AUSARBEITUNG Thema: Zum Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes von netzwerk recherche u.a. Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: ( Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 5. Mai 2004 Reg.-Nr.: WF III - 109/04 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung 3 2. Einführung 4 3. Übersicht über bereits bestehende Informationszugangsrechte 4 3.1. Informationszugangsrechte im supranationalen und internationalen Recht 4 3.2. Informationszugangsrechte im geltenden Bundesrecht 5 3.2.1. Verfassungsrecht 5 3.2.2. Verwaltungsrecht 5 3.3. Neuere Entwicklungen im Landesrecht 5 3.4. Initiativen auf Bundesebene 6 4. Bewertung des netzwerk recherche-Entwurfs 8 4.1. Datenschutzrechtliche Aspekte 8 4.1.1. Schutz öffentlicher Belange 8 4.1.2. Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses 9 4.1.3. Schutz personenbezogener Daten 9 4.1.4. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 10 4.2. Verwaltungsrechtliche Aspekte 11 4.2.1. Verwaltungsverfahren und Rechtsweg 11 4.2.2. Kostenregelung 12 4.3. Stil und Sprache 12 5. Literaturverzeichnis 13 - 3 - 1. Zusammenfassung ƒ Der Gesetzentwurf, der von netzwerk recherche, dem Deutschen Journalistenverband , der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, der Humanistischen Union und Transparency International (Deutsches Chapter) im April 2004 vorgelegt wurde, begegnet im Wesentlichen keinen datenschutzrechtlichen Bedenken . Personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ebenso hinreichend geschützt, wie staatliche Interessen. ƒ Der Gesetzentwurf sieht aber ein sehr bürokratisches und aufwendiges Verfahren für den Vollzug des Gesetzes vor. Es ist daher zu bezweifeln, dass der Gesetzentwurf im Hinblick auf die Vorschriften zu Verwaltungsverfahren und Rechtsweg angesichts des erheblichen Aufwands sehr praktikabel ist. Zudem stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit, Verfahren und Rechtsweg derart aufwendig zu gestalten. Der Entwurf geht mit diesen Bestimmungen weit über das hinaus, was in den Informationsfreiheitsgesetzen, die bereits in vier Bundesländern existieren, geregelt ist. Diese Gesetze haben sich bislang gut bewährt . Ein nachvollziehbarer Grund, der es notwendig macht, in einem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes höhere Anforderungen zu statuieren, ist nicht ersichtlich . Kritisch zu betrachten ist auch die in dem Gesetzentwurf getroffene Kostenregelung , die eine weit reichende Gebührenfreiheit vorsieht. Diese Regelung tangiert das auch für Verwaltungskosten geltende Äquivalenzprinzip. ƒ Der Gesetzentwurf ist zudem derart detailliert gehalten, dass fraglich ist, ob er noch die für ein Gesetz gebotene Klarheit aufweist. Ferner müssten etliche Formulierungen umgearbeitet werden. - 4 - 2. Einführung Im April 2004 haben das netzwerk recherche, der Deutsche Journalistenverband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, die Humanistische Union und Transparency International, Deutsches Chapter, einen Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes für den Bund (IFG-E)1 vorgelegt. Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung ist eine kritische Betrachtung dieses Entwurfs anhand ausgewählter Vorschriften. Zum besseren Verständnis werden dazu zunächst die bereits geltenden Regelungen zur Informationsfreiheit kurz dargestellt. 3. Übersicht über bereits bestehende Informationszugangsrechte Auf Bundesebene gibt es bisher kein generelles Akteneinsichts- oder Informationszugangsrecht . Dagegen wurden im supranationalen und internationalen Recht ebenso wie in einzelnen Bundesländern die Informationszugangrechte gesetzlich geregelt. 3.1. Informationszugangsrechte im supranationalen und internationalen Recht Für die EU sind die Rahmenbedingungen durch Art. 255 Abs. 1 EG-Vertrag gesetzt, der ein gesetzlich verankertes Recht auf Zugang zu Dokumenten der EU-Organe festlegt. Dieses wird den Unionsbürgern und natürlichen wie auch juristischen Personen gewährt , die ihren Wohnsitz oder Sitz in einem EU-Mitgliedstaat haben. Dieses Recht wurde gemäß Art. 255 Abs. 3 EG-Vertrag durch Verordnung konkretisiert und den Mitgliedstaaten wurden weitgehende Hilfspflichten auferlegt.2 Auf der Ebene des internationalen Rechts normiert die vom UN-Wirtschafts- und Sozialrat im Mai 1998 verabschiedete sog. Aarhus-Konvention3 völkerrechtliche Vorgaben zur innerstaatlichen Einführung eines Rechts des Einzelnen auf Zugang zu Informationen über die Umwelt.4 1 Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, nachzulesen unter: . 