© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 100/16 Einbürgerungsvoraussetzungen für Ausländer ohne qualifizierte Aufenthaltserlaubnis Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 100/16 Seite 2 Einbürgerungsvoraussetzungen für Ausländer ohne qualifizierte Aufenthaltserlaubnis Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 100/16 Abschluss der Arbeit: 22.03.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 100/16 Seite 3 1. Fragestellung Es wird die Frage gestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) besitzt, eingebürgert werden kann. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG beruht auf der Anordnung einer obersten Landesbehörde zugunsten von Ausländern bestimmter Staaten oder sonstiger bestimmter Ausländergruppen. Aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ kann eine oberste Landesbehörde – im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern – anordnen, dass bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Staatsangehörigkeitsgesetz [StAG]) kann wiederum die Art des Aufenthaltstitels, die der Einbürgerungswillige besitzt, relevant sein. In Bezug auf die Einbürgerungsvoraussetzungen ist zwischen der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG und der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG zu unterscheiden. 2. Anspruchseinbürgerung Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist nach § 10 StAG auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen einzubürgern. Zu den Anspruchsvoraussetzungen gehört nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG u.a., dass der Ausländer über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt oder einen anderen Aufenthaltstitel besitzt, der zu bestimmten Aufenthaltszwecken erteilt wird (qualifizierter Aufenthaltstitel). Ein in diesem Sinne qualifizierter Aufenthaltstitel stellt z.B. die Blaue Karte EU nach § 19a AufenthG dar. Ausdrücklich ausgenommen von den für die Anspruchseinbürgerung tauglichen Aufenthaltstiteln ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG jedoch – neben anderen Aufenthaltstiteln – die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG soll Anspruchseinbürgerungen für solche Fälle ausschließen, in denen eine Aufenthaltserlaubnis von vornherein nur zu einem vorübergehenden Zweck erteilt wurde.1 Eine Anspruchseinbürgerung scheidet damit für Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitzen, aus. 3. Ermessenseinbürgerung In Betracht kommt aber eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG. 3.1. Tatbestandsvoraussetzungen Nach § 8 Abs. 1 StAG kann ein Ausländer auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er - rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, - handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 StAG (Vollendung des 16. Lebensjahres) oder gesetzlich vertreten ist, 1 Vgl. dazu Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht (5. Aufl., 2010), Rn. 21 zu § 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 100/16 Seite 4 - weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und - sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist (Unterhaltsfähigkeit). In Bezug auf die Straffreiheit regelt § 12a StAG, welche Verurteilungen konkret zu berücksichtigen sind. Im Übrigen kann von den Voraussetzungen der Straffreiheit und der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Ferner dürfen keine Gründe vorliegen, die die Einbürgerung nach § 11 StAG ausschließen. Ein Ausschlussgrund liegt nach § 11 S. 1 Nr. 1 StAG u.a. vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt. 3.2. Einbürgerungsermessen Bei der Ausübung des Einbürgerungsermessens orientieren sich die für den Vollzug des Staatsangehörigkeitsgesetzes zuständigen Landesbehörden an den Vorgaben des Bundesministeriums des Innern (BMI) in Form der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsgesetz (StAR-VwV)2 und der Vorläufigen Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VAH- BMI)3. Die Vorgaben des BMI entfalten gegenüber den Landesbehörden zwar keine rechtlich bindende Wirkung.4 Soweit sie in der Praxis beachtet werden, entsteht jedoch eine grundrechtsrelevante Selbstbindung der Verwaltung, die von den Einbürgerungswilligen geltend gemacht werden kann.5 Inhaltlich sind die Vorgaben des BMI zur Ermessenseinbürgerung an den gesetzlichen Voraussetzungen zur Anspruchseinbürgerung ausgerichtet. Dies führt im Ergebnis dazu, dass eine gewisse Annäherung der Ermessenseinbürgerung an die Anspruchseinbürgerung stattfindet.6 Im Einzelnen ist auf folgende, das Ermessen der Landesbehörden leitende Vorgaben des BMI für die Einbürgerung nach § 8 StAG hinzuweisen: 2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000, GMBI 2001, 122. 3 Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz (Stand: 01.06.2015), abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/463812/publication- File/23664/Anwendungshinweise_05_2009.pdf. 4 Vgl. dazu Oberhäuser, in: Hofmann, Ausländerrecht (2. Aufl., 2016), Rn. 1 und Fn. 1 zu § 8 StAG. Zur Unverbindlichkeit der StAR-VwV siehe auch VGH BW, Urt. v. 16.10.2008, Az.: 13 S 313/08. 5 Vgl. Hailbronner (Fn. 1), Rn. 56 zu § 8. 6 Kritisch dazu Lämmermann, „Einbürgerungspolitik“ – Spielräume auf Landesebene, ZAR 2013, 52, 54. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 100/16 Seite 5 - Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, insbesondere ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (8.1.2.1 VAH-BMI,7 8.1.2.1 StAR-VwV), - in der Regel mindestens achtjähriger Inlandsaufenthalt, wobei Verkürzungen bei besonderen Integrationsleistungen in Betracht kommen (8.1.2.2 AVH-BMI, 8.1.2.2. StAR-VwV), - Bestehen eines bestimmten Aufenthaltstitels, wobei u.a. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG genügt (8.1.2.4 VAH-BMI), - staatsbürgerliche Kenntnisse (Einbürgerungstest) und Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (8.1.2.5 VAH-BMI, 8.1.2.5 StAR-VwV), - in der Regel Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit, wobei die Mehrstaatigkeit in bestimmten Fällen hingenommen werden kann (8.1.2.6 VAH-BMI, 8.1.2.6 StAR-VwV). Von diesen Vorgaben kann u.a. dann abgewichen werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Einbürgerung besteht, z.B. wenn „der Einbürgerungsbewerber durch die Einbürgerung für eine Tätigkeit im deutschen Interesse, insbesondere im Bereich der Wissenschaft, Forschung , Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, des Sports und des öffentlichen Dienstes (…) gewonnen oder erhalten werden soll“ (8.1.3.5 VAH-BMI). Ende der Bearbeitung 7 Zum Nachweis genügt nach 8.1.2.1.2. a) VAH-BMI z.B. eine Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die erfolgreiche Teilnahme an einem Sprachkurs im Rahmen eines Integrationskurses.