© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 097/14 Vereinbarkeit der unterschiedlichen Belastung von neuen Eigenstromanlagen mit der EEG-Umlage nach dem geplanten § 58 Abs. 6 EEG 2014 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 2 Vereinbarkeit der unterschiedlichen Belastung von neuen Eigenstromanlagen mit der EEG-Umlage nach dem geplanten § 58 Abs. 6 EEG 2014 Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 097/14 Abschluss der Arbeit: 07.05.2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 3 1. Einleitung und Fragestellung Am 8. April 2014 hat das Kabinett der Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)1 und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts“2 (E-EEG 2014) beschlossen. Darin ist erstmals die Einbeziehung von neuen Eigenstromanlagen3 in die so genannte EEG-Umlage vorgesehen.4 Nach dem geplanten § 58 Abs. 6 Nr. 1 E-EEG 2014 soll zukünftig für Strom aus neuen Eigenstromanlagen, die Strom aus erneuerbaren Energien oder Grubengas oder aus hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen)5 produzieren, 50% der EEG-Umlage gezahlt werden.6 Für Strom aus neuen Eigenstromanlagen von Unternehmen des produzierenden Gewerbes und des Bergbaus7 sollen nach § 58 Abs. 6 Nr. 2 E-EEG 2014 hingegen nur 15% der EEG-Umlage zu entrichten sein, und zwar unabhängig von der für die Stromerzeugung eingesetzten Energie. In dem Gesetzesentwurf (E-EEG 2014) wird die Einbeziehung neuer Eigenstromanlagen damit begründet, dass in der Vergangenheit für die Beschaffung und Nutzung von Eigenstromanlagen falsche Anreize geschaffen worden seien. Eigenstromanlagen würden vor allem deswegen genutzt, weil bisher für den so produzierten Strom keine EEG-Umlage entrichtet werden muss, und nicht, weil die Nutzung von Eigenstrom in der jeweiligen Konstellation energiewirtschaftlich sinnvoll ist. Die Nutzer von Eigenstrom würden daher nicht mehr auf Strompreissignale reagieren. Sie verminderten vielmehr die Flexibilität des Gesamtsystems. Gleichzeitig erhöhe sich die Finanzierungslast 1 Aktuelle Fassung des EEG: Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz) vom 25.10.2008, BGBl. I S. 2074; zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2012, BGBl. I S. 2730. 2 Der Entwurf kann auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aufgerufen werden: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Erneuerbare-Energien/eeg-reform.html. Inzwischen ist der Gesetzentwurf auch als Bundestagsdrucksache vom 05.05.2014 erschienen: BT-Drs. 18/1304. 3 Für bereits bestehende Eigenstromanlagen sieht der Gesetzentwurf einen gewissen Bestandsschutz vor: vgl. BT-Drs. 18/1304, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2 und 3, Abs. 3 E-EEG 2014. 4 Zu diesem Thema haben die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestag bereits ein Gutachten erstellt, allerdings noch auf der Basis des dem Gesetzentwurf vorgehenden Eckpunktepapiers vom 21.01.2014: , Verfassungsrechtliche Anforderungen an die geplante Reform des Eigenstromprivilegs im Erneuerbare-Energien-Gesetz, 2014, Az.: WD 5 - 3000 - 028/14; WD 4 - 3000 - 043/14; WD 3 - 3000 - 052/14. 5 Die Vorschrift verweist für das Tatbestandsmerkmal „hocheffizient“ auf § 53a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Energiesteuergesetz (BGBl. I S. 1534; BGBl. 2008 I S. 660, 1007, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 05.12.2012, BGBl. I S. 2436, 2725; BGBl. 2013 I S. 488). 6 Kleine Eigenstromanlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 10 Kilowatt sollen allerdings von der EEG- Umlage befreit werden: BT-Drs. 18/1304, § 58 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. Abs. 5 E-EEG 2014. 