© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung Inhalt, Inkrafttreten, Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag Sachstand Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Sachstand WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Seite 2 Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung Inhalt, Inkrafttreten, Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Abschluss der Arbeit: 9. April 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Seite 3 1. Was soll nach dem Referentenentwurf einer Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erlaubt werden? Nach dem Referentenentwurf einer Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV-Entwurf) soll die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr erlaubt werden, vgl. den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur über einer Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, Stand: 26. Februar 2019, abrufbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/Gesetze-19/II-15-referentenentwurf -ekfv-enorm.pdf?__blob=publicationFile (Letzter Abruf: 9. April 2019).1 Gemäß § 1 Abs. 1 eKFV-Entwurf sind Elektrokleinstfahrzeuge Kraftfahrzeuge, die durch einen elektrischen Antrieb betrieben werden und eine Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h erreichen können. Weiter dürfen sie keinen Sitz haben, müssen eine mindestens 700 mm breite Lenkstange haben, dürfen eine maximale Nenndauerleistung von 500 Watt nicht überschreiten, dürfen nicht breiter als 700 mm, nicht höher als 1.400 mm und nicht länger als 2.000 mm sein und dürfen maximal 55 kg schwer sein. Besonderheiten gelten für selbstbalancierende Elektrokleinstfahrzeuge. Gemäß § 1 Abs. 2 eKFV-Entwurf ist ein Elektrokleinstfahrzeug selbstbalancierend, „wenn es mit einer integrierten elektronischen Balance, Antriebs-, Lenk- und Verzögerungstechnik ausgestattet ist“, die das Gerät eigenständig in der Balance hält. Abweichend von den genannten Merkmalen dürfen solche Elektrokleinstfahrzeuge eine Nenndauerleistung von 1.400 Watt erreichen, soweit mindestens 60 Prozent dieser Leistung für die Selbstbalancierung verwendet wird. Überdies dürfen sie mit einem Sitz betrieben werden, für solche Geräte ist auch eine Lenkstange mit einer Breite von 500mm ausreichend. Von der Verordnung sollen insbesondere Elektro-Tretroller erfasst werden, die ein abgasfreies Fahren in den Innenstädten ermöglichen und durch ihre kleinen Ausmaße und ihr geringes Gewicht geeignet sind, andere Transportmittel miteinander zu verbinden, vgl. Information der Bundesregierung vom 3. April 2019 zum Thema „Elektrokleinstfahrzeuge- Verordnung – Bundesregierung macht Weg frei für E-Scooter“, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bundesregierung-macht-weg-frei-fuer-escooter -1596736 (Letzter Abruf: 9. April 2019). Nach § 2 eKFV-Entwurf dürfen Elektrokleinstfahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur dann in Betrieb gesetzt werden, wenn eine Betriebserlaubnis vorliegt, das Fahrzeug eine gültige Versicherungsplakette hat, sowie mit einer Fahrzeugidentifizierungsnummer und einem Fabrikschild mit der Aufschrift „Elektrokleinstfahrzeug“ gekennzeichnet ist. Weiter müssen sie den Anforderungen an die Bremseinrichtungen (§ 4 eKFV-Entwurf), die lichttechnische Ausstattung (§ 5 eKFV-Entwurf) und die Schallzeichen (§ 6 eKFV-Entwurf) erfüllen. Die Altersgrenze zum Führen von Elektrokleinstfahrzeugen ist von der maximalen Höchstgeschwindigkeit abhängig: Personen, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, dürfen Fahrzeuge führen, die 1 Siehe auch Newsletter Bundesregierung aktuell vom 5. April 2019, https://www.juris.de/jportal/portal /page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA190400847&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Seite 4 eine Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h nicht überschreiten, Personen, die das 14. Lebensjahr erreicht haben, dürfen Fahrzeuge bis 20 km/h führen, § 3 eKFV-Entwurf. Elektrokleinstfahrzeuge mit eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 12 km/h dürfen innerhalb geschlossener Ortschaften nur auf Radwegen, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen gefahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen oder in verkehrsberuhigten Bereichen gefahren werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen solche Fahrzeuge nur auf Radwegen und Seitenstreifen gefahren werden. Wenn diese nicht vorhanden sind, darf