© 2013 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 097/13 Maritime Sicherheit Neuregelung des Einsatzes privater Sicherheitsdienste auf Seeschiffen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 2 Maritime Sicherheit Neuregelung des Einsatzes privater Sicherheitsdienste auf Seeschiffen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 097/13 Abschluss der Arbeit: 28.05.2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf See nach bisheriger Rechtslage 4 3. Das neue Zulassungsverfahren nach § 31 GewO 5 3.1. Rechtsgrundlagen und Inkrafttreten 5 3.2. Behördliche Zuständigkeiten 6 3.3. Voraussetzungen für eine Zulassung 6 3.4. Materielle Befugnisse des Wachpersonals 8 3.5. Verhältnis Einsatzleiter – Kapitän 9 4. Waffenrechtliche Änderungen 9 5. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 4 1. Vorbemerkung Diese Ausarbeitung stellt die aktuellen rechtlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Seeschiffen zur Abwehr von Piratenangriffen dar. Vorauszuschicken ist, dass die deutsche Rechtsordnung nach dem Flaggenstaatsprinzip nur auf Schiffen gilt, die unter der Bundesflagge fahren und damit die deutsche Staatszugehörigkeit besitzen .1 Nur auf diese beziehen sich daher die gewerberechtlichen Neuregelungen zum Einsatz privater Sicherheitsdienste. Da das anwendbare Recht der Staatszugehörigkeit des Schiffes folgt, findet deutsches Recht auch auf ausländische Sicherheitsunternehmen Anwendung, die ihre Dienste auf Schiffen unter deutscher Flagge erbringen.2 2. Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf See nach bisheriger Rechtslage Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Seeschiffen bedarf nach bisheriger Rechtslage einer gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 34a Gewerbeordnung (GewO)3. Nach der Vorschrift ist das gewerbsmäßige Bewachen des Lebens oder Eigentums fremder Personen erlaubnispflichtig. Da eine Sonderregelung für den maritimen Bereich bisher nicht bestand, fiel auch der Bewachungseinsatz auf Seeschiffen unter diese Norm, obwohl diese erkennbar nicht auf den maritimen Bereich zugeschnitten ist. So fordert § 34a Abs. 1 S. 6 GewO die Ablegung einer Sachkundeprüfung lediglich für Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen, beim Schutz vor Ladendieben und bei Bewachungen im Einlassbereich von Diskotheken. Die Bewachung von Seeschiffen gegen Piraterie bedarf jedoch besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten , insbesondere nautischer und operativer, aber auch rechtlicher Art, zumal sich der Einsatz rechtlich in einem hochkomplexen, stark völkerrechtlich determinierten Umfeld abspielt. Zudem sind in den Betätigungsgebieten der Sicherheitsdienste auf Hoher See bzw. in fremden Küstenmeeren die herkömmlichen gewerberechtlichen Kontrollinstrumente wie etwa die Nachschau nach § 29 GewO nicht handhabbar. All dies hat Anlass zur Regelung eines auf die Besonderheiten im maritimen Bereich angepassten Zulassungsverfahrens gegeben. 1 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 27 Rn. 13. 2 Vgl. König/Salomon, Private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen – Rechtliche Implikationen, PiraT‐Arbeitspapiere zur Maritimen Sicherheit Nr. 2, März 2011, S. 25.; abrufbar unter: http://www.maritimesecurity.eu/ fileadmin/content/news_events/workingpaper/PiraT_Arbeitspapier_Nr2_2011_Koenig-Salomon.pdf. 3 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. April 2013 (BGBl. I S. 930) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 5 3. Das neue Zulassungsverfahren nach § 31 GewO 3.1. Rechtsgrundlagen und Inkrafttreten § 31 Abs. 1 GewO normiert nun eine Zulassungspflicht für Personen, die „gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen auf Seeschiffen seewärts der Begrenzung der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone zur Abwehr äußerer Gefahren bewachen“ wollen. Es wird damit ein gewerberechtlich eigenständiges „Bewachungsgewerbe auf Seeschiffen“ geschaffen, das von der Erlaubnispflicht des § 34a GewO ausgenommen und ausschließlich der Zulassungspflicht nach § 31 GewO unterworfen