Deutscher Bundestag Rechtsanwalt als Lobbyist: Verfassungsrechtlicher Schutz der Verschwiegenheit ? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 095/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 095/10 Seite 2 Rechtsanwalt als Lobbyist: Verfassungsrechtlicher Schutz der Verschwiegenheit? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 095/10 Abschluss der Arbeit: 12. März 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 095/10 Seite 3 1. Ausgangssituation und Ergebnis Ein künftiges Gesetz könnte vorsehen, dass sich Lobbyisten in ein öffentliches Register einzutragen haben, und zwar unabhängig davon, ob sie beim Bundestag oder z. B. in einem Ministerium Interessen vertreten.1 Die Eintragungspflicht könnte auch Daten zu den Kunden der Lobbyisten umfassen. Das Gesetz könnte auch für Rechtsanwälte gelten, insoweit sie als Lobbyisten tätig wären . Daher stellt sich die Frage, ob die Eintragungspflicht das verfassungsrechtlich besonders geschützte Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte verletzen würde. Im Ergebnis ist dies zu verneinen, solange Lobbyismus so definiert ist, dass hierunter keine Tätigkeiten der Rechtspflege fallen. 2. Verfassungsrechtliches Berufsgeheimnis Die verfassungsrechtliche Garantie der anwaltlichen Verschwiegenheit stützt sich auf die Bedeutung des Rechtsanwaltes für die Rechtspflege: „Die durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnete anwaltliche Berufsausübung unterliegt unter der Herrschaft des Grundgesetzes der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Rechtsanwalts […]. Der Schutz der anwaltlichen Berufsausübung vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung liegt dabei nicht allein im individuellen Interesse des einzelnen Rechtsanwalts oder des einzelnen Rechtsuchenden. Der Rechtsanwalt ist ‚Organ der Rechtspflege’ (vgl. §§ 1 u. 3 BRAO) und dazu berufen, die Interessen seines Mandanten zu vertreten […]. Sein berufliches Tätigwerden liegt im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege […]. Unter der Geltung des Rechtsstaatsprinzips des Grundgesetzes müssen dem Bürger schon aus Gründen der Chancenund Waffengleichheit Rechtskundige zur Seite stehen, denen er vertrauen und von denen er erwarten kann, dass sie seine Interessen unabhängig, frei und uneigennützig wahrnehmen […]. Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Integrität und Zuverlässigkeit des einzelnen Berufsangehörigen […] sowie das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit […] sind die Grundbedingungen dafür, dass dieses Vertrauen entstehen kann. Die Verschwiegenheitspflicht rechnet daher von jeher zu den anwaltlichen Grundpflichten […]. Als unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung hat sie teil am Schutz des Art. 12 GG.“2 Es ist weder in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, noch unabhängig davon erkennbar , dass ein besonderes verfassungsrechtliches Bedürfnis zur Verschwiegenheit des Rechtsanwaltes besteht, wenn er einer gewerblichen Tätigkeit außerhalb der Rechtspflege nachgeht. Dies gilt grundsätzlich auch für Lobbyismus.3 Die Abgrenzung zwischen Lobbyismus und 1 Schmedes, ZParl 2009, 543. 2 BVerfG NJW 2004, 1305 (1307) [Hervorhebung durch Verfasser]; siehe auch Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 43a Rn. 30f. 3 Hoppe, Transparenz per Gesetz? – Zu einem künftigen Lobbyisten-Register, ZRP 2009, 39 (40); andere Auffassung möglicherweise Geiger, Lobbyisten - des Teufels Advokaten?, EuZW 2003, 385: „Aus diesem Grund werden von den Unternehmen verstärkt externe Berater bei der Interessenvertretung eingeschaltet. Neben PR- und Lobbyingdienstleistern sind dies in den letzten Jahren zunehmend auch Rechtsanwaltskanzleien, die den in Gesetzgebungsvorhaben unerlässlichen juristischen Sachverstand mitbringen. Ferner unterliegen Rechtsanwälte als Organe Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 095/10 Seite 4 Rechtspflege dürfte in der Praxis allerdings nicht immer ganz einfach sein: So kann es im Einzelfall als Lobbyismus erscheinen, wenn ein Rechtsanwalt in einem Widerspruchsverfahren letztlich rein wirtschaftliche Interessen seines Mandanten durchsetzt. Im ungarischen Recht ist daher Interessenvertretung in formalisierten Verfahren kein Lobbyismus.4 Für Lobbyismustätigkeiten von Rechtsanwälten gilt aber – wie für alle unternehmerischen Tätigkeiten auch – das allgemeine Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. In der Ausarbeitung WD 3 – 408/08 heißt es hierzu: „Das BVerfG hat ausgeführt: ‚[Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG] […] verbürgen ihren Trägern einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen , individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [44]).’ Die Erhebung und Veröffentlichung betriebs- und berufsbezogener Daten ist seit langem üblich: Bestimmte Unternehmensformen müssen ihre Finanzlage, Beteiligungen und Geschäftsfelder offenlegen, vgl. u. a. §§ 325 f. Handelsgesetzbuch (HGB); börsennotierte Aktiengesellschaften müssen sich zum Kodex guter Unternehmensführung (Denglisch: ‚Corporate Governance Kodex’) öffentlich erklären, § 161 Aktiengesetz; Parteien sind zur Offenlegung ihrer Finanzen verpflichtet , vgl. § 23 f. Parteiengesetz; auch über eingetragene Einzelkaufleute gibt das öffentlich einsehbare Handelsregister Auskunft. Die Interessen des Rechtsverkehrs, der Gläubiger und des Finanzsystems insgesamt dürften hier die Veröffentlichung von Daten verfassungsrechtlich grundsätzlich rechtfertigen. […] Das Anliegen des IntVG [künftigen Interessenvertretungsgesetzes für Lobbyisten ] einer transparenten demokratischen Willensbildung betrifft einen wichtigen Bereich der Verfassung. Nach alledem spricht viel dafür, dass die Pflicht zur Offenlegung auch von Finanzen und Auftraggebern grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, unabhängig davon, ob es um Einzelunternehmer oder juristische Personen geht.“ der Rechtspflege besonderen straf- und standesrechtlichen Pflichten. Die Mitwirkung von Rechtsanwaltskanzleien im Lobbyingprozess ermöglicht es den Wirtschaftsunternehmen somit, politischem Zeitgeistaktionismus zu begegnen , ohne dabei in ein schiefes Licht zu geraten. Rechtsanwälte sind im Lobbyingprozess also nicht etwa Luzifers legale Streitmacht - sie sind vielmehr im Auftrag des Herrn unterwegs.“; ähnlich Geiger/Santomauro, Lobbying - Anwaltliches Beratungsfeld der Zukunft?, NJW 2003, 2878 (2881). 4 Hoppe, Transparenz per Gesetz? – Zu einem künftigen Lobbyisten-Register, ZRP 2009, 39.