© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 096/18 Fragen zur Beseitigung von Luftminen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 2 Fragen zur Beseitigung von Luftminen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 096/18 Abschluss der Arbeit: 06.04.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 3 1. Fragestellung Der vorliegende Sachstand thematisiert die Fragen zur Zuständigkeits- und Kostenlastverteilung bei der Beseitigung von aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Luftminen. Dabei wird zunächst – unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsnormen – beleuchtet, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bund, die Länder und die Kommunen für die Beseitigung der Luftminen zuständig sind und wem daran anschließend die Kostentragung obliegt. Sodann wird der Blick auf die privaten Grundstückseigentümer gerichtet und gefragt, ob diese für die Beseitigung der auf ihrem Grundstück befindlichen Luftminen verantwortlich sind und inwieweit sie zur Kostentragung herangezogen werden können. Vor dem Hintergrund wird schließlich skizziert, wer für Schäden bei potentiellen Detonationen von nicht aufgefundenen Luftminen haftet. Vorweggenommen sei, dass in der Bundesrepublik Deutschland kein einheitliches Kriegsfolgenrecht existiert, welches die Zuständigkeits- und Kostenlastverteilung bei der Beseitigung von Kampfmitteln abschließend normiert. Den Regelungsrahmen bilden vielmehr im Wesentlichen das Grundgesetz sowie zahlreiche, im Einzelnen stark divergierende landesrechtliche Rechtsgrundlagen – namentlich das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht, Verordnungen sowie Verwaltungsvorschriften 1. Im Rahmen dieses Sachstands werden nicht sämtliche dieser landesrechtlichen Regelwerke im Detail dargestellt. Stattdessen sollen die Zuständigkeits- und Kostenlastverteilung im Hinblick auf den Staat und Private am Beispiel ausgewählter Landesrechte herausgearbeitet werden. 2. Zuständigkeits- und Kostenlastverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen 2.1. Zuständigkeit Ausgangspunkt der Zuständigkeit für die Beseitigung von Luftminen sind die Kompetenznormen des Grundgesetzes (Art. 30 GG, 70 Abs. 1 GG und Art. 83 GG). Nach diesen Vorschriften obliegen die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben den Ländern , soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt.2 Die Beseitigung von aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Luftminen und anderen Kampfmitteln dient der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung3 und gehört mithin zu dem Sachgebiet 1 So auch schon die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste zum Thema: Dethlinger Teich – Entsorgung von Rüstungsaltlasten, Az. WD 7 – 3000 – 042/15, S. 5. 2 Vgl. allgemein zu Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Bund und Ländern Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, 3. Aufl. 2015, Art. 30 Rn. 17. 3 Vgl. nur BVerwG, DÖV 2007, S. 164 (164). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 4 des Polizei- und Ordnungsrechts.4 Die Materie des Polizei- und Ordnungsrechts fällt in den Kompetenzbereich der Länder.5 Daraus folgt, dass die Länder grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, einerseits die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Kampfmittelbeseitigung zu schaffen, andererseits die Kampfmittelräumung administrativ zu organisieren. Da die Bundesländer keine speziellen „Kampfmittelgesetze“ erlassen haben,6 sind die Rechtsgrundlagen der Kampfmittelbeseitigung in allen Ländern die Generalklauseln der Polizei-und Ordnungsbehörden- respektive Sicherheitsgesetze. Ferner existieren in einigen Ländern sog. Kampfmittelverordnungen,7 welche insbesondere Zweck, Zuständigkeiten und Verfahren der Kampfmittelbeseitigung festschreiben, sowie die Generalklauseln oder Verordnungen konkretisierende Verwaltungsvorschriften. Die Regelungsbefugnis umfasst nicht zuletzt die Entscheidung , wer innerhalb eines Bundeslandes konkret für die Beseitigung der Luftminen und sonstiger Kampfmittel zuständig ist. So wird die Kampfmittelbeseitigung