wird. Die jetzige Fassung des § 31 Abs. 1 GewO ist das Ergebnis des Beratungsverlaufs im federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, nachdem im Regierungsentwurf „Bewachungsaufgaben nach § 34a Absatz 1 auf Seeschiffen“ unter die Zulassungspflicht nach § 31 GewO fallen sollten. Die Änderung soll klarstellen, dass die Durchführung herkömmlicher Bewachungstätigkeiten wie etwa auf Nord- und Ostseefähren weiterhin der Erlaubnispflicht nach § 34a GewO unterfällt. § 31 Abs. 2 GewO regelt behördliche Zuständigkeiten (dazu unter 3.2) und Gründe für die Versagung der Zulassung (dazu unter 3.3). § 31 Abs. 3 GewO enthält eine Gebührenregelung. § 31 Abs. 4 GewO enthält eine Verordnungsermächtigung zugunsten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Regelung der Einzelheiten des Zulassungsverfahrens, der inhaltlichen Anforderungen an die Bewachungsunternehmen sowie über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen des Wachpersonals bei der Ausübung der Bewachungstätigkeit. Diese Verordnungen sind im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu erlassen und bedürfen der Zustimmung des Bundestages. Aufgrund des Zustimmungsvorbehalts handelt es sich um eine sog. verengte Verordnungsermächtigung.4 Die Zustimmung des Bundesrates ist hingegen nicht erforderlich. Im Verlauf der Ausschussberatungen wurde die ursprüngliche Fassung des § 31 Abs. 4 GewO um die Möglichkeit der weiteren Delegation der Befugnis zur Regelung von Teilen des Zulassungsverfahrens durch Rechtsverordnung auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ergänzt. Dies soll eine schnellere Anpassung der technischen Durchführungsbestimmungen an die detaillierten und häufigen Änderungen unterliegenden internationalen Regelungen ermöglichen.5 Die Inkrafttretensregelung ist im Ausschuss so gefasst worden, dass der die Zulassungspflicht begründende § 31 Abs. 1 GewO erst zum 1. August 2013 in Kraft tritt, während die das Zulassungsverfahren betreffenden Absätze bereits regulär am Tag nach der Verkündung am 13. März 2013 in Kraft getreten sind. Dies soll sicherstellen, dass am Tag des Inkrafttretens der Zulas- 4 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 80 Rn. 60. 5 BT-Drs. 17/11887, S. 12; BT-Drs. 17/13308, S. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 6 sungspflicht bereits eine ausreichende Zahl von zugelassenen Bewachungsunternehmen zur Verfügung steht und es hier nicht zu Engpässen kommt. Aus diesem Grund wurde das Inkrafttreten des § 31 Abs. 1 GewO später nochmals um vier Monate auf den 1. Dezember 2013 verschoben (durch Art. 2 des Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebungen in bestimmten Dienstleistungsbereichen und zur Änderung von Vorschriften des Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen vom 24. April 2013).6 Mittlerweile hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 31 Abs. 4 GewO die Seeschiffbewachungsverordnung (SeeBewachV) vom 25. April 20137 und das hierzu ermächtigte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Seeschiffbewachungsdurchführungsverordnung (SeeBewachDV) vom 25. April 20138 erlassen. Beiden Rechtsverordnungen hat der Bundestag mit Änderungen am 16. Mai 2013 zugestimmt. Für ihr Inkrafttreten bedürfen sie noch der Verkündung. Die in den Rechtsverordnungen gesetzten Qualifikationsstandards an die Bewachungsunternehmen sind in enger Anlehnung an die Leitlinien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization – IMO) erfolgt.9 Die gewerberechtlichen Neuregelungen werden flankiert durch einen neu eingefügten § 28a Waffengesetz (WaffG)10, wonach bei Bewachungsunternehmen, die über eine Zulassung gemäß § 31 GewO verfügen, ein Bedürfnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen anerkannt wird (näher unter 4). 