AUSARBEITUNG Thema: Verankerung des Sports im Grundgesetz Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Verfasser: Abschluss der Arbeit: 8. März 2006 Reg.-Nr.: WF III G – 110/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Vorbemerkungen..................................................................................................... 3 1.1 Funktion und Konzeption des Grundgesetzes ............................................... 3 1.2 Struktur des Grundgesetzes ........................................................................... 3 1.2.1 Staatszielbestimmungen....................................................................... 3 1.2.2 Kompetenznormen ............................................................................... 5 1.2.3 Individuelle Grundrechte ..................................................................... 5 1.2.4 Institutsgarantien .................................................................................. 5 2. Gesellschaftliche Relevanz des Sports.................................................................... 6 3. Bisherige Verortung des Sports im Grundgesetz .................................................... 6 4. Europäische Union.................................................................................................. 7 4.1 Bestehende Verträge...................................................................................... 7 4.2 Gescheiterter Verfassungsentwurf................................................................. 7 5. Länderverfassungen ................................................................................................ 8 5.1 Baden-Württemberg ...................................................................................... 8 5.2 Bayern............................................................................................................ 8 5.3 Berlin ............................................................................................................. 8 5.4 Brandenburg .................................................................................................. 9 5.5 Freie Hansestadt Bremen............................................................................... 9 5.6 Freie und Hansestadt Hamburg ..................................................................... 9 5.7 Hessen............................................................................................................ 9 5.8 Mecklenburg-Vorpommern ........................................................................... 9 5.9 Niedersachsen.............................................................................................. 10 5.10 Nordrhein-Westfalen ................................................................................... 10 5.11 Rheinland-Pfalz ........................................................................................... 10 5.12 Saarland ....................................................................................................... 10 5.13 Sachsen ........................................................................................................ 11 5.14 Sachsen-Anhalt ............................................................................................ 11 5.15 Schleswig-Holstein...................................................................................... 11 5.16 Thüringen..................................................................................................... 12 6. Sport als Grundrecht ............................................................................................. 12 7. Sport als Staatsziel ................................................................................................ 12 7.1 Bisherige Zurückhaltung bei der Benennung von Staatszielen ................... 12 7.2 Rechtliche Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz ............................ 