© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 – 096/17 Erlaubniserteilung im Asylverfahren zur Aufnahme einer Berufsausbildung Zur Einteilung der Asylbewerber nach Herkunftsstaaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Grundlage dieser Verwaltungspraxis sei das „Merkblatt“ eines Landratsamtes, das für drei Gruppen von Herkunftsstaaten unterschiedliche Verfahrensweisen in Bezug auf die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen vorsehe. Nach dem Schaubild des „Merkblatts“ werden die Asylbewerber drei Gruppen von Herkunftsstaaten zugeordnet . Asylbewerbern aus der Gruppe der sicheren Herkunftsstaaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina , Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Ghana und Senegal) ist „grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnis“ zu erteilen. Bei Asylbewerbern aus der Gruppe der „Staaten mit hoher Schutzquote (Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia)“ spreche „in der Regel nichts gegen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis“. Für Asylbewerber aus der Gruppe der „sonstigen Herkunftsstaaten (z.B. Afghanistan, Pakistan, Nigeria)“ sieht das Schaubild vor, dass „Beschäftigungserlaubnisse für eine Berufsausbildung nicht mehr erteilt werden“. Zu differenzieren sei bei Asylbewerbern aus Afghanistan, soweit sie die Aufnahme einer Berufsausbildung beantragten. Ob und inwieweit das „Merkblatt“ tatsächlich Grundlage für die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden des Landkreises ist, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Auch sind die Hinweise des „Merkblatts“ mehrdeutig, denn an anderer Stelle wird betont, dass die Entscheidungen über Beschäftigungserlaubnisse „ausnahmslos vom individuellen Einzelfall“ abhängen. Unabhängig von der Bedeutung des „Merkblatts“ für die tatsächliche Verwaltungspraxis in dem betroffenen Landkreis wird die Frage gestellt, ob und inwieweit eine Einteilung der Asylbewerber nach Gruppen von Herkunftsstaaten zulässig ist, soweit es um die Erteilung von Erlaubnissen zur Aufnahme einer Berufsausbildung geht. Dabei soll auch die Bedeutung der sog. Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berücksichtigt werden. 2. Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung In Bezug auf die Aufnahme einer Berufsausbildung ist danach zu unterscheiden, ob sich die Ausländer – als Asylbewerber – im Asylverfahren befinden oder ob sie – z.B. als abgelehnte Asylbewerber – im Rahmen eine Duldung die Aufnahme oder Fortsetzung einer Berufsausbildung begehren. In beiden Verfahrensstadien ist die Erteilung einer (gesonderten) Erlaubnis durch die Ausländerbehörden erforderlich, denn weder die Aufenthaltsgestattung für Asylbewerber nach § 55 Asylgesetz (AsylG) noch die Duldung nach § 60a AufenthG berechtigen als solche zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Unter den Begriff der Erwerbstätigkeit fällt auch die Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Berufsausbildung.1 2.1. Asylverfahren Nach § 61 Abs. 1 AsylG gilt für die Dauer der Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung ein Erwerbstätigkeitsverbot für Ausländer. Die Dauer der Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung kann nach § 47 Abs. 1 S. 1 AsylG bis zu sechs Monate betragen. Besteht keine Wohnverpflichtung mehr, kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist, § 61 Abs. 2 AsylG. 1 Vgl. Bender/Welge/Keßler, in: Hofmann, Ausländerrecht (2. Aufl., 2016), Rn. 9 zu § 2 AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 096/17 Seite 4 Für die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht erforderlich, § 32 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Beschäftigungsverordnung. Besonderheiten gelten für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten im Sinne des § 29a Abs. 2 AsylG. Nach § 47 Abs. 1a AsylG gilt die Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten bis zu zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag. Für die Dauer dieser Wohnverpflichtung ist die Ausübung einer Beschäftigung nach § 61 Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Darüber hinaus regelt § 61 Abs. 2 S. 4 AsylG, dass Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten die Ausübung einer Beschäftigung während des Asylverfahrens nicht erlaubt werden darf.2 2.2. Ausbildungsduldung Die mit dem Integrationsgesetz von 2016 eingeführte Regelung in § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG zur sog. Ausbildungsduldung gewährt einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer einen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, wenn „der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. Die Ausbildungsduldung