung und einer möglichen schädigenden Handlung während der Fahrt anerkennen würde, erscheint fraglich. Hierzu müsste die schädigende Handlung in einer solch engen Beziehung zur Verwirklichung des hoheitlichen Ziels stehen, dass sie mit der Verwirklichung des hoheitlichen Ziels als einheitlicher Lebensvorgang erscheint. Ob ein verschuldeter Verkehrsunfall bei der Fahrt zu einer politischen Diskussionsveranstaltung mit der rechtssetzenden Tätigkeit der Abgeordneten als einheitlicher Lebensvorgang verbunden werden kann, obliegt letztlich der richterlichen Entscheidung, die anhand der oben aufgezeigten Bandbreite der bislang ergangenen Rechtsprechung nicht sicher vorhergesagt werden kann. Es ist daher selbst im Fall des selbstverschuldeten Unfalls bei der Fahrt zu einer politischen Diskussionsveranstaltung im Vorfeld einer Gesetzgebungsentscheidung nicht zweifelsfrei davon auszugehen, dass diese Mandatstätigkeit im weiteren Sinne der Ausübung des öffentlichen Amtes zugerechnet werden würde. 3.2.1.2.2. Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten Soweit es die Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten in öffentlichen Gebäuden des Bundestages oder der Bundesregierung betrifft, erscheint eine Zuordnung zur öffentlichen Amtsausübung ebenfalls problematisch. 30 BGH, Urteil vom 30. November 1964, Az. III ZR 117/63 (zitiert nach juris). 31 BGH, Urteil vom 27. September 1965, Az. III ZR 43/65 (zitiert nach juris). 32 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 35. Wissenschaftliche Dienste Seite 15 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Die Wahrnehmung einer Verkehrssicherungspflicht gehört zu den „neutralen Handlungen“, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach von jedermann vorgenommen werden kann. Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Sachen und in öffentlichen Gebäuden ist grundsätzlich privatrechtlich .33 Dies wird vom Bundesgerichtshof (BGH) damit begründet, dass die Verkehrssicherungspflicht aus dem allgemeinen deliktsrechtlichen Rechtsgrundsatz abzuleiten sei, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind.34 Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht richten sich deshalb grundsätzlich nicht nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB, sondern nach den allgemeinen privatrechtlichen Vorschriften für die deliktsrechtliche Haftung.35 Allerdings kann bestimmt werden, dass die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlicher Natur ist. So kann der Gesetzgeber durch gesetzliche Regelungen bestimmen, dass die Verkehrssicherungspflicht in einer öffentlichen Einrichtung oder einem öffentlichen Gebäude der Körperschaft , der die Einrichtung oder das Gebäude gehört, als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt obliegt.36 Entsprechende Vorschriften entziehen einer zivilrechtlichen Deutung der Verkehrssicherungspflicht den Boden und qualifizieren sie als Amtspflicht, deren Verletzung zum Schadenersatz nach Art. 34 GG, § 839 BGB führt.37 Dies ist, soweit ersichtlich, jedoch weder für die Gebäude des Deutschen Bundestages noch für die Gebäude der Bundesregierung geschehen. Daneben hat auch der Verwaltungsträger die Wahl, die ihm obliegende Verkehrssicherung in privatrechtlicher oder in hoheitlicher Form zu erfüllen.38 Das setzt jedoch voraus, dass der zuständige Sachherr durch einen verlautbarten Organisationsakt seinen Willen, die ihm obliegende Verkehrssicherung in Formen und nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu erfüllen, zum Ausdruck gebracht hat.39 Auch von dieser Möglichkeit wurde jedoch hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht in den Räumen des Deutschen Bundestages kein Gebrauch gemacht. Solange von der Möglichkeit, die Verkehrssicherungspflicht als öffentlich-rechtliche Amtspflicht festzulegen, weder durch gesetzliche Bestimmung noch durch Organisationsakt des Sachherrn Gebrauch gemacht wurde, nehmen die Abgeordneten Verkehrssicherungspflichten dort, wo sie von ihnen zu tragen sind, privatrechtlich wahr. Privatrechtliche Verkehrssicherungspflichten können die Abgeordneten auch im Bereich der Berlin -Informationsreisen gegenüber den Reiseteilnehmern treffen. Soweit die Abgeordneten den 33 BGHZ 60, 54 (55); BGHZ, 9, 373 (380); Vinke, in: Soergel, BGB, Bd. 12, 13. Aufl., 2005, § 839, Rn. 72; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage, 2011, § 26, Rn. 23. 