7 Dies umfasst Unternehmen nach Abschnitt B oder C der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 4 für die EEG-Umlage bei allen anderen Stromverbrauchern.8 Schließlich würden die Betreiber von Eigenstromanlagen aus erneuerbaren Energien von der Lernkurve der dafür eingesetzten Technologien profitieren, die aufgrund der Förderung durch das bisherige EEG ermöglicht wurde. Die Eigenstromanlagen hätten dadurch ein Preisniveau erreicht, das einen wirtschaftlichen Einsatz möglich mache. Auch deshalb sei es gerechtfertigt, die Nutzer von Eigenstrom an diesen Förderkosten zu beteiligen.9 Die Privilegierung neuer Eigenstromanlagen, die Strom aus erneuerbaren Energien oder aufgrund von Kraft-Wärme-Kopplung produzieren, gegenüber den Eigenstromanlagen, die konventionelle Energien nutzen (Reduzierung der EEG-Umlage auf 50%), trage der besonderen Bedeutung der Eigenversorgung für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes Rechnung. Die deutlich niedrigere Belastung von Eigenversorgungsanlagen des produzierenden Gewerbes sowie des Bergbaus in Höhe von 15% der EEG-Umlage folge daraus, dass entsprechende neue Anlagen meist KWK-Anlagen oder Anlagen zur energetischen Verwertung von in den industriellen Prozessen anfallenden Reststoffen seien. Im Bereich der industriellen KWK-Anlagen gäbe es derzeit keine klaren Anzeichen für falsche Anreize, so dass die niedrigere EEG-Umlage festgelegt werde. Allerdings werde die weitere Entwicklung in diesem Bereich im Rahmen eines Monitoringberichts evaluiert (§ 94 Abs. 1 Nr. 4 E-EEG 2014).10 Vor diesem Hintergrund ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese in ihrer Höhe unterschiedliche Einbeziehung von neuen Eigenstromanlagen von Unternehmen des produzierenden Gewerbes und sonstigen neuen Eigenstromanlagen mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. 2. Erläuterungen Nach dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) muss der Gesetzgeber – grob zusammengefasst – gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich behandeln.11 Daher stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei der geplanten unterschiedlichen Belastung mit der EEG-Umlage des produzierenden Gewerbes und Bergbaus einerseits und der sonstigen neuen Eigenversorgungsanlagen andererseits um einen gleichen Sachverhalt handelt, der ungleich behandelt wird (dazu unten Ziff. 2.1.). Ist dies der Fall, so bedarf diese Ungleichbehandlung einer Rechtfertigung, um den Gleichheitssatz nicht zu verletzen (dazu unten Ziff. 2.2). 8 Siehe dazu auch die Erläuterungen im Allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2), BT-Drs. 18/1304, S. 138: „Durch die grundsätzliche Beteiligung der Eigenversorgung mit Strom […] an der EEG-Umlage wird gewährleistet, dass die Ausbaukosten der erneuerbaren Energien aufgrund der Sach- und Verantwortungsnähe angemessen auf alle energiewirtschaftlichen Akteure verteilt werden. Hierdurch wird zugleich die Finanzierungsbasis der EEG-Umlage erweitert und die Höhe der EEG-Umlage für alle Stromverbraucher begrenzt. Zudem wird die aus einzelwirtschaftlicher Sicht bestehende Attraktivität der Eigenversorgung, der aus gesamtwirtschaftlicher Sicht vielfach mit einer Erhöhung der Gesamtkosten des Energiesystems verbunden ist, verringert.“ 9 Vgl. zum ganzen Absatz die Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2) zu § 58, BT-Drs. 18/1304, S. 234 und S. 238. 