AUSARBEITUNG Thema: Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Verfasser/in: Abschluss der Arbeit: 14. März 2006 Reg.-Nr.: 103/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung 3 2. Die Grundlagen eines Bundeswehreinsatzes im Inneren 3 3. Die Möglichkeiten eines Einsatzes im Inneren zu Zwecken der Verteidigung 4 4. Die Möglichkeiten eines Einsatzes zu Zwecken, die nicht der Verteidigung dienen 4 4.1. Die Möglichkeiten nach Art. 87 a Abs. 4 GG 4 4.2. Die Möglichkeiten des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG 5 5. Die allgemeine Amtshilfe 5 6. Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren 6 7. Die Standpunkte der einzelnen Parteien zum Thema Bundeswehreinsatz im Inneren 6 Literaturverzeichnis 8 Anlagen 9 - 3 - 1. Zusammenfassung Zur Verteidigung können die Streitkräfte im Inneren ausschließlich unter den Voraussetzungen des so genannten äußeren Notstands gemäß Art. 87 a Abs. 3 GG eingesetzt werden. Aufgrund der durch Art. 87 a Abs. 2 GG vorgegebenen Restriktionen, können die Streitkräfte im Innern zu verteidigungsfremden Zwecken nur im Rahmen der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG und in den Fällen des Art. 87 a Abs. 4 GG herangezogen werden. Andersartige Einsätze sind somit nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht möglich. Eine weitere Verwendung ist daher nur denkbar, z.B. im Rahmen des Art. 35 Abs. 1 GG, wenn sie den Status eines Einsatzes noch nicht erreicht, somit also unterhalb der Eingriffsschwelle liegen, es sich lediglich um z. B. technische Amtshilfe handelt. 2. Die Grundlagen eines Bundeswehreinsatzes im Inneren Nach Artikel 87 a Abs. 2 GG dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Gemäß Art. 87 a Abs. 1 GG stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Verteidigung ist die Abwehr eines Gegners, der die Bundesrepublik Deutschland von außen her mit Waffengewalt angreift.1 Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nach Art. 87 a Abs. 2 GG nur eingesetzt werden, soweit es ausdrücklich vom Grundgesetz vorgesehen ist. Aus der damit vorgegebenen Grundfunktion der Streitkräfte und der Systematik des Art. 87 a GG wird deutlich, dass jeder nicht der Verteidigung dienende Einsatz der Bundeswehr eine Ausnahme darstellt.2 Diese Regelung, welche im Zuge der Einführung der Notstandsverfassung in das Grundgesetz durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 19683, geschaffen worden ist, soll verhindern, dass man „ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache“ für die Verwendung der Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt ableiten kann.4 Ausschlaggebend für die Auslegung und Anwendung des Art. 87 a Abs. 2 GG ist daher das Ziel, die Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern durch das Gebot strikter Textreue zu begrenzen.5 Die Heranziehung der Streitkräfte im Innern ist daher nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen stark limitiert und nur dann möglich, wenn das GG es ausdrücklich erlaubt.6 1 Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 87a, Rn. 22; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, S. 773 (775); vgl. auch Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG. 2 Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 87a, Rn. 24. 3 BGBl S. 709. 4 Vgl. den Bundestagsrechtsausschuss in seinem schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Notstandsverfassung , BTDrucks V/2873, S. 13. 5 BVerfGE 90, 286 (356) und BverfG, 1BvR 357/05 vom 15.02.2006. 6 Siehe hierzu auch BT-Drs 15/3892 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helga Daub, Günther Friedrich Nolting, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP vom 06.10.2004. Anlage 1 - 4 - 3. Die Möglichkeiten eines Einsatzes im Inneren zu Zwecken der Verteidigung Im Verteidigungsfall sowie im Spannungsfall dürfen die Streitkräfte auch zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Landesinneren herangezogen werden. Dies ergibt sich aus Art. 87 a Abs. 3 GG. Der Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte und für Aufgaben der Verkehrsregelung, ist nach Art. 87 a Abs. 3 Satz 1 GG „soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrags erforderlich ist“: Art 87 a Abs. 3 Satz 2 GG sieht darüber hinaus vor, dass den Streitkräften der Schutz ziviler Objekte „auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen“ übertragen werden kann. Voraussetzung für das Entstehen der Befugnisse ist die Feststellung des Verteidigungsfalles oder des Spannungsfalles. Der Verteidigungsfall ist nach Art. 115 a Abs. 1 S. 1 GG dann gegeben , wenn „das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Einsatz Angriff unmittelbar droht.