34 BGHZ 60, 54 (55) = BGH, NJW 1973, 460 (461). 35 Vinke, in: Soergel, BGB, Bd. 12, 13. Aufl., 2005, § 839, Rn. 72. 36 BGHZ 60, 54 (60); v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 2, 5. Auflage, 2005, Art. 33, Rn. 47. 37 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 32. 38 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 32. 39 Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., 2009, § 839, Rn. 184; Staudinger, in: Schulze u.a., BGB- Handkommentar, 7. Aufl., 2012, § 839, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Seite 16 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Teilnehmern eigenverantwortlich versprechen, eine Gesamtheit von Leistungen im Rahmen der Informationsreise zu erbringen, können sie gemäß § 651a BGB als Reiseveranstalter anzusehen sein. Als Reiseveranstalter kommt jede natürliche oder juristische Person in Betracht.40 Eine gewerbliche Tätigkeit oder Gewinnstreben ist nicht erforderlich.41 Sofern die Abgeordneten aus Sicht der Reisenden bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände als Reiseveranstalter anzusehen sind, schulden sie den Reisenden gemäß § 651a Abs. 1 Satz 1 BGB die Erbringung der vereinbarten Reiseleistungen. Werden mit Willen des Reiseveranstalters Teilleistungen der Reise durch Dritte erbracht, haftet der Reiseveranstalter für deren schuldhafte Pflichtverletzungen gemäß § 278 Satz 1 BGB wie für eigenes Verschulden.42 Die Abgeordneten müssen daher für unterlassene Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers der Gebäude, in denen sich die Reisegruppe programmgemäß während der Reise aufhält, privatrechtlich einstehen. Eine Amtshaftung scheidet insoweit wegen des privatrechtlichen Charakters der Verkehrssicherungspflicht aus. 3.2.2. Zwischenergebnis zur Prüfung der Rechtsnatur von Mandatshandlungen Werden Abgeordnete rechtssetzend und somit im Kernbereich ihres öffentlichen Amtes als Parlamentarier tätig, handeln sie hoheitlich. Die Mandatsausübung ist insoweit als öffentlich-rechtlich zu bewerten. Bei der Mandatsausübung im weiteren Sinne agieren Abgeordnete regelmäßig nicht durch Rechtshandlungen, sondern mit Realakten. Diese Handlungen sind nur dann der öffentlichrechtlichen Amtsausübung zuzurechnen, wenn sie nach dem konkreten Aufgabencharakter und dem Funktionszusammenhang der Mandatshandlung in einem so engen Zusammenhang mit der hoheitlichen, rechtssetzenden Tätigkeit der Abgeordneten stehen, dass die Handlung selbst als zur hoheitlichen Aufgabe gehörend zu bewerten sind. Bei privatrechtlich wahrzunehmenden Verkehrssicherungspflichten ist dies nicht der Fall. Bei der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Selbstfahrer ist der hoheitliche Zusammenhang erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Sollten Abgeordnete bei der Amtsausübung im weiteren Sinne im Einzelfall Mandatstätigkeiten durch Rechtshandlungen im Wege des Privatrechts (zum Beispiel durch den Abschluss von Verträgen ) vornehmen, dürften derartige Handlungen unter das Verwaltungsprivatrecht fallen. Im Bereich des Verwaltungsprivatrechts gibt es jedoch keine Amtshaftung, sondern neben der Eigenhaftung des Beamten nach § 839 BGB nur die staatliche Fiskalhaftung. 3.3. Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht Da die Abgeordneten lediglich im Bereich der Mandatsausübung im engeren Sinne, also bei ihrer rechtssetzenden Tätigkeit zweifelsfrei hoheitlich handeln, besteht nur insoweit Anlass zu unter- 40 Führich, Reiserecht, 6. Auflage, 2010, § 5, Rn. 90. 41 Führich, Reiserecht, 6. Auflage, 2010, § 5, Rn. 90 m.w.N. 42 Ebert, in: Schulze u.a., BGB Handkommentar, 7. Auflage, 2012, § 651a, Rn. 8; Führich, Reiserecht, 6. Auflage, 2010, § 5, Rn. 102. Wissenschaftliche Dienste Seite 17 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 suchen, inwieweit die Abgeordneten im Rahmen dieser Tätigkeit drittschützende Amtspflichten verletzen können, die im Fall einer schuldhaften Schadensverursachung bei Dritten eine Amtshaftung auslösen können, die gemäß Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet wird. In Rede steht insoweit die Haftung der Abgeordneten für legislatives Unrecht. 