13 7.3 Politische Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz.............................. 14 7.4 Einfluss auf die Verteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern........................................................................................................ 15 - 3 - 1. Vorbemerkungen Die Diskussion über das Für und Wider einer Verankerung des Sports im Grundgesetz hat zunächst die Funktion und die Konzeption sowie die Struktur des Grundgesetzes in Betracht zu ziehen. 1.1 Funktion und Konzeption des Grundgesetzes Das Grundgesetz ist in erster Linie eine Kompetenzordnung, die einerseits Zuständigkeiten und Befugnisse zwischen dem Bund und den Ländern verteilt und auf der anderen Seite die Aufgaben und Funktionen der Verfassungsorgane des Bundes festlegt. Die zweite Funktion besteht in dem Schutz grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, die bewusst dem demokratischen Mehrheitsprinzip entzogen sind. In diesen Grundrechten kommt zugleich eine objektive Werteordnung der Verfassung zum Ausdruck. Daneben sind im Grundgesetz einige wenige grundlegende Staatsziele formuliert. 1.2 Struktur des Grundgesetzes Politikfelder bzw. gesellschaftlich relevante Anliegen können auf verschiedene Weise im Grundgesetz Erwähnung finden. 1.2.1 Staatszielbestimmungen Bei Staatszielbestimmungen hat sich der Grundgesetzgeber bisher zurückgehalten. Staatszielbestimmungen sind Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben – sachlich umschriebener Ziele – vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie oder Direktive für das staatliche Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften. Im Regelfall wendet sich eine Staatszielbestimmung an den Gesetzgeber, ohne dass damit ausgeschlossen sein muss, dass die Norm auch eine Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung ist. Eine Staatszielbestimmung überlässt es der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er - 4 - die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt und dabei etwa auch Ansprüche Einzelner auf öffentliche Leistungen oder gegen Dritte entstehen lässt.1 Bisher sind im Grundgesetz unter anderem folgende Staatsziele normiert: − Tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Beseitigung bestehender Nachteile (Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG)2, − Erhaltung und Förderung eines freiheitlichen Kunst- und Wissenschaftslebens (Artikel 5 Abs. 3 GG)3, − Mutterschutz (Artikel 6 Abs. 4 GG), − Gleichstellungsauftrag für nichteheliche Kinder (Arikel 6 Abs. 5 GG), − Sozialverpflichtung des Eigentums (Artikel 14 Abs. 2 GG) − Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG)4, − Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere (Artikel 20a GG)5, − Verwirklichung eines vereinten Europas (Artikel 23 Abs. 1 GG)6, − Den Erfordernissen eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist Rechnung zu tragen (Artikel 109 Abs. 2 GG)7 und − Frieden in der Welt (Präambel)8. Initiativen für die Aufnahme weiterer Staatsziele gibt und gab es viele. Neben dem hier in Rede stehenden Anliegen der Aufwertung des Sports sollten unter anderem soziale Staatsziele, der Schutz ethnischer Minderheiten, die Mitmenschlichkeit und der Gemeinsinn aufgenommen werden9. In jüngster Zeit gibt es Initiativen, die Rechte der Kinder10, die Kultur11 und die Generationengerechtigkeit12 im Grundgesetz zu verankern. 1 Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, Bundesminister des Inneren/Bundesminister der Justiz (1983), Rz. 7; ebenso die Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 77. 2 Angefügt durch Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I S. 3146). 3 BVerfGE 81, 108. 4 Vgl. BVerfGE 40, 121; 59, 231; 100, 271. 5 Eingefügt durch Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I S. 3146), ergänzt durch Gesetz vom 26. 7. 2002 (BGBl. I S. 2862). Zum Verhältnis zur Kunstfreiheit siehe: BVerwG, DVBl. 1995, 1008. 6 Eingefügt durch Gesetz vom 21. 12. 1992 (BGBl. I S. 2086). 7 Eingefügt durch Gesetz vom 8. 6. 1967 (BGBl. I S. 581). 8 Neugefasst durch Artikel 4 des Einigungsvertrages vom 31. 8. 1990 (BGBl. II S. 889). 9 Vgl. nur: Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000. 10 Drs. 14/7818. 11 Drs. 15/5560. 12 Christian Lange, MdB, Pressemitteilung vom 22. 4. 