10 Siehe auch hier zum ganzen Absatz die Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2) zu § 58, S. 238 f. 11 BVerfGE 3, 58, 135 f. – Fortgeltung von Beamtenverhältnissen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 5 2.1. Ungleiche Behandlung gleicher Sachverhalte Da niemals zwei Sachverhalte vollkommen identisch sind, außer es handelt sich dabei um dieselbe Sache, sind an die Beurteilung der „Gleichheit“ keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (schematische Gleichbehandlung).12 Die Produktion und Nutzung von Eigenstrom ist auf dieser insoweit zulässigen Abstraktionsstufe ein gleicher Sachverhalt, an den die geplante Regelung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Dabei bestehen Unterschiede nicht nur im Verhältnis zwischen den Eigenstromproduzenten (Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Bergbaus einerseits und sonstige Eigenstromanlagen andererseits) sondern auch darin, dass die neue EEG-Umlagepflicht für sonstige Eigenstromanlagen nur dann reduziert wird (50%), wenn sie für die Stromerzeugung erneuerbare Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung nutzt, die Eigenstromanlagen der genannten Unternehmenszweige jedoch unabhängig von der eingesetzten Energie privilegiert sind. Aufgrund dieser Ungleichbehandlung ist die geplante Regelung an den Vorgaben des Gleichheitssatzes zu messen. 2.2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 2.2.1. Rechtfertigung unter Heranziehung der Gesetzesbegründung Den Maßstab, der für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nach Art. 3 Abs. 1 GG anzusetzen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe von jüngeren Entscheidungen neu definiert.13 Neben dem Willkürverbot, das eine evident unsachliche Ungleichbehandlung verbietet,14 richtet sich der Rechtfertigungsmaßstab nach der Eingriffsintensität.15 Da durch die Einbeziehung von Eigenstromanlagen in die EEG-Umlagepflicht auch Freiheitsrechte, d.h. die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das allgemeine Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen sein können, wie dies auch die Gesetzesbegründung zum EEG 2014 herausstellt,16 darf der Rechtfertigungsmaßstab für die Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu niedrig angesetzt werden.17 Im Rahmen der vorliegenden Fragestellung kann allerdings offenbleiben, welcher genaue Rechtfertigungsmaßstab gilt. Denn vor einer vertieften Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung und des anzusetzenden Maßstabs muss feststehen, auf welche sachlichen Gründe sich 12 Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 3. Auflage 2013, Band I, Art. 3 Rdnr. 25; im Ergebnis ähnlich: Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Online-Kommentar GG, Stand: 01.03.2014, Art. 3 Rdnr. 15 und 18. 13 Siehe statt aller Entscheidungen die Zusammenfassung der Rechtsprechung bei: Britz, Der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2014, 346. 14 Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 3. Auflage 2013, Band I, Art. 3 Rdnr. 32. 15 Die Rechtsprechung hat in der Gesamtschau verschiedene Kriterien entwickelt, bei denen eine besondere Prüfungsstrenge angelegt werden muss: Zusammengefasst bei Britz, Der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2014, 346, 349. 16 Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2), BT-Drs. 18/1304, S. 154 f. 17 Vgl. zur Prüfungsstrenge des Art. 3 Abs. 1 GG soweit die Ungleichbehandlung auch Freiheitsrechte betrifft: Britz, Der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2014, 346, 349. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 6 die geplante Ungleichbehandlung im Einzelnen stützt. Die Gesetzesbegründung zum geplanten EEG 201418 bleibt diesbezüglich jedoch lückenhaft. Die Belastung der sonstigen Eigenstromanlagen (außerhalb der genannten Unternehmenszweige) in Höhe von 50% der EEG-Umlage stützt sich nach der Gesetzesbegrünung auf drei Argumente. Erstens würden die Betreiber die Eigenstromanlagen aufgrund falscher (wirtschaftlicher und nicht energiewirtschaftlicher) Anreize nutzen. Zweitens würden sie von dem Technologiefortschritt profitieren, der durch das EEG ermöglicht wurde und der die Nutzung von Eigenenergie überhaupt erst wirtschaftlich sinnvoll