3.3.1. Amtspflichtverletzung bei legislativem Handeln oder Unterlassen Inwieweit Abgeordneten überhaupt Amtspflichten im amtshaftungsrechtlichen Sinne obliegen können, hat der Bundesgerichtshof offengelassen.43 Da die Grundrechte dem Einzelnen Unterlassungs- und Abwehrrechte gegen den Gesetzgeber gewähren, setzen sie der legislativen Gestaltungsfreiheit Grenzen, die der Gesetzgeber, verkörpert durch die Abgeordneten, zu beachten hat.44 Ihm obliegt gegenüber den Grundrechtsträgern die extern wirkende Pflicht, verfassungswidrige Eingriffe zu vermeiden.45 Daraus lässt sich eine Amtspflicht der einzelnen an der Gesetzgebung beteiligten Abgeordneten ableiten. 3.3.2. Drittbezogenheit der Amtspflicht Die den Abgeordneten obliegende Amtspflicht, legislatives Unrecht durch verfassungswidrige Gesetze zu vermeiden, kann jedoch nur dann Amtshaftungsansprüche auslösen, wenn diese Amtspflicht auch gegenüber einem Dritten besteht, also individualschützenden Charakter hat.46 Nach Auffassung der Rechtsprechung treffen den an dem Erlass von Rechtsnormen Beteiligten aufgrund des abstrakt-generellen Charakters von Rechtsnormen nur Pflichten gegenüber der Allgemeinheit .47 Die am Erlass von Rechtsnormen Beteiligten handeln daher nach Auffassung der Rechtsprechung grundsätzlich im öffentlichen Interesse zur Wahrnehmung von Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit. Lediglich bei Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen sei auch die Berührung der Interessen bestimmter Gruppen oder Einzelpersonen möglich, so dass diese als „Dritte“ angesehen werden können.48 Im Ergebnis ist folglich nach ständiger Rechtsprechung bislang davon auszugehen, dass legislatives Unrecht nicht als Grundlage für Amtshaftungsansprüche anerkannt wird. 43 BGHZ 56, 40 (44). 44 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 105. 45 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 105, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 26, Rn. 51. 46 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 26, Rn. 51. 47 BGHZ, 56, 40 (46); BGHZ 84, 292 (300); 87, 321 (335); kritisch: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 26, Rn. 51; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 34, Rn. 50. 48 BGHZ 56, 40 (46); 84, 292 (300); 87, 321 (335). Wissenschaftliche Dienste Seite 18 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 4. Fiskalhaftung Fraglich ist mangels hoheitlichen Handelns, ob eine Staatshaftung in Form der so genannten Fiskalhaftung in Betracht kommt. Die Fiskalhaftung kann dort greifen, wo die öffentliche Hand nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich handelt. Rechtsgrundlage können die §§ 89, 31 BGB in Verbindung mit der jeweiligen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage, § 831 BGB in Verbindung mit §§ 823 ff. BGB oder § 278 BGB in Verbindung mit der jeweiligen materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage sein.49 4.1. Fiskalhaftung nach §§ 89, 31 BGB Voraussetzung einer über §§ 89, 31 BGB zuzurechnenden Fiskalhaftung ist, dass der einzelne Abgeordnete bei seinem Handeln „verfassungsmäßig“50 berufener Vertreter bzw. Repräsentant51 des Deutschen Bundestages ist.52 Eine solche Vertretungs- oder Repräsentationsfunktion in Bezug auf das Verfassungsorgan53 Deutscher Bundestag lässt sich für die Abgeordnetenstellung indes weder aus der Geschäftsordnung des Bundestages, dem Abgeordnetengesetz noch aus dem Grundgesetz herleiten. Vielmehr liegt den genannten Regelungen gerade das Bild des unabhängigen , nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten zugrunde, der damit korrelierend gerade nicht die Rolle zugewiesen bekommt, den Bundestag als solchen zu vertreten. Eine Fiskalhaftung nach §§ 89, 31 BGB dürfte bereits aus diesem Grund grundsätzlich nicht in Betracht kommen. 