2005, www.lange-spd.de. - 5 - 1.2.2 Kompetenznormen Neben den Staatszielen werden zahlreiche Politikfelder und Regelungsbereiche in den Kompetenznormen des Grundgesetzes aufgeführt. In den Artikeln 73 bis 75 listet das Grundgesetz auf, auf welche Felder sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt13. In den Artikeln 87 ff. GG wird bestimmt, auf welchen Gebieten der Bund durch bundeseigene Verwaltung tätig werden darf. Durch diese Kompetenznormen wird nichts über die Bedeutung der jeweiligen Regelungs- bzw. Handlungsfelder ausgesagt. Aus einer solchen Zuständigkeitsnorm ergibt sich insbesondere weder eine Regelungs- oder Handlungspflicht des Bundes noch eine Ermächtigung zum Eingriff in die Rechte der Bürger. 1.2.3 Individuelle Grundrechte Seine höchste Auszeichnung erfährt ein gesellschaftlicher Wert durch seine Verankerung in der Verfassung als Grundrecht. In erster Line dient ein Grundrecht zur Abwehr gegenüber staatlichen Eingriffen. Ein Grundrecht ist unmittelbar geltendes Recht (Artikel 1 Abs. 3 GG), das individuell einklagbar ist. In ein Grundrecht darf der Staat nur eingreifen, soweit dieses nach dem Grundgesetz eingeschränkt werden kann; für den Eingriff ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich; in keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden (Artikel 19 GG). In den Grundrechten kommen objektive Wertentscheidungen der Verfassung zum Ausdruck, die als maßgebende Richtlinien für die gesamte Rechtsordnung verbindlich sind und daher bei der Gesetzgebung und bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften beachtet werden müssen. 1.2.4 Institutsgarantien Neben den Grundrechten, die dem Bürger subjektive Rechte gewähren, spricht die Verfassung bestimmten Lebens- und Normbereichen gegenüber eine Bestandsgarantie aus. So gewährt Artikel 6 Abs. 1 GG nicht nur ein subjektives Recht auf Unterlassung von Engriffen in den ehelichen und familiären Bereich, sondern schützt auch die Ehe und die Familie als vorgegebene Lebensordnung. Das Privateigentum wird in Artikel 14 Abs. 1 GG als Rechtsinstitut gesichert. Das gleiche gilt für die freie Presse durch Artikel 5 Abs. 1 GG. Der „einfache“ Gesetzgeber darf diese Institute nicht aushölen oder gar beseitigen. 13 In vielen anderen Bestimmungen finden sich weitere Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes. - 6 - 2. Gesellschaftliche Relevanz des Sports Die hohe gesellschaftliche Relevanz des Sports ist unbestritten14. Auf der Hand liegt die Bedeutung des Sports für die Volksgesundheit. Die Ausbildung der durch Sport bewirkten Fähigkeiten und Kenntnisse ermöglicht es vor allem Kindern und Jugendlichen, körperliche Tüchtigkeit, persönliche Einsatzbereitschaft und soziale Kompetenzen wie Teamarbeit, Solidarität, Toleranz und Fairness zu entwickeln. Das Betreiben von Sport wirkt sich außerdem positiv aus auf die Bildung, das gesellschaftliche Engagement, die Geschlechtergleichstellung, die Umwelt und den Frieden. Sport spielt eine positive Rolle bei der sozialen Integration und dem sozialen Zusammenhalt, dem Dialog zwischen den Kulturen, dem Umweltbewusstsein und der Wiedereingliederung von Kindern in Situationen nach Konflikten15. Aus diesen Erwägungen haben die Vereinten Nationen das Jahr 2005 zum Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung erklärt. Dem Sport wird erzieherischer Wert und eine hohe Bedeutung bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zugeschrieben16. 3. Bisherige Verortung des Sports im Grundgesetz Eine ausdrückliche Erwähnung des Sports im Grundgesetz fehlt bisher. Allerdings besteht mit der in Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Allgemeinen Handlungsfreiheit auch ein individuelles Grundrecht auf Sport. Das Recht, Sportvereine zu gründen, ist durch Artikel 9 Abs. 1 GG gewährleistet. In den Kompetenznormen für die Gesetzgebung (Artikel 70 ff. GG) und die Verwaltung (Artikel 84 ff. GG) ist der Sport nicht aufgeführt. Hieraus lässt sich jedoch lediglich folgern, dass dem Bund keine besondere Zuständigkeit für den Sport zugewiesen ist. Für spezielle, den Sport mitbetreffende Regelungsmaterien bestehen hingegen durchaus einige Zuständigkeiten des Bundes, z.B. die Gesetzgebungskompetenz für das Vereinsrecht (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 3 GG). 