“ Das Grundgesetz verwendet zwar den Begriff des Spannungsfalles in Art. 80 a Abs. 1 und Art. 87 a Abs. 3 GG, es fehlt aber eine Legaldefinition. Der Entstehungsgeschichte zu Art. 80 a GG kann entnommen werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber hier ausschließlich an außenpolitische Spannungen gedacht hat.7. Der Spannungsfall kann als eine Situation definiert werden, in der die erhebliche Gefahr eines Angriffs auf das Bundesgebiet von Außen besteht.8 4. Die Möglichkeiten eines Einsatzes zu Zwecken, die nicht der Verteidigung dienen 4.1. Die Möglichkeiten nach Art. 87 a Abs. 4 GG Die Bundesregierung kann im Fall einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, bei nicht ausreichenden Kontingenten an Polizei und Bundespolizei, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und der Bundespolizei beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Dieser Zustand besteht dann, wenn eine vitale Bedrohung der zentralen Grundfesten von Staat und Verfassung gegeben ist.9 Zum Bestand des Bundes gehört neben dessen territorialer Integrität seine äußere und innere Souveränität sowie seine Handlungsfähigkeit als 7 Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 87 a, Rd. 40, ders., Art. 80 a, Rd. 15. 8 Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 80, Rd. 31 – 36. 9 Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd.3, Art. 87a, Rn. 99. - 5 - Ordnungsmacht, zum Bestand der Gliedstaaten außerdem ein Kernbestand an föderaler Eigenstaatlichkeit.10 4.2. Die Möglichkeiten des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG Die Bundeswehr kann gemäß Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG zur Hilfe bei Naturkatastrophen oder bei einem besonders schweren Unglücksfall angefordert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Streitkräfte nur die Mittel einsetzen dürfen, die die Länder auch selbst einzusetzen in der Lage wären bzw. dies dürften.11 Die Länder haben das zivile Gewaltmonopol und dem Bund sind die militärischen Befugnisse vorbehalten.12 Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz vom 15.02.200613 fest, dass auf Anforderung eines Landes „zur Hilfe“ die Waffen verwendet werden dürfen, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsieht. Militärische Kampfmittel dürften dagegen nicht zum Einsatz gebracht werden. 5. Die allgemeine Amtshilfe Grundsätzlich sind zwar auch die Einheiten der Streitkräfte zur allgemeinen Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 GG fähig und verpflichtet. Bei den Streitkräften besteht aber die Besonderheit, dass Art. 87 a Abs. 2 GG als speziellere Norm Art. 35 Abs.1 GG vorgeht und alle nicht ausdrücklich vom Grundgesetz erlaubten Einsätze verbietet.14 Die Amtshilfeverpflichtung eröffnet nur eine pauschale Handlungsmöglichkeit in der Zuständigkeit der ersuchenden Behörde und enthält die Streitkräfte betreffend keine ausdrückliche Regelung in Art. 35 Abs. 1 GG. Damit ist die Möglichkeit (und entsprechend die Verpflichtung ) der Bundeswehr zur Amtshilfe nur unterhalb der Einsatzschwelle des Art. 87 a Abs. 2 GG gegeben und es darf sich ausschließlich um verteidigungsfremde, innenpolitisch neutrale Aktivitäten handeln, die als schlichte Hoheitstätigkeiten und rein technische Hilfsleistungen zu qualifizieren sind.15 10 Dürig, in Maunz/Dürig, Art. 87a, Rn. 100. 11 Linke, AöR 2004, S. 489 (524). 12 H.B. Brockmeyer, in: B.Schmidt-Bleibtreu/F.Klein, (Fn. 11), Art. 35 Rn. 11. 13 BVerfGE, 1BvR 357/05. 14 Mangoldt/Klein/Starck, GG, B. 2, Art. 35 Abs. 1, Rd. 15. 15 Jahn/Riedel, DÖV, 1988, S. 957 (958); Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, S. 773 (775); So werden in der Literatur z. B. Erntehilfen, „Sandsackschleppen“, die Bereitstellung von Kasernen für die kurzfristige Übernachtung von Polizisten und allgemein nicht mit einem Bedrohungs- oder Gefahrpotenzial versehene Verwendungen als rein technische Amtshilfen verstanden, Ein Überblick mit weiteren Nachweisen in Fehn/Brauns, Bundeswehr und innere Sicherheit, S. 18 ff. - 6 - 6. Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz vom 15.02.200616, dass die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren durch das „Gebot strenger Texttreue“, welches sich aus der Verfassung ergibt, stark limitiert sind.17 Ferner dürften keine „ungeschriebenen Zuständigkeiten aus der Natur der Sache“ für die Verwendung der Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt abgeleitet werden.18 Es dürfen nur Waffen verwendet werden, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsieht. Militärische Kampfmittel dürften dagegen nicht zum Einsatz gebracht werden. 7. Die Standpunkte der einzelnen Fraktionen zum Thema Bundeswehreinsatz im Inneren19 Die CDU/CSU – Bundestagsfraktion und Innenminister Schäuble sind der Ansicht, dass ein Bundeswehreinsatz im Inneren zur Sicherstellung der Inneren Sicherheit von großer Bedeutung ist. Man solle nicht nur die gegenwärtigen vom Grundgesetz gegebenen Möglichkeiten ausschöpfen, sondern auch Grundgesetzänderungen in Betracht ziehen, um z. B. Objektschutz auch durch über die in Art. 87a Abs. 3 und 4 GG gegebenen Möglichkeiten hinausgehende Regelungen zu ermöglichen. Die SPD Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen und die Fraktion der FDP verweisen auf die bereits möglichen Einsatzoptionen der Bundeswehr im Inneren, qualifizieren diese als ausreichend und halten eine Grundgesetzänderung für nicht nötig und angebracht. Insbesondere der Objektschutz durch Soldaten wird als falsches Zeichen dargestellt (Stichwort: „Panzer vor Fußballstadien). 16 BVerfGE, 1BvR 357/05, (Anlage 2). 17 Dabei verweisend auf BVerfGE 90, 286 (356). 18 Verweisend auf den Bundestagsrechtsausschuss in seinem schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Notstandsverfassung, BT-Drs. V/2873, S.13. 19 Zu den einzelnen Standpunkten siehe die jeweilige Internetseiten der Bundestagsfraktionen: CDU/CSU: http://www.cducsu.de/section__2/subsection__1/id__12171/Meldungen.aspx ; (Anlage 3) SPD: http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_datei/0,,6497,00.pdf ; (Anlage 4). FDP: http://www3.fdp-fraktion.de/webcom/show_libargs.php/_c-540/_nr-55/kids-/i.html ; (Anlage 5) Die Grünen: : www.gruene-bundestag.de /cms/innen_recht/dok/105/105013.htm ; (Anlage 6)Die Linke : http://www.linksfraktion.de/presse/mitteilungen/view_html?zid=146&mdbid=23&bs=1&n=8;(Anlage 7) Vgl. zudem: „Fußball-WM, Union beharrt auf Bundeswehr-Einsatz beim Objektschutz“, FAZnet: http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E9ADEF064BFC14B32BFDD 09DCD641D68B~ATpl~Ecommon~Scontent.html;(Anlage 8). Debatte um Bundeswehreinsatz im Inneren, http://www.123recht.net/article.asp?a=15778&p=1.( Anlage 9) - 7 - Die Fraktion Die Linke sieht einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren als unangebracht an. Polizei- und Zivilschutzaufgaben seien von eben diesen Organen und nur von diesen wahrzunehmen. - 8 - Literaturverzeichnis Fehn, Karsten / Brauns, Miriam Bundeswehr und innere Sicherheit, 2003 (zit.: Fehn / Brauns, Bundeswehr und innere Sicherheit). Jahn, Ralf / Riedel, Norbert K. Streitkräfteeinsatz im Wege der Amtshilfe: zu den verfassungsrechtlichen Schranken eines nach innen gerichteten Einsatzes der Bundeswehr in Friedenszeiten, DÖV 1988, S. 957 ff. Linke, Tobias Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 2004, S. 489 ff. Mangoldt, Hermann von / Klein, Friedrich / Starck, Christian, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 2005 (zit.: Mangoldt / Klein / Starck, GG). Maunz, Theodor / Dürig, Günter, Grundgesetz Loseblatt-Kommentar, Stand 2005 (zit.: Verfasser in Maunz/Dürig). Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage, 2004 (zit.: Verfasser in B.Schmidt- Bleibtreu / F.Klein). Schmidt-Jortzig, Edzard Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, S. 773 ff. - 9 - Anlagen Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helga Daub, Günther Friedrich Günther Friedrich Nolting, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP vom 06.10.2004.; BT-Drs. 15/3892. - Anlage 1 – - Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz vom 15.02.2006, BVerfG 1 BvR 357/05. - Anlage 2 - - Stellungnahme der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, www.cducsu.de. - Anlage 3 - - Stellungnahme der SPD-Bundestagsfraktion, www.spdfraktion.de. - Anlage 4 - - Stellungnahme der FDP-Bundestagsfraktion, www.fdp.de. - Anlage 5 - - Stellungnahme der Grünen-Bundestagsfraktion, www.gruene-fraktion.de. - Anlage 6- - Stellungnahme der Linken-Bundestagsfraktion, www.linksfraktion.de. - Anlage 7 - - Neue Debatte um Bundeswehreinsatz im Inneren, 123recht.de. - Anlage 8 - - Union beharrt auf Bundeswehr-Einsatz beim Objektschutz, FAZ.NET, www.faznet.de. - Anlage 9 -