Deutscher Bundestag Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht gegen Finanzhilfen der EU an Griechenland Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 090/10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 2 Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 090/10 Abschluss der Arbeit: 1. März 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 3 1. Fragestellung Ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen mögliche Finanzhilfen für Griechenland rechtlich zulässig? Besteht eine Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts hierfür? Welcher Rechtsverstoß könnte hier gerügt werden? 2. Sachverhalt Soweit aus der Presse bekannt wird von mehreren Einzelpersonen erwogen, im Falle der Gewährung von Finanzhilfen durch die Europäische Union an Griechenland hiergegen beim Bundesverfassungsgericht zu klagen. Finanzhilfen an Griechenland stellten einen Verstoß gegen das in den Europäischen Verträgen festgeschriebene „Bail-out-Verbot“ dar.1 Die in seinem „Maastricht- Urteil“ vom Bundesverfassungsgericht nicht ernst genommenen Bedenken seien durch die aktuelle Lage nunmehr bestätigt.2 Ob und gegebenenfalls in welcher Form Griechenland geholfen werden soll, steht derzeit nicht fest. Mehrere Optionen werden diskutiert: Um die Verteuerung der Kapitalaufnahme zu mildern, wird die Begebung gemeinsamer Anleihen durch die Staaten der Euro-Zone (sog. Eurobonds) angeregt. Die EU könnte direkte Finanzhilfen nach dem Vorbild der 2009 an Ungarn, Lettland und Rumänien gewährten Zahlungsbilanzdarlehen gewähren.3 Unter welchen Voraussetzungen die Europäische Union einem Mitgliedsstaat Finanzhilfen gewähren kann und ob dem die No-Bail-Out-Klausel in Artikel 125 Abs. 1 AEUV entgegensteht, ist umstritten.4 3. Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts gegenüber Akten der Europäischen Union Europäisches Recht geht nationalem Recht – auch Verfassungsrecht – vor. Daher hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich keine Akte der Europäischen Union zu prüfen. Für die rechtliche Überprüfung von Akten der Europäischen Union ist gemäß Artikel 19, 344 allein der Europä- 1) Handelsblatt vom 23. 2. 2010, Vier Kläger fordern eine Revanche vor dem höchsten Gericht. 2) Handelsblatt vom 23. 2. 2010, „Wir ziehen wieder nach Karlsruhe“. 3) , Finanzielle Hilfen für Mitgliedstaaten insbesondere nach Artikel 122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 11 – 3000 – 30/10, S. 4. 4) , a.a.O., S. 6 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 4 ische Gerichtshof zuständig.5 Nationale Gerichte sind nicht befugt, Handlungen der Gemeinschaftsorgane für ungültig zu erklären.6 Die der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon beigefügte Erklärung Nr. 17 zum Vorrang lautet7: Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben. Darüber hinaus hat die Konferenz beschlossen, dass das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates zum Vorrang in der Fassung des Dokuments 11197/07 (JUR 260) dieser Schlussakte beigefügt wird: „Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 22. Juni 2007 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Grundsatz aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung (Rechtssache 6/64, Costa gegen ENEL, 15. Juli 1964) war dieser Vorrang im Vertrag nicht erwähnt. Dies ist auch heute noch der Fall. Die Tatsache, dass der Grundsatz dieses Vorrangs nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen wird, ändert nichts an der Existenz und an der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs .“ In der Erklärung Nr. 17 wird aus dem Urteil des Gerichtshofs wie folgt zitiert: „Aus [...] folgt, dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll.“ Das Bundesverfassungsgericht hält sich gleichwohl für befugt zu prüfen, ob sich Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte 5) EUGH, 22. 10. 1987 – Rs 314/85, NJW 1988, S. 1451; so auch: Sauer, Kompetenz- und Identitätskontrolle von Europarecht nach dem Lissabon-Urteil, ZRP 2009, S. 195 [196]; Lenz, Brauchen wir ein neues Kontrollverfahren für das Recht der Europäischen Union vor dem BVerfG?, ZRP 2010, S. 22 [23]. 