als Teil des Polizei- und Ordnungsrechts – den einschlägigen landesrechtlichen Vorgaben entsprechend – überwiegend den örtlichen Ordnungsbehörden übertragen. Diese sind – ebenfalls unter Bezugnahme auf das jeweilige Landesrecht – die Gemeinden oder kreisfreien Städte. Hieraus folgt, dass zumeist die Kommunen für die Beseitigung von Luftminen und sonstigen Kampfmitteln zuständig sind.8 4 Vgl. die Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Bundesministerium der Verteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 27, abrufbar unter: http://www.arbeitshilfen -kampfmittelraeumung.de/dokumente/AH%20KMR%202014_Textteil%20und%20Anhang.pdf [zuletzt abgerufen am 5.4.2018]. 5 Vgl. statt vieler nur Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 57 EL. 2010, Art. 70 Rn. 111. Zwar kennt das Grundgesetz überdies in Art. 74 Abs. 1 Nr. 9 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Rechts der Kriegsschäden und der Wiedergutmachung, die den Bund gegenüber den Ländern auf diesem Gebiet zur vorrangigen Regelung ermächtigt. Der Bund hat indes, soweit es um die Zuständigkeit für die Kriegsfolgenbeseitigung geht, keine speziellen Regelungen getroffen. 6 Eine Ausnahme stellt das Bremer Gesetz zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel v. 8.7.2008 (Brem.GBl. 2008, 229) dar. 7 Vgl. für Brandenburg: Ordnungsbehördliche Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung für das Land Brandenburg - KampfmV) vom 23.11.1998 (GVBl.II/98, [Nr. 30], S.633); Hamburg: Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung - Kampfmittel VO) vom 13.12.2005 (HmbGVBl. 2005, S. 557); Mecklenburg-Vorpommern: Landesverordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung) vom 8.6.1993 (GVOBl. M-V 1993, S. 575); Verordnung über die Kosten für die Kampfmittelbeseitigung (Kampfmittelbeseitigungskostenverordnung - KaBe- KostVO M-V) vom 21.02.2005 (GVOBl. M-V 2005, S. 70); Nordrhein-Westfalen: Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel vom 12.11.2003 (GV.NRW.S.685); Sachsen: Kampfmittelverordnung vom 2.3.2009 (SächsGVBl. S. 118); Sachsen-Anhalt: Gefahrenabwehrverordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel vom 20. April 2015 (GVBl. LSA 2014, 182, 380); Schleswig-Holstein: Landesverordnung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Kampfmittel vom 7.5.2012 (GVOBl. 2012, 539); Thüringen: Ordnungsbehördliche Verordnung über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel vom 12.9.2016 (ThürStAnz. Nr. 41 vom 10.10.2016 S. 1279). 8 So etwa in Brandenburg (vgl. §§ 3, 5 OGB Bbg) und Nordrhein-Westfalen (vgl. §§ 3, 5 OBG NRW); abweichend in Bremen, wo allein die Polizei gemäß § 1 Abs. 6 des Gesetzes zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel für die Wahrnehmung der Kampfmittelräumung vom 8.7.2008 (Brem.GBl. 2008, S. 229) zuständig ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 5 Daneben haben die Länder – soweit ersichtlich regelmäßig als eigene Einheiten – Kampfmittelbeseitigungsdienste eingerichtet, deren Aufgaben und Organisationsformen je nach Landesrecht äußerst unterschiedlich geregelt sind.9 Zusammenfassend lässt sich indes wohl sagen, dass deren Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, die zuständigen Ordnungsbehörden bei der Kampfmittelräumung , insbesondere durch die Bereitstellung personeller und technischer Mittel zu unterstützen und geborgene Kampfmittel anschließend fachgerecht zu entsorgen.10 Die Kampfmittelräumdienste sind allerdings weder selbst mit Gefahrenabwehraufgaben betraut noch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Insofern verbleibt es bei der soeben skizzierten, überwiegend kommunalen , Zuständigkeit. Die Zuständigkeit der Länder (und damit auch der Gemeinden) endet allerdings dann, wenn sie in die hoheitlichen Zuständigkeiten und Befugnisse anderer Verwaltungsträger eingreifen.11 Aus diesem Grund ist beispielsweise eine örtliche Ordnungsbehörde nicht befugt, etwa auf einer Liegenschaft der Bundeswehr ordnungsrechtlich vorzugehen, wenn dadurch in deren Aufgabenwahrnehmung eingegriffen würde – es sei denn, dass die Bundeswehr die betreffende Stelle um Amtshilfe ersucht.12 2.2. Kostenlastverteilung 2.2.1. Zwischen Bund und Ländern Nach der grundsätzlichen Bestimmung des Art. 