© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 098/17 Elektronische Veröffentlichung des Amtsblattes eines Bundeslandes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 098/17 Seite 2 Elektronische Veröffentlichung des Amtsblattes eines Bundeslandes Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 098/17 Abschluss der Arbeit: 10. Mai 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 098/17 Seite 3 1. Fragestellung Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government- Gesetz - EGovG) können bestimmte Publikationspflichten auch durch die Veröffentlichung in einem ausschließlich elektronisch erscheinenden Amtsblatt erfüllt werden. Die Ausarbeitung geht der Frage nach, ob es nach § 15 EGovG zulässig wäre, das Amtsblatt eines Bundeslandes ausschließlich elektronisch zu veröffentlichen, oder ob einer solchen Publikationsweise die §§ 3, 4a des Baugesetzbuches (BauGB) oder § 27a des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) entgegenstünden. Nicht behandelt werden verfassungsrechtliche Fragen der elektronischen Veröffentlichung von Gesetzblättern.1 2. Regelungsgehalt des § 15 Abs. 1 EGovG Das EGovG wurde im Jahr 2013 durch Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften geschaffen.2 Das Gesetz soll in unterschiedlichen Bereichen die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden ermöglichen; jedoch „dürfen elektronische Medien nicht die einzige Zugangsmöglichkeit (…) zur öffentlichen Verwaltung sein.“3 Nach § 15 Abs. 1 EGovG kann eine „durch Rechtsvorschrift des Bundes bestimmte Pflicht zur Publikation in einem amtlichen Mitteilungs- oder Verkündungsblatt des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde (…) zusätzlich oder ausschließlich durch eine elektronische Ausgabe erfüllt werden“.4 Nach § 15 Abs. 2 EGovG ist sicherzustellen, dass jedermann – auch ohne eigenen Internetzugang – elektronische Publikationen einsehen kann und dass diese dauerhaft und unverändert zugänglich bleiben. Bestimmte bundesrechtlich statuierte Publikationspflichten können demnach auch durch Veröffentlichung in einem ausschließlich elektronisch erscheinenden Amtsblatt erfüllt werden. Die Regelung soll insbesondere klarstellen, dass die Bezeichnung eines Publikationsorgans als „Blatt“ nicht zur Veröffentlichung auf Papier zwingt.5 Die allgemeine Vorschrift des § 15 Abs. 1 EGovG schließt jedoch nicht aus, dass daneben spezialgesetzlich abweichende Publikationspflichten bestehen. So nennt die Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 1 EGovG ausdrücklich das Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen und Bekanntmachungen, das die Herausgabe des Bundesanzeigers regelt, als vorrangiges spezielleres Recht.6 Daher ist jeweils durch Auslegung 1 Vgl. nur zum Verfassungsrecht des Bundes Butzer, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 78. Lfg. 2016, Art. 82 Rn. 244 f. sowie Rn. 58 mit Hinweisen zu einigen Landesverfassungen und den uneinheitlichen Bezeichnungen der Verkündungsmedien. 2 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013, BGBl. I, S. 2749. Einen Überblick über das EGovG bietet Roßnagel, Auf dem Weg zur elektronischen Verwaltung – Das E-Government-Gesetz, in: NJW 2013, 2710. 3 BT-Drs. 17/11473, S. 1. 4 Hervorhebung vom Verfasser. 5 BT-Drs. 17/11473, S. 46. 6 BT-Drs. 17/11473, S. 46. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 098/17 Seite 4 zu ermitteln, ob eine bundesgesetzliche Publikationspflicht § 15 Abs. 1 EGovG unterfällt. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn das Bundesrecht lediglich die Veröffentlichung in einem Amtsblatt vorschreibt. Differenziertere Regelungen sprechen dagegen dafür, dass spezielleres vorrangiges Recht vorliegt. 3. Ortsübliche Bekanntmachung nach §§ 3, 4a BauGB Das BauGB regelt in § 3 die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung, also bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen. Wesentlicher Bestandteil der Öffentlichkeitsbeteiligung ist die öffentliche Auslegung der Pläne. Ort und Dauer der Auslegung sind zusammen mit weiteren Informationen ortsüblich bekanntzumachen, § 3 Abs. 2 BauGB. Die genaue Form der ortsüblichen Bekanntmachung richtet sich nach Landes- und Ortsrecht. Sie kann in der Gemeindeordnung, einer Bekanntmachungsverordnung oder der Hauptsatzung einer Gemeinde geregelt sein.7 Häufig findet sie durch Anschlag an einer Verkündungstafel und Veröffentlichung in Tageszeitungen oder in einem Amtsblatt statt. Die gewählte Form der Bekanntmachung muss eine sogenannte Anstoßwirkung entfalten können, also öffentlichkeitswirksam zur Stellungnahme auffordern.8 Die Nutzung elektronischer Medien bei der ortsüblichen Bekanntmachung regelt § 4a Abs. 4 S. 1 BauGB: „Bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung können ergänzend elektronische Informationstechnologien genutzt werden.