© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 110/15 Gültigkeitsdauer von Ausweisungsverfügungen im Asylverfahren und Rechtslage zu Folgeanträgen bei vorangegangener Ausweisung EZPWD-Anfrage Nr. 2828 des schwedischen Parlaments Xxxxxx Xxxxxx Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 110/15 Seite 2 Gültigkeitsdauer von Ausweisungsverfügungen im Asylverfahren und Rechtslage zu Folgeanträgen bei vorangegangener Ausweisung EZPWD-Anfrage Nr. 2828 des schwedischen Parlaments Verfasser/in: Xxxxxx Xxxxxx Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 110/15 Abschluss der Arbeit: 11.05.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: xxxxxxxxxxxxxx Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 110/15 Seite 3 1. Fragestellung Das schwedische Parlament hat sich mit folgenden Fragen an die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages gewandt: Der Wissenschaftliche Dienst des Schwedischen Reichstags arbeitet gegenwärtig an einem Bericht über Entscheidungen zur Ausweisung (Ausweisungsverfügungen) in Asylverfahren. Im Speziellen geht es um die Frage, ob es eine Gültigkeitsdauer bzw. ein Ablaufdatum für Ausweisungsverfügungen gibt. Das schwedische Migrationsgesetz sieht den Ablauf einer Ausweisungsverfügung vier Jahre nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit vor. Nach Ablauf dieser Zeit kann die Verfügung nicht mehr durchgesetzt werden. Ein neuer Antrag auf Asyl kann von derselben Person gestellt und durch die Behörden geprüft werden. [The Swedish Research Service is currently working on a report on decisions on expulsion (expulsion orders) in asylum cases. More specifically , the question is wether there is an expiration time for expulsion orders. According to Swedish migration law, an expulsion order expires four years after the order became final and nonappealable . After this period of time the expulsion order can no longer be enforced and a new application for asylum from the same individual can be lodged and tried by the authorities.] Da die rechtliche Situation in anderen EU-Staaten ebenfalls angefragt wurde, wären wir für Informationen über die Regelungen oder Praxis in Ihrem Land dankbar. [Since information on the legal situation in other EU member states is also requested, we would be very grateful for information on what provisions or practice apply in your country in this situation.] 1. Gibt es Rechtsvorschriften zu zeitlichen Begrenzungen der Gültigkeit einer Ausweisungsverfügung ? Falls ja, bitte spezifizieren Sie, was diese zur Folge haben. [Are there legal provisions on time limits for when an expulsion order expires? If so, please specify what these entail.] 2. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen kann ein Asylsuchender einen neuen Antrag auf Asyl stellen, wenn der Erstantrag geprüft und eine Entscheidung zur Ausweisung getroffen wurde? [At what point or under which circumstances, can an asylum seeker hand in a new application for asylum when the original application has been tried and a decision on expulsion has been made?] 2. Beantwortung der Einzelfragen 2.1. Vorbemerkung Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, stehen unter einem besonderen Ausweisungsschutz. Nach Maßgabe des § 56 Absatz 4 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) können diese nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Feststellung eines Abschiebungsverbots Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 110/15 Seite 4 nach § 60 Abs. 1 AufenthG1 abgeschlossen wurde. Lediglich bei Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kommt eine Ausweisung ohne diese Bedingung in Betracht. Schwerwiegende Gründe sind gemäß § 56 Abs. 1 AufenthG in der Regel zwingende Ausweisungsgründe nach § 53 AufenthG2 oder Gründe für eine Regelausweisung nach § 54 Nr. 5, 5a, 5b oder 7 AufenthG3. Ein Asylbewerber ist damit dem Asylberechtigten gegenüber gleichgestellt. Er kann immer dann ausgewiesen werden, wenn auch die Ausweisung eines Asylberechtigten gerechtfertigt wäre.4 2.2. Rechtsvorschriften zu zeitlichen Begrenzungen der Gültigkeit einer Ausweisungsverfügung Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wurde, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist – selbst bei Vorliegen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz – ausgeschlossen. Ausnahmen hiervon sind durch die Regelungen in §§ 25 Abs. 1 und 2, 4a und 5, 23a Abs. 1 und 37 Abs. 3 Nr. 1 insbesondere aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen und zur Vermeidung besonderer Härtefälle zugelassen.5 Grundsätzlich sind die Rechtsfolgen des Einreiseverbots und des Ausschlusses der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach einer Ausweisung unbefristet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die vorstehenden Wirkungen auf Antrag befristet. Die Befristung ist bei Vorliegen des Antrags zwingend vorgeschrieben.6 Die Frist wird unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festgesetzt. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn die Ausweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung erfolgte oder von dem Ausländer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Es ist zu berücksichtigen , ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Entscheidung über die Befristung kann zurückgestellt werden, bis die Ausreisepflicht abgelaufen ist oder ein Nachweis über die freiwillige Ausreise vorliegt. In derartigen Fällen weist die Ausländerbehörde den Antragsteller darauf hin, dass bei der Entscheidung über die Befristung auch berücksichtigt wird, 1 Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. 2 Darunter fallen insbesondere (jeweils unter besonderen Voraussetzungen) die Verurteilung wegen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren, die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Landfriedensbruchs oder wegen Einschleusens von Ausländern. 3 Dies sind insbesondere die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung , Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten und die Leitung von Vereinen, die wegen Zuwiderlaufen gegen die Strafgesetze, die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung verboten wurden. 4 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 56 AufenthG, Rn. 73 (EL Februar 2009). 5 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 11 AufenthG, Rn. 4, 15 (EL Mai 2012), m.w.N. 6 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 11 AufenthG, Rn. 17 (EL Mai 2012). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 110/15 Seite 5 ob er freiwillig der Ausweisung Folge leistet.7 Eine Befristung darf - bei zulässigen Ausnahmen durch die oberste Landesbehörde im Einzelfall - nicht erfolgen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder auf Grund einer Abschiebungsanordnung zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde. Wenn die Ausländerbehörde eine Befristung angeordnet hat, beginnt diese mit der Ausreise und endet mit Ablauf der gesetzten Frist.8 Soweit die Befristung bereits mit der Ausweisung erteilt worden ist und der Ausländer anschließend abgeschoben oder zurückgeschoben wird, entstehen das unbefristete Verbot der Einreise und der Ausschluss der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG neu.9 Wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde, kann dem Ausländer ein kurzfristiges Betreten des Bundesgebietes nach § 11 Abs. 2 AufenthG erlaubt werden. Auch hiervon sind Ausnahmen durch die oberste Landesbehörde in den Fällen zulässig, in denen der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde. 2.3. Bedingungen eines Asylfolgeantrags nach einer Ausweisung Nach § 71 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nach Stellung eines erneuten Asylantrags (Folgeantrag) nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind entweder eine Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Betroffenen, das Vorliegen neuer Beweismittel oder das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach § 580 ZPO. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Gründe im vorhergehenden Verfahren ohne grobes Verschulden nicht geltend gemacht wurden und der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Gründe gestellt wurde. Die Stellung eines Asylantrages ist nur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder an ihren Grenzen möglich.10 Soweit also ein Ausländer nicht in das Bundesgebiet einreisen kann, zum Beispiel aufgrund eines Einreisverbots nach einer Ausweisung, Abschiebung oder Zurückschie- 7 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 11 AufenthG, Rn. 23 (EL Mai 2012). 8 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 11 AufenthG, Rn. 16 (EL Mai 2012). 9 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 11 AufenthG, Rn. 15 (EL Mai 2012). 10 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, §13 AsylVfG, Rn. 22 (EL Oktober 2010) m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 110/15 Seite 6 bung, ist eine Antragstellung nur an der Grenze möglich. Mit der in § 13 Abs. 3 AsylVfG geregelten Verpflichtung zur Stellung des Asylantrags an der Grenze soll einem illegalen Aufenthalt von Ausländern entgegengewirkt und das Asylverfahren möglichst früh eingeleitet werden.11 Einem Ausländer, der an der Grenzbehörde um Asyl nachsucht und der in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist und dessen Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt , ist gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG die Einreise zu verweigern. Mit der Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG wird sichergestellt, dass lange zurückliegende strafrechtliche Verurteilungen , die früher zu einer Ausweisung des Ausländers geführt haben, nicht als potentiell asylrechtsausschließende Einreiseverweigerungsgründe herangezogen werden können, wenn die Ausreise bereits einen längeren Zeitraum zurückliegt. 12 Ausnahmen von einer Einreiseverweigerung nach § 18 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG sind nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG durch Anordnung des Bundesministeriums des Innern insbesondere aus humanitären Gründen zulässig.13 xxxxxxxxxxxxxxxxx 11 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 13 AsylVfG, Rn. 36 (EL Oktober 2010). 12 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 18 AsylVfG, Rn. 30 (EL Februar 2013). 13 Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 89. EL März 2015, § 18 AsylVfG, Rn. 42-44 (EL August 2009).