14 Bundesregierung, 10. Sportbericht vom 20. 6. 2002, Drs. 14/9517, S. 13 f.. Zur öffentlichen Förderung der Entwicklung des Sports in Deutschlands vgl.: Antwort der Bundesregierung vom 24. 4. 2002 auf eine entsprechende Große Anfrage im Deutschen Bundestag, Drs. 14/8865. 15 Entschließung des Europäischen Parlaments zu Entwicklung und Sport, PROV (2005) 0464 16 Entschließung des Europäischen Parlaments zum Bericht der Kommission über die Erhaltung der derzeitigen Sportstrukturen und zur Wahrung der sozialen Funktion des Sports, ABl. C 135 vom 7. 5. 2001, S. 274 - 7 - 4. Europäische Union 4.1 Bestehende Verträge In den Verträgen über die Gründung der Europäischen Union ist der Sport nicht erwähnt. Allerdings heißt es in der zur Schlussakte des Vertrages von Amsterdam angenommenen Erklärung Nr. 29 zum Sport17: Die Konferenz unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung der Menschen zukommt. Die Konferenz appelliert daher an die Gremien der Europäischen Union, bei wichtigen, den Sport betreffenden Fragen die Sportverbände anzuhören. In diesem Zusammenhang sollten die Besonderheiten des Amateursports besonders berücksichtigt werden. 4.2 Noch nicht ratifizierter Verfassungsentwurf In dem Entwurf einer Verfassung von Europa (Vertrag vom 29. Oktober 2004)18 ist vorgesehen, der Union eine Zuständigkeit für die Durchführung von Unterstützungs-, Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen im Bereich des Sports zu geben (Artikel I-17). In dem ergänzenden Artikel III-282 im Titel „Interne Politikbereiche und Maßnahmen“ heißt es: (1) … Die Union trägt unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Sports, seiner auf freiwilligem Engagement basierenden Strukturen und seiner sozialen und pädagogischen Funktion zur Förderung der europäischen Aspekte des Sports bei. Die Tätigkeit der Union hat folgende Ziele: … g) Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere junger Sportler. (2) Die Union und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit Drittländern und den für den Bildungsbereich und den Sport zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.… Der Vorschlag entspricht eher einer Kompetenznorm als einer Staats- bzw. Gemeinschaftszielbestimmung. 17 Gesetzentwurf, Drs. 13/9339, S. 68. 18 Gesetzentwurf, Drs. 15/4900. - 8 - 5. Länderverfassungen Alle Bundesländer mit Ausnahme der Freien und Hansestadt Hamburg haben den Sport bereits in ihrer Verfassung erwähnt. In diesen Verfassungen wird der Sport als Staatsziel bestimmt. Teilweise wird die Förderung des Sports den Gebietskörperschaften (auch Kreisen und Gemeinden) auferlegt; wie der Sport allerdings etwa durch die Gemeinden zu fördern ist, wird in keiner Verfassung spezifiziert. 5.1 Baden-Württemberg Artikel 3c19 [Kultur- und Sportförderung; Landschafts- und Denkmalschutz] (1) Der Staat und die Gemeinden fördern das kulturelle Leben und den Sport unter Wahrung der Autonomie der Träger. (2) Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden. 5.2 Bayern Art. 140 [Förderung von Kunst und Wissenschaft] (1) Kunst und Wissenschaft sind von Staat und Gemeinde zu fördern. (2) Sie haben insbesondere Mittel zur Unterstützung schöpferischer Künstler, Gelehrter und Schriftsteller bereitzustellen, die den Nachweis ernster künstlerischer oder kultureller Tätigkeit erbringen. (3) Das kulturelle Leben und der Sport sind von Staat und Gemeinden zu fördern. 5.3 Berlin Artikel 32 [Sportförderung] 1Sport ist ein förderungs- und schützenswerter Teil des Lebens. 2Die Teilnahme am Sport ist den Angehörigen aller Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. 19 Art. 3c eingef. mWv 10. 6. 2000 durch G v. 23. 5. 2000 (GBl. S. 449). - 9 - 5.4 Brandenburg Art. 35 (Sport) 1Sport ist ein förderungswürdiger Teil des Lebens. 2Die Sportförderung des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände ist auf ein ausgewogenes und bedarfsgerechtes Verhältnis von Breitensport und Spitzensport gerichtet. 