“9 Dem Wortlaut entspricht die allgemeine Auffassung: Danach soll die Norm die Nutzung elektronischer Kommunikation fördern, eine ausschließlich elektronische Bekanntmachung jedoch nicht gestatten.10 Diese Auffassung geht implizit von einer gegenüber § 15 EGovG vorrangigen Regelung aus. Das BauGB schreibt nicht die Veröffentlichung in einem Amtsblatt vor, sondern die ortsübliche Bekanntmachung. Diese kann jedoch durch Veröffentlichung in einem Amtsblatt erfolgen. Die ausschließlich elektronische Veröffentlichung eines Amtsblattes darf nicht dazu führen, dass nach dem BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachungen nur noch elektronisch erfolgen . Die §§ 3, 4a BauGB stehen einer solchen Umstellung der Amtsblattveröffentlichung aber nicht zwingend entgegen. Erfolgt die ortsübliche Bekanntmachung etwa durch kumulative Veröffentlichung im Amtsblatt und in Tageszeitungen in Papierform, so könnte das Amtsblatt auch ausschließlich elektronisch veröffentlicht werden.11 7 Vgl. nur Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, 123. Lfg. 2016, § 3 Rn. 45a. 8 Krautzberger (Fn. 7), a.a.O. 9 Hervorhebung vom Verfasser. 10 OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. Mai 2012, Az. 1 MN 218/11, Juris, Rn. 35, 43; Krautzberger (Fn. 7), § 4a Rn. 34; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 4a Rn. 6; Grigoleit/Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BauGB, 36. Ed. 2017, § 4a Rn. 13. 11 Vgl. OVG Lüneburg (Fn. 10), Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 098/17 Seite 5 4. Öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung nach § 27a VwVfG Durch das Planungsvereinheitlichungsgesetz wurde 2013 § 27a in das VwVfG des Bundes eingefügt. Aufgrund dynamischer Verweisungen gilt die Vorschrift auch im Verwaltungsverfahrensrecht mehrerer Länder. § 27a Abs. 1 S. 1 VwVfG lautet: „Ist durch Rechtsvorschrift eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung angeordnet, soll die Behörde deren Inhalt zusätzlich im Internet veröffentlichen .“12 Die Vorschrift war zunächst in demselben Artikelgesetz enthalten wie das EGovG und verfolgt ähnliche Ziele: Dem Bürger soll die Kenntnisnahme von den Bekanntmachungen durch einen bequemeren Zugang erleichtert werden. Gleichzeitig sollen herkömmliche Zugangswege erhalten bleiben: „Um Bürger, die das Internet nicht nutzen können oder wollen, nicht auszuschließen , kommt nur eine Ergänzung zur herkömmlichen Bekanntmachung in Frage.“13 Der Anwendungsbereich des § 27a VwVfG ist wegen seiner systematischen Stellung im Teil II des VwVfG umstritten.14 Die Vorschrift wird jedoch allgemein so ausgelegt, dass eine Veröffentlichung nur im Internet nicht ausreicht,15 wobei die Bedenken des Gesetzgebers gegenüber einer ausschließlich elektronischen Bekanntmachung nicht überall geteilt werden.16 Auch hier geht die allgemeine Meinung implizit vom Vorrang gegenüber § 15 EGovG aus. Wie die §§ 3, 4a BauGB regelt auch § 27a VwVfG nicht unmittelbar die Veröffentlichung in einem Amtsblatt, sondern die öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung. Die Vorschrift enthält außerdem keine Bekanntmachungspflicht, sondern knüpft lediglich an Bekanntmachungspflichten in anderen Vorschriften an. Die Bekanntmachung kann unter anderem durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt erfolgen. Innerhalb seines Anwendungsbereichs steht § 27a VwVfG einer ausschließlich elektronischen Bekanntmachung entgegen. Eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung im Sinne des § 27a VwVfG darf demnach nicht nur in einem Amtsblatt erfolgen, das ausschließlich elektronisch veröffentlicht wird. *** 12 Hervorhebung vom Verfasser. 13 BT-Drs. 17/12525, S. 9. 14 Vgl. nur Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 27a Rn. 7 ff., 16 ff., für die analoge Anwendung über den Anwendungsbereich der §§ 9 ff. VwVfG hinaus; ähnlich Schmitz/Prell, Neue Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz, in: NVwZ 2013, 745, 749; German/Jäde/Meermagen, Praxis der Kommunalverwaltung, Bd. A 15 Bund, § 27a VwVfG Nr. 4 (Stand 2014), halten § 4a Abs. 4 BauGB für spezieller und vorrangig. 15 Stelkens (Fn. 14), § 27a Rn. 2, 35; German/Jäde/Meermagen (Fn. 14), § 27a VwVfG Nr. 2; Prell, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar VwVfG, 34. Ed. 2017, § 27a Rn. 10. 16 Stelkens (Fn. 14), § 27a Rn. 3; nur auf die Frage der rechtsstaatlichen Gebotenheit einer herkömmlichen Bekanntmachungsform bezieht sich wohl auch der Verweis auf die „allgemeine Regelung“ des § 15 EGovG in Rn. 5.