4.2. Fiskalhaftung nach §§ 831, 823 ff. BGB bzw. nach § 278 BGB Eine Fiskalhaftung nach §§ 831, 823 ff. BGB setzte voraus, dass der einzelne Abgeordnete seitens des Bundestags zur Erfüllung privatrechtlicher Verrichtungen bestellt worden ist. Prägend müsste dabei eine gewisse Abhängigkeit gegenüber dem Bestellenden sein, die sich als ein persönliches Über- und Unterordnungsverhältnis54 bzw. als Weisungabhängigkeit55 darstellt. Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB wiederum ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit 49 Vgl. hierzu Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., 2000, § 89 Rn. 4 ff. 50 Gemeint ist hier die Verfassung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, also deren strukturbestimmende Organisationsregelungen , vgl. Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., 2000, § 89 Rn. 49 f. 51 So die h. M., vgl. Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., 2000, § 89 Rn. 51. 52 Unproblematisch ist hingegen, dass der einzelne Abgeordnete kein Organ des Deutschen Bundestags ist, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 63. Ergänzungslieferung 2011, Art. 40 Rn. 84. 53 § 89 BGB erfasst über seinen Wortlaut hinaus sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts, vgl. Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., 2012, Rn. 3. 54 Vgl. Spindler, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar BGB, Edition 22, Stand 1. März 2011, § 831 Rn. 11. 55 Spindler, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar BGB, Edition 22, Stand 1. März 2011, § 831 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Seite 19 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird.56 Beides ist aus den bereits im vorherigen Gliederungspunkt genannten Gründen vorliegend nicht der Fall. Der einzelne Abgeordnete befindet sich gegenüber dem Deutschen Bundestag weder in einem Subordinationsverhältnis noch kann er als weisungsabhängige Hilfsperson des Bundestags bei der Erfüllung fiskalischer Verbindlichkeiten qualifiziert werden. Im Ergebnis dürfte eine Fiskalhaftung damit grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Auch würde sie die Eigenhaftung des Abgeordneten nicht beseitigen, sondern allenfalls zu einer zusätzlichen , gesamtschuldnerischen Haftung der öffentlichen Hand führen.57 5. Eigenhaftung der Abgeordneten Da nach dem oben58 Ausgeführten mithin kaum belastbare Ansatzpunkte für eine Amts- oder Fiskalhaftung vorhanden sind, haften Abgeordnete zivilrechtlich für ihre Mandatsausübung im weiteren Sinne grundsätzlich wie jeder andere Teilnehmer des Zivilrechtsverkehrs. Die Haftungsrisiken entsprechen damit zum einen den allgemeinen Haftungsrisiken, denen sich jedermann im Zivilrechtsverkehr potentiell ausgesetzt sieht und die den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde liegen.59 Daneben dürften Abgeordnete durch verschiedene typischerweise im Kontext ihres Mandats wahrgenommene Tätigkeiten auch zusätzlichen Haftungsrisiken ausgesetzt sein. Beispielhaft zu nennen ist hier die potentielle Haftung als (Anscheins-)Reiseveranstalter aufgrund der §§ 651a ff. BGB – ein Risiko, dass gegenüber dem Anspruchsinhaber, also im Außenverhältnis, für Körperschäden weder vertraglich einschränk- oder abdingbar noch auf einen Mitveranstalter verlagerbar ist (§ 651m BGB).60 Ein zusätzliches Haftungsrisiko kann sich für Abgeordnete z. B. auch durch die von ihnen betriebenen persönlichen Internetpräsenzen ergeben, etwa wenn dort durch Mitarbeiter Bilder oder Fotografien eingestellt werden, die Rechte Dritter tangieren.61 Dem entsprechend können die verbleibenden zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Abgeordnete nicht abschließend benannt werden, da eine Vielzahl von unterschiedlichsten Aktivitäten im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit eines Abgeordneten denkbar sind, die je nach kon- 56 Unberath, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar BGB, Edition 22, Stand 1. März 2011, § 278 Rn. 11. 57 Vgl. Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., 2000, § 89 Rn. 6. 58 Vgl. Ziffern 3. und 4. dieser Ausarbeitung. 59 Stand 2012, abrufbar unter: http://www.gdv.de/downloads/versicherungsbedingungen/allgemeine-versicherungsbedingungen-fur-diehaftpflichtversicherung -ahb/ (Stand: 16. Mai 2012). 60 Vgl. hierzu LG Saarbrücken, Urteil vom 6. Februar 2012, Az. 6 O 152/11. 