3.2. Behördliche Zuständigkeiten Die Zuständigkeit für die Erteilung der Zulassung und die Durchführung der damit verbundenen Verwaltungsaufgaben liegt nach § 31 Abs. 2 und Abs. 7 GewO beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das im Benehmen mit der Bundespolizei handelt. Ohne diese gesetzliche Zuständigkeitsregelung läge die Zuständigkeit gemäß Art. 83 GG bei den Ländern. Die verfassungsrechtliche Grundlage für die abweichende Beanspruchung der Verwaltungskompetenz durch den Bund bildet Art. 87 Abs. 3 GG. 3.3. Voraussetzungen für eine Zulassung § 31 Abs. 2 S. 3 GewO statuiert Gründe, aus denen eine Zulassung zu versagen ist. Liegt keiner der genannten Versagungsgründe vor, dürfte – ebenso wie bei § 34 a GewO – angesichts der ver- 6 BGBl. I S. 930. 7 BT-Drs. 17/13308. 8 BT-Drs. 17/13309. 9 Dies sind insbesondere die „Überarbeiteten Interimsleitlinien für Reeder, Schiffsbetreiber und Schiffsführer über den Einsatz von privatem bewaffnetem Bewachungspersonal an Bord von Schiffen im Hochrisikogebiet“, die die vom Maritime Security Centre Horn of Africa (MSCHOA) herausgegebenen Handlungsempfehlungen „Best Management Practices for Protection against Somalia Based Piracy“ in Bezug nehmen, abrufbar unter: http://www.mschoa.org/docs/public-documents/bmp4-low-res_sept_5_2011.pdf. 10 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. März 2013 (BGBl. I S. 362) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 7 fassungsrechtlich gewährleisteten Berufs- und Gewerbefreiheit ein Rechtsanspruch auf Zulassung bestehen.11 Die Zulassung ist nach § 31 Abs. 2 S. 3 GewO zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die Anforderungen an die betriebliche Organisation und Verfahrensabläufe, insbesondere die Maßnahmen zur Sicherstellung der fachlichen und persönlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit der eingesetzten Personen, erfüllt, nicht die Anforderungen an die Geschäftsleitung sowie an die mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person hinsichtlich der fachlichen und persönlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit erfüllt oder den Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung nicht erbringt. Die einzelnen Anforderungen werden in der SchiffBewachV und der SchiffBewachDV konkretisiert . So umfasst eine ordnungsgemäße betriebliche Organisation nach § 4 SchiffBewachV unter anderem die Ernennung eines leitenden Angestellten zum Verantwortlichen, eine Aufbau- und Ablauforganisation, Personalauswahl- und -überprüfungsprozesse für die eingesetzten Wachpersonen , die Sicherstellung der Rechtsberatung der Wachpersonen sowie die Einrichtung von Kontroll-, Prüf-, Dokumentations- und Kommunikationssystemen. § 5 SchiffBewachV enthält Vorgaben für von den Unternehmen festzulegende Verfahrensabläufe für die Planung und Durchführung von Einsätzen auf See. Ferner werden Anforderungen an die eingesetzten Personen wie Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und Sachkunde definiert. Im Gegensatz zu § 34a GewO erfolgt die Zulassung nach § 31 GewO nicht personenbezogen, sondern unternehmensbezogen. Diese im Gewerberecht unübliche Anknüpfung liegt in dem Umstand begründet, dass die Anbieter maritimer Bewachungsdienste überwiegend ausländische Unternehmen mit ausländischem Personal sind und daher eine Einzelüberprüfung der einzelnen Wachpersonen nur begrenzt durchführbar sind, noch weniger eine laufende Überwachung vor Ort im Einsatzgebiet.12 Daher sind auch die im Zulassungsverfahren vorzunehmenden Prüfungen organisations- und nicht personenbezogen. Es wird nicht geprüft, ob die einzelnen Wachpersonen zuverlässig und persönlich geeignet sind und über die nötige Sachkunde verfügen, sondern ob das Unternehmen diese materiellen Verpflichtungen durch geeignete Organisation sowie Auswahl-, Kontroll- und Prüfprozesse sicherstellt. Kern des Zulassungsverfahrens ist daher die umfassende Prüfung der betrieblichen Organisation und der Verfahrenslabläufe innerhalb des Unternehmens, ergänzt durch eine personenbezogene Prüfung des verantwortlichen leitenden Angestellten.13 Ebenfalls mit den maritimen Besonderheiten hängt zusammen, dass die Zulassung nach § 31 Abs. 2 GewO i.V.m. § 3 SeeBewachV zwingend auf zwei Jahre befristet erteilt wird. Da andere 11 Zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei § 34a GewO vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 63. Ergänzungslieferung 2013, § 34a Rn. 23. 