Deutscher Bundestag Registrierungspflicht von Lobbyisten: Ahndung von Verstößen durch den Deutschen Bundestag? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 094/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 094/10 Seite 2 Registrierungspflicht von Lobbyisten: Ahndung von Verstößen durch den Deutschen Bundestag? Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 094/10 Abschluss der Arbeit: 12. März 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 094/10 Seite 3 1. Fragestellung und Ergebnis Bislang besteht keine allgemeine gesetzliche Pflicht für Interessenvertreter („Lobbyisten“), sich in ein Register einzutragen. Die einzige – nicht gesetzliche – Registrierungspflicht besteht nach der 1972 in die Geschäftsordnung des Bundestages eingefügten Anlage 2: Sie macht die parlamentarische Anhörung von Interessenverbänden von einem kurzen Eintrag in das Lobbyistenregister abhängig.1 Ein Verstoß wird nicht mit einer Geldsanktion geahndet. Ein künftiges Gesetz könnte vorsehen, dass sich Lobbyisten in ein Register einzutragen haben, und zwar unabhängig davon, ob sie beim Bundestag oder z. B. in einem Ministerium Interessen vertreten.2 Verstöße gegen die Registrierungspflicht ließen sich als Ordnungswidrigkeit oder Straftat ahnden. Es stellt sich die Frage, ob auch die Bundestagsverwaltung solche Verstöße gegen die Registrierungspflicht auf Grundlage eines einfachen Gesetzes ahnden könnte. Im Ergebnis dürfte dies gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen und daher verfassungswidrig sein. 2. Grundsatz der Gewaltenteilung Die Dreiteilung staatlicher Gewalt in Legislative, Exekutive und Judikative gehört zu den nach Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz (GG) unabänderlichen Verfassungsgrundsätzen. Sie dient dazu, Staatsherrschaft zu mäßigen.3 Ferner dient sie dazu, dass das am besten geeignete Organ staatliche Entscheidungen trifft.4 Die drei Gewalten sind miteinander verflochten. Zum Beispiel kontrolliert die Legislative die Exekutive und nimmt so Einfluss. Dies ist zulässig, insoweit das Parlament nicht in den Kernbereich der Exekutive eindringt.5 Etwas anderes ist es, wenn einer Staatsgewalt nicht nur die Kontrolle, sondern die Aufgabe selbst übertragen ist, die funktional eher einer anderen Staatsgewalt zusteht. In Einzelfällen sieht die Verfassung solche Aufgabenübertragungen allerdings vor: So ist z. B. die Feststellung des Verteidigungsfalles funktional eine Exekutivaufgabe; jedoch nimmt nach Art. 115a GG das Parlament diese Aufgabe war.6 Die Übertragung jedenfalls von Kernaufgaben von einer Gewalt auf die andere dürfte aber auch für den Verfassungsgesetzgeber unzulässig sein. Überträgt nicht der Verfassungsgesetzgeber, sondern der einfache Gesetzgeber einer Staatsgewalt Aufgaben, die nach der Verfassung einer anderen Staatsgewalt zustehen, so ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig verfassungswidrig. Dies gilt z. B., wenn dem Gesetz nach ein „weisungsgebundener Beamter“ einem Gremium angehört, das rechtsprechende Aufgaben wahrnimmt7, wenn ein „Bürgermeister kraft seines Amtes Vorsitzender des 1 BGBl. 1972 I S. 2066 (unverändert). 2 Schmedes, ZParl 2009, 543. 3 Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 81. 4 Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 81. 5 BVerfGE 9, 268. 6 Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 85 Fn. 297. 7 BVerfGE 4, 331 (347). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 094/10 Seite 4 kollegialen Friedensgerichtes ist“8 oder wenn „Vorstandsmitglieder der Landwirtschaftskammern an der Rechtsprechung der Landwirtschaftsgerichte erster Instanz“9 beteiligt sind. 3. Ahndung von Ordnungswidrigkeiten Die Ahndung von Verwaltungsunrecht („Ordnungswidrigkeiten“) ist grundsätzlich Angelegenheit der Exekutive , so ahndet z. B. Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung die Verkehrsverwaltung und nicht das Parlament. In Einzelfällen kann aber die Verwaltung des Parlamentes in verfassungsrechtlich zulässiger Weise berufen sein, Verwaltungsunrecht zu ahnden, so z. B. bei Verstößen gegen die Hausordnung des Parlamentes, §§ 112, 131 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Hierfür spricht schon Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG (Hausrecht des Präsidenten ). Der Präsident des Deutschen Bundestages ist ferner dafür zuständig, „unrichtig festgesetzte […] staatliche Mittel“ der Parteienfinanzierung von den Parteien zurückzufordern, § 31a PartG. Diese Zuständigkeit des Parlamentes für eine Exekutivaufgabe dürfte als Sonderfall zulässig sein: Vertreter von Parteien kämpfen in erster Linie um ein