© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 094/19 Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Krankenhausrechts Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 094/19 Seite 2 Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Krankenhausrechts Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 094/19 Abschluss der Arbeit: 11. April 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 094/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit verschiedenen Fragen zu Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder im Bereich des Krankenhausrechts, insbesondere in Bezug auf die Krankenhausplanung und auf Personalvorgaben. 2. Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG Ein eigener Kompetenztitel für das Krankenhausrecht existiert nicht. Kompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens verteilen sich insbesondere auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Sozialversicherung), Nr. 19 GG (unter anderem medizinische Berufe und Arzneimittel) und Nr. 19a GG. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG betrifft „die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze“. Die wirtschaftliche Sicherung umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unter anderem „die Finanzhilfen und die Entgelte für teilstationäre und stationäre Krankenbehandlung“.1 Der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz insbesondere durch den Erlass des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG)2 und des Krankenhausentgeltgesetzes3 Gebrauch gemacht. Grundsätzlich nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG umfasst sind die Krankenhausorganisation und die Krankenhausplanung.4 Diese fallen mangels anderweitiger Zuweisung grundsätzlich gemäß Art. 70 Abs. 1 GG in den Kompetenzbereich der Länder.5 Die Länder haben jeweils eigene Krankenhausgesetze erlassen. Ebenso umfasst Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht die Verfolgung gesundheitspolitischer Fernziele, die über einen allgemeinen Standard der Krankenhausversorgung hinausgehen.6 Voraussetzung für ein Tätigwerden des Bundes im Bereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG ist gemäß Art. 72 Abs. 2 GG stets, dass die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. 1 BVerfGE 114, 196 (222). 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2394). 3 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG) vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2394). 4 BVerfGE 83, 363 (380). 5 Wollenschläger/Schmidl, Kompetentielle Grundfragen des Krankenhausstrukturgesetzes: das neue Qualitätsziel in der Krankenhausplanung, in: GesR 9/2016, S. 542 ff. (545) m.w.N. 6 BVerfGE 82, 209 (232). Abgesehen von den bisher genannten Urteilen ist Rechtsprechung zur Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG nicht ersichtlich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 094/19 Seite 4 3. Gesetzgebungskompetenz für Personalvorgaben im Krankenhaus Zum Teil wird angenommen, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG auch Regelungen über die Personalstruktur der Krankenhäuser umfasst, wenn diese zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser erfolgen.7 Die Gegenseite geht davon aus, dass Fragen der Personalstruktur von diesem Kompetenztitel nicht umfasst sind.8 Im Übrigen kommt für Personalvorgaben in Krankenhäusern insbesondere die Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in Betracht. Die Zuständigkeit umfasst unter anderem die Qualitätssicherung für die Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung.9 Bundesrechtliche Regelungen zur Qualitätssicherung dürfen in die Krankenhausplanung durch die Länder hineinwirken.10 Voraussetzung dafür ist, dass die Vorschriften im Schwerpunkt der Sozialversicherung und nicht der Krankenhausplanung zuzuordnen sind.11 Dies ist der Fall, wenn die Regelungen für die Leistungserbringung der Sozialversicherung geboten und erforderlich sind.12 Vorgaben zur Qualitätssicherung der Leistungserbringung in den Krankenhäusern finden sich in den §§ 135 ff. SGB V.13 Teil dieser qualitätsbezogenen Vorschriften sind die Regelungen zur Bestimmung von Pflegepersonaluntergrenzen in den §§ 137i und 137j SGB V. Auch weitere Personalvorgaben für Krankenhäuser dürften der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG unterfallen, soweit sie für die Sicherung der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung geboten und erforderlich sind. 7 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL November 2018, Art. 74 Rn. 221. 8 Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 89; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 141; Steiner, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 74 GG Rn. 12. 9 Wollenschläger/Schmidl, Qualitätssicherung als Ziel der Krankenhausplanung, in: VSSR 2/2014, S. 117 ff. (126) m.w.N.; Neumann, Die externe Qualitätssicherung im Krankenhausrecht, Diss. 2018, S. 109. 10 Neumann, Die externe Qualitätssicherung im Krankenhausrecht, Diss. 2018, S. 110. Siehe auch Steiner, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 74 GG Rn. 12: „Krankenhausplanung und Krankenhausorganisation werden [...] auch wesentlich durch das SGB V (§§ 107 ff.) auf der Grundlage des Art. 74 I Nr. 12 geregelt“. 11 Wollenschläger/Schmidl, Qualitätssicherung als Ziel der Krankenhausplanung, in: VSSR 2/2014, S. 117 ff. (127) m.w.N. 12 Wollenschläger/Schmidl, Qualitätssicherung als Ziel der Krankenhausplanung, in: VSSR 2/2014, S. 117 ff. (127). 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. März 2019 (BGBl. I S. 350). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 094/19 Seite 5 4. Gesetzgebungskompetenz für die Krankenhausplanung Der Bund gibt den Ländern im aufgrund der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG erlassenen KHG vor, einen Krankenhausplan zu erstellen. Die inhaltliche Planung ist – wie oben erwähnt – grundsätzlich Angelegenheit der Länder. Zur Aufstellung der Krankenhauspläne finden sich Vorschriften in allen Landeskrankenhausgesetzen. Eine Bundeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG für Fragen, die die (inhaltliche) Krankenhausplanung betreffen, wird nur dann bejaht, wenn der Bezug zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser offensichtlich ist und den Ländern eigenständige und erhebliche Ausgestaltungsspielräume bleiben.14 Daneben wirken bundesrechtliche Regelungen – wie bereits ausgeführt – aufgrund der Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG im Bereich der Qualitätssicherung in die Krankenhausplanung hinein. So beschließt etwa der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 136c Abs. 1 SGB V Qualitätsindikatoren, die nach § 6 Abs. 1a S. 1 KHG grundsätzlich in die Krankenhauspläne aufgenommen werden müssen. Allerdings steht es den Ländern nach § 6 Abs. 1a S. 2 KHG frei, durch Landesrecht die Geltung der Qualitätsindikatoren ganz oder teilweise auszuschließen oder einzuschränken und weitere Qualitätsanforderungen zum Gegenstand der Krankenhausplanung zu machen. Da der Bund im Bereich der Krankenhausplanung von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 und Nr. 19a Gebrauch gemacht hat, können die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG auf den durch den Bund geregelten Gebieten eigene Regelungen nur treffen, soweit die Vorschriften des Bundes nicht abschließend wirken. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall geprüft werden.15 *** 14 Wollenschläger/Schmidl, Qualitätssicherung als Ziel der Krankenhausplanung, in: VSSR 2/2014, S. 117 ff. (125) m.w.N. 15 Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL November 2018, Art. 72 Rn. 84.