© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 098/16 Das Verbot der Mischverwaltung und die Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei der Genehmigung klinischer Prüfungen Kurzinformation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 098/16 Seite 2 Das Verbot der Mischverwaltung und die Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei der Genehmigung klinischer Prüfungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 098/16 Abschluss der Arbeit: 21.03.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 098/16 Seite 3 1. Einleitung Durch Änderungen des Arzneimittelgesetzes sollen die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 für die Genehmigung von klinischen Prüfungen umgesetzt werden. Der entsprechende Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften 1 (AMG-E) sieht dazu u.a. vor, dass die zuständige Bundesoberbehörde das Votum der Ethik-Kommission maßgeblich zu berücksichtigen hat (§ 41 Abs. 3 S. 1 AMG-E). Es wird gerügt, dass diese Art der Berücksichtigung nicht den strengen Anforderungen des Art. 8 VO (EU) Nr. 536/2014 entsprechen würde. Daher solle der Frage nachgegangen werden, ob die Bundesoberbehörde gesetzlich verpflichtet werden könnte, den Voten der Ethik-Kommissionen zu folgen . Dies sei am verfassungsrechtlichen Verbot der Mischverwaltung zu prüfen, da die Ethik- Kommissionen in die Verwaltungen der Länder eingegliedert seien. Da die Beteiligung der Ethik-Kommissionen nach den vorgesehenen Änderungen des Arzneimittelgesetzes im Einzelnen differenzierter ausgestaltet ist, stellt sich die Problematik des verfassungsrechtlichen Mischverwaltungsverbots allerdings nicht zwingend. Es wurde darum gebeten, die insoweit in einem Telefongespräch erläuterten Zusammenhänge zwischen den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 und den geplanten Änderungen des Arzneimittelgesetzes noch einmal kurz zusammenzufassen. 2. Berichterstattender und betroffener Mitgliedstaat Die EU-Verordnung weist den Mitgliedstaaten verschiedene Aufgaben zu. Als betroffene Mitgliedstaaten 2 haben sie über die Genehmigung der klinischen Prüfungen zu entscheiden, Art. 8 VO (EU) Nr. 536/2014. Dabei haben sie die Vorgaben des Art. 7 VO (EU) Nr. 536/2014 zu prüfen. Als berichterstattende Mitgliedstaaten bewerten sie die Anträge nach den Maßgaben des Art. 6 VO (EU) Nr. 536/2014. Diese Bewertungen beachten die betroffenen Mitgliedstaaten bei ihren Genehmigungsentscheidungen . Die betroffenen Mitgliedstaaten können von den Bewertungen der berichterstattenden Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 VO (EU) Nr. 536/2014 nur unter bestimmten Voraussetzungen abweichen. 3. Beteiligung der Ethik-Kommission Die Beteiligung der Ethik-Kommissionen erfolgt gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 VO (EU) Nr. 536/2014 nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaates. Weiter sieht Art. 8 Abs. 4 S. 1 VO (EU) Nr. 536/2014 für die betroffenen Mitgliedstaaten vor, dass sie die Genehmigung einer klinischen Prüfung u.a. dann zu versagen haben, wenn „eine Ethik-Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat“. Eine ablehnende Stellungnahme der Ethik-Kommission ist damit für die betroffenen Mitgliedstaaten bindend. In Bezug auf die Tätigkeiten der berichterstattenden Mitgliedstaaten ist eine Beteiligung der Ethik- Kommissionen in Art. 4 VO (EU) Nr. 536/2014 jedoch nicht vorgesehen. Auch die Vorgaben in 1 Vgl. BR-Drs. 120/16. 2 Der Begriff des betroffenen Mitgliedstaats bezeichnet nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 VO (EU) Nr. 536/2014 den Mitgliedstaat , „in dem ein Antrag auf Genehmigung einer klinischen Prüfung oder einer wesentlichen Änderung derselben jeweils gemäß den Kapiteln II oder III dieser Verordnung übermittelt wurde“. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation WD 3 - 3000 - 098/16 Seite 4 Art. 6 VO (EU) Nr. 536/2014 zur Erstellung des Berichts durch die berichterstattenden Mitgliedstaaten enthalten keine Hinweise auf eine verpflichtende Beteiligung der Ethik-Kommissionen. Die Vorgaben zur Beteiligung der Ethik-Kommissionen in Bezug auf die betroffenen Mitgliedstaaten sind in § 40 Abs. 3 S. 5 AMG-E aufgegriffen worden. Danach ist die Bundesoberbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Art. 7 VO (EU) Nr. 536/2014 an die „Bewertung der nach dem Geschäftsverteilungsplan nach § 41 b Absatz 2 zuständigen Ethik-Kommission gebunden“. Darüber hinaus sieht § 40 Abs. 3 S. 2 AMG-E eine Beteiligung der Ethik-Kommissionen in den Fällen vor, in denen die Bundesrepublik berichterstattender Mitgliedstaat ist. Für diesen Fall ist das Votum der Ethik-Kommission nach § 40 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 41 Abs. 3 S. 1 AMG-E maßgeblich zu berücksichtigen. Die Bundesoberbehörde kann nach § 41 Abs. 3 S. 2 AMG-E von dem Votum der Ethik-Kommission abweichen, hat dies gegenüber der Ethik-Kommission aber schriftlich zu begründen . Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll den Voten der Ethik-Kommissionen gleichwohl eine ausschlaggebende und richtungsweisende Bedeutung zukommen: „Nach Absatz 3 muss die zuständige Bundesoberbehörde die Stellungnahme der Ethik- Kommission bei ihrer Entscheidung maßgeblich berücksichtigen. Die Formulierung ‚maßgeblich zu berücksichtigen‘ ist dabei nicht im Sinne von ‚in Erwägung ziehen‘ zu verstehen, sondern bedeutet vielmehr, dass die Stellungnahme ausschlaggebend und richtungsweisend für die Entscheidung der Bundesoberbehörde ist. Die Vorgabe der ‚maßgeblichen Berücksichtigung ‘ bewirkt, dass die Bundesoberbehörde grundsätzlich der Stellungnahme der Ethik-Kommission zu folgen hat. Sie hat nur in eng begrenzten Fällen die Möglichkeit, sich über die Stellungnahme der Ethik-Kommission hinwegzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bewertung der Ethik-Kommission offensichtlich gegen die Grundsätze der Wissenschaftlichkeit verstößt. In diesem Fall kommt zudem eine Aufhebung der Registrierung nach § 41a Absatz 5 in Betracht. Die zuständige Bundesoberbehörde hat eine Abweichung vom Votum der zuständigen Ethik-Kommission dieser gegenüber schriftlich zu begründen .“3 Die Pflicht zur „maßgeblichen Berücksichtigung“ nach § 40 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 41 Abs. 3 S. 1 AMG-E betrifft also allein die Aufgabenwahrnehmung der Bundesrepublik als berichterstattender Mitgliedstaat nach Art. 6 VO (EU) Nr. 536/2014. Soweit die Bundesrepublik als betroffener Mitgliedstaat über die Genehmigung zu entscheiden hat (Art. 7 VO (EU) Nr. 536/2014), ist das Votum der Ethik-Kommission nach § 40 Abs. 3 S. 5 AMG-E entsprechend den Vorgaben in Art. 8 Abs. 4 S. 1 VO (EU) Nr. 536/2014 bindend. Ende der Bearbeitung 3 Siehe BR-Drs. 120/16, 53 (Hervorhebungen nicht im Original).