© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 103/21 Verordnungsermächtigung der Länder nach § 28c IfSG Nachfragen zu WD 3 - 3000 - 100/21 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/21 Seite 2 Verordnungsermächtigung der Länder nach § 28c IfSG Nachfragen zu WD 3 - 3000 - 100/21 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 103/21 Abschluss der Arbeit: 14. Mai 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/21 Seite 3 1. Einleitung Im Nachgang zu der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages „Änderung der Fassung der Ermächtigungsgrundlage einer Verordnung nach dem Zustimmungsverfahren “, WD 3 - 3000 - 100/21, werden weitere Fragen zum Zustandekommen der „Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV)“ gestellt. 2. Absicht des Gesetzgebers und der Bundesregierung Es wird gefragt nach dem Hintergrund der Änderung des § 28c IfSG vom 07.05.2021 durch Einfügung einer Subdelegationsbefugnis an die Länder in § 28c S. 3 IfSG auf Seiten des Gesetzgebers und der Bundesregierung. Der Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Gerichtsvollzieherschutzgesetz bezeichnete die Änderung als lediglich klarstellende Ermächtigung der Bundesregierung zu einer Subdelegation der Ermächtigung an die Länder. Gleichzeitig stellte er diese Änderung jedoch als Voraussetzung für die aufgrund des § 28c IfSG geplante SchAusnahmV dar.1 Über diese Äußerungen hinaus hat der Fachbereich keine Kenntnisse zur Intention der Bundesregierung. Auf Seiten des Gesetzgebers geht jedenfalls der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner Begründung zur Beschlussempfehlung zur Gesetzesänderung von einer klarstellenden, also deklaratorischen Regelung aus.2 3. Erfordernis der Subdelegationsermächtigung Nach § 28c S. 1 IfSG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Ausnahmen für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete von den Corona-Schutzmaßnehmen zu erlassen. Nach § 28 S. 3 IfSG kann sie auch die Länder dazu ermächtigen. § 11 SchAusnahmV enthält die Regelung, dass die Länder ermächtigt werden, Ausnahmen zu erlassen, soweit die SchAusnahmV nichts anderes regelt. Es wird gefragt, ob die Bundesregierung als Verordnungsgeberin nach § 28c S. 1 IfSG auch ohne vorheriges Inkrafttreten der ausdrücklichen Ermächtigung zur Subdelegation in § 28c S. 3 IfSG durch das Änderungsgesetz vom 07.05.21 zur Subdelegation an die Länder ermächtigt war und, wenn ja, welche Rechtsgrundlage in der SchAusnahmV zu zitieren war. 1 Drucksache 19/29398, S. 2. 2 Drucksache 19/29398, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/21 Seite 4 Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG erlaubt die Weiterübertragung der erteilten Verordnungsermächtigung durch Rechtsverordnung. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gesetzgeber eine solche Subdelegation ausdrücklich zugelassen hat3 oder sie dem Gesetz sonst hinreichend deutlich zu entnehmen ist4. Die Subdelegationsbefugnis kann auch in einem anderen formellen Gesetz als dem Ermächtigungsgesetz enthalten sein5. § 28c IfSG sprach vor der Änderung vom 07.05.21 der Bundesregierung kein ausdrückliches Recht zu, die Länder zum Erlass von Ausnahmen für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete zu ermächtigen. Es könnte allerdings argumentiert werden, dass sich bereits aus § 28c S. 1 IfSG i.V.m. § 32 IfSG eine konkludente Befugnis zur Subdelegation ergab. Bis zum Inkrafttreten der Bundesverordnung waren die Länder nach § 32 IfSG grundsätzlich ebenfalls zur Regelung von Ausnahmen für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete befugt.6 