2 Partsch/Schurig, Das Informationsfreiheitsgesetz von NRW, in: DÖV 2003, S. 482, 483. 3 UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus- Konvention), abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Anhang II S. 307 ff. 4 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, in: Die Verwaltung 2002, S. 149, 150 f. - 5 - 3.2. Informationszugangsrechte im geltenden Bundesrecht Im Bundesrecht gibt es lediglich einzelne spezielle Regelungen zum Informationszugangsrecht . Ein Gesetz zur Regelung der allgemeinen Akteneinsicht wurde bislang nicht geschaffen. 3.2.1. Verfassungsrecht Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Grundgesetz (GG) garantiert grundsätzlich die Informationsfreiheit , indem er für jedermann das Recht statuiert, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, die technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.5 Nach der Rechtsprechung sind von staatlichen Behörden verwaltete Informationen wie beispielsweise Behördenakten nicht allgemein zugänglich im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, es sei denn, sie befinden sich in öffentlich zugänglichen Archiven.6 Von der ganz überwiegenden Ansicht wird daher das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG nicht als Grundlage für einen staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruch anerkennt.7 3.2.2. Verwaltungsrecht Im Bereich des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht gibt es auf Bundesebene einige spezielle Regelungen, die den das bisherige Recht prägenden Grundsatz des Aktengeheimnisses durchbrechen: z. B. § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (Akteneinsichtsrecht für Beteiligte an einem Verwaltungsverfahren bei rechtlichem Interesse), § 61 Abs. 1 S. 3 Personenstandsgesetz (Einsicht in Personenstandsbücher bei rechtlichem Interesse), § 12 Grundbuchordnung (Einsicht in das Grundbuch bei berechtigtem Interesse), § 9 Handelsgesetzbuch (Einsicht in das Handelsregister), § 79 BGB (Einsicht in das Vereinsregister). Weitere Einsichtsrechte sind u. a. im Umweltinformationsgesetz und im Stasi-Unterlagen-Gesetz enthalten. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht, soweit ein berechtigtes Interesse geltend gemacht wird.8 3.3. Neuere Entwicklungen im Landesrecht In nahezu allen Bundesländern wurden parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht , um ein Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden. In vier Bundesländern, 5 BVerfGE 27, 71, 83; 27, 104, 108; 28, 175, 188; 33, 52, 65; 90, 27, 32; BVerwGE 47, 247, 252. 6 BVerwGE 47, 246, 252; OVG Münster, DÖV 1959, S. 391. 7 a.A.: Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationsanspruchs, S. 67. 8 Schmitz, Moderner Staat – Modernes Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 2000, S. 1243. - 6 - nämlich in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind solche Gesetze bereits in Kraft getreten: ƒ Brandenburgisches Akten- und Informationszugangsgesetz (AIG) vom 10. Mai 1998 (GVBl. I / 98 S. 46) - Anlage 1 - ƒ Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 15. Oktober 1999 (GVBl. 1999, Nr. 45, S. 561), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juli 2001 (GVBl. 2001, Nr. 32, S. 305) - Anlage 2 - ƒ Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein (Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig- Holstein – IFG-SH) vom 9. Februar 2000 (GVOBl. 2000, S. 166), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. März 2003 (GVOBl. 2003, S. 154) - Anlage 3 - ƒ Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein -Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – IFG NRW) vom 27. November 2001 (GV NRW 2001, S. 806) - Anlage 4 - 3.4. Initiativen auf Bundesebene Bereits in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 war die Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes für den Bund vorgesehen. Ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein Informationsfreiheitsgesetz vom 20. Dezember 20009 wurde der Öffentlichkeit im Mai 2001 zugänglich gemacht. Nach den Ereignissen in den USA vom 11. September 2001 ist das Gesetzesvorhaben zunächst einmal nicht weiter vorangetrieben worden.10 9 Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), abgedruckt bei: Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Anhang I, S. 201 ff . 10 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, in: Die Verwaltung 2002, S. 149, 155. Zum Teil wird auch geäußert, das Gesetzesvorhaben sei am Widerstand einzelner Ministerien gescheitert, vgl. Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Informationsfreiheitsgesetz und Antidiskriminierungsgesetz scheitern am Widerstand der SPD, Presseerklärung vom 4. Juni 2002; Partsch/Schurig, Das Informationsfreiheitsgesetz von NRW, in: DÖV 2003, S. 4484; Schnorr/Wissing, Schwerpunkte rotgrüner Innen- und Rechtspolitik, in: ZRP 2002, S. 234. - 7 - Die Koalitionsfraktionen beabsichtigen, noch vor der Sommerpause 2004 einen neuen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes auf dem parlamentarischen Weg zu bringen.11 11 Tauss, Jörg,: Rückenwind für Informationsfreiheitsgesetz, Presseerklärung vom 2. April 2004 http://www.taus.de/service/presse/buednisfuerinformationsfreiheit. - 8 - 4. Bewertung des netzwerk recherche-Entwurfs Der Gesetzentwurf, der von netzwerk recherche u. a. vorgelegt wurde, begegnet im Wesentlichen keinen datenschutzrechtlichen Bedenken. Personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ebenso hinreichend geschützt, wie staatliche Interessen. Kritisch ist der Gesetzentwurf dagegen im Hinblick auf die Vorschriften zum Verwaltungsverfahren und zum Rechtweg zu sehen. Diese wurden ohne ersichtlichen Grund besonders umfangreich und wenig praktikabel gestaltet. Mit der getroffenen Kostenregelung wird das Äquivalenzprinzip berührt. 4.1. Datenschutzrechtliche Aspekte Der Zugang zu Unterlagen öffentlicher Stellen kann nicht uneingeschränkt gewährt werden. Der Gesetzentwurf enthält daher in den §§ 9 ff. IFG-E Anspruchsbeschränkungen zum Schutz von besonderen schutzwürdigen Belangen. Damit bleiben die Privatsphäre der Betroffenen sowie Betriebsgeheimnisse und öffentliche Belange gesetzlich hinreichend geschützt, so dass unter diesen Gesichtspunkten dem Gesetzentwurf keine grundlegenden Bedenken entgegenstehen. 4.1.1. Schutz öffentlicher Belange § 9 IFG-E schränkt den Informationszugang zum Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung ein. Ähnliche Regelungen finden sich sowohl in dem Gesetzentwurf des BMI12 als auch in den Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer13. Gemäß § Abs. 1 IFG-E besteht der Anspruch auf Zugang zu Informationen nicht, soweit und solange das Bekanntwerden der Informationen die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung oder die innere Sicherheit schädigen würde. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Anspruch zwingend ausgeschlossen. Die Behörde hat in diesem Falle kein Ermessen. Anders als beispielsweise der Entwurf des BMI sieht § 9 Abs. 3 IFG-E allerdings ausdrücklich vor, dass dieser Ausschlussgrund nicht hinsichtlich der Kommunikation der Bundesregierung mit den Organen der Europäischen Union in Vertragsverletzungsverhandlungen nach Art. 226 des EG-Vertrages gegen die Bundesrepublik Deutschland 12 § 3. 13 § 4 AIG-Brandenburg, §§ 9, 11 IFG-Berlin, § 9 IFG-SH, § 6 IFG-NRW. - 9 - und der Stellungnahmen der Länder hierzu sowie hinsichtlich der Umwandlung militärischer Flächen sowie der zivilen Nutzung von Militärflughäfen greifen soll. § 9 Abs. 2 IFG-E regelt, dass der Anspruch auf Informationen auch dann nicht besteht, soweit und solange durch die Bekanntgabe der Informationen der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichts- oder Disziplinarverfahrens erheblich beeinträchtigt würde oder die Bekanntgabe der Informationen den Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gefährden würde. Dies soll gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 IFG-E jedoch nicht für solche Informationen gelten, die bei Einleitung des Verfahrens nach Maßgabe dieses Gesetzes zugänglich waren. 4.1.2. Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses § 10 IFG-E regelt den Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Damit soll der Kernbereich exekutiver Tätigkeit geschützt werden.14 Auch diese Vorschrift ähnelt den Regelungen in dem BMI-Entwurf bzw. den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder15. § 10 Abs. 1 IFG-E, nach dem kein Anspruch auf Zugang zu Informationen für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung besteht, ist dabei im Wesentlichen § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG nachgebildet. § 10 Abs. 2 IFG-E stellt klar, dass Gutachten, Stellungnahmen, Auskünfte und Ergebnisse der Beweiserhebung nicht der unmittelbaren Vorbereitung dienen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Vorschrift mit § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG vergleichbar. Denn im Schrifttum dazu ist anerkannt, dass solche Schriftstücke originäre Aktenbestandteile sind und somit der Akteneinsicht unterliegen.16 4.1.3. Schutz personenbezogener Daten § 11 IFG-E enthält einen weiteren Ausschlussgrund zum Schutz privater Belange. Das Erfordernis der Schranken zum Schutz privater Rechte ergibt sich aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG, eines jeden Bürgers. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht gewährleistet dem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen, und zwar nicht nur im Bereich der automatischen Datenverarbeitung.17 Geschützt wird dabei die Befugnis des 14 Begründung zum Gesetzentwurf, S. 27. 15 § 4 IFG-BMI, § § 4 Abs. 2 AIG-Brandenburg, § 10 IFG-Berlin, § 10 IFG-SH, § 7 IFG-NRW. 16 Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 29 Rn. 47. 17 BVerfGE 65, 1, 43; 78, 77, 84; 84, 192, 194. - 10 - Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.18 § 11 Abs. 1 IFG-E, der nahezu identisch mit § 12 Abs. 1 IFG-SH ist, trägt dem informationellen Selbstbestimmungsrecht hinreichend Rechung. Grundsätzlich ist der Ausschlussgrund als zwingende Vorschrift, also als gebundene Entscheidung der Verwaltung ausgestaltet. Die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 IFG-E geregelten Ausnahmen lehnen sich an § 14 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) an, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen eine Datenverarbeitung zulässig ist. 4.1.4. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Gemäß § 12 IFG-E besteht der Anspruch auf Zugang zu Informationen nicht, soweit und solange durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und die schutzwürdigen Belange des Betroffenen das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit nicht überwiegen. In dem Entwurf des BMI ist der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in § 6 ähnlich geregelt.19 Allerdings definiert § 12 Abs. 3 IFG-E ausdrücklich den Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses und führt in § 12 Abs. 4 IFG-E explizit Ausnahmen auf. Insoweit geht die Regelung des § 12 IFG-E über den BMI-Entwurf hinaus. Gemäß § 12 Abs. 2 IFG-E hat derjenige, der gegenüber öffentlichen Stellen Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen über seinen Gewerbebetrieb macht, diese zu kennzeichnen, getrennt vorzulegen und darzulegen, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt. Sollen die Unterlagen in einem Verfahren mit Beteiligung Dritter verwendet werden, haben die Betroffenen ohne Preisgabe des Geheimnisses eine zusammenfassende Darstellung der geheimhaltungsbedürftigen Angaben vorzulegen oder zu begründen, dass die Darstellung ohne Preisgabe geheimhaltungsbedürftiger Angaben nicht möglich ist. Diese Anforderungen bedeuten einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand für den Betroffenen. Angesichts der Tatsache, dass die bereits existierenden Informationsfreiheitsgesetze in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein keine derart weit reichenden Begründungspflichten vorsehen, sich die Gesetze aber dennoch in der Praxis bewährt haben, ist zumindest fraglich, ob die Regelung des § 12 Abs. 2 IFG-E erforderlich und tatsächlich in die Praxis umzusetzen ist. 18 BVerfGE 65, 1, 41 f.; 80, 367, 373. 19 Vgl. auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG-Brandenburg, § 7 IFG-Berlin, § 11 IFG-SH, § 8 IFG-NRW. - 11 - 4.2. Verwaltungsrechtliche Aspekte Bedenken bestehen hinsichtlich der im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen zum Verfahren und dem Rechtsweg. Diese wurden derart umfangreich ausgestaltet, dass mit einem erheblichen Mehraufwand für die Behörden zu rechnen ist. Insofern erscheint der Gesetzentwurf wenig praxisnah. 4.2.1. Verwaltungsverfahren und Rechtsweg Das IFG-E trifft für das Verwaltungsverfahren durchgängig besondere Regelungen, statt auf das allgemeine Verwaltungsverfahren zu verweisen und lediglich in wenigen Ausnahmefällen Sonderregelungen zu schaffen. So soll beispielsweise in die Verwaltungsgerichtsordnung ein neuer § 76 eingefügt werden, in dem das Widerspruchsverfahren bei Informationszugangsrechten besonders geregelt wird. Ferner ist vorgesehen, bei den Verwaltungsgerichten Kammern, bei den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht Senate mit der Zuständigkeit für Streitigkeiten über den Zugang zu Informationen einzurichten. Darüber hinaus werden den Behörden in §§ 15, 16 IFG-E umfangreiche Verpflichtungen auferlegt, Informationen zu erschließen und zu registrieren sowie Statistiken zu den abgefragten Informationen zu führen. Diese Regelungen scheinen dem Grundsatz einer effektiven Verwaltung zuwiderzulaufen , da