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder (einschließlich der Gemeinden, die finanzverfassungsrechtlich als Teile des jeweiligen Landes anzusehen sind)13 gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben .14 Aufgrund der Konnexität der Finanzverfassung folgt die Ausgabenlast grundsätzlich der 9 Vgl. die Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Bundesministerium der Verteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 29 (Fn. 4). 10 Vgl. mit Blick auf die Kampfmittelbeseitigungsdienste exemplarisch in Brandenburg die Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg mit dem Titel: Rechtliche Grundlagen für das Aufspüren und Beseitigen von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, S. 5, Anlage 1. 11 Dementsprechend bestimmen auch einige Kampfmittelverordnungen der Bundesländer ausdrücklich, dass die Regelungen der Verordnungen nicht für Kampfmittelräumungen bei der Bundeswehr, beim Zoll sowie beim Bundesgrenzschutz gelten; vgl. etwa § 1 Abs. 3 der Kampfmittelverordnung für das Land Brandenburg vom 23.11.1998. Vgl. zum Ganzen die Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und v. Bundesministerium der Verteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 28 (Fn. 4); Peine, DVBl. 1990, S. 733 (740). 12 Vgl. zu den dessen ungeachtet bestehenden Kampfmittelbeseitigungsbefugnissen der Länder im Falle von Sondervermögen des Bundes, Bundesfern- und Bundeswasserstraßen die Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und v. Bundesministerium der Verteidigung , 2. Aufl. 2014, S. 28 (Fn. 4). 13 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 104 a Rn. 1, 9 f. 14 Vgl. dazu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste mit dem Titel: Dethlinger Teich – Entsorgung von Rüstungsaltlasten, Az. WD 7 – 3000 – 042/15, S. 6 f.; dort auch zum folgenden Text. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 6 Aufgabenverantwortung.15 Da die Kampfmittelbeseitigung – wie oben dargelegt – ein Teil des den Ländern zugewiesenen Polizei- und Ordnungsrechts ist, wären die entsprechenden Kosten demnach von den Ländern zu tragen. Die Bestimmung des Art. 104 a Abs. 1 GG macht jedoch einen ausdrücklichen Vorbehalt für abweichende Regelungen durch das Grundgesetz selbst. Eine solche Regelung enthält Art. 120 Abs. 1 S. 1 GG, wonach der Bund die Aufwendungen für die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten trägt. Kriegsfolgelasten sind Lasten, „deren entscheidende – und in diesem Sinne alleinige – Ursache der Zweite Weltkrieg ist“16. Dazu gehören die Kosten für die Beseitigung von Luftminen sowie sonstigen Kampfmitteln.17 Die Kosten, die der Bund demgemäß zu tragen hat, beschränken sich indes von vornherein auf die Zweckausgaben, während die Verwaltungskosten bei der Stelle verbleiben, die die Aufgabenverantwortung trägt.18 Eine Einschränkung dieser besonderen Finanzverantwortung des Bundes für Kriegsfolgelasten ergibt sich jedoch aus Art. 120 Abs. 1 S. 3 GG. Nach dieser 1965 nachträglich eingefügten Bestimmung 19 ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, nicht verpflichtet, wenn diese Aufwendungen in der Zeit vor dem 1. Oktober 1965 von den Ländern (und Gemeinden) erbracht worden sind. Diese Regelung stellt ersichtlich eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 S. 1 GG dar. Sie enthält eine allgemeine Schutzklausel zur Aufrechterhaltung der gesetzlich bisher nicht geregelten, tatsächlich bestehenden Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern (sowie den Gemeinden). Es sollte also der seinerzeit bestehende, durch die bisherige Staatspraxis geprägte Status quo aufrechterhalten bleiben und verfassungsrechtlich fixiert werden.20 Diese – mithin nunmehr verfassungsrechtlich verbürgte – Staatspraxis beruht auf einer in den Jahren 1958/1959 zwischen dem Bund und den Ländern getroffenen Finanzierungsvereinbarung. Der damalige Bundesfinanzminister hatte in Anlehnung an § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes [AKG]21 gegenüber den Ländern zugestanden, die Kosten für die Beseitigung - deutscher Munition auf nicht bundeseigenen Liegenschaften sowie - ausländischer und deutscher Munition auf bundeseigenen Liegenschaften 15 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 2. 