3Sie soll die besonderen Bedürfnisse von Schülern, Studenten, Senioren und Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. 5.5 Freie Hansestadt Bremen Artikel 36a Der Staat pflegt und fördert den Sport. 5.6 Freie und Hansestadt Hamburg Keine Erwähnung des Sports. Die Verfassung der Freie und Hansestadt Hamburg trifft überwiegend nur Regelungen zur Staatsorganisation und kennt weder Grundrechte noch Staatszielbestimmungen. 5.7 Hessen Art. 62a20 [Sport] Der Sport genießt den Schutz und die Pflege des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände. 5.8 Mecklenburg-Vorpommern Art. 16 (Förderung von Kultur und Wissenschaft) (1) 1Land, Gemeinden und Kreise schützen und fördern Kultur, Sport, Kunst und Wissenschaft. 2Dabei werden die besonderen Belange der beiden Landesteile Mecklenburg und Vorpommern berücksichtigt. 20 Art. 62a eingef. durch G v. 18. 10. 2002 (GVBl. I S. 626). - 10 - 5.9 Niedersachsen Artikel 6 Kunst, Kultur und Sport Das Land, die Gemeinden und die Landkreise schützen und fördern Kunst, Kultur und Sport. 5.10 Nordrhein-Westfalen Art. 1821 [Kultur, Kunst, Wissenschaft und Sport] (1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. (2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. (3) Sport ist durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern. 5.11 Rheinland-Pfalz Artikel 40 (1) Das künstlerische und kulturelle Schaffen ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern. (2) Die Erzeugnisse der geistigen Arbeit, die Rechte der Urheber, Erfinder und Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge des Staates. (3) Der Staat nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft in seine Obhut und Pflege. Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem gesamten Volke zu ermöglichen. (4) Der Sport ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu pflegen und zu fördern. 5.12 Saarland Art. 34a [Förderung des Sports] Wegen seiner gesundheitlichen und sozialen Bedeutung genießt der Sport die Förderung des Landes und der Gemeinden. 21 Art. 18 ist neu gef. durch G v. 24. 11. 1992 (GV. NW. S. 448). - 11 - 5.13 Sachsen Artikel 36 Kunst, Kultur und Sport (1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern. (2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes sind zu pflegen. (3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. (4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. (5) Das Nähere regeln die Gesetze. 5.14 Sachsen-Anhalt Artikel 36 Kunst, Kultur und Sport (1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern. (2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes sind zu pflegen. (3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. (4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. (5) Das Nähere regeln die Gesetze. 5.15 Schleswig-Holstein Artikel 922 Schutz und Förderung der Kultur (1) Das Land schützt und fördert Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. (2) Das Land schützt und fördert die Pflege der niederdeutschen Sprache. 22 Art. 9 geänd. durch G v. 20. 3. 1998 (GVOBl. Schl.-H. S. 150). - 12 - (3) Die Förderung der Kultur einschließlich des Sports, der Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens und der Volkshochschulen ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. 5.16 Thüringen Artikel 30 (1) Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften. (2) Die Denkmale der Kultur, Kunst, Geschichte und die Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes und seiner Gebietskörperschaften. Die Pflege der Denkmale obliegt in erster Linie ihren Eigentümern. Sie sind der Öffentlichkeit im Rahmen der Gesetze unter Beachtung der Rechte anderer zugänglich zu machen. (3) Der Sport genießt Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften. 6. Sport als Grundrecht Es könnte erwogen werden, im Grundrechtsteil der Verfassung ein gegenüber der Allgemeinen Handlungsfreiheit spezielles Sportfreiheitsrecht aufzunehmen. Dies erscheint wenig praktikabel, da der Schutzbereich eines solchen Freiheitsrechtes bestimmt werden müsste. Angesichts der Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der sportlichen Betätigung dürfte dies nicht gelingen. 