Mandat im Parlament; hierdurch ergibt sich eine besondere sachliche Nähe zum Parlament. Die Kommentierung zu § 31a PartG problematisiert diese Frage allerdings nicht.10 Für Lobbyismus dürfte per se keine vergleichbar intensive besondere sachliche Nähe zum Parlament bestehen: Lobbyisten dürften nicht nur auf Gesetzgebung im Parlament abzielen, sondern z. B. auch auf den Entwurf von Gesetzen, die Verordnungsgebung und den Erlass von Verwaltungsakten durch die Exekutive. Denkbar ist auch Interessenvertretung gegenüber der Rechtsprechung .11 Es ist daher nicht ersichtlich, warum die Zuständigkeit für die Ahndung von Verwaltungsunrecht von Lobbyisten ausnahmsweise beim Parlament anzusiedeln sein sollte. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das „Lobbyisten-Gesetz“ nur die Tätigkeit von Lobbyisten in Bezug auf das Parlament regeln würde. In diesem Fall ergibt sich ein sachlicher Bezug zum Hausrecht des Präsidenten gem. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Institut des Wehrbeauftragten des Bundestages oder des Ermittlungsbeauftragten des Untersuchungsausschusses. Das Institut des Wehrbeauftragten ergibt sich aus Art. 45b GG. Seine Kompetenzen beschränken sich – im Unterschied zum Interessenvertretungsbeauftragten – auf Informationsrechte; insbesondere kann er keine Sanktionen verhängen. Gleichwohl bestand bereits bei der Schaffung dieses Amtes 1956/1957 großer Streit über dessen Stellung in der Staatsfunktionenordnung.12 Der nur einfachgesetzlich verankerte Ermittlungsbeauftragte des Untersuchungsausschusses (§ 10 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse) hingegen nimmt nur die rein parlamentarische Aufgabe des Untersuchungsausschusses wahr, also keine Exekutivaufgabe wie die Sanktionierung von Verwaltungsunrecht. 8 BVerfGE 10, 200 (216). 9 BVerfGE 54, 159 (166). 10 Kersten/Rixen, PartG, 2009, § 31a; Ipsen, PartG, 2008, § 31a. 11 Hoppe, ZRP 2009, 39. 12 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 45b, Rn. 6 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 094/10 Seite 5 Es wäre aber denkbar, dass die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten z. B. durch ein Gremium beaufsichtigt wird oder maßgeblich beeinflusst wird, in dem auch das Parlament in vorsitzender Funktion vertreten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Unter diesen Gesichtspunkten verstößt es nicht gegen das Prinzip der Gewaltenteilung , dass die Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Parlamentspräsidenten oder eines von diesem bestellten Vertreters tätig wird. […] Die Einigungsstellen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes sind sowohl vom Parlament als auch von der Regierung unabhängig. Sie stehen aber nicht ‚außerhalb der Verwaltung’, wie der Antragsteller annimmt. Sie sind Stellen der Staats- oder Gemeindeverwaltung, die Aufgaben der Personalverwaltung wahrnehmen, also zum Bereich der Exekutive gehören . Wenn also bisher dem Senat zustehende Befugnisse auf eine solche Einigungsstelle in der Staatsverwaltung übergehen, so wird dadurch nicht Macht von einer Gewalt auf eine andere Gewalt übertragen. Es handelt sich somit nicht um eine Frage der Gewaltenteilung. Das Problem liegt vielmehr darin, ob wesentliche Kompetenzen der Regierung entzogen und - innerhalb der Exekutive - auf unabhängige Stellen, wie es die Einigungsstellen sind, übertragen werden dürfen.“13 Denkbar wäre ferner auch, dass einer unabhängigen Stelle der Exekutive die Ahndung der Ordnungswidrigkeit zugewiesen wird, wie z. B. dem Bundesrechnungshof. 4. Ahndung von Straftaten Die vorgenannten Ausführungen gelten erst Recht bei der Ahndung von Verstößen gegen einen Straftatbestand. Hierbei geht es um einen im Vergleich zur Ordnungswidrigkeit viel erheblicheren Grundrechtseingriff. Der Grundsatz der Gewaltenteilung ist daher besonders genau einzuhalten . Im System der Gewaltenteilung obliegt die Verfolgung von Straftaten der Justiz.14 So ist es nur folgerichtig, dass die Verfolgung von Straftaten nach § 31d PartG in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und nicht in die Zuständigkeit der Parlamentsverwaltung fällt. 5. Ermittlungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Die zu Nr. 3 und 4 gemachten Ausführungen gelten auch für (planmäßige) Ermittlungen im Vorfeld der Ahndung etwaiger Verstöße. Auch hierfür ist die Exekutive bzw. Justiz allein zuständig. Die Bundestagsverwaltung könnte allenfalls – wie jede andere Behörde – ihr sozusagen zufällig bekannt gewordene Sachverhalte oder Verdachtsmomente an die Staatsanwaltschaft melden. 13 BVerfGE 9, 268 (Rn. 64). 14 Vgl. BVerfGE 113, 273 (Rn. 178).