6) EUGH, 22. 10. 1987 – Rs 314/85, NJW 1988, S. 1451. 7) ABl. C 115/344; vgl. Hierzu: BVerfGE 123, 267 [396 ff., 401 f.]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 5 halten oder aus ihnen „ausbrechen“.8 Dazu gehöre auch eine Auslegung des Unions-Vertrages, die einer Vertragserweiterung gleichkomme. Eine solche Auslegung von Befugnisnormen würde für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten.9 Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht , ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes gewahrt ist.10 Das Bundesverfassungsgericht übt seine Rechtsprechung über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland nach eigenem Verständnis in einem „Kooperationsverhältnis “ zum Europäischen Gerichtshof aus.11 4. Mögliche Rechtsverstöße und Prüfungsmaßstab 4.1. Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG Als Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht kommt Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Betracht. Hierin enthalten ist das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen.12 In seiner Entscheidung vom 12. Oktober 1993 zum Vertrag von Maastricht hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, Artikel 38 GG werde verletzt, wenn ein Gesetz, das die deutsche Rechtsordnung für die unmittelbare Geltung und Anwendung von Recht der Europäischen Gemeinschaften öffnet, die zur Wahrnehmung übertragenen Rechte und das beabsichtigte Integrationsprogramm nicht hinreichend bestimmbar festlegt.13 Das bedeute zugleich, dass spätere wesentliche Änderungen des im Unions-Vertrag angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen nicht mehr vom Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gedeckt seien. Mit der Ratifikation des Unions-Vertrages habe sich die Bundesrepublik Deutschland nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren „Automatismus“ zu einer Währungsunion unterworfen. Jeder weitere Schritt zur Integration hänge von für das Parlament voraussehbaren Voraussetzungen oder von einer parlamentarisch zu beeinflussenden Zustimmung der Bundesregierung ab.14 In seiner damaligen Maastricht-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausführlich auf die Vorschriften des Vertrages zur Sicherstellung der Stabilität der Währung hingewiesen. Die Währungsunion sei als Stabilitätsgemeinschaft konzipiert, die vorrangig Preisstabilität zu ge- 8) BVerfGE 89, 155, 5. Leitsatz; BVerfGE 123, 267 [399 f.], 4. Leitsatz. 9) BVerfGE 89, 155, 6. Leitsatz; BVerfGE 123, 267 [400]. 10) BVerfGE 123, 267 [344], 4. Leitsatz. 11) BVerfGE 89, 155, 7. Leitsatz. 12) BVerfGE 123, 267 [340 ff.]. 13) BVerfGE 89, 155 [187]; BVerfGE 123, 267 [351]. 14) BVerfGE 89, 155, [203 f.] und 9. Leitsatz, c). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 6 währleisten habe.15 Die Europäische Zentralbank sei auf das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.16 Der Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion setzte dauerhafte Konvergenz der Mitgliedstaaten voraus. Die Konvergenzkriterien stünden nicht zur Disposition des Rates17 und könnten nicht ohne Mitwirkung des Deutschen Bundestages aufgeweicht werden .18 Die Befürchtung eines Fehlschlags der Stabilitätsbemühungen, der sodann weitere finanzpolitische Zugeständnisse der Mitgliedstaaten zur Folge haben könnte, sei „zu wenig greifbar, als dass sich daraus die rechtliche Unbestimmtheit des Vertrages ergäbe.“19 Beim Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft stünden die Verträge „auch einer Lösung aus der Gemeinschaft nicht entgegen “.20 Diese Konzeption der Währungsunion sei Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes. Handle die Währungsunion nicht in diesem Sinne, verlasse sie die vertragliche Konzeption. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgezählten Sicherungen für die Stabilität der Währungsunion könnten als Beleg für ein Überschreiten der Zustimmungsakte der Bundesrepublik Deutschland zur den Verträgen angeführt werden. Wären Finanzhilfen der Europäischen Union an Griechenland nicht von den Zustimmungsakten der Bundesrepublik Deutschland zu den Verträgen der Europäischen Union gedeckt („ultra vires “), könnten diese gegen Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen. Die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union steht nach Ansicht des Bundessverfassungsgerichts unter der Bedingung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigungen. Durch die Übertragung von Hoheitsrechten dürfe die Bundesrepublik Deutschland ihre Fähigkeit zu selbstverantwortlicher politischer und sozialer Gestaltung der Lebensverhältnisse nicht verlieren.21 In besonders demokratiebedeutsamen Sachbereichen wie etwa die fiskalischen Grundentscheidungen über Einnahmen und Ausgaben sei eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in engen Grenzen erlaubt.22 Soweit eine Hilfe der EU für Griechenland in Wahrnehmung der bereits durch den Maastricht- Vertrag und die nachfolgenden Verträge übertragenen Hoheitsrechte erfolgt, werden dem Bundestag keine Kompetenzen und Befugnisse genommen. Eine Verletzung des Artikel 38 Abs. 1 GG käme nicht in Betracht.23 4.2. Artikel 23 GG Ob daneben auch eine Verletzung von Artikel 23 GG gerügt werden könnte, ist zweifelhaft. Nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift kann der Bund Hoheitsrechte an die Europäische Union durch 15) BVerfGE 89, 155, [200]. 16) BVerfGE 89, 155, [201]. 17) BVerfGE 89, 155, [202]. 18) BVerfGE 89, 155, [203]. 19) BVerfGE 89, 155, [204]. 20) BVerfGE 89, 155, [204]. 21) BVerfGE 123, 267 [347]. 22) BVerfGE 123, 267 [358 f., 361]. 23) vgl. zur Euro-Einführung: BVerfGE 97, 350 [370]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 7 Gesetz übertragen. Anhand von Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 3 prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen den „unantastbaren Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes“ wahren.24 Beides dürfte nicht einschlägig sein. Nach Artikel 23 Abs. 2 GG wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Anhaltspunkte dafür, dass hiergegen verstoßen werden könnte, liegen derzeit nicht vor. Durch die in Artikel 23 Abs. 2 und 3 GG vorgesehene Beteiligung des Bundestages könnte eine Hilfe für Griechenland jedenfalls hinreichend demokratisch legitimiert werden.25 4.3. Artikel 14 GG Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des Euro durch Teilnahme an der Dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion 1999 rügten die Beschwerdeführer neben einem Verstoß gegen Artikel 38 Abs. 1 GG eine Verletzung der Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Abs. 1 GG. Die Währungsunion begünstige inflationäre Entwicklungen.26 Das Bundesverfassungsgericht sah in dem Zustimmungsgesetz zum Maastricht-Vertrag eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Geldeigentums im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Einschätzung und Prognose der zuständigen Staatsorgane, die vorgesehene Währungsunion werde eine Stabilitätsgemeinschaft sein, sei durch das Bundesverfassungsgericht nicht überprüfbar.27 Der EG-Vertrag und das Grundgesetz regelten die Maßstäbe und das Verfahren zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion mit klaren rechtlichen Vorgaben und betonten dabei Zuständigkeit und Verantwortlichkeit von Bundesregierung und Parlament.28 Die in diesen Maßstäben eröffneten Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognoseräume verlangten empirische Feststellungen, Einschätzungen und Bewertungen. Diese Entscheidungsverantwortlichkeiten seien durch das Grundgesetz Regierung und Parlament zugewiesen.29 Die von diesen Organen zu treffenden Entscheidungen könnten nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines Grundrechts beurteilt werden.30 Eine Verletzung von Artikel 14 GG dürfte demnach nicht in Betracht kommen. 24) BVerfGE 123, 267, Rn. 240. 