WD 3 - 3000 - 094/21 (11.05.2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Es wurde gefragt, ob die Regelungen der sog. Bundesnotbremse, insbesondere die Ausgangssperre, eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG darstellen. Die Frage ist deshalb relevant, weil Freiheitsbeschränkungen nur aufgrund eines Gesetzes, aber nicht durch ein Gesetz selbst angeordnet werden dürfen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt nur vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Dazu gehört aber nicht die Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überall hin bewegen zu dürfen. Die Freiheit der Person ist vielmehr nur betroffen, wenn eine Person einen Ort nicht verlassen darf, oder ihr vorgeschrieben wird, sich an einen anderen Ort zu begeben.1 Historisch betrachtet knüpft Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG an den Gedanken des Schutzes vor willkürlicher Verhaftung an und steht in der Tradition der Magna Charta und der Habeas-Corpus-Akte. Es sollte die „Freiheit von obrigkeitlicher Festnahme und Gefangenschaft“ gewährleistet werden.2 Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG schützt daher lediglich die körperliche Bewegungsfreiheit und der Schutzbereich muss sehr eng ausgelegt werden. Dieser erfasst nur die „tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor Eingriffen wie Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs“.3 So stellt sogar die Begrenzung des Aufenthalts von Asylsuchenden während des Verfahrens nach §18a AsylVfG auf die für ihre Unterbringung vorgesehenen Räumlichkeiten 1 BVerfGE 94, 166, 198. 2 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 GG, Rn. 22; ; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 3. 3 BVerfG NVwZ 2009, 1033. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation „Bundesnotbremse“ ist keine Freiheitsbeschränkung Kurzinformation „Bundesnotbremse“ ist keine Freiheitsbeschränkung Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 im Transitbereich eines Flughafens keine Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG dar.4 Auch die sog. Bundesnotbremse und die aus ihr resultierenden Maßnahmen erreichen diese Schwelle nicht, sodass bereits der Schutzbereich nicht eröffnet ist. § 28b Abs. 1 Nr. 2 untersagt nur den Aufenthalt außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft sowie dem jeweils dazugehörigen befriedeten Besitztum. In welcher Wohnung oder Unterkunft man sich aufhält, ist nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern kann frei entschieden werden. Die Ausgangssperre gilt auch nur für den genau bestimmten Zeitrahmen von 22 bis 5 Uhr. Zudem enthält die Vorschrift zahlreiche Ausnahmetatbestände, wann der Aufenthalt außerhalb der Wohnung oder Unterkunft auch während der Ausgangssperre möglich ist. Dazu gehören neben der körperlichen Betätigung von Einzelpersonen auch soziale und berufliche Verpflichtungen sowie ähnlich gewichtige und unabweisbare Zwecke (§ 29b Abs. 1 Nr. 2 f)), was Auslegungsspielraum gibt. Die in der Bundesnotbremse enthaltenen Maßnahmen fallen demnach schon nicht in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, sondern berühren die von der Allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG erfassten Mobilität.5 Dieses Grundrecht enthält keine Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG entsprechende Einschränkung. Sollte der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG entgegen der hier vertretenen Ansicht betroffen sein, so liegt jedenfalls kein Eingriff vor. Ein solcher erfordert die Anwendung unmittelbaren Zwangs.6 Dies geschieht durch § 28b GG jedoch gerade nicht, erforderlich wäre vielmehr eine diesen im Einzelfall anzuwendende und durchzusetzende Maßnahme. Diese würde darüber hinaus auf Grund eines Gesetzes, nämlich § 28b IfSG ergehen, und somit auch bei unterschiedlicher Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffs dem Erfordernis des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG genügen. *** 4 BVerfGE 94, 166, 198. 5 Kunig/Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG, Rn. 133. 6 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 GG, Rn. 31; BVerfGE 105, 239 (247).