hier in einem erheblichen Umfang neue Aufgaben für die Verwaltung begründet werden, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist. Die Erfahrungen mit den bisherigen Informationsfreiheitsgesetzen zeigen, dass der Informationszugang auch ohne einen derartigen Verwaltungsaufwand gewährleistet werden kann. Die bislang existierenden Informationsfreiheitsgesetze treffen nämlich sehr viel weniger detaillierte Regelungen zum Verfahren. Gleichwohl werden die bisherigen Erfahrungen – auch von den Initiatoren des zu prüfenden Entwurfs – positiv bewertet.20 Warum nunmehr derart umfangreiche Vorgaben für ein bürokratisches Verfahren gemacht werden, ist daher nicht nachvollziehbar. Im Umgang mit den bereits in Kraft getretenen Gesetzen wurde zudem deutlich, dass Anträge auf Informationszugang bei Weitem nicht in dem Umfang gestellt wurden, wie dies zunächst erwartet wurde. Es scheint daher nicht angemessen und erforderlich, besondere Spruchkörper bei den Verwaltungsgerichten einzurichten. 20 netzwerk recherche: Worum geht es beim Informationsfreiheits-Gesetz (IFG)? – 10 Fragen und Antworten, . - 12 - 4.2.2. Kostenregelung Kritisch zu betrachten ist auch die in § 8 IFG-E getroffene Kostenregelung. So sieht § 8 Abs. 1 S. 3 IFG-E beispielsweise vor, dass die ersten 100 Fotokopien, die erste Diskette sowie die erste CD-ROM kostenfrei überlassen werden. Mit dieser Regelung wird aber das auch für Verwaltungskosten geltende Äquivalenzprinzip tangiert. Dieses Äquivalenzprinzip steht für die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.21 Bei der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist eine Güterabwägung zwischen den Interessen des Gebührenpflichtigen, von der Gebühr verschont zu bleiben, und den öffentlichen Interessen, die Kosten von bestimmten zurechenbaren Amtshandlungen nicht aus Steuermitteln finanzieren zu müssen, vorzunehmen . Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gebührenerhebung nicht unwesentlich dazu beiträgt, die Tätigkeit der Verwaltung zu finanzieren. Für den Gebührenadressaten sind dabei mildere, aber gleich geeignete Mittel nicht ersichtlich. Insbesondere tangiert ein Absehen von der Gebührenerhebung mit der Folge der Finanzierung über Steuern den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).22 Das Absehen von einer Gebührenerhebung in dem von § 8 Abs. 1 S. 3 IFG-E vorgegeben Rahmen ist daher unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips zumindest fragwürdig. 4.3. Stil und Sprache Neben den vorstehend erläuterten inhaltlichen Bedenken gegen den Gesetzentwurf lassen sich auch formale Kritikpunkte finden. So ist der Gesetzentwurf derart detailliert gehalten, dass fraglich ist, ob er noch die für ein Gesetz gebotene Klarheit aufweist.23 Zudem müssten etliche Formulierungen umgearbeitet werden. So ist beispielsweise in § 17 IFG-E die Rede vom „Bundesminister für Inneres“ statt „Bundesminister des Innern“. ( ) 21 BVerwGE 26, 305, 308 ff. 22 Schlabach, VwKostG, § 3 Rn. 8. 23 Vgl. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 78. - 13 - 5. Literaturverzeichnis − Angelov, Jean, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs , Frankfurt a.M., Berlin u.a. 2000. − Bonk, Heinz Joachim / Kallerhoff, Dieter, in: Stelkens, Paul / Bonk, Heinz Joachim / Sachs, Michael, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Aufl., München 2001. − Partsch, Christoph / Schurig, Wiebke, Das Informationsfreiheitsgesetz von Nordrhein -Westfalen – ein weiterer Schritt aus dem Entwicklungsrückstand Deutschlands , in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2003, S. 482 ff. − Schlabach, Verwaltungskostenrecht, Vorschriftensammlung und Kommentar zum Verwaltungskostengesetz des Bundes sowie zum Landesgebührengesetz Baden- Württemberg, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden, 29. Ergänzungslieferung , Stand: Juli 2002. − Schmitz, Heribert, Moderner Staat – Modernes Verwaltungsverfahrensrecht, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2000, S. 1238 ff. − Schneider, Hans, Gesetzgebung, Heidelberg 1982. − Schnorr, Stefan / Wissing, Volker, Schwerpunkte rot-grüner Innen- und Rechtspolitik , in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2002, S. 534 f. − Schoch, Friedrich, Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in: Die Verwaltung – Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften 2003, S. 149 ff. − Schoch, Friedrich/ Kloepfer, Michael, Informationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE) – Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2002.