16 BVerfGE 9, 305 (323). 17 Vgl. BVerwG, DÖV 2007, S. 164 (164). 18 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 120 Rn. 16. 19 Vgl. DÖV 2007, S. 164 (165); dort auch zum Folgenden. 20 Sturm, DVBl. 1965, 719 (723). 21 Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz), vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747), zuletzt geändert durch Art. 3 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2512). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 7 zu erstatten. Als bundeseigene Liegenschaften in diesem Sinne wurden auch die Bundesautobahnen , Bundeswasserstraßen sowie das Gelände von Bundespost und Bundesbahn angesehen.22 Eine bundesgesetzliche Bestimmung im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG, mit der die Übernahme der Kosten, die bei der Räumung von alliierten Kampfmitteln auf nicht bundeseigenen Liegenschaften anfallen, geregelt wird, existiert nicht.23 Entsprechende Gesetzesinitiativen sind bislang fehlgeschlagen.24 Maßgeblich ist somit wiederum die Staatspraxis bis 1965, nach der die Kosten der Beseitigung der von den Alliierten verursachten Kampfmittelbelastung auf allen anderen als im Eigentum des Bundes stehenden Flächen von den Ländern getragen wurden und werden . Darunter dürfte auch der Großteil der hier im Fokus stehenden Kosten für die Beseitigung von Luftminen fallen. 2.2.2. Zwischen Ländern und Kommunen Die Regelungen des Art. 120 Abs. 1 GG beschränken sich auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern.25 Die Überwälzung der Kosten der Kampfmittelbeseitigung von den Ländern auf die Gemeinden wird durch die Norm weder gestattet noch verboten. Sofern die Gemeinden landesrechtlich für die Kampfmittelbeseitigung zuständig sind, ist die gleichzeitige Übertragung der Kostenlast auf sie allein Sache der Landesgesetzgebung. Die Länder haben in im Einzelnen vielfältiger Weise davon Gebraucht gemacht. Nachfolgend soll die diesbezügliche Rechtslage in Nordrhein-Westfalen skizziert werden: Grundsätzlich richtet sich die Kostentragungspflicht nach den ordnungsrechtlichen Vorgaben. Gemäß § 45 Abs. 1 OBG NRW tragen die Gemeinden (oder kreisfreien Städte) die Kosten, die durch die Tätigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden entstehen. Die Kostentragungspflicht knüpft hiernach an das Tätigwerden der jeweiligen Behörde an. Da gemäß dem nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetz die örtlichen Ordnungsbehörden, mithin die Gemeinden, für die Kampfmittelbeseitigung zuständig sind, hätten sie dementsprechend auch sämtliche dabei entstehenden Kosten zu tragen.26 22 Thilo, DÖV 1997, 725 (726); vgl. indes im Hinblick auf infolge der Bahn- und Postreform privatisierte Grundstücke den Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 04.05.1995 (V B 2-VV 5042-110/95). 23 Vgl. dazu auch die Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg mit dem Titel: Rechtliche Grundlagen für das Aufspüren und Beseitigen von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, S. 8; dort auch zum folgenden Text. 24 Vgl. zuletzt Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung des Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltFG) vom 06.05.2015, BT-Drs. 18/4841. 25 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 120 Rn. 8. 26 Diese Kostenlastverteilung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Kommunen basiert wiederum auf der Annahme, dass eine angemessene Finanzausstattung der jeweiligen Gemeinde vorhanden ist, vgl. Art. 78 Abs. 3, 79 Satz 2 Landesverfassung NRW, Art. 106 GG; vgl. Meyer, NVwZ 1999, 843 (844). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 8 Das Land Nordrhein-Westfalen hat jedoch in dem Runderlass „Kampfmittelbeseitigung – Erstattung der anfallenden Kosten“27 eine hiervon abweichende Regelung getroffen: Nach Ziffer 2 dieses Erlasses trägt das Land NRW auch im Verhältnis zum Träger der örtlichen Ordnungsbehörde (der Gemeinde) die Kosten der Kampfmittelbeseitigung. Lediglich die die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen sind von der örtlichen Ordnungsbehörde auf deren Kosten zu erledigen. Ferner hat sie etwaige Mehrkosten, die sich aus der individuellen Nutzung des Grundstücks oder dessen Eigenschaften ergeben, zu tragen.28 3. Verantwortlichkeit und Kostenlast privater Grundstückseigentümer Befinden sich Luftminen oder sonstige Kampfmittel auf einem Grundstück eines privaten Eigentümers , besteht infolgedessen regelmäßig eine konkrete Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne, sodass eine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage zum Einschreiten der zuständigen Ordnungsbehörde (zumeist der jeweiligen Kommune) gegeben ist.29 In einem solchen Fall haben die Ordnungsbehörden ihre Abwehrmaßnahmen vorrangig gegen den Eigentümer des Grundstücks respektive den Inhaber der tatsächlichen Gewalt als sog. Zustandsstörer zu richten.30 Auf dessen persönliches Verschulden, die Einsichts- oder Verschuldensfähigkeit kommt es nicht an. Ebenso ist es – anders als bei sog. Handlungsstörern – unerheblich, ob der ordnungswidrige Zustand des Grundstücks durch den Eigentümer, einen Dritten oder höhere Gewalt verursacht worden ist. Es kann auch nicht zwischen einem „ungefährlichen Grundstück“ und einem „gefährlichen Kampfmittel “ unterschieden werden. Vielmehr befindet sich das Grundstück selbst durch das eingelagerte Kampfmittel in einem risikobehafteten Zustand und bildet in seiner Gesamtheit eine Gefahr . Ob der Eigentümer auch Eigentümer der konkreten Luftmine ist, ist insoweit unerheblich.31 In der Regel ist also der Eigentümer oder der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft einer mit Kampfmitteln belasteten Liegenschaft als Zustandsstörer für den Zustand des Grundstücks und damit auch für die Beseitigung der Luftmine und sonstiger Kampfmittel verantwortlich.32 Er hat eine gegen ihn gerichtete Beseitigungsanordnung grundsätzlich auf eigene Kosten auszuführen. 27 Runderlass des Innenministeriums - 75-54.01- vom 9.11.2007. 28 Vgl. zum Ganzen vertiefend VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2015 – 6 K 7535/13 –, juris. Anders stellt sich die Rechtslage etwa in Niedersachsen dar. Dort sieht die in einem Erlass fixierte Verwaltungspraxis lediglich vor, dass die Kampfmittelbeseitigung, insbesondere der Abtransport und die Vernichtung, für Private aus Billigkeitsgründen kostenfrei erfolgen. Daraus lässt sich ableiten, dass Gemeinden als Teil des Staates diese Kosten durchaus zu tragen haben. Vgl. dazu die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste mit dem Titel: Dethlinger Teich – Entsorgung von Rüstungsaltlasten, Az. WD 7 – 3000 – 042/15, S. 7. Die in Bezug genommene niedersächsische Verwaltungsvorschrift lag bei der Anfertigung der hiesigen Ausarbeitung nicht vor. 29 Thilo, DÖV 1997, S. 725 (727). 30 Die folgenden Ausführungen entstammen teilweise der Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg mit dem Titel: Rechtliche Grundlagen für das Aufspüren und Beseitigen von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, S. 8 f. 31 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.6.1998 – 1 B 178/97 –, juris, Rn. 8. 32 Dies findet sich, wenn auch deklaratorisch, in den Kampfmittelverordnungen einiger Länder wieder; vgl. etwa § 5 Kampfmittelverordnung Hmbg (Fn. 7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 9 Diese grundsätzlich bestehende Zustandsverantwortlichkeit und die daran anknüpfende Kostentragungspflicht können jedoch aus unterschiedlichen Gründen in ihrem Ausmaß begrenzt sein. Zum einen ist allgemein im Rahmen der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Belastung des Zustandsverantwortlichen zu berücksichtigen und mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen. Zur Bestimmung der Grenze, was einem Zustandsstörer an Belastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands für die Kampfmittelbeseitigung zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Beseitigung der