WD 3 - 3000 - 086/18 (22. März 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Im Folgenden werden die Begründungen für die beiden Organstreitverfahren 2 BvE 3/16 und 2 BvE 4/16 der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht zusammengefasst . Mit dem Organstreitverfahren 2 BvE 3/16 wendet sich die Antragstellerin im Kern gegen die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu CETA. Antragsgegnerin im Organstreitverfahren ist ausschließlich die Bundesregierung. Das Organstreitverfahren betrifft nicht unmittelbar mögliche Rechtsverletzungen durch den Bundestag. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass CETA zu einer unzulässigen Entleerung der demokratischen Substanz des Bundestages führe, weil von der EU bzw. den CETA-Einrichtungen Hoheitsbefugnisse ausgeübt würden, ohne dass die einschlägigen Voraussetzungen eingehalten würden; deshalb dürfe die Bundesregierung im Rat der EU an Beschlüssen zu CETA nicht fördernd mitwirken und der Bundestag dem CETA-Vertrag nicht zustimmen. Die Antragstellerin ist weiter der Ansicht, dass CETA zu einer unzulässigen Entleerung der demokratischen Substanz des Bundestages führe, weil durch CETA nationale Hoheitsbefugnisse auf die EU bzw. die CETA-Einrichtungen übertragen würden und weil durch CETA die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages unzulässig eingeschränkt werde; auch deshalb dürfe die Bundesregierung im Rat der EU an Beschlüssen zu CETA nicht fördernd mitwirken und der Bundestag dem CETA-Vertrag nicht zustimmen. Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, dass ein weiteres Gesetz i.S.v. Art. 23 Abs. 1 GG mit Blick auf die CETA-Ausschüsse erforderlich ist. Die Einrichtung und Tätigkeit der CETA-Ausschüsse seien durch das Zustimmungsgesetz zum EU-Primärrecht nicht hinreichend legitimiert. Die Antragstellerin ist weiter der Auffassung, dass CETA mit dem grundgesetzlich garantierten Rechtsstaatsprinzip unvereinbar sei. Sie sieht durch das Abkommen nicht nur die grundgesetzlichen Justizgewährleistungen, sondern darüber hinaus auch die Autonomie des Unionsrechts, das materiell-rechtsstaatliche Gebot effektiven Menschenrechtsschutzes, den Bestimmtheitsgrundsatz sowie vom Rechtsstaatsprinzip geforderte Kontroll- und Gestaltungsrechte des Bundestages verletzt. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Organstreitverfahren zum CETA-Abkommen vor dem Bundesverfassungsgericht Ergänzung der Kurzinformationen WD 3 - 3000 - 077/18 und WD 3 - 3000 - 079/18 Kurzinformation Organstreitverfahren zum CETA-Abkommen vor dem Bundesverfassungsgericht Ergänzung der Kurzinformationen WD 3 - 3000 - 077/18 und WD 3 - 3000 - 079/18 Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Weiterhin werden Probleme bei der Vereinbarkeit von CETA mit dem Sozialstaats- und Vorsorgeprinzip sowie zu Umweltaspekten gesehen. Mit dem Organstreitverfahren 2 BvE 4/16 begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass der Antragsgegner (Deutscher Bundestag) durch seine Stellungnahme vom 22. September 2016 (BT- Drs. 18/9663) und die damit verbundene Unterlassung einer konstitutiven und verfassungsrechtlichen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des CETA das Grundgesetz und dadurch Rechte – insbesondere Art. 23 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 2 GG – des Deutschen Bundestages verletzt hat. Zur Begründung ihres Antrags führt die Antragstellerin aus, dass der Bundestag durch seine Stellungnahme vom 22. September 2016 und die damit verbundene Unterlassung einer nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG gebotenen Zustimmung durch Gesetz zur vorläufigen Anwendung von CETA seiner nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG obliegenden Integrationsverantwortung nicht nachgekommen sei und damit die Rechte des Bundestages (Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 79 Abs. 2 GG) verletzt habe. Das Handeln in Form einer Stellungnahme sei eine fehlerhafte Ausübung des Gestaltungsermessens bei der parlamentarischen Mitwirkung in EU-Angelegenheiten. Aufgrund der parlamentarischen Integrationsverantwortung bedürfe es der Festlegung der konkreten , in die EU-Zuständigkeit fallenden Vertragsteile durch Gesetz (Art. 23 Abs. 1 GG), um das Stimmverhalten des deutschen Vertreters im Rat entsprechend zu binden. Die Stellungnahme stelle weder eine ausreichende Ermächtigung dar noch ausreichend sicher, dass die Rechte des Bundestages im Entscheidungsprozess über die vorläufige Anwendung von CETA gewahrt blieben. Dies resultiere u.a. daraus, dass über Art. 218 Abs. 5 AEUV eine dynamische Rechtsentwicklung ermöglicht werde, die Sachbereiche in ein völkerrechtliches Entscheidungsverfahren überführe. Hinsichtlich der Teile von CETA, die gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV für vorläufig anwendbar erklärt werden sollen, ohne dass eine Unionszuständigkeit bestünde, bedürfe es einer konkreten Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG. Dies betreffe insbesondere den Umstand, dass Hoheitsrechte auf die CETA-Gremien übertragen würden bzw. die Einrichtung von CETA-Vertragsgremien das Integrationsprogramm aus Art. 218 Abs. 9 AEUV übersteige. Der Bundestag müsse sicherstellen, dass mit der vorläufigen Anwendung von CETA kein Handeln ultra vires bzw. eine Verletzung der deutschen Verfassungsidentität ermöglicht wird. Die Stellungnahme genüge nicht den Pflichten des Bundestages