61 Vgl. LG Memmingen, Urteil vom 4. Mai 2011, Az. 12 S 796/10. Zur Haftung der Abgeordneten als Arbeitgeber vgl. Ziffer 6 dieser Ausarbeitung. Wissenschaftliche Dienste Seite 20 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 kreter Konstellation wiederum unterschiedlichste Haftungsfolgen auslösen können. Insofern kann eine valide Beurteilung einer zivilrechtlichen Haftung nur im jeweiligen Einzelfall erfolgen. 6. Haftung von Bundestagsabgeordneten als Arbeitgeber Die Mitglieder des Deutschen Bundestages beschäftigen zur Unterstützung bei der Erledigung ihrer parlamentarischen Aufgaben Mitarbeiter. Die Mitarbeiter stehen in privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen mit den Abgeordneten. Im Rahmen eines Arbeitsvertrages nach den §§ 611 ff. BGB erbringen sie als abhängige Arbeitnehmer gegen Entgelt ihre Arbeitsleistung für den jeweiligen Abgeordneten als Arbeitgeber. Eine Haftung des Deutschen Bundestages ist nach § 12 Abs. 3 Satz 7 Abgeordnetengesetz (AbgG) ausdrücklich ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Als privatrechtliche Arbeitgeber können die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch Schadensersatzansprüchen aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgesetzt sein. Dies gilt zum einen für Schäden ihrer Mitarbeiter, wenn sie sich als Folge einer Verletzung von Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer darstellen. Aber auch für Schäden, die Dritten durch Handlungen ihrer Mitarbeiter entstehen, können Abgeordnete als Arbeitgeber haftbar sein. Dies gilt vor allem, wenn es aus Unachtsamkeit der Mitarbeiter zu Unfällen kommt. Im Folgenden werden die verschiedenen Fallgruppen und die daraus folgenden Haftungsrisiken für die Mitglieder des Bundestags vorgestellt. 6.1. Schadensersatzansprüche der Mitarbeiter 6.1.1. Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer 6.1.1.1. Grundsatz Aus dem Arbeitsverhältnis obliegen dem Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer nach den §§ 41 Abs. 2, 242 BGB schuldrechtliche Nebenpflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz vor den Gefahren des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit. Die Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer wird in den §§ 617 ff. BGB konkretisiert: Nach § 618 Abs. 1 BGB hat er „Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Arbeitsleistungen zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten sowie Arbeitsleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit insoweit geschützt sind, als es die Natur der Arbeitsleistung gestattet“. Darüber hinaus treffen den Arbeitgeber aber auch öffentlich-rechtliche Schutzpflichten, die sich aus den Arbeitsschutzgesetzen ergeben und die privatrechtliche Schutzpflicht weiter konkretisieren.62 62 Vgl. Dütz, Wilhelm; Thüsing, Gregor (2010): Arbeitsrecht. München: C.H. Beck, Rn. 178 f.; Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hrsg.) (2010): Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht 2010/2011. Wissenschaftliche Dienste Seite 21 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 6.1.1.2. Haftung Hat der Arbeitgeber seine Schutzpflichten aus § 618 schuldhaft verletzt, kommen für den betroffenen Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB, und wenn gleichzeitig eine unerlaubte Handlung des Arbeitgebers vorliegt, nach § 823 Abs. 1 BGB sowie ein Anspruch auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 1 BGB) in Betracht.63 Das gilt auch, wenn ein für den Gefahrenschutz beauftragter Dritter als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) oder Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) die Pflichtverletzung begangen hat, denn dessen Verschulden muss sich der Arbeitgeber wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Somit kann sich der Abgeordnete als Arbeitgeber von seiner Verantwortung in Fragen der Arbeitssicherheit gegenüber seinen Mitarbeitern nicht durch Hinweis auf die Ausstattung der Berliner Büros und die Durchführung von Brandschutz- und sonstigen Gefahrschutzmaßnahmen durch die Verwaltung des Deutschen Bundestages im Rahmen der Amtsausstattung (§ 12 Abs. 4 AbgG) freisprechen. 