gemacht habe. Drittens würde die Finanzierungslast der übrigen Stromverbraucher, die mit der EEG-Umlage belastet sind, durch die Nutzung der bisher umlagefreien Eigenenergie erhöht, was nunmehr zu Gunsten einer besseren Verteilungsgerechtigkeit geändert werden solle.19 Demgegenüber sei die deutlich geringere Belastung der Eigenstromanlagen von Unternehmen des produzierenden Gewerbes und des Bergbaus in Höhe von nur 15% der EEG-Umlage gerechtfertigt, da es bei den häufig von diesen Unternehmenszweigen genutzten KWK-Anlagen „keine klaren Anzeichen für falsche Anreize“ gäbe.20 Die falschen Anreize bei den sonstigen Eigenstromanlagen bestehen nach der Gesetzesbegründung darin, dass die Betreiber aufgrund der Vorteile, die vor allem die Befreiung von der EEG-Umlage bietet, nicht mehr auf Strompreissignale reagieren würden. Damit hebt die Gesetzesbegründung nur auf eines der drei Argumente ab, die die Belastung der sonstigen Eigenstromanlagen mit der EEG-Umlage rechtfertigen sollen. So wird in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht deutlich, warum gerade die genannten Unternehmenszweige Eigenstrom (ausschließlich) aufgrund anderer Überlegungen, und nicht zumindest auch aufgrund des damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteils nutzen. Darüber hinaus wird nicht erläutert, warum die genannten Unternehmenszweige im Unterschied zu den sonstigen neuen Eigenstromanlagen nur eingeschränkt von dem Technologiefortritt der Eigenversorgungsanlagen, der durch das EEG ermöglicht wurde, profitieren, was die reduzierte Belastung mit nur 15% der EEG-Umlage rechtfertigen könnte. Ebenso bleibt in der Begründung des Entwurfs unbeantwortet, warum das Argument, dass die übrigen Stromverbraucher nicht allein mit der EEG-Umlage belastet werden sollen, für die genannten Unternehmenszweige nicht in gleichem Maße gilt wie für die sonstigen Eigenstromanlagen. Schließlich bleibt auf der Basis der Begründung des Gesetzentwurfs offen, aus welchen Gründen die Eigenstromerzeugung durch die genannten Unternehmenszweige auch für die Nutzung von konventioneller Energie gelten soll. Das EEG ist davon geprägt, gerade die Nutzung von erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung wirtschaftlich zu entlasten, da diese Energien als besonders umwelt- und ressourcenschonend betrachtet werden.21 Dementsprechend sieht auch der aktuelle Gesetzentwurf (EEG 2014) vor, dass die Nutzung von Strom aus sonstigen 18 BT-Drs. 18/1304, S. 129 ff. 19 Vgl. zu diesen Argumenten schon oben S. 3 f., insbesondere Fn. 8, sowie die Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2), BT-Drs. 18/1304, im allgemeinen Teil S. 138 und im Einzelnen zu § 58 E-EEG 2014, S. 234 und S. 238. 20 Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2), BT-Drs. 18/1304 zu § 58, S. 238 f. 21 Vgl. dazu schon die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) aus dem Jahr 1990, BT-Drs. 11/7816, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 7 neuen Eigenstromanlagen nur dann zu 50% von der EEG-Umlage befreit sein soll, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder durch bestimmte KWK-Anlagen produziert wird.22 Neue Eigenstromanlagen, die konventionelle Energien nutzen, sollen die EEG-Umlage in voller Höhe tragen. Zwar ist in der Begründung des Gesetzesentwurfs dargestellt, dass neue Eigenstromanlagen der genannten Unternehmenszweige „meist KWK-Anlagen oder Anlagen zur energetischen Verwertung von in den industriellen Prozessen anfallenden Reststoffen“ seien, warum dann aber auch Anlagen, die konventionelle Energien nutzen, in den Wortlaut der Privilegierungsklausel des § 58 Abs. 6 Nr. 2 E-EEG 2014 einbezogen sind, bleibt unbegründet. Diese Regelung erscheint auf der Basis somit auch systemwidrig, was durch die Begründung des