Kampfmittel herangezogen werden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist nach ständiger Rechtsprechung in der Regel erreicht, wenn die Kosten den Verkehrswert des Grundstücks überschreiten; sie muss jedoch jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.33 Zudem ergeben sich Einschränkungen der Kostentragungspflicht privater Grundstückseigentümer oder Bauherrn für den Fall der Kampfmittelbeseitigung ganz überwiegend aus dem landesrechtlichen Regelwerk respektive der jeweiligen Verwaltungspraxis. Das Ausmaß der Beschränkung divergiert dabei je nach Landesrecht erheblich, wobei zumindest die Kosten der eigentlichen Kampfmittelbeseitigungsmaßnahmen landesübergreifend von der jeweiligen staatlichen Stellen übernommen zu werden scheinen. Exemplarisch wird nachfolgend wiederum die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen skizziert: Der Runderlass „Kampfmittelbeseitigung – Erstattung der anfallenden Kosten“34 bestimmt unter Ziffer 2 zunächst, dass die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung vollständig von staatlichen Stellen übernommen werden. Ferner konstatiert die Vorschrift, dass die der Beseitigung vorgelagerte Gefahrerforschung von den zuständigen staatlichen Stellen grundsätzlich ebenfalls kostenfrei wahrgenommen wird. Allerdings können Dritten, mithin privaten Eigentümern und Sachherrschaftsinhabern, im Einzelfall Duldungs- und Handlungspflichten auferlegt werden, deren Kosten von ihnen zu tragen sind.35 4. Haftung für Schäden bei Detonationen nicht aufgefundener Luftminen Die Haftung für potenzielle Schäden, die bei der Detonation einer nicht aufgefundenen Luftmine entstehen, ist vom Einzelfall abhängig. Pauschale Aussagen lassen sich diesbezüglich nicht tätigen . In Betracht kommen etwa Ansprüche aus § 823 BGB gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer (oder Sachherrschaftsinhaber). Ferner könnte ein potenziell Geschädigter auch einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. 34 GG gegen die zuständige staatliche Gebietskörperschaft – namentlich das Land oder die Gemeinde – geltend machen. 33 Vgl. dazu ausführlich BVerfGE 102, 1 (20 f.); vgl. konkret zu den Kosten der Kampfmittelräumung z. B. BVerwG, Beschluss vom 18.6.1998 – 1 B 178/97 –, juris, Rn. 11 sowie NdsOVG, Beschluss vom 3.11.2005 – 11 ME 146/05 –, juris, Rn. 35. 34 Vgl. bereits (Fn. 27); ähnlich gestaltet sich die Rechtslage in Hamburg, 35 Als Beispiele für im Einzelfall nicht erstattungsfähige Kosten Privater nennt der Erlass u.a. Kosten für Sicherungsaufgaben sowie Arbeiten begleitender, vor- und nachbereitender Art. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 096/18 Seite 10 Jedwede Schadensersatzansprüche setzen neben einer Pflichtverletzung zumeist auch ein Verschulden des Anspruchsgegners voraus. Eine denkbare Pflichtverletzung dürfte im Fall einer nicht aufgefundenen, detonierten Luftmine darin bestehen, dass entweder der private Grundstückseigentümer oder die jeweilige Behörde entgegen der landesrechtlich angeordneten Pflicht, die Sondierung und Räumung des Grundstücks unterlassen hat. Denkbar sind zudem Ansprüche wegen einer Verletzung der Sorgfaltspflichten bei der Beräumung des Grundstücks selbst. Die genannten Ansprüche setzten wie erwähnt in der Regel ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB voraus. Einige landesrechtliche Regelungen sehen für Ordnungsbehörden zudem eine verschuldenslose Haftung vor.36 5. Weiterführende Literatur Die nachfolgenden Ausarbeitungen beschäftigen sich ausführlich mit der Rechtslage in Brandenburg und Niedersachsen: - Ausarbeitung des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags Brandenburg mit dem Titel: Rechtliche Grundlagen für das Aufspüren und Beseitigen von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg Anlage 1 - Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste mit dem Titel: Dethlinger Teich – Entsorgung von Rüstungsaltlasten, WD 7 - 3000 - 042/15 Anlage 2. *** 36 Vgl. etwa: § 38 Abs. 1 lit. b des Ordnungsbehördengesetzes Brandenburg sowie für die neuen Bundesländer die fortgeltenden Regelungen des Staatshaftungsgesetzes DDR.