6.1.1.3. Haftungsfreistellung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten Wenn die Pflichtverletzung des Arbeitgebers zu einem Arbeitsunfall im Sinne des § 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) oder einer Berufskrankheit im Sinne des § 9 SGB VII geführt hat (Versicherungsfall), wird der Arbeitgeber nach § 104 Abs. 1 SGB VII von jeder Schadensersatzpflicht für Körperschäden gegenüber dem Arbeitnehmer freigestellt . Es besteht dann auch kein Anspruch auf Schmerzensgeld.64 Die Haftungsfreistellung des Arbeitgebers tritt jedoch nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht ein, wenn der Unfall vom Arbeitgeber vorsätzlich oder auf einem nach dem Unfallversicherungsrecht geschützten Weg (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII)65 herbeigeführt wurde. 6.1.2. Pflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts Der Arbeitgeber ist daneben auch zur Beachtung des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG) verpflichtet . Davon umfasst ist der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, der Arbeitnehmer, das vor allem durch die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes konkretisiert Nürnberg: Verlag Bildung und Wissen, Kap. 2 Rn. 432 ff. Die weitere Darstellung orientiert sich in Aufbau und Formulierung wesentlich an der Darstellung in der Veröffentlichung des BMAS. 63 BMAS 2010 (Fn. 62) Rn. 444. 64 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 444. 65 Siehe BMAS (Hrsg.) (2010): Übersicht über das Sozialrecht 2010/2011. Nürnberg: Verlag Bildung und Wissen, Kap. 7 Rn. 37 ff. Wissenschaftliche Dienste Seite 22 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 wird66, aber auch der Schutz des Arbeitnehmers gegen Mobbing67 sowie sexuelle Belästigung durch andere Arbeitnehmer. Eine Verletzung der Pflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts kann ebenfalls zur Haftung des Arbeitgebers führen, wenn der Arbeitnehmer dadurch einen Schaden erleidet. Ob eine entsprechende Pflichtverletzung vorliegt, muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestimmt werden.68 Bei schuldhafter Verletzung kommt eine Haftung des Arbeitgebers nach den oben unter Punkt 6.1.1.2 genannten Vorschriften und in demselben Umfang in Betracht. 6.1.3. Pflicht zum Schutz des Arbeitnehmereigentums 6.1.3.1. Grundsatz und Haftungsumfang Nach §§ 242, 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber auch zur Rücksichtnahme auf das Eigentum des Arbeitnehmers verpflichtet. Daraus ergeben sich für ihn Obhuts- und Verwahrungspflichten für Gegenstände, die die Arbeitnehmer in den Betrieb mitnehmen, wenn sie nicht selber für die geeignete Aufbewahrung sorgen können. Dies gilt selbst für Gegenstände, die nur mittelbar der Erledigung der Arbeit dienen, wenn dem Arbeitgeber nach dem oben erwähnten Grundsatz zur gegenseitigen Rücksichtnahme die Verwahrung der Gegenstände zumutbar ist.69 Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht haftet der Arbeitgeber für Sachschäden in dem oben unter Punkt 6.1.1.2 dargestellten Umfang. Jedoch kann sich seine Verpflichtung zum Schadensersatz wegen Mitverschuldens des Arbeitnehmers bei der Schadensentstehung vermindern.70 6.1.3.2. Haftung ohne Verschulden Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber aber auch Schäden ersetzen, die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit ihrer Arbeit erleiden, ohne dass den Arbeitgeber ein Verschulden trifft (entsprechend den Vorschriften über den Aufwendungsersatz bei Geschäftsbesorgung - §§ 670, 675 BGB). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer einen Schaden bei Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit erlitten hat. Dieser Schaden muss aber dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zugerechnet werden können und darf nicht zum allgemeinen Lebensrisiko des 66 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 446 ff. 67 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 471. 68 BAG v. 15. Juli 1987 - 5 AZR 245/86. 69 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 476. 