ist aber normativ nicht mit der Aufnahme einer Berufsausbildung im Asylverfahren verknüpft. Insbesondere gibt es keinen Automatismus dergestalt, dass diejenigen Asylbewerber, die während des Asylverfahrens eine Berufsausbildung begonnen haben, nach Ablehnung ihres Asylantrages einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung hätten.3 Vielmehr handelt es sich beim Asylverfahren und bei der Duldung um getrennt zu behandelnde Verfahrensabschnitte, für die jeweils unterschiedliche Vorschriften zur Anwendung kommen. So schließen insbesondere „konkret bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ einen Anspruch auf die Erteilung Ausbildungsduldung aus, und zwar unabhängig davon, ob während des Asylverfahrens eine Berufsausbildung aufgenommen wurde.4 Die hier fragliche Einteilung der Asylbewerber nach Herkunftsstaaten betrifft allein die Aufnahme einer Berufsausbildung während des Asylverfahrens. Die Vorschriften zur Ausbildungsduldung greifen insofern nicht. 2 Bei einer besonders langen Dauer des Asylverfahrens ist Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU zu berücksichtigen, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann. Aufgrund dieser Unionsrechtsvorgabe kann das Beschäftigungsverbot gegenüber Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten bei Überschreiten der Neunmonatsfrist unanwendbar sein, vgl. dazu Thym, Schnellere und strengere Asylverfahren – Die Zukunft des Asylrechts nach dem Beschleunigungsgesetz, NVwZ 2015, 1525, 1627; Neundorf, in: Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar Ausländerrecht (Stand: Februar 2017), Rn. 18 zu § 61 AsylG; Schröder, in: Hofmann, Ausländerrecht (2. Aufl., 2016), Rn. 13 zu § 61 AsylG. 3 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur sog. Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz (WD 3 – 3000 – 222/16), 4 f. 4 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Auslegung des Merkmals „bevorstehende konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ in § 60a Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz (WD 3 - 3000 - 006/17). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 096/17 Seite 5 3. Einteilung der Asylbewerber nach Gruppen von Herkunftsstaaten 3.1. Sichere Herkunftsstaaten Die Einteilung der Asylbewerber nach Gruppen von Herkunftsstaaten kann sich unmittelbar aus den gesetzlichen Anforderungen an die Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung ergeben. So gilt für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten – wie oben ausgeführt – im Gegensatz zu allen anderen Asylbewerbern für die Dauer des Asylverfahrens ein Erwerbstätigkeitsverbot. Das Kriterium der sicheren Herkunftsstaaten ist damit ein gesetzliches Differenzierungskriterium, das bei der Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung berücksichtigt werden muss. 3.2. Sonstige Herkunftsstaaten Fraglich ist aber, ob und inwieweit eine weitere Differenzierung innerhalb der Gruppe der sonstigen Herkunftsstaaten in Betracht kommt, die sich an der Anerkennungsquote bestimmter Herkunftsstaaten orientiert. 3.2.1. Erlaubniserteilung als Ermessensentscheidung Eine Differenzierung nach der Anerkennungsquote sehen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht vor. Zu beachten ist aber, dass die Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung für Asylbewerber aus Herkunftsstaaten, die keine sicheren Herkunftsstaaten sind, nach § 61 Abs. 2 S. 1 AsylG im Ermessen der Ausländerbehörde steht („kann …. die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden“). In diesem Rahmen kann die Anerkennungsquote in Bezug auf bestimmte Herkunftsstaaten Berücksichtigung finden, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen an die Ermessensausübung entspricht. Für die Ausübung des behördlichen Ermessens ist § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) bzw. sind die entsprechenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze zu beachten. Nach § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der Zweck der Ermessensermächtigung ist anhand derjenigen Normen auszulegen, die das Ermessen eröffnen.5 Die Ermessensausübung muss ferner mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein.6 Im Einzelnen kommt bei der Überprüfung der Ermessensausübung die sog. Ermessensfehlerlehre zur Anwendung, die verschiedene Fallgruppen der fehlerhaften Ermessensausübung unterscheidet.7 5 Vgl. dazu Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck‘scher Online-Kommentar VwVfG (Stand: Oktober 2016), Rn. 47 ff. zu § 40. Bei der Ermessensausübung im Rahmen von § 61 Abs. 2 AsylG müssen die Ermessenserwägungen „asyl- und aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken“ dienen, Neundorf (Fn. 2), Rn. 17 zu § 61 AsylG; so auch Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: April 2016), Rn. 20 zu § 61 AsylG. 