7. Sport als Staatsziel 7.1 Bisherige Zurückhaltung bei der Benennung von Staatszielen Bisher war der Verfassungsgesetzgeber zurückhaltend bei der Aufnahme von Staatszielen ins Grundgesetz (siehe oben). Dahinter steckt die Skepsis, dass die bloße Benennung eines Staatsziels im Grundgesetz schon die Chance seiner Verwirklichung vergrößert23. Eine geschichtliche Bestätigung für die Annahme, dass Staatsziele einen entsprechenden Einfluss haben, gibt es nicht24. Dazu kam die Befürchtung, die wenigen im Grundgesetz vorhandenen Staatszielbestimmungen würden durch das beliebige 23 Vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 80 ff. 24 Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Stand: August 2005, Präambel Rn. 38. - 13 - Hinzufügen weiterer Staatsziele entwertet. Zu viele Staatszielbestimmungen würden sich gegenseitig wieder aufheben und ihre jeweiligen Konturen verlieren25. Da die Aufnahme von Staatszielen nicht auch ihre Verwirklichung garantieren könne, bestehe die Gefahr einer Diskrepanz zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit, die zur Politikverdrossenheit beitrage26. 7.2 Rechtliche Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz Für das Tätigwerden des Staates auf ein bestimmtes Ziel hin bedarf es keines verfassungsrechtlichen Staatszieles. Den gesetzgebenden Körperschaften bleibt es unbenommen, auch Ziele zu verwirklichen, die nicht als Staatsziele in das Grundgesetz aufgenommen worden sind. Auch verpflichtet ein Staatsziel kein Staatsorgan zu bestimmten Entscheidungen27. Staatsziele können vor allem nicht eingeklagt werden (Artikel 19 Abs. 4 GG), da sie keine subjektiven Rechte einzelner begründen. Allerdings können verfassungsrechtlich normierte Staatsziele die Anwendung und Reichweite anderer Verfassungsbestimmungen beeinflussen. Insbesondere bei der Bestimmung der Schranken eines Grundrechts können mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter von Bedeutung sein. Einige Grundrechte enthalten keinen ausdrücklichen Gesetzes- oder Schrankenvorbehalt28, wodurch sich die Frage stellt, ob der Staat zur Verwirklichung eines anderen Zwecks oder zum Schutze eines anderen Rechtes in ein solches vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht eingreifen darf. Enthält ein Grundrecht keinen Vorbehalt für den einfachen Gesetzgeber, darf es weder durch die allgemeine Rechtsordnung noch durch eine unbestimmte Klausel relativiert werden; die Grenzen des Grundrechts können sich nur aus der Verfassung selbst ergeben29. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung in den kollidierenden Grundrechten Dritter und in den mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern ihre Grenzen. Zwischen den in Konflikt stehenden Verfassungsgütern ist 25 Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 78. 26 Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 81. Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, Zwischenbericht, Drs. 15/5560, S. 10. 27 BVerfGE 59, 231 [263]: „wäre es anders, dann würde das Prinzip mit dem Prinzip der Demokratie in Widerspruch geraten: Die demokratische Ordnung des Grundgesetzes würde als Ordnung eines freien politischen Prozesses entscheidend eingeschränkt und verkürzt, wenn der politischen Willensbildung eine so und nicht anders einzulösende verfassungsrechtliche Verpflichtung vorgegeben wäre. Wegen dieser Offenheit kann das Sozialstaatsprinzip den Grundrechten keine unmittelbaren Schranken ziehen.“ 28 Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 4 Abs. 1 und 2), Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), Versammlungen in geschlossenen Räumen (Artikel 8 Abs. 1), Berufswahl (Artikel 12 Abs. 1). 29 BVerfGE 30, 173 [193]. - 14 - abzuwägen und ein angemessener Ausgleich herbeizuführen30. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts31 kann einem Staatsziel „Bedeutung für die Auslegung von Grundrechten sowie für die Auslegung und verfassungsrechtliche Beurteilung von – nach Maßgabe eines Gesetzesvorbehalts – grundrechtseinschränkenden Gesetzen zukommen. Es ist jedoch nicht geeignet, Grundrechte ohne nähere Konkretisierung durch den Gesetzgeber, also unmittelbar, zu beschränken. Es begründet die Pflicht des Staates“, für seine Verwirklichung zu sorgen; „bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.“ Es sagt „nichts darüber, wie diese Aufgabe im einzelnen zu verwirklichen ist.“ So ist das Grundrecht auf Berufsfreiheit im Lichte des Sozialstaatsprinzips anzuwenden32. Wegen des vorbehaltlos gewährleisteten Rechts auf Wissenschaftsfreiheit war es etwa erforderlich, den Tierschutz ins Grundgesetz aufzunehmen33. Durch die Änderung hat der Gesetzgeber die Möglichkeit erhalten, zwischen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und den Belangen des Tierschutzes abzuwägen34. Eine solche Konfliktlage ist beim Sport nicht erkennbar. Außerdem ließe sich im Konfliktfall über das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit eine Abwägung erreichen. Eine leichte Verschiebung könnte sich im Verhältnis des Sports zum Umweltschutz ergeben. Die Gerichte könnten sich veranlasst sehen, bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Sportanlagen den Umweltschutz zu schwächen. Auch wenn Staatszielbestimmungen Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung sind, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorgeben, so schreiben sie den zuständigen Staatsorganen weder Umfang noch Form der Förderungspflicht vor. Insbesondere dem Gesetzgeber ist vielmehr ein breiter Gestaltungsraum belassen. So kann aus einem Staatsziel z.B. kein Vorrecht auf Steuerfreiheit oder Steuerbegünstigung hergeleitet werden35. Die rechtliche Wirkung der Aufnahme eines Staatszieles Sport ins Grundgesetz wäre daher begrenzt. 7.3 Politische Bedeutung von Staatszielen im Grundgesetz Mit der Aufnahme eines Staatszieles kann jedoch Einfluss auf die politische Auseinandersetzung und die Bildung der öffentlichen Meinung genommen werden. So 30 BVerfGE 28, 243 [261]; 30, 173 [193], 32, 98 [109]; 67 213 [228]. 31 BVerfGE 59, 231 [263]. 32 BVerfGE 33, 303 [331]. 33 Eingefügt in Artikel 20a GG durch Gesetz vom 26. 7. 2002 (BGBl. I S. 2862). Gesetzentwurf, Drs. 14/8860; Gemeinsame Verfassungskommission, Drs. 12/6000, S. 70. 34 Maurer, Staatsrecht I, 2001, § 6 Rn. 11. Vgl. auch Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 14/7180. 35 BVerfGE 81, 108. - 15 - kann derjenige, der sich für ein in der Verfassung genanntes Staatsziel politisch einsetzt, häufig schon dadurch Eindruck machen, dass er darauf hinweist, die Verwirklichung seines Anliegens werde im Übrigen von der Verfassung ausdrücklich verlangt. Staatsziele sind geeignet, die in ihnen zum Ausdruck kommenden Werte und Belange deutlich zu machen und in das Bewusstsein der staatlichen Organe und der Bevölkerung zu rücken. 7.4 Einfluss auf die Verteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern In der Auseinandersetzung um die Aufnahme der Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz ist der Widerstand der Ministerpräsidenten vor allem auf die Befürchtung gegründet, der Bund erlange durch eine Erwähnung der Kultur im Grundgesetz zusätzliche Kompetenzen aus dem Bereich der „Kulturhoheit“ der Länder. In ihrem Zwischenbericht hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ vorgeschlagen, das Grundgesetz um einen Artikel 20b mit folgender Formulierung zu ergänzen: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“36 Bei dieser Formulierung dürften die Bedenken der Länder unbegründet sein. Der Bund könnte hieraus Kompetenzen weder als Gesetzgeber noch als Vollziehender ableiten. Der „Staat“ wäre in diesem Falle die jeweils zuständige Körperschaft, also in erster Linie die Länder37. Würde in Anlehnung an den Vorschlag der Enquete-Kommission zur Kultur z.B. formuliert: „Der Staat schützt und fördert den Sport“, wäre das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern nicht betroffen. 36 Drs. 15/5560, S. 12. Vgl. auch die in der Kommission diskutierten weiteren Formulierungsvorschläge, S. 16 ff.. 37 Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, Zwischenbericht, Drs. 15/5560, S. 9, m.w.N.w..