© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 101/19 Zum Verhältnis zwischen der Privatautonomie und dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Es wird insbesondere um Prüfung gebeten, ob die Entscheidung über die Ablehnung der Aufnahme in eine Schule in freier Trägerschaft oder die Verweigerung einer Dienstleitung durch einen privaten Verein von einer bestimmten politischen Anschauung abhängig gemacht werden darf. 2. Privatautonomie Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Privatautonomie und damit des Recht des Einzelnen, sein privates Verhalten nach eigener Entscheidung zu gestalten.1 Als elementares Mittel zur freien Entfaltung der Persönlichkeit kommt der Privatautonomie grundlegende Bedeutung zu.2 Sie verpflichtet den Staat dazu, bei der Ausgestaltung des Zivilrechts die individuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu ermöglichen und alle übermäßigen Einschränkungen zu vermeiden. Dies gilt ebenso für die Auslegung und Anwendung von Generalklauseln im Zivilrecht.3 Das zentrale Instrument der Privatautonomie ist der Vertrag. Daher steht auch insbesondere die Vertragsfreiheit unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG.4 Geschützt ist die Freiheit des Abschlusses oder Nichtabschlusses eines privatrechtlichen Vertrages sowie dessen Gestaltung.5 Die Vertragsfreiheit umfasst auch die Freiheit, sich den Vertragspartner auszusuchen (Kontrahentenwahlfreiheit ).6 2.1. Schule in privater Trägerschaft als Grundrechtsberechtigte? Es stellt sich die Frage, inwiefern Schulen, die sich in der Verantwortung eines freien, nichtstaatlichen Schulträgers befinden (private Schulen), auf die Vertragsfreiheit berufen können. Bei den privaten Schulen ist zwischen den Ersatzschulen und Ergänzungsschulen zu unterscheiden. Ergänzungsschulen ergänzen das Bildungsangebot beliebig. Diesen stehen keine hoheitlichen Befugnisse zu. Sie können sich daher ohne Einschränkungen auf die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit berufen. Ersatzschulen sind ihrem Gesamtzweck nach auf die Erlangung derselben Schulabschlüsse wie die entsprechenden öffentlichen Schulen ausgelegt. An ihnen können die Schüler ihrer Schulpflicht 1 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Auflage, 2018, Art. 2 Rn. 22. 2 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101. 3 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar Band 1, 7. Auflage, 2018, Art. 2 Rn. 145. 4 Starck, (Fn. 3). 5 Di Fabio, (Fn. 2). 6 Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Vor § 145 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 101/19 Seite 4 genügen. Ersatzschulen bedürfen gemäß Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG einer staatlichen Genehmigung. Ihnen werden über ihre staatliche Anerkennung Hoheitsrechte verliehen. Dabei gilt aber, dass eine Ersatzschule lediglich dann öffentlich-rechtlich handelt, wenn sie sich im Rahmen ihrer über die staatliche Anerkennung verliehenen Hoheitsrechte bewegt.7 Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die sich unmittelbar auf die Erfüllung des allgemeinen Bildungsanspruchs auswirken wie bspw. im Prüfungs- und Zeugnisrecht. Anders als staatliche Schulen genießen die Ersatzschulen aber selbst den Schutz von Grundrechten und können sich auf ihre in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit berufen. Diese umfasst das Recht der freien Gestaltung der Schule sowie das Recht der freien Lehrer- und Schülerwahl. Aus dem Recht der freien Schülerwahl folgt, dass die Ersatzschule in Abweichung von den Auslesegrundsätzen der öffentlichen Schule Schüler aufnehmen darf, soweit sie es erzieherisch verantworten kann und keine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern gefördert wird.8 Im Hinblick auf die Entscheidung über die Aufnahme oder Ablehnung eines Schülers handelt eine Ersatzschule nicht im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Handlungsbereichs. Die Ersatzschule schließt vielmehr mit den Schülern bzw. Eltern einen privatrechtlichen Vertrag. Zwischen der Ersatzschule und den Schülern bzw. ihren Eltern besteht damit gerade kein typisches Über- /Unterordnungsverhältnis. Auch die Ersatzschule kann sich daher grundsätzlich auf die Vertragsfreiheit berufen. 