12 Vgl. BT-Drs. 17/13308, S. 2. 13 Vgl. BT-Drs. 17/13308, S. 18 sowie BT-Drs. 17/13042, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 8 Überwachungsinstrumente des Gewerberechts wie etwa die Nachschau nach § 29 GewO bei einem außerhalb der Hoheitsgewässer gelegenen Tätigkeitsort nicht in Betracht kommen, wird durch die Befristung sichergestellt, dass die Voraussetzungen einer Zulassung gleichwohl regelmäßig überprüft werden. 3.4. Materielle Befugnisse des Wachpersonals Die gewerberechtlichen Neuregelungen begründen keine neuen Befugnisse des Wachpersonals gegenüber Angreifern. Weder ist das Bewachungsunternehmen staatlicher Hoheitsträger noch werden ihm in irgendeiner Weise hoheitliche Befugnisse verliehen. Es bleibt beim staatlichen Gewaltmonopol. Wie bisher auf der Grundlage von § 34a GewO gilt, dass dem Wachpersonal nur die sog. Jedermannsrechte zustehen, wie § 31 Abs. 2 S. 4 GewO durch Verweis auf § 34a Abs. 5 GewO klarstellt . Das bedeutet, dass das Wachpersonal Abwehrmaßnahmen je nach Umständen des Einzelfalles auf die jedermann zustehenden Rechtsinstitute der Notwehr bzw. Nothilfe, des Notstandes oder der Selbsthilfe stützen kann. Praxisrelevant dürfte bei Piratenangriffen insbesondere das Nothilferecht, also das Eingreifen zugunsten Dritter, nach § 32 Abs. 2 Var. 2 Strafgesetzbuch (StGB)14 sein.15 Durch diese strafrechtlichen Regelungen ist gewissermaßen der äußere Rahmen des Einsatzgeschehens bei Piratenangriffen abgesteckt. In diesem Rahmen werden gewerberechtlich jedoch weitere Vorgaben gemacht. Die erwähnten nach § 5 SchiffBewachV festzulegenden Verfahrensabläufe haben sich unter anderem auf das Verhalten im Angriffsfall und auf Regelungen zur Anwendung von Gewalt und zum Gebrauch von Waffen zu erstrecken. § 12 Abs. 4 SeeBewachDV trifft dafür im Hinblick auf den Waffengebrauch im Angriffsfall folgende inhaltliche Vorgaben: „Das Bewachungsunternehmen hat grundsätzlich die Anwendung körperlicher Gewalt und den Gebrauch von Waffen zu vermeiden. Ausnahmen hiervon können nur im Einklang mit den maßgeblichen deutschen Rechtsvorschriften, insbesondere den §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch, unter besonderer Beachtung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit erfolgen. In Gebieten, in denen Angriffe auf das Seeschiff drohen, haben die eingesetzten Wachpersonen ihre Waffen einsatzbereit mit sich zu führen. Liegt ein Angriff vor und sind andere mildere Abwehrmaßnahmen nicht erfolgreich oder ist deren Einsatz nicht erfolgversprechend, so gibt der Einsatzleiter – nachdem der Kapitän dies ausdrücklich angeordnet hat – die Anweisung, die Abwehrpositionen zu besetzen und lässt Feuerbereitschaft herstellen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände im Einzelfall sind folgende Eskalationsstufen grundsätzlich vorgesehen: 14 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 734) geändert worden ist. 15 Einzelheiten dazu bei König/Salomon, Private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen – Rechtliche Implikationen, PiraT‐Arbeitspapiere zur Maritimen Sicherheit Nr. 2, März 2011, S. 32 ff., abrufbar unter: http://www.maritimesecurity.eu/fileadmin/content/news_events/workingpaper/PiraT_Arbeitspapier_Nr2_2011_Koe nig-Salomon.pdf; sowie bei , Einsatz der Bundespolizei und privater Sicherheitsdienste zur Pirateriebekämpfung , Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung - WD 3 - 013/12, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 9 1. Warnschüsse in die Luft, 2. Warnschüsse in das Wasser in der Nähe der Angreifer, 3. gezielte Schüsse gegen Sachen, insbesondere den Motor des Bootes oder den Bootskörper , 4. als letztes Mittel, wenn alle milderen Abwehrmaßnahmen wirkungslos sind, ist der Gebrauch der Schusswaffen direkt gegen die Angreifer möglich.