6 Siehe Aschke (Fn. 5), Rn. 50 ff. zu § 40. 7 Siehe Aschke (Fn. 5), Rn. 78 ff. zu § 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 096/17 Seite 6 Ziel von Ermessensermächtigungen ist es, den Raum für eine einzelfallgerechte Entscheidung zu schaffen.8 Die Behörde soll unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks und der konkreten Umstände des Einzelfalls die privaten und öffentlichen Interessen abwägen und eine angemessene Entscheidung treffen. Diese Einzelfallbezogenheit des Ermessens schließt eine generelle Ermessensausübung durch Verwaltungsvorschriften jedoch nicht aus. Solche ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften (z.B. in Form von Weisungen, Anwendungshinweisen, Merkblättern) dienen einer einheitlichen und gleichmäßigen Ermessensausübung.9 Als verwaltungsinterne Vorgaben entfalten sie im Außenverhältnis gegenüber den Bürgern keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen und sind auch nicht isoliert, d.h. außerhalb des betroffenen Rechtsakts, anfechtbar. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften stellen aber keine abschließende Ermessensausübung dar. Vielmehr sind weiterhin die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.10 3.2.2. Bleibeperspektive nach Anerkennungsquote als zulässiger Ermessensbelang Die Einteilung der Herkunftsstaaten nach der Anerkennungsquote dient dazu, die (wahrscheinliche) Bleibeperspektive des Asylbewerbers einzuschätzen. Die Bleibeperspektive ist den Regelungen des Aufenthalts- und Asylrechts nicht fremd. So ermöglicht beispielsweise § 44 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AufenthG Asylbewerbern die Teilnahme an Integrationskursen, wenn bei ihnen ein „rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“. Darüber hinaus zielen die besonderen Bestimmungen des Aufenthalts- und Asylgesetzes für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten darauf ab, Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive von bestimmten Rechten und Leistungen auszuschließen.11 Fraglich ist aber, ob auch im Zusammenhang mit der Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung die Bleibeperspektive nach dem Zweck der einschlägigen gesetzlichen Regelungen einen zulässigen Ermessensbelang darstellt. Soweit ersichtlich, haben die Verwaltungsgerichte hierzu bisher nicht entschieden.12 Man könnte erwägen, dass der Gesetzgeber mit dem Erwerbstätigkeitsverbot für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten die fehlende Bleibeperspektive bereits abschließend berücksichtigt hat. Gegen eine über die sicheren Herkunftsstaaten hinausgehende Berücksichtigung der Bleibeperspektive könnte ferner der mit dem Integrationsgesetz eingeführte Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG vorgebracht werden. Es ließe sich argumentieren, dass der Gesetzgeber mit dem Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung 8 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG (8. Aufl., 2014), Rn. 13 f. zu § 40. 9 Aschke (Fn. 5), Rn. 70 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 10 Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27.12.1990 – 1 B 162/90 – juris Rn. 6: „Durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften wird vielmehr das gesetzlich eingeräumte Ermessen abstrakt wahrgenommen und der Ausländerbehörde zur Einzelfallentscheidung eine Orientierung gegeben.“ 11 Siehe nur § 44 Abs. 4 S. 2 AufenthG, § 45a Abs. 2 S. 3 AufenthG, § 29a Abs. 1 AsylG und § 30a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. 12 Hinzuweisen ist aber auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 17.03.2016 – M 12 K 15.2933 -, juris, die sich mit einer ähnlichen Konstellation, wenn auch nach alter Rechtslage, befasst. Das VG München hatte über eine behördliche Weisung zu entscheiden, wonach Asylbewerbern und Geduldeten aus sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnis mehr erteilt werden sollte. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 096/17 Seite 7 sogar einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, also einem Ausländer ohne Bleibeperspektive, die Aufnahme oder Beendigung einer Berufsausbildung ermöglicht hat. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung besonderen Voraussetzungen unterliegt. Insbesondere wurde mit der Voraussetzung, dass keine konkreten Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen dürfen, ein Vorrang der Abschiebung statuiert.13 Im Fall der bevorstehenden Abschiebung schlägt der Wunsch nach Aufnahme und Fortsetzung der Berufsausbildung also nicht durch.14 Somit kann aus dieser gesetzlichen Regelung auch nicht der Zweck abgeleitet werden, Ausländern ohne Bleibeperspektive möglichst eine Ausbildung zu ermöglichen. Geht man zudem davon aus, dass die Erlaubniserteilung zur Aufnahme einer Berufsausbildung im Interesse des Ausbildungsbetriebs und des Auszubildenden darauf gerichtet sein sollte, dass die Ausbildung in zeitlicher Hinsicht auch beendet werden kann, erscheint die Berücksichtigung der Bleibeperspektive nach Maßgabe der Anerkennungsquoten als ein zulässiger Ermessensbelang. 3.2.3. Bleibeperspektive nach Anerkennungsquote als einziger Ermessensbelang? Nicht vom Zweck der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gedeckt sein dürfte es hingegen, die Bleibeperspektive nach der jeweiligen Anerkennungsquote als einzigen Ermessensbelang zu berücksichtigen.15 Die Integration in den Arbeitsmarkt steht nach der gesetzlichen Regelung des § 61 Abs. 2 AsylG vielmehr grundsätzlich allen Asylbewerbern offen, die nicht aus sicheren Herkunftsstaaten kommen. Zweckwidrig wäre es daher, die Bleibeperspektive nach Maßgabe von bestimmten Anerkennungsquoten gleichsam als Tatbestandsmerkmal anzuwenden. Darüber hinaus folgt aus den zahlreichen Regelungen zur Integrationsförderung von Asylbewerbern,16 dass ein öffentliches Interesse an ihrer Integration besteht, was dann auch beim Zugang zur Berufsausbildung zu berücksichtigen wäre. 13 Siehe dazu die Begründung zu § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG in BT-Drs. 18/9090, 25: „Durch die Duldungserteilung kann sich ein Vollzugshindernis für Abschiebungen auch dann ergeben, wenn Abschiebungen bereits konkret vorbereitet werden, z. B. wenn ein Pass(ersatz)papier beantragt worden ist, oder die Abschiebungen terminiert sind oder ein Verfahren zur Dublin-Überstellung läuft. Die Ausländerbehörde könnte aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht durchführen, sobald eine Ausländerin oder ein Ausländer einen die rechtlichen Bedingungen erfüllenden Berufsausbildungsvertrag vorlegt und die Berufsausbildung aufnimmt. In den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, soll daher der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden.“ 14 Die gewisse Zwiespältigkeit des § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG, einerseits einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung zu formulieren, andererseits aber den Vorrang der Abschiebung festzuschreiben, wird in einem Schreiben des Bundesministeriums des Innern an die Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder vom 01.11.2016, abrufbar unter: https://www.frsh.de/fileadmin/pdf/behoerden/Erlasse_ab_2012/BMI- Erlass-3_2-Regelung_20161101.pdf, deutlich. Dort wird das Ziel der Regelung betont, Ausbildungsbetrieben dahingehend Rechtssicherheit zu gewährleisten, dass die Asylbewerber ihre Ausbildung auch dann beenden können, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Für diesen Fall wird sodann ausgeführt, dass „auf die sofortige Einleitung konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung verzichtet werden sollte“. Eine Rechtspflicht zum Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen statuiert § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG aber gerade nicht. 15 In diese Richtung geht das Schaubild des o.g. „Merkblatts“, wenn es für die Gruppe der sonstigen Herkunftsstaaten (z.B. Afghanistan, Pakistan, Nigeria) vorsieht, dass „Beschäftigungserlaubnisse für eine Berufsausbildung nicht mehr erteilt werden“. 16 Siehe nur § 44 Abs. 4 Nr. 1 AufenthG, § 45a Abs. 1 AufenthG, § 5a Abs. 1 S. 1 Asylbewerberleistungsgesetz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 096/17 Seite 8 Das alleinige Abstellen auf die Bleibeperspektive nach den jeweiligen Anerkennungsquoten würde zudem die im Rahmen von Ermessensentscheidungen vorzunehmende Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls verkennen. Zu den relevanten, d.h. vom Zweck der Ermessensermächtigung umfassten Einzelfallumständen könnte man – positiv – die bisher vom Asylbewerber erbrachten Integrationsleistungen sowie seine Mitwirkung im Asylverfahren berücksichtigen sowie – negativ – begangene Straftaten oder vom Asylbewerber verursachte Verzögerungen des Asylverfahrens .17 Die Berücksichtigung der Einzelfallumstände hat auch zu erfolgen, wenn die Behörde nach ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften vorgeht.18 Werden die Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt, kommt nach der Ermessensfehlerlehre der Fall des Ermessensausfalls in Betracht,19 der zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt. *** 17 Vgl. dazu auch Hailbronner (Fn. 5), Rn. 23. 18 Siehe Fn. 10 und VG München (Fn. 12), Rn. 36. 19 Aschke (Fn. 5), Rn. 81 ff,