2.2. Privater Verein Personenmehrheiten und damit auch ein privater Verein können grundrechtsberechtigt sein, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind, vgl. Art.19 Abs. 3 GG. Ein privater Verein, der Dienstleistungen für Nichtmitglieder anbietet, kann sich daher auf den Schutz der Vertragsfreiheit berufen. Allein der Umstand, dass ein privater (gemeinnütziger) Verein Subventionen erhalten sollte, macht ihn noch nicht zum Teil der öffentlichen Gewalt. Eine bloße finanzielle Förderung ist nicht geeignet die Grundrechtsberechtigung aufzuheben. 3. Beschränkungen der Vertragsfreiheit: Diskriminierungsverbote und Kontrahierungszwang Die Vertragsfreiheit gilt nicht grenzenlos. Einschränkungen können sich insbesondere aus dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG ergeben. Das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG hat als spezielles Gleichheitsrecht Vorrang vor dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. 7 Jäschke/Müller, DÖV 2018, S. 279 (S. 280 f.). 8 Vgl. BVerfGE 75, 40 (61 ff.); vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, (Fn. 2), Art. 7 Rn. 120 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 101/19 Seite 5 3.1. Gewährleistungsumfang des Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG Die speziellen Gleichheitsrechte des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sollen der Diskriminierung von Minderheiten vorbeugen und stehen im engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Menschenwürde.9 Nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand wegen der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt oder bevorzugt werden (Diskriminierungsverbote).10 Die Gewährleistung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthält ein Grundrecht sowie eine objektive Wertentscheidung.11 Die Diskriminierungsverbote richten sich grundlegend darauf, einen Menschen als gleichwertiges Gegenüber anzuerkennen.12 Die Äußerung oder Betätigung einer politischen Anschauung ist eines der genannten Merkmale, vgl. Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG. Das Merkmal der politischen Anschauung setzt deren Äußerung oder Betätigung voraus, da sie ansonsten unbemerkt bleibt und damit gar nicht Anknüpfungspunkt für Differenzierungen werden kann.13 Die politische Anschauung kann sich insbesondere in einer bestimmten Parteizugehörigkeit ausdrücken. Die Beeinträchtigung des speziellen Gleichheitsrechtes setzt eine Ungleichbehandlung, d. h. eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Handlungen durch einen Grundrechtsverpflichten voraus. Die Ungleichbehandlung muss zudem in Abhängigkeit von einem von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG umfassten verpönten Merkmal erfolgen.14 3.2. Grundrechtsverpflichtete Die Diskriminierungsverbote gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gelten im Rechtsverkehr zwischen Privaten nicht unmittelbar. Im Gegensatz zum Staat dürfen Private ihr Handeln grundsätzlich nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten und sind nicht zum distanzierten Respekt von den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger verpflichtet.15 Diese Freiheit gilt aber nicht grenzenlos. In seinem Grundsatzurteil zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (Lüth-Urteil16) hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte als oberstes objektives Prinzip der gesamten Rechtsordnung auf sämtliche Rechtsbereiche hervorgehoben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „verkörpert sich in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche 9 Jarass, (Fn. 1), Art. 3 Rn. 114. 10 Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, (Fn. 3), Art 3 Abs. 3 Rn. 407. 11 Jarass, (Fn. 1), Art. 3 Rn. 114. 