WD 3 - 3000 - 089/21 (12. Mai 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Zeugen dürfen während ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss von einem rechtlichen Beistand ihres Vertrauens begleitet werden, vgl. § 20 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das aus dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) enthaltenen Gebot eines fairen Verfahrens das Recht eines Zeugen ableitet, einen Rechtsbeistand bei seiner Vernehmung hinzuzuziehen.1 Gefragt wird, ob der Zeuge eines Untersuchungsausschusses verpflichtet ist, seinen rechtlichen Beistand gegenüber dem Untersuchungsausschuss anzuzeigen. Die Regelungen zum Zeugenbeistand im PUAG beschränken sich auf die Pflicht zum Hinweis auf das Recht, einen rechtlichen Beistand zu der Vernehmung hinzuziehen (§ 20 Abs. 2 PUAG), sowie auf eine Regelung zur Kostenerstattung (§ 35 Abs. 2 S. 2 PUAG). Eigenständige Regelungen zu den Befugnissen des rechtlichen Beistandes fehlen. Auch fehlt eine Regelung zum Ausschluss des rechtlichen Beistandes von der Zeugenvernehmung, wie dies im Strafprozess vorgesehen ist. Auf § 68b Strafprozessordnung (StPO) ist insofern subsidiär zurückzugreifen.2 Danach kann ein Beistand von der Vernehmung des Zeugen insbesondere dann ausgeschlossen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er an der zu untersuchenden Tat beteiligt ist, nicht nur den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint oder die bei der Vernehmung erlangten Erkenntnisse für Verdunklungshandlungen nutzt. Der Ausschluss gilt nur für eine Zeugenvernehmung und nicht für das ganze Verfahren. Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur ist eine gesonderte Zulassung eines rechtsanwaltlichen Beistandes durch den Ausschuss nicht erforderlich.3 Zum Teil wird dies auch für Hoch- 1 BVerfGE 38, 105. 2 Roßbach, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 1. Auflage 2015, § 20 Rn. 39. 3 Ebenda, Rn. 38 sowie Plöd, Die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, 2003 Berlin, S. 102; a. A. Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern: ein Handbuch mit Kommentierung zum PUAG, 3. Auflage 2016, Kap. 22 Rn. 10 f. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Der Zeugenbeistand im Untersuchungsausschuss Kurzinformation Der Zeugenbeistand im Untersuchungsausschuss Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 schullehrer mit der Befähigung zum Richteramt vertreten.4 Bezüglich anderer Personen, die keine solchen Qualifikationen aufweisen, wird vertreten, dass diese die Genehmigung des Untersuchungsausschusses benötigen, um als Beistand zu fungieren.5 Nach einhelliger Ansicht darf der rechtliche Beistand nur beratend tätig werden; Antrags- oder Fragerechte sowie die Vertretung des Zeugen bei seiner Aussage stehen ihm nicht zu.6 Um die Beratung zu ermöglichen, muss dem Beistand das Recht zustehen, die Vernehmung zu unterbrechen.7 Mangels entgegenstehender Regelungen steht es dem Beistand frei, seine Beratung auf das Vorfeld der Vernehmung sowie auf die Unterbrechungen der Vernehmung und die Pausen zu beschränken. Seine Befugnisse während der Vernehmung kann er jedoch nur ausüben, wenn er als rechtlicher Beistand auftritt. In den Fällen, in denen eine gesonderte Zulassung nicht erforderlich ist, dürfte daher auch keine Verpflichtung zur Anzeige des rechtlichen Beistandes durch den Zeugen bestehen . Dem könnte zwar entgegenstehen, dass der Untersuchungsausschuss eine Ausschlussmöglichkeit des rechtlichen Beistandes nach § 68b Abs. 1 S. 3 StPO nicht prüfen kann, wenn er keine Kenntnis von ihm hat. Ein Ausschluss eines Zeugenbeistandes von der Vernehmung des Zeugen nach § 68b Abs. 1 S. 3 StPO ist jedoch nur auf äußerste Ausnahmefälle beschränkt, in denen der Beistand durch seine Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich beeinträchtigen würde. Die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme des rechtlichen Beistandes auf den Zeugen unmittelbar während seiner Vernehmung dürfte dann nicht bestehen, wenn der Beistand seine Befugnisse während der Vernehmung überhaupt nicht wahrnimmt. Hinzu kommt, dass der Beistand als Zuhörer auch nur an Vernehmungen des Zeugen in öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses teilnehmen könnte. Die Frage, wie mit der Gefahr von Verdunklungshandlungen durch Zuhörer oder dem Fall, dass ein Zuhörer selbst als Zeuge in Frage kommt, umzugehen ist, stellt sich generell – unabhängig davon, ob es sich bei der Person um einen rechtlichen Beistand des Zeugen handelt, der sich als solcher nicht zu erkennen gibt. Das PUAG sieht hierfür z.T. eigenständige Regelungen vor (§ 24 Abs. 1 PUAG). Insofern erscheint es nicht erforderlich, diesen Gefahren durch eine Pflicht des Zeugen zu begegnen, seinen rechtlichen Beistand anzuzeigen, wenn dieser während der Vernehmung keine Befugnisse wahrnimmt. Fraglich ist, ob sich aus dem Grundsatz der Einzelvernehmung des § 24 Abs. 1 PUAG eine Anzeigepflicht herleiten lässt. So hat das OVG Hamburg unter Berufung auf diesen Grundsatz vertreten, dass ein Zeugenbeistand von der Vernehmung eines anderen Zeugen ausgeschlossen werden kann, um die bezweckte Unvoreingenommenheit von Aussagen nicht zu gefährden.8 Daraus könnte geschlossen werden, dass ein Zeugenbeistand anzuzeigen ist, um es dem Untersuchungsausschuss zu ermöglichen, diesen von der Vernehmung anderer Zeugen auszuschließen. Die Ansicht des OVG Hamburg ist aber umstritten; das OVG Berlin vertritt unter Berufung auf die besondere Bedeutung 4 Peters, in: Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Auflage 2020, Kap. 16 Rn. 899. 5 Ebenda. 6 Roßbach, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 1. Auflage 2015, § 20 Rn. 41. 7 Ebenda. 8 OVG Hamburg, Beschluss vom 24.03.2010 - 5 Bs 56/10. Kurzinformation Der Zeugenbeistand im Untersuchungsausschuss Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 des Öffentlichkeitsgrundsatzes für Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen eine gegenteilige Ansicht.9 Die Literatur folgt dieser Ansicht. Es wird mit überzeugenden Argumenten vertreten, dass der Ausschluss eines Rechtsanwalts aus dem Zuschauerraum der öffentlichen Vernehmung mit der Begründung, er vertrete noch zu hörende oder noch nicht entlassene Zeugen, aufgrund der damit einhergehenden Verletzung des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatzes sowie des Eingriffs in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) – auch vor dem Hintergrund der umfangreichen Medienberichterstattung – unverhältnismäßig wäre.10 Daher dürfte eine Anzeigepflicht auch aus dem Grundsatz der Einzelvernehmung nicht herzuleiten sein. *** 9 OVG Berlin, Beschluss vom 27.08.2001 - 2 S 5/01. 10 von Cossel, in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, 1. Auflage 2015, § 24 Rn. 12 m.w.N; Peters, in: Peters, Untersuchungsausschussrecht , 2. Auflage 2020, Kap. 9 Rn. 280 f.