Gesetzentwurfs nicht ausgeräumt wird. 2.2.2. Mögliche Rechtfertigung bei Vorliegen weiterer Gründe für die Ungleichbehandlung Diese Lücken in der Begründung des Gesetzentwurfs vom 8. April 2014 führen allerdings nicht dazu, dass auf der Grundlage der dargestellten Argumente ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes angekommen werden kann. Aufgrund weiterer Informationen kann sich durchaus eine ausreichende Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Bei Abschluss dieser Arbeit lagen jedoch entsprechende Informationen, die über die Begründung in dem Gesetzentwurf hinausgehen, nicht vor und konnten auch den Internetseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die das neue Gesetzesvorhaben vorstellen und erläutern,23 nicht entnommen werden. Zwar kennt das Grundgesetz keine explizite Verpflichtung, dass Gesetze begründet werden müssen.24 Allerdings kann eine (umfassende) Gesetzesbegründung dann erforderlich sein, wenn sich daraus für den Bürger die politischen Abwägungen und Prognoseentscheidungen ergeben, aufgrund der die jeweilige gesetzliche Regelung getroffen wurde.25 In dem Gesetzentwurf wird darauf verwiesen, dass die Einbeziehung der Eigenstromanlagen in die EEG-Umlagepflicht und die unterschiedlichen Privilegierungen im Rahmen eines Monitoringberichts in Zukunft evaluiert werden soll (§ 94 Abs. 1 Nr. 4 E-EEG 2014).26 Dies macht deutlich, dass die nun geplanten Regelungen und unterschiedlichen Belastungen für Eigenstromanlagenbetreiber auf einer Prognoseentscheidung beruhen. Eine 22 Auch in der Anlage zum Eckpunktepapier vom 21.01.2014 zum EEG 2014, das dem Gesetzentwurf vorausging, war noch vorgesehen, dass Neuanlagen 90% der EEG-Umlage zahlen müssen und sich dieser Betrag nur bei der Nutzung von erneuerbaren Energien- und KWK-Anlagen sowie neuen Kuppelgasnutzungen auf 70% reduziert. Vgl. Anlage zum Eckpunktepapier im Internet aufrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/energie,did=617196.html. 23 http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/erneuerbare-energien.html. 24 Redeker/Karpenstein: Über Nutzen und Notwendigkeiten, Gesetze zu begründen, NJW 2001, 2825, 2827; Hebeler, Ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet, Gesetze zu begründen?, DöV 2010, 754, 755. 25 Die Fallgruppen, in denen die Rechtsprechung eine Begründungspflicht bejaht hat, sind zusammenfassend dargestellt bei Hebeler, Ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet, Gesetze zu begründen?, DöV 2010, 754, 756. 26 Begründung des Gesetzentwurfs (Fn. 2) zu § 58, S. 237. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/14 Seite 8 solche Prognoseentscheidung kann gerade unter dem Regime des Gleichheitssatzes durchaus zulässig sein,27 sollte dann aber umfassend begründet sein.28 2.3. Ergebnis Im Ergebnis kann somit nicht beurteilt werden, ob die geplanten Regelungen mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sind, da die entsprechenden Begründungen im Gesetzentwurf lückenhaft sind und weitere Informationen zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens der Verfasserin zu der aufgeworfenen Frage nicht vorliegen. 27 „erheblicher Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum“ des Gesetzgebers, vgl. Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar , 3. Auflage 2013, Band I, Art. 3 Rdnr. 52 m.w. N. aus der Rechtsprechung. 28 Scholz sieht in Bezug auf die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch eine gesetzliche Regelung stets ein „Begründungsgebot“ des Gesetzgebers, das aus Art. 3 Abs. 1 GG folge: Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz- Kommentar, Loseblattsammlung, Grundwerk, Art. 3 Rdnr. 316 ff., ähnlich auch Osterloh, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Auflage 2009, Art. 3 Rdnr. 103.