25) Zur Mitverantwortung des Bundestages bei der Entwicklung der Europäischen Währungsunion: BVerfGE 89, 155 [199 ff.]; zur Euro-Einführung: BVerfGE 97, 350 [369]. 26) siehe im Einzelnen: BVerfGE 97, 350 [364 ff.]. 27) BVerfGE 97, 350 [370]. 28) BVerfGE 97, 350 [373]. 29) BVerfGE 97, 350 [374]. 30) BVerfGE 97, 350 [376]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 8 5. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgericht und Klageart Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kommt seine Befassung mit der „Kompetenzund Identitätskontrolle“ europäischen Rechts und der „ultra-vires“-Kontrolle sowohl im Wege der abstrakten und konkreten Normenkontrolle, des Organ- und Bund-Länder-Streits wie auch im Wege der Verfassungsbeschwerde in Betracht.31 5.1. Als Einzelpersonen Eine Verletzung des Rechts aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG ist gemäß Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit der Verfassungsbeschwerde rügefähig. Der Beschwerdeführer müsste geltend machen, durch die angegriffene Handlung in seinem Recht aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar und gegenwärtig verletzt zu sein. Dabei müsste dargelegt werden, dass die Verletzung möglich erscheint .32 In seiner Lissabon-Entscheidung hielt das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden für „zulässig, soweit mit ihnen auf der Grundlage von Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG eine Verletzung des Demokratieprinzips, ein Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und eine Verletzung de Sozialstaatsprinzips gerügt“ wurden.33 Unproblematisch ist eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag, mit dem die Hoheitsgewalt übertragen worden ist, richtet.34 Das wäre hier das Zustimmungsgesetz zur Währungsunion35, was allerdings daran scheitern dürfte, dass dieses Gesetz bereits vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. In Betracht kommt, Mitwirkungsakte nationaler Verfassungsorgane an Entscheidungen der Europäischen Union, etwa des Vertreters der Bundesregierung im Rat, anzugreifen.36 Hier müsste gerügt werden, dass der zu erlassende Rechtsakt der EU nicht vom Zustimmungsgesetz gedeckt sei. Diese Möglichkeit deutet das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil an.37 Den Akt der Europäischen Union selbst kann das Bundesverfassungsgericht nicht für nichtig erklären . Dem Bundesverfassungsgericht bliebe aber, diesen Akt für Deutschland im Falle der Kompetenzüberschreitung für unanwendbar zu erklären.38 Was das für von der Europäischen Union zu tätigende Finanzhilfen bedeuten würde, ist völlig unklar. 31) BVerfGE 123, 267 [354 f.]; hierzu: Sauer, Kompetenz- und Identitätskontrolle von Europarecht nach dem Lissabon-Urteil, ZRP 2009, S. 195 [197]. 32) BVerfGE 89, 155 [171]. 33) BVerfGE 123, 267 [328 ff.]. 34) BVerfGE 89, 155 [171]. 35) Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union vom 28. Dezember 1992 (BGBl. II S. 1251). 36) Bethge, in: Maun/Schmidt-Bleibtreu Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, Vorbemerkung, Rn. 342. 37) BVerfGE 123, 267 [435]. Innerhalb des Bund-Länder-Streits, vgl. BVerfGE 92, 203 [227 f.] 38) BVerfGE 123, 267 [399 f.]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 9 5.2. Bei Einschaltung eines Mitglieds des Bundestages Finden die eine Klage erwägenden Einzelpersonen die Unterstützung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages, könnte auch ein Verstoß gegen die Artikel 38 und 23 GG im Wege des Organstreits gerügt werden. Von einem Mitglied des Bundestages kann aus Artikel 38 GG geltend gemacht werden, dass sein Beteiligungsrecht an der Arbeit des Deutschen Bundestages verletzt wird.39 Dies dürfte hier jedoch nicht in Betracht kommen. Nicht geltend machen kann ein einzelnes Mitglied des Bundestages , dass Rechte des Bundestages verletzt würden. Eine solche Prozessstandschaft steht ihm nicht zu.40 Zur Prozessstandschaft befugt sind hingegen Fraktionen. 39) BVerfGE 80, 188 [208 f.]. 40) BVerfGE 123, 267 [337]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 090/10 Seite 10