70 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 478. Wissenschaftliche Dienste Seite 23 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 Arbeitnehmers zählen.71 Arbeitnehmer können also nur den Ersatz des Sachschadens verlangen, in dem sich ein tätigkeitsspezifisches Risiko realisiert hat.72 Praktische Bedeutung haben die beschriebenen Grundsätze insbesondere bei der Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs durch einen Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit.73 Insoweit ist allerdings nach Auskunft des Referats PM 2 (Mitarbeiter von Abgeordneten) durch den Abschluss einer entsprechenden Kaskoversicherung vorgesorgt, die Schäden an Fahrzeugen der Mitarbeiter abdeckt, die durch deren Benutzung im Rahmen der Beschäftigung entstehen. 6.1.3.3. Haftungsausschluss Der Arbeitgeber kann die Haftung für eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers grundsätzlich vertraglich ausschließen, nicht jedoch seine Haftung für Vorsatz (§ 276 Abs. 3 BGB). Ein Haftungsausschluss kann zudem wegen schuldhafter Verletzung der arbeitsvertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten des Arbeitgebers unwirksam sein. Bei einem formularmäßigen Haftungsausschluss müssen außerdem die Vorschriften des BGB über die Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen berücksichtigt werden (§§ 305 ff. BGB). Nach § 309 Nr. 7 lit. b BGB ist der Ausschluss oder die Begrenzung der Haftung bei sonstigen Schäden (hier: Sachschäden ), die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders (hier also des Arbeitgebers ) beruhen, unwirksam.74 6.2. Schadensersatzansprüche Dritter 6.2.1. Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber Seit langem ist in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass ein Arbeitnehmer, der im Rahmen der Arbeitsleistung seinem Arbeitgeber einen Schaden zugefügt, diesem nur dann in vollem Umfang haftet, wenn er den Schaden vorsätzlich verursacht hat. Zunächst hatte das BAG eine Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers nur bei so genannter gefahr- oder schadensgeneigter Arbeit angenommen.75 Seit 1994 geht es unter ausdrücklicher Abkehr von dieser Rechtsprechung davon aus, dass die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung für alle Arbeiten gelten, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden.76 Abhängig vom Verschuldensgrad des Arbeitnehmers gilt folgende Haftungsbeschränkung: 71 BAG v. 16. März 1995 - 8 AZR 260/94. 72 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 479. 73 Siehe BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 479 m. N. aus der Rechtsprechung des BAG. 74 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62), Rn. 481. 75 BAG Großer Senat, Beschluss v. 25. September 1957, NJW 1959, S. 2194. 76 BAG Großer Senat, Beschluss v. 27. September 1994 - GS 1/89 (A) (Vorlagebeschluss des 8. Senats). Wissenschaftliche Dienste Seite 24 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 – Bei leichtester Fahrlässigkeit77 haftet der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber nicht auf Schadenersatz. In diesem Fall trägt der Arbeitgeber den Schaden allein. Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeiten handelt, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können.78 – Bei mittlerer oder normaler Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nur für einen Teil des Schadens. In diesen Fällen wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt . Dabei erfolgt eine Abwägung der Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtpunkten. Dazu gehören u.a. der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, das Gefahrenrisiko einschließlich der Voraussehbarkeit des Schadenseintritts, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Zu Lasten des Arbeitgebers kann ins Gewicht fallen, dass er den Schaden durch den Abschluss einer Versicherung hätte abdecken können. Hat der Arbeitgeber versäumt, sich gegen einen Schaden zu versichern, haftet der Arbeitnehmer nur in Höhe der Selbstbeteiligung, die bei Abschluss einer Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre.79 Schließlich können auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein bisheriges Verhalten im Betrieb sowie seine Familienverhältnisse im Rahmen der Schadensaufteilung berücksichtigt werden. – Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz hat der Arbeitnehmer in der Regel den gesamten Schaden allein zu tragen. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und Verhaltensregeln missachtet, die im konkreten Fall jedem einleuchten müssen. Typisches Beispiel für grobe Fahrlässigkeit ist das Überfahren einer roten Ampel. Als Vorsatz gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst und gewollt den Erfolg will oder in Kauf nimmt.80 Haftungserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers sind aber auch bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen.81 6.2.2. Freistellungsansprüche des Arbeitnehmers bei Haftung gegenüber Dritten Hat der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses einen Dritten geschädigt, haftet er diesem gegenüber ohne Haftungserleichterungen, denn die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten nur zwischen den Arbeitsvertragsparteien .82 Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung gegenüber Dritten wird aber durch einen so genannten Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber gemindert, auf den die allgemeinen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ebenfalls Anwendung fin- 77 Vgl. zur Definition der Fahrlässigkeit § 276 Abs. 2 BGB. 78 Lakies, Thomas in: Wedde, Peter (2010): Arbeitsrecht Kompaktkommentar, 2. Aufl., Frankfurt am Main: Bund Verlag, § 619a BGB Rn. 13. 79 BAG v. 24. November 1987 - 8 AZR 66/82. 80 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 466. 81 BAG v. 12. Oktober 1989 - 8 AZR 276/88; BAG v. 18. April 2002 - 8 AZR 348/01. 82 Bundesgerichtshof (BGH) v. 11. November 2003 - VI ZR 13/03. Wissenschaftliche Dienste Seite 25 Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 111/12, WD 6 – 3000 – 072/12, WD 7 – 3000 – 099/12 den. Der Arbeitgeber muss also den Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit je nach dem Grad seines Verschuldens (oben Punkt 6.2.1) gegenüber dem geschädigten Dritten freistellen . Der Freistellungsanspruch ist zugunsten des Geschädigten abtretbar und pfändbar und wandelt sich dadurch in einen direkten Zahlungsanspruch des geschädigten Dritten gegen den Arbeitgeber um.83 Soweit der Arbeitnehmer den Schadenersatzanspruch des Dritten erfüllt, kann er vom Arbeitgeber entsprechenden Ersatz verlangen.84 6.2.3. Freistellungsansprüche des Arbeitnehmers bei Haftung gegenüber Arbeitskollegen Schädigt der Arbeitnehmer bei seiner Arbeit einen Arbeitskollegen, haftet er diesem grundsätzlich wie einem Dritten. Bei Personenschäden im Rahmen eines Arbeitsunfalls wird die Haftung des Arbeitnehmers allerdings durch die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst (§ 105 Abs. 1 SGB VII). Der Arbeitnehmer ist seinem Arbeitskollegen oder dessen Hinterbliebenen nur dann zum Ersatz verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Für Sachschäden muss der Arbeitnehmer demgegenüber grundsätzlich in voller Höhe einstehen. Wie bei der Schädigung eines Dritten (siehe oben Punkt 6.2.2) hat er je nach dem Grad seines Verschuldens einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber.85 6.3. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages aufgrund ihrer Arbeitgeberstellung gegenüber ihren Mitarbeitern nicht unerheblichen Haftungsrisiken unterliegen , die sich sowohl aus eigenen Pflichtverletzungen, aber auch aus ihrer bloßen Arbeitgebereigenschaft ergeben können. Während die Haftung für Personenschäden der Mitarbeiter im Rahmen von Arbeitsunfällen aufgrund der Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung überwiegend ausgeschlossen ist und die Haftung für Sachschäden am Eigentum der Mitarbeiter sich zum Teil vertraglich ausschließen lässt oder durch eine Kaskoversicherung abgedeckt ist, bestehen aufgrund des arbeitsrechtlichen Haftungsfreistellungsanspruchs der Mitarbeiter erhebliche Haftungsrisiken bei fahrlässiger Schädigung Dritter im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung. 83 Lakies (Fn. 78), § 619a BGB Rn. 34; BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 469. 84 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62); Rn. 469. 85 BMAS Arbeitsrecht (Fn. 62), Kap. 2 Rn. 170; Lakies (Fn. 78), § 619a BGB Rn. 32.