© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 087/17 Die Zukunft der EU als globaler Akteur und die Rolle der nationalen Parlamente Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 087/17 Seite 2 Die Zukunft der EU als globaler Akteur und die Rolle der nationalen Parlamente Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 087/17 Abschluss der Arbeit: 13.04.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 087/17 Seite 3 Die Rolle des Bundestages ist im Hinblick auf das (globale) Handeln der EU Das Unionsrecht sieht seit dem Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 die Beteiligung der mitgliedstaatlichen Parlamente an der Tätigkeit der Union vor. Im Vertrag von Lissabon wurde diese Beteiligung weiter ausgebaut. Seitdem ist insbesondere ein „duales Legitimationskonzept“ primärrechtlich verankert, wonach das Unionshandeln einerseits durch das Europäische Parlament , andererseits – vermittelt durch Europäischen Rat und Rat – durch die mitgliedstaatlichen Parlamente demokratisch legitimiert ist. Aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts nehmen Bundestag und Bundesrat durch ihre Beteiligung in Angelegenheiten der Europäischen Union ihre Integrationsverantwortung wahr. Im europäischen Vergleich sind die parlamentarischen Mitwirkungsrechte in Deutschland besonders stark ausgestaltet. Zentrale Norm ist Art. 23 Grundgesetz (GG). Nach Art. 23 Abs. 1 GG bedarf eine Änderung der Europäischen Verträge eines Parlamentsgesetzes, in der Regel mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat. Nach Art. 23 Abs. 2 GG hat die Bundesregierung den Bundestag in allen Angelegenheiten der Europäischen Union umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Der Bundestag hat das Recht zur Stellungnahme. Insbesondere vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union hat die Bundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Art. 23 Abs. 3 GG). Eine solche Stellungnahme muss von der Bundesregierung berücksichtigt werden. Besonderheiten gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Regelungen des europäischen Primärrechts, die eine „dynamische Vertragsentwicklung“ ermöglichen. Hierzu zählen unter anderem das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 Abs. 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die sogenannten Brückenklauseln des Art. 48 Abs. 7 EUV. Bundestag und Bundesrat müssen auch hier ihre Integrationsverantwortung nach Art. 23 Abs. 1 GG wahrnehmen. Der deutsche Regierungsvertreter im Europäischen Rat oder im Rat darf einer Beschlussvorlage nur zustimmen, wenn er dazu durch Gesetz oder Beschluss von Bundestag und Bundesrat ermächtigt wurde. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden im einfachen Recht näher ausgestaltet: Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) regelt insbesondere die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung , die Stellungnahme des Bundestages und das weitere Verfahren, das die Berücksichtigung der Stellungnahme gewährleisten soll. Das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (IntVG) regelt, wann der deutsche Regierungsvertreter im Rat oder im Europäischen Rat durch ein Gesetz oder einen Beschluss von Bundestag und Bundesrat gebunden ist. Besondere Regelungen bestehen außerdem für die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität. In jüngster Zeit sind die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat im Zusammenhang mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union diskutiert worden. Spezielle Regelungen für den Austritt von Mitgliedstaaten kennt weder das Grundgesetz noch das einfache Recht. Die Beteiligung des Bundestages an der Verhandlung eines Austrittsabkommens richtet sich daher nach Art. 23 Abs. 2 GG: Der Bundestag wird unterrichtet und kann Stellung nehmen. Eine weitergehende Mitwirkung des Bundestages dürfte erst die Neuregelung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich mit sich bringen. Der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat bedürften außerdem etwaige Änderungen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 087/17 Seite 4 des Primärrechts nach einem Austritt. Zu ausgewählten Fragen des „Brexit“ findet am 24. April 2017 eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union statt. Weitere Anwendungsfälle bilden die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Während der genaue Inhalt und das weitere Schicksal des Abkommens TTIP mit den USA weiter unklar sind, handelt es sich bei dem Abkommen CETA mit Kanada um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, das sowohl Kompetenzen der Europäischen Union als auch solche der Mitgliedstaaten betrifft. Bei gemischten Abkommen richtet sich die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat nach überwiegender Auffassung nicht nach Art. 23 GG, sondern nach der allgemeinen Ratifikationsnorm des Art. 59 Abs. 2 GG. ***