Daraus ließe sich folgern, dass die Bundesregierung im Rahmen ihrer eigenen Rechtsverordnung den Ländern diese Befugnis zumindest teilweise wieder (zurück-)übertragen konnte. In diesem Fall hätte die SchAusnahmV die §§ 28c IfSG, 32 IfSG zitieren müssen. Die Zitierung der Fassung der Verordnung, der Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben, bezog sich hingegen nur auf den § 28c IfSG. Dies dürfte an dieser Stelle aber unbeachtlich sein, da Bundestag und Bundesrat in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang sowohl über die Verordnung als auch den neuen § 28c S. 3 IfSG abgestimmt haben und sich daher wohl darüber bewusst waren, dass sich die Rechtsverordnung in der Fassung ihrer Verkündung auf den geänderten § 28c IfSG beziehen würde, der eine ausdrückliche Subdelegationsbefugnis enthält, und daher ein Verweis auf den § 32 IfSG nicht mehr notwendig war.7 Lehnt man das Vorliegen einer Befugnis zur Subdelegation vor dem Inkrafttreten des § 28c S. 3 IfSG hingegen ab, so kann die Schaffung der Öffnungsklausel in § 11 SchAusnahmV dennoch zulässig gewesen sein, wenn sie auch als ein anderes rechtstechnisches Instrument als eine Subdelegation ausgelegt werden könnte. Eine solche Interpretation dürfte grundsätzlich möglich sein, da es sich bei § 11 SchAusnahmV nicht um den eindeutigen Fall einer Subdelegation handelt , bei der dem Subdelegierten ein neuer Rechtsbereich eröffnet wird. Vielmehr waren die Länder bereits vor der Regelung in § 11 SchAusnahmV nach § 32 IfSG ermächtigt. Dem Wortlaut nach spricht § 11 SchAusnahmV zwar davon, dass die Länder „ermächtigt werden “. Der Wortlaut ist jedoch nur ein möglicher Anhaltspunkt für die Auslegung einer Norm. Entscheidend ist insbesondere ihr Sinn und Zweck. Sinn und Zweck von § 11 SchAusnahmV dürfte sein, dass den Ländern ein Bereich der Regelung verbleiben soll, der ihnen auf Grundlage des § 32 IfSG zuvor bereits zustand und der nur durch die Bundesverordnung erst versperrt werden konnte. Die Vorschrift könnte daher so interpretiert werden, dass sie die Reichweite der 3 BVerfGE 91, 148 (165). 4 BVerfGE 150, 1 (207). 5 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, GG Art. 80 Rn. 63. 6 Diese Befugnis bestand nicht ausdrücklich, vielmehr ergab sie sich daraus, dass die Länder zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Regelung ihrer grundrechtsbeschränkenden Schutzmaßnahmen auch Ausnahmen vorsehen können mussten, siehe WD 3 - 3000 - 100/21, S. 5 f. 7 Siehe dazu bereits WD 3 - 3000 - 100/21, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/21 Seite 5 SchAusnahmV und damit den Umfang der gegenüber den Ländern eintretenden Sperrwirkung festlegen sollte. Diese Interpretation dürfte zulässig sein, da der materielle Gehalt der Norm sich nicht ändert, unabhängig davon, ob man sie als Subdelegation oder als Bestimmung der Reichweite der Verordnung interpretiert. Folgt man dieser Ansicht, so wäre die Zitierung von § 28c IfSG ausreichend gewesen, da keine Subdelegation vorlag. 4. Aktuelle Ermächtigungsgrundlage der Länder Es wird gefragt, ob die Verordnungen der Landesregierungen, die Ausnahmen für Geimpfte und Genesene festlegen, auch zulässig sind, sofern sie sich nur auf die Ermächtigung des § 32 IfSG stützen. Wie oben dargelegt, konnten die Länder bis zum Inkrafttreten der SchAusnahmV und des § 28c S. 3 IfSG Ausnahmen auf § 32 IfSG stützen. Mit deren Inkrafttreten können die Ausnahmeverordnungen nur noch auf die Öffnungsklausel des § 11 SchAusnahmV gestützt werden. Das Abstellen auf § 32 IfSG ist seit diesem Zeitpunkt versperrt (siehe die Übergangsregel in § 77 Abs. 7 IfSG). ***