12 Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, (Fn. 3), Art 3 Abs. 3 Rn. 407. 13 Heun, in: Dreier, GG, Band 1, 3. Auflage, 2013, Art. 3 Rn. 134. 14 Jarass, (Fn. 1), Art. 3 Rn. 118. 15 Scholz, JR 2015, S. 137 (S. 139); Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), S. 298 (S. 333); BVerfGE 128, 226 (244 f.). 16 BVerfGE 7,198 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 101/19 Seite 6 Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt“17. Der Wertordnung des Grundgesetzes kommt somit eine Ausstrahlungswirkung zu. Die Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 307 Abs. 1, § 242, § 826, § 1004 Abs. 2 BGB) müssen im Geist der Grundrechte ausgelegt und angewandt werden. Bei einem Verstoß gegen die Wertordnung kommen als Rechtsfolgen vor allem Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, Schadensersatz oder ein Kontrahierungszwang in Betracht.18 Für die Begründung eines Kontrahierungszwanges zieht die Rechtsprechung überwiegend die Generalklausel des § 826 BGB aus dem Deliktsrecht (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) heran.19 3.3. Allgemeiner Kontrahierungszwang infolge der mittelbaren Drittwirkung? Die mittelbare Bindung von Privatrechtssubjekten an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob sich aus der mittelbaren Drittwirkung ein Kontrahierungszwang ergeben kann, in der Literatur umstritten.20 Im Ergebnis besteht insofern überwiegend Einigkeit, dass der allgemeine Gleichheitssatz gegenüber Privatrechtssubjekten im Falle des Missbrauchs privater Macht Bedeutung gewinnen kann.21 Es gilt einen Ausgleich zwischen der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie auf der einen Seite und den gegenläufigen Grundrechten des von dem Ausschluss Betroffenen auf der anderen Seite zu finden. Ein Kontrahierungszwang ist ein massiver Eingriff in die Privatautonomie . Es bedarf insofern einer Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Interesses von gewisser Intensität.22 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfährt die Vertragsfreiheit eine Grenze, wenn sich der von einer privaten Ungleichbehandlung Betroffene in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage befindet.23 Der Bundesgerichtshof bejaht eine grundrechtstypische Gefährdungslage insbesondere im Hinblick auf das soziale Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitsnehmer.24 In der Literatur wird argumentiert, dass die mittelbare Drittwirkung auch auf Fälle von wirtschaftlichen Machtverhältnissen bezogen werden sollte.25 17 BVerfG, Beschluss v. 22.03.2004 – 1 BvR 2248/01, Tz. 34; siehe auch BVerfGE (Fn. 16) 206 f.; 42, 143 (148); 89, 214 (229 f.). 18 Heun, (Fn. 13), Art. 3 Rn. 139. 19 Busche, (Fn. 6), Vor § 145 Rn. 21. 20 Siehe dazu die Nachweise bei Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, (Fn. 3), Art 3 Abs. 3 Rn. 417. 21 Heun, (Fn. 13), Art. 3 Rn. 70. 22 Majer, JR 2015, S. 107 (S. 109). 23 BVerfGE (Fn. 15), 244 f. 24 Scholz, (Fn. 15) S. 139 mit weiteren Nachweisen. 25 Scholz, (Fn. 15) S. 139; BVerfGE (Fn. 15) 249 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 101/19 Seite 7 Eine mittelbare Drittwirkung des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG, die zu einem Kontrahierungszwang führt, käme in Betracht, wenn der privaten Schule bzw. dem privaten Verein eine monopolartige Stellung zukäme. Im Fall einer privaten Schule ist eine monopolartige Stellung wohl nur in Ausnahmefällen denkbar, z. B. wenn der privaten Schule ein besonderes Alleinstellungsmerkmal zukäme. Gegen eine monopolartige Stellung spricht aber nicht zuletzt, dass es die Möglichkeit gibt, eine staatliche Schule zu besuchen und damit die Beschulung sichergestellt wird. Aus der grundrechtlich verbürgten Befugnis der Eltern, eine Schule mit besonderem Erziehungsauftrag zu wählen, ergibt sich – schon aufgrund beschränkter Kapazitäten – kein Anspruch, dass sich diese Wahlfreiheit auch an der konkreten, gewünschten Schule verwirklichen lässt. Für einen privaten Verein, der medizinische Schulungen anbietet, wäre im Einzelfall zu prüfen, ob diese Schulung auch von anderen Unternehmen angeboten wird oder nicht. Ein Kontrahierungszwang könnte sich zudem dann ergeben, wenn von einer besonderen Grundrechtsbetroffenheit auszugehen wäre. Soweit eine Beschulung über eine staatliche Schule sichergestellt werden kann bzw. soweit auch öffentlich-rechtliche Träger die Dienstleistung anbieten, wird sich eine solche Betroffenheit wohl nicht begründen lassen. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls. 4. Einfachgesetzliche Beschränkungen der Vertragsfreiheit Die Vertragsfreiheit erfährt ihre Grenzen zudem in spezialgesetzlichen privatrechtlichen Beschränkungen , in den Diskriminierungsverboten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Auch aus sonstigem Privatrecht kann sich eine Beschränkung der Vertragsfreiheit ergeben.26 4.1. Spezialgesetzliche Beschränkungen der Vertragsfreiheit Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich ein Kontrahierungszwang aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ergibt.27 Anerkannte private Ersatzschulen können durch Landesrecht verpflichtet werden, die für entsprechende öffentliche Schulen geltenden Aufnahmebestimmungen zu beachten .28 4.2. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Das AGG schützt bestimmte Personenkreise und sanktioniert deren Benachteiligungen durch ihren Arbeitgeber oder Privatpersonen. Das Verbot der Benachteiligung erfasst nicht alle Vorgänge des gesellschaftlichen Lebens, sondern ist auf die in § 2 Abs. 1 AGG aufgezählten Bereiche begrenzt. Der Katalog in § 2 Abs. 1 AGG umschreibt den Anwendungsbereich des AGG allerdings nur abstrakt 26 Etwa bei einem bereits geschlossenen Vertrag oder aus dem Grundsatz „venire contra factum propium“; siehe dazu Scholz, (Fn. 15) S. 138. 27 Fälle eines spezialgesetzlichen Kontrahierungszwangs finden sich in besonderen Rechtsgebieten wie bspw. in § 20 GWB (Monopol im Wettbewerb), § 36 EnWG (Leistungen der Daseinsfürsorge), § 22 und § 47 PBefG, § 10 AEG, § 8 und 9 Abs. 3 EVO, § 21 Abs. 2 S. 2 LuftVG (Personenbeförderung), § 48 und § 49 BRAO (Pflichtverteidigung ). 28 Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Auflage, 2000, S. 204. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 101/19 Seite 8 und ist weiter gefasst als das Anwendungsfeld der dann nachfolgend angeordneten Sanktionen. Konkret bietet das AGG ausführliche Regelungen zum Schutz von Beschäftigten vor Benachteiligung (§§ 6 bis 18 AGG) sowie Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr (§§ 19 bis 23 AGG). Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot steht dem Betroffenen neben dem Schadens- und Entschädigungsanspruch gemäß § 21 Abs. 2 AGG auch ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gemäß § 21 Abs. 1 AGG zu. Umstritten ist, ob sich aus § 21 AGG auch ein Anspruch auf Vertragsbegründung ergibt.29 Für die hier zu erörternde Fragestellung kommt es auf eine Entscheidung des Meinungsstreits letztlich nicht an. Anders als Art. 3 Abs. 3 S. 1 Var. 9 GG gewährt das AGG keinen Schutz vor Ungleichbehandlungen wegen politischer Anschauungen.30 Der Katalog der Merkmale verbotener Diskriminierung im AGG umfasst nur Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung , Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Aufnahme der politischen Anschauungen als Diskriminierungsmerkmal in den Katalog des AGG entschieden.31 Das AGG kann in den hier zu betrachtenden Fällen daher keine Anwendung finden. *** 29 Siehe dazu Busche, (Fn. 6), Rn. 17 mit weiteren Nachweisen. 30 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Auflage, 2011, § 1 Rn. 54; BGH, Urteil v. 15.01.2013 – XI ZR 22/12 = ZIP 2013, S. 304. 31 Vgl. BT-Drs. 16/2022, S. 13. Auch die vier europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien, die mit dem AGG in nationales Recht umgesetzt wurden, erfordern keinen Schutz vor Diskriminierungen wegen politischer Anschauungen . Zu den einzelnen Richtlinien siehe Schwab, DNotZ 2006, S. 649 f.