Geheimhaltung von amtlichen Unterlagen - Ausarbeitung - / © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 -095/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: / Geheimhaltung von amtlichen Unterlagen Ausarbeitung WD 3 - 3000 -095/09 Abschluss der Arbeit: 23. März 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Einleitung Ein großer Teil der in den deutschen Bundesbehörden und Archiven lagernden Akten aus den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland ist als „Verschlusssache“ eingestuft. Dadurch sind sie für Wissenschaftler und die interessierte Öffentlichkeit nicht oder nur schwer zugänglich. Der Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands hat mit einem Schreiben vom 6. März 2009 an den Bundesinnenminister gegen die Aufhebung der Novelle der Verschlusssachenanweisung aus dem Jahr 2006 protestiert. Diese Novelle hatte die Forschungsarbeit kurzzeitig erleichtert, war aber für die Behörden aufgrund der Anzahl der Anfragen nicht praktizierbar. Die Ausarbeitung untersucht, welche Rechtsgrundlagen für die Geheimhaltung von Akten in Deutschland generell bestehen. Außerdem wird dargestellt, welche Auskunftsansprüche ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium geltend machen kann. 2. Rechtsgrundlagen für den Informationsanspruch des Bürgers gegenüber Bundesbehörden Seit dem Inkrafttreten des Umweltinformationsgesetzes1 im Jahr 1994 und des Informationsfreiheitsgesetzes 2 im Jahr 2006 hat sich der Informationsanspruch der Bürger gegenüber den Behörden sehr erweitert und konkretisiert. Zuvor lag die Entscheidung über den Zugang zu staatlichen Informationen im Ermessen der Behörde, soweit sich nicht ein Anspruch auf Aktenzugang in einem konkreten Verwaltungsverfahren3 oder aus bereichsspezifischer Regelungen4 ergab. Der Bürger hatte nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Prüfung und Entscheidung, wenn er ein berechtigtes oder schutzwürdiges Interesse geltend machen konnte.5 Auch Art. 5 Abs. 1 GG gewährt ein – einschränkbares – Recht auf Information. 2.1. Verfassungsrecht Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG gewährt jedermann das Recht „…sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind „allgemein“ zugängliche Informationsquellen solche, die (technisch) geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem individuell 1 Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 8.7.1994, Novelle 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704). 2 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 5.9.2005 (BGBl. I S. 2722). 3 § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz. 4 Zum Beispiel das Recht auf Auskunft über gespeicherte Daten gemäß § 90 Bundesdatenschutzgesetz . 5 Mauerer, Hartmut, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage 2009, S. 493 Rn. 21a. - 4 - nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu beschaffen.6 Nicht allgemein zugänglich sind die von staatlichen Behörden verwalteten Informationen,7 etwa Behördenakten . Da es sich bei dem Grundrecht auf Informationsfreiheit um ein staatsgerichtetes Abwehrrecht handelt, eröffnet es kein (Leistungs-)Recht auf die Erschließung neuer Informationsquellen.8 Aus Art. Abs. 5 GG ergibt sich daher kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Verwaltung auf Zugang zu staatlichen Informationen.9 2.2. Informationsfreiheitsgesetz Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gewährt einen umfassenden Informationsanspruch , der sich auf alle Verwaltungsbereiche des Bundes erstreckt. Nach § 1 IFG hat „jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“. Ein besonderes Interesse an der Auskunft braucht nicht geltend gemacht werden. Grundsätzlich kann somit jeder Bürger von einer Bundesbehörde Auskunft verlangen, soweit nicht einer der in den § 3 bis § 6 IFG normierten Ausnahmen vorliegt. Hiernach kann der Anspruch auf Informationszugang unter anderem zum Schutz personenbezogener Daten (§ 5 IFG), zum Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§ 6 IFG) oder hinsichtlich von Entwürfen in behördlichen Entscheidungsprozessen abgelehnt werden (§ 4 IFG). Besonders umfangreich sind die Ausnahmebestimmungen zum Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, die in § 3 IFG aufgeführt sind. Das Informationsfreiheitsgesetz enthält im Bereich des Schutzes öffentlicher Belange keine Abwägungsklauseln . Liegt einer der Ausnahmegründe vor, findet keine Abwägung mit den Gründen des Auskunftsersuchens statt.10 So besteht zum Beispiel kein Anspruch auf Informationszugang, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf internationale Beziehungen ,11 militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr,12 Belange der inneren oder äußeren Sicherheit,13 oder wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann.14 6 BVerfGE 27, 71 (83 f.); 27, 104 (108); 33, 52 (65); 90, 27 (32); 103, 44 (60). 