“ Diese vorgesehenen Eskalationsstufen machen die Einhaltung des unmittelbar nur für staatliches Handeln geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch für die privaten Bewachungsunternehmen verbindlich. Grundsätzlich ist danach der Einsatz von Waffen und körperlicher Gewalt zu vermeiden. Nur wenn andere Abwehrmaßnahmen nicht erfolgversprechend sind, kann in den Grenzen des Notwehr-, Nothilfe- und Notstandsrechts abgestuft ein Waffeneinsatz erfolgen. Die Eskalationsstufen sollen dem Angreifer zunächst die Absicht zur Gegenwehr verdeutlichen. Erfahrungen haben gezeigt, dass Angriffe häufig abgebrochen werden, sobald die Angreifer auf bewaffnete Gegenwehr stoßen.16 Nach § 12 Abs. 7 SeeBewachDV ist das Verhalten der Wachpersonen bei der Abwehr von Angriffen zu dokumentieren. 3.5. Verhältnis Einsatzleiter – Kapitän § 12 Abs. 2 SeeBewachDV bestimmt, dass innerhalb des Bewachungsteams eine klare Hierarchie und Anweisungsstruktur bestehen muss und ein verantwortlicher Einsatzleiter zu benennen ist Dessen Anweisungen haben alle Wachpersonen Folge zu leisten. Unberührt hiervon bleibt die aus § 106 Seemannsgesetz (SeemG)17, ab dem 1. August 2013 aus § 121 Seearbeitsgesetz, folgende oberste Anordnungsbefugnis des Kapitäns gegenüber allen an Bord tätigen Personen. Dem Kapitän obliegt daher die Feststellung, ob ein Angriff vorliegt, und die Anordnung von Abwehrmaßnahmen. Der Einsatzleiter hat sich nach § 12 Abs. 3 SeeBewachDV im Angriffsfall daher grundsätzlich beim Kapitän aufzuhalten, um ihn zu beraten und dessen Anweisungen entgegenzunehmen. 4. Waffenrechtliche Änderungen Den Umgang mit Waffen ist nach § 2 Abs. 2 WaffG erlaubnispflichtig. Voraussetzung für eine Erlaubnis ist gemäß § 4 WaffG unter anderem ein nachgewiesenes Bedürfnis. Mit § 28a WaffG ist eine Regelung geschaffen worden, die die Erlangung einer waffenrechtlichen Erlaubnis durch Inhaber einer Zulassung nach § 31 GewO erleichtert. Diese Zulassung stellt nach § 28a Abs. 1 S. 2 WaffG bereits selbst den Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses dar. Die Geltungsdauer der waffenrechtlichen Erlaubnis ist an die der gewerberechtlichen Zulassung zu knüpfen. 16 BT-Drs. 17/13309. 17 Seemannsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 9513-1, veröffentlichten bereinigten Fassung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 097/13 Seite 10 § 48 Abs. 1 S. 2 WaffG n.F. konzentriert die behördliche Zuständigkeit für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse nach § 28a WaffG bei der für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zuständigen Waffenbehörde. Was die Art der Bewaffnung angeht, so sind allerdings auch zur Abwehr von Piratenangriffen lediglich die zivilen in der Anlage zum Waffengesetz aufgeführten Waffen erlaubnisfähig (vgl. auch die nach § 14 SeeBewachDV zwingend mitzuführenden Waffen). In der Fachliteratur wird darauf hingewiesen, dass diese Waffen zur Abwehr mit Sturmgewehren und Raketenwerfern angreifender Piraten im Einzelfall nicht ausreichen könnten.18 5. Fazit Mit der Neuregelung des § 31 GewO hat der Gesetzgeber ein Zulassungsverfahren für private Sicherheitsdienste geschaffen, das den besonderen Anforderungen im maritimen Bereich Rechnung trägt. Die Besonderheiten schlagen sich zum einen in den im Vergleich zur vorherigen Rechtslage stärker auf die Piraterieabwehr ausgerichteten Qualitätsanforderungen nieder, zum anderen in dem gewerberechtlich neuartigen Zulassungsverfahren, das einen unternehmensbezogenen Ansatz verfolgt. Materielle Befugnisse werden dem Wachpersonal mit der Neuregelung nicht verliehen. Ihnen stehen nach wie vor nur die Jedermannsrechte zu. Insbesondere das allgemeine Notwehr- und Nothilferecht vermittelt jedoch eine ausreichende Rechtposition, um im Angriffsfall Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können. Angesichts des rechtlich wie sachlich neuartigen Verfahrens hat der Bundestag in einer Entschließung eine Evaluierung der einzelnen Regelungen der Rechtsverordnungen nach zwei Jahren gefordert. 18 Vgl. König/Salomon, Private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen – Rechtliche Implikationen, PiraT‐Arbeitspapiere zur Maritimen Sicherheit Nr. 2, März 2011, S. 30 f.; abrufbar unter: http://www.maritimesecurity.eu/file admin/content/news_events/workingpaper/PiraT_Arbeitspapier_Nr2_2011_Koenig-Salomon.pdf.