auf die Fahrbahnen ausgewichen werden (§ 10 Abs. 1, 2 eKFV-Entwurf). Elektrokleinstfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von weniger als 12 km/h dürfen hingegen nur auf Gehwegen, auf gemeinsamen Geh- und Radwegen und in Fußgängerzonen gefahren werden. Wenn solche Wege innerhalb geschlossener Ortschaften nicht vorhanden sind, darf auf Radwegen, Radfahrstreifen, Fahrradstraßen und gegebenenfalls auf Fahrbahnen gefahren werden, außerhalb geschlossener Ortschaften muss auf Radwege und Seitenstreifen ausgewichen werden (§ 10 Abs. 3, 4 eKFV-Entwurf). Die Straßenverkehrsbehörden können im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen, § 10 Abs. 5 eKFV- Entwurf. Die einzuhaltenden Verhaltensregeln beim Fahren entsprechen weitestgehend den Verhaltensregeln für Radfahrer, § 11 eKFV-Entwurf. Verstöße gegen die Regelungen der Verordnung sollen als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können, § 14 eKFV-Entwurf. 2. Wann sollen die Regelungen der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung in Kraft treten? Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts über den eKFV-Entwurf steht noch die Zustimmung des Bundesrats für die Verordnung aus. Vorbehaltlich dieser Zustimmung ist ein Inkrafttreten der Verordnung noch im Frühjahr 2019 geplant, vgl. Information des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 26. Februar 2019 zum Thema „Gesetze der 19. Legislaturperiode“, abrufbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Gesetze-19/entwurf-verordnung-teilnahme-elektrokleinstfahrzeuge -strassenverkehr.html?nn=382740 (Letzter Abruf: 9. April 2019). 3. Zur Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag beim Erlass der Rechtsverordnung Das Bundeskabinett hat am 5. April 2019 die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung beschlossen, nach der u. a. elektronisch angetriebenen Elektro-Tretrollern die Benutzung des öffentlichen Straßenverkehrs ermöglicht werden soll. Es stellt sich die Frage, ob Bundesrat und/oder Bundestag dieser Verordnung zustimmen müssen. 3.1. Zustimmungsvorbehalt des Bundesrates Art. 80 Abs. 2 GG definiert, wann Rechtsverordnungen „der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“. Dies ist u. a. der Fall, wenn das zur Rechtsverordnung ermächtigende Bundesgesetz „der Zustimmung des Bundesrates“ bedarf. Für das Straßenverkehrsgesetz ist dies offensichtlich der Fall.2 Daher sieht auch die Ermächtigungsgrundlage, § 6 StVG, nur vor, „Rechtsverordnungen mit 2 Siehe nur BR-Drs. 69/17, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 103/19; WD 7 - 3000 - 062/19 Seite 5 Zustimmung des Bundesrates zu erlassen“. Dementsprechend findet sich in Art. 5 eKFV-Entwurf die Formulierung: „Der Bundesrat hat zugestimmt.“ Der Zustimmungsvorbehalt nach § 6 StVG gibt dem Bundesrat zunächst nur die Möglichkeit der Zustimmung oder Ablehnung, nicht aber der Änderung. Eine der Staatspraxis geläufige Konstellation tritt auf, wenn der Bundesrat dem zustimmungspflichtigen Verordnungsentwurf mit einem sogenannten Maßgabebeschluss zustimmt. In einem solchen Fall erteilt er seine Zustimmung in antizipierter Form unter der Bedingung bestimmter Änderungen.3 Dies ist grundsätzlich zulässig.4 Allerdings müssen die „Maßgaben“ des Bundesrates rechtlich statthaft sein und dürfen daher höherrangigem Recht nicht widersprechen. Entspricht im Falle eines Maßgabebeschlusses des Bundesrates der Verordnungsgeber den Änderungswünschen des Bundesrates, so kann die Verordnung erlassen werden. Folgt er ihnen nicht, so muss der Verordnungserlass unterbleiben. Kommt er den Änderungswünschen schließlich nur teilweise nach, so bedarf es der erneuten Bundesratsbefassung .5 3.2. Zustimmungsvorbehalt des Bundestages Im Grundgesetz ist ein Zustimmungsvorbehalt des Bundestages bei Rechtsverordnungen explizit nicht vorgesehen; die Zulässigkeit eines einfachgesetzlichen Zustimmungsvorbehaltes ist daher in der Kommentierung umstritten.6 Abgesehen davon sieht § 6 StVG keinen Zustimmungsvorbehalt des Bundestages vor. *** 3 Uhle, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition Stand: 15. November 2018, Art. 80 Rn. 43. 4 Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 85. EL November 2018, Art. 80 Rn. 180. 5 Uhle, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition Stand: 15. November 2018, Art. 80 Rn. 43. 6 Uhle, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition Stand: 15. November 2018, Art. 80 Rn. 47 ff.