7 BVerfGE 47, 247 (252). 8 Bethge, Herbert, in: Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 4. Auflage 2007, Art. 5 Rn. 59a, Starck, Christian, in: v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), GG I, 5. Auflage 2005, Art. 5 Rn. 50. 9 Vgl. Wendt, Rudolf, in: von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 5 Rn. 25. 10 Jastrow, Daniel-Serge/Schlatmann, Arne, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2006, § 3 Rn. 12; Rossi, Matthias, Informationsfreiheitsgesetz: Handkommentar, 2006, § 3 Rn. 1. 11 § 3 Nr. 1 Buchstabe a IFG. 12 § 3 Nr. 1 Buchstabe b IFG. 13 § 3 Nr. 1 Buchstabe c IFG. 14 § 3 Nr. 2 IFG. - 5 - Ein Anspruch auf Informationszugang besteht unter anderem gemäß § 3 Nr. 4 1. Alternative IFG nicht, „…wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht (…) unterliegt,…“. Dieser Ausnahmetatbestand zielt auf den Schutz von Informationen, die durch andere Rechtsvorschriften für geheimhaltungsbedürftig oder vertraulich erklärt worden sind. Zu den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zählt auch die Verschlusssachenanweisung des Bundesministeriums des Innern.15 2.3. Verschlusssachenanweisung Das Bundesministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 23. März 200616 die Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung) bekannt gemacht.17 Diese trat zum 1. Juni 2006 in Kraft, wurde aber mit Erlass des BMI zunächst bis Oktober 2008 außer Kraft gesetzt und am 8. Oktober 2008 aufgehoben. Grund der Aufhebung war die große Zahl der Anfragen, die eine ordnungsgemäße Einzelfallprüfung verhinderte .18 Die Neuregelung der Verschlusssachenanweisung sah eine rückwirkende automatische Aufhebung der VS-Einstufung aller vor 2006 nach Ablauf von 30 Jahren angelegten Verschlusssachen vor, sofern auf der Verschlusssache keine kürzere oder längere Frist bestimmt ist bzw. die Einstufungsfrist verlängert worden wäre.19 Nach der Aufhebung der Novelle der Verschlusssachenanweisung ist gültige Rechtsgrundlage wieder die Verschlusssachenanweisung vom 29. April 1994.20 Diese sieht vor, dass vor dem 1. Januar 1995 als Verschlusssachen eingestufte Informationen unbefristet eingestuft bleiben. Die herausgebende Behörde hat den Geheimhaltungsgrad erst zu ändern, wenn die Gründe für die bisherige Einstufung weggefallen sind.21 Für 15 Rossi, Matthias, Informationsfreiheitsgesetz: Handkommentar, 2006, § 3 Rn. 50, dort ist auch eine Aufzählung der wichtigsten einfachgesetzlichen Geheimnisregelungen zu finden. 16 RdSchr. des BMI - IS 4 – 606 522 – 1/1 -. 17 Rechtsgrundlage ist § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes in Verbindung mit Art. 86 GG. 18 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Wissing u. a. und der Fraktion der FDP „Freigabe von Akten der Bundesregierung“, BT-Drs. 16/11354 vom 12.12.2008. 19 § 9 Abs. 3 Verschlusssachenanweisung 2006. 20 Gemeinsames Ministerialblatt (GMBl.) S. 674, zuletzt geändert durch 1 VS-Anweisung vom 1. Juni 2001, GMBl. S. 641. 21 § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 Verschlusssachenanweisung 1994. - 6 - nach dem 1. Januar 1995 als Verschlusssache eingestufte Akten wurde die Einstufung nach 30 Jahren automatisch aufgehoben, sofern nicht eine einmalige Verlängerung um höchstens 30 Jahre verfügt wurde.22 3. Rechtsgrundlagen für den Informationsanspruch eines Bundestagsabgeordnete gegenüber Bundesbehörden 3.1. Grundlagen des Informationsanspruchs Information ist existenzielle Voraussetzung für die Wahrnehmung der Kontrollbefugnisse durch die Volksvertreter.23 Der einzelne Abgeordnete hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf die Informationen, die er zur Erfüllung der ihm durch sein Mandat zukommenden parlamentarischen Aufgaben und Befugnisse benötigt.24 Frage- und Informationsrechte des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten sind im Grundgesetz nicht als allgemeiner Anspruch enthalten, sondern an verschiedenen Stellen als konkrete Informationsansprüche geregelt.25 Eingehende Regelungen finden sich jedoch in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags (GOBT). So sind dort Beteiligungsrechte konkretisiert in den Formen der Großen und Kleinen Anfragen (§§ 100, 104 GOBT), Fragen einzelner Abgeordneter zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung (§ 105 GOBT) sowie durch die Aktuelle Stunde und die Befragung der Bundesregierung (§ 106 GOBT). Die verfassungsrechtliche Grundlage des parlamentarischen Fragerechts und der korrespondierenden Antwortpflicht der Regierung sieht die neuere Lehre26 im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG27 im verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten, mithin in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und nicht in Art. 43 GG, begründet28. Hieraus lässt 22 § 9 Abs. 3 Verschlusssachenanweisung 1994. 23 Kotzur, Markus, Informationsansprüche des Parlaments im demokratischen Verfassungsstaat, Jura 2007, 52. 24 BVerfG NJW 2002, S. 2621 (2623), m. w. N; Kretschmer, Gerald, in: Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz/Hofmann, Hans/Hopfauf, Axel, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage 2008, Art. 38 Rn. 72. 25 Etwa Art. 13 Abs. 6 S. 1 GG oder Art. 23 Abs. 2 GG; weitere Beispiele bei Teuber, Christian, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 60 ff. Anders ist dies in einigen Landesverfassungen: Beispielsweise werden in Art. 23 Abs. 2 S. 2 der Landesverfassung von Schleswig-Holstein, Art. 56 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg oder Art. 89a Abs. 1 der Verfassung von Rheinland- Pfalz allgemeine Informationsrechte von Parlament und Abgeordneten benannt. 26 Achterberg, Norbert/Schulte, Martin, in v. Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Stark, Christian, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 43 GG Rn. 17. 27 BVerfGE 13, 123 (125); 57, 1 (5); 67, 100 (129); 70, 324 (355); 80, 188 (218); 92, 130 (137); 105, 252 (270), 279 (306). 28 Hölscheidt, Sven, Frage und Antwort im Parlament, A III 1, S. 18. - 7 - sich insbesondere das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten verfassungsrechtlich ableiten .29 3.2. Grenzen des Informationsanspruchs 3.2.1. Allgemeines Das grundsätzliche Recht des Bundestages auf Vorlage von Akten der ihm verantwortlichen Regierung ist Bestandteil der parlamentarischen Kontrolle.30 Aus dieser Rechtsprechung folgt der allgemeine Grundsatz, dass die Regierung im Einzelfall zur Gewährung von Akteneinsicht und zur Aktenvorlage verpflichtet ist, falls und insoweit die Kenntnis des Inhalts und der Gestaltung der einschlägigen Akten erst die Voraussetzungen für eine verantwortliche parlamentarische Entscheidung schafft.31 Ausdrücklich anerkannt sind indes nur das Aktenvorlagerecht von Untersuchungsausschüssen32 und die Einsichtnahme in die Begründung bestimmter Haushaltsansätze33, es gibt aber z. B. keinen Anspruch eines einzelnen Abgeordneten gegen den Rechnungshof auf Vorlage der jährlichen Prüfungsberichte34. Somit kann nicht von einem allgemeinen, auf beliebige Gegenstände gerichteten Informationsanspruch des Abgeordneten gegenüber der Exekutive ausgegangen werden. Vielmehr steht der Informationsanspruch im engen Zusammenhang mit der Erfüllung, der durch das Mandat zukommenden parlamentarischen Aufgaben und Befugnisse.35 Unbegrenzte Informationspflichten kann es schon aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips nicht geben. Die Bundesregierung muss nicht alle parlamentarischen Anfragen inhaltlich beantworten. Vielmehr ergeben sich aus rechtlichen wie auch tatsächlichen Gründen Grenzen. So besteht keine Antwortpflicht36, - soweit die Bundesregierung weder unmittelbar noch mittelbar zuständig ist oder das Fragerecht missbräuchlich ausgeübt wird37, - soweit nachweislich die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung gefährdet würde38, 29 Kretschmer (Fn. 24), Art. 43 GG Rn. 19. 30 BVerfGE 67, 100, S. 129. 31 Kretschmer (Fn. 24), Art. 43 GG Rn. 23. 32 BVerfGE 67, 100 (128). 33 BVerfGE 70; 324 (356). 34 BVerfGE 92, 130 (136). 35 Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, Vierter Teil § 15, I4a, S. 502. 36 Ausdrücklich normiert in Art. 89a Abs. 3 der Verfassung von Rheinland-Pfalz. 37 Kretschmer (Fn. 24), Art. 43 GG Rn. 20. 38 Vgl. BT-Drs. 13/6149 i. V. m. BT-Plenarprotokoll 13/194, S. 17508. - 8 - - soweit Grundrechte solcher Privatpersonen begrenzt, deren persönliche oder wirtschaftliche Angelegenheiten durch die Information berührt werden. Diese Ausnahmen ändern jedoch nichts daran, dass die Antwortpflicht der Regierung die Regel, ihre Befugnisse zu einer Verweigerung der Antwort die begründungsbedürftige Ausnahme darstellt.39 Grundsätzlich erstreckt sich die Auskunftspflicht auch auf geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, allerdings muss der Bundestag die Geheimhaltung in seinem Bereich sicherstellen .40 3.2.2. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Fragen an die Bundesregierung sind auch nicht schon deshalb unzulässig, weil sie Informationen aus dem Kernbereich der Regierung begehren.41 Die Bundesregierung kann jedoch ein Antwortverweigerungsrecht bei Fragen in Anspruch nehmen, die sich nicht nur auf geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, sondern auch auf die interne Willensbildung der Bundesregierung beziehen, sogenannter „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung “.42 Dieser Bereich ist parlamentarischem Zugriff entzogen. Zum Kernbereich gehören u. a. der Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Exekutivorgane, die Willensbildung der Regierung selbst, aber auch vorbereitende Erörterungen im Kabinett und ressortinterne oder ressortübergreifende Abstimmungsprozesse.43 Das Bundesverfassungsgericht differenziert hinsichtlich der Informationspflichten der Regierung in zwei Stufen und unterscheidet zwischen dem kontrollierenden Zugriff des Parlaments auf noch laufende und bereits abgeschlossene Vorgänge.44 Demnach verbietet der Gewaltenteilungsgrundsatz Eingriffe in laufende Entscheidungsfindungsprozesse , weil ansonsten eine eigenverantwortliche, freie Willensbildung nicht möglich wäre.45 Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen , besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen.46 39 Klein, Hans, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.), Grundgesetz Kommentar, Band IV, (Stand: Februar 2004), Art. 43 GG Rn. 96. 40 BVerfGE 67, 100 (137 ff.). 41 Kretschmer (Fn. 24), Art. 43 GG Rn. 21. 42 Kotzur (Fn. 23), Jura 2007, 53. 43 Degenhart, Christoph, Staatsorganisationsrecht, 24. Auflage 2008, Rn. 631 sowie Rn. 617. 44 Kotzur (Fn. 23), Jura 2007, 56. 45 Kotzur (Fn. 23), Jura 2007, 57. 46 BVerfGE 110, 199 ff. - 9 - Anders liegt es bei nachträglichen parlamentarischen Informationsansprüchen. Das Bundesverfassungsgericht macht hierbei deutlich, dass Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen nicht mehr im selben Maße geschützt sind wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung schaffen würde.47 Je intensiver das Informationsbegehren jedoch in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung, vor allem der Kabinettsarbeit vordringt , desto gewichtiger muss das Informationsinteresse des Parlaments sein.48 Besonders gewichtig ist dies immer dann, wenn es mögliche Rechtsverstöße der Regierung oder vergleichbare Missstände aufdecken will.49 4. Ergebnis Weder aus Verfassungsrecht noch aus dem Informationsfreiheitsgesetz ergibt sich für den Bürger ein Rechtsanspruch auf Zugang zu den als Verschlusssachen gekennzeichneten Akten der Bundesbehörden. Das Informationsfreiheitsgesetz zählt zu seinen Ausnahmetatbeständen ausdrücklich die Verschlusssachenanweisung, die die Einstufung und Freigabe von Akten in den Bundesbehörden regelt. Die Novelle der Verschlusssachenanordnung von 2006 sah eine automatische Freigabe der eingestuften Akten 30 Jahren nach ihrer Einstufung vor. Somit wären viele eingestufte Akten aus den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik für die Wissenschaft zugänglich gewesen. Nach Aufhebung der Novelle haben Wissenschaftler nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung der Einstufung im Einzelfall zu stellen. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Behörde. Nach Aussagen der Bundesregierung würde eine generelle Freigabe nach Ablauf einer bestimmten Frist zu einer Bekanntgabe von Informationen führen, die die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder die auswärtigen Beziehungen belasten könnten.50 Abgeordnete haben in den aufgezeigten Grenzen grundsätzlich einen Anspruch auf Information durch die Bundesregierung. Dies gilt auch für geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, wenn die Geheimhaltung beim Bundestag gesichert ist. ( ) ( ) 47 BVerfGE 110, 199 ff. 48 Kotzur (Fn. 23), Jura 2007, 57. 49 BVerfGE 67, 100 (139). 50 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Wissing u. a. und der Fraktion der FDP „Freigabe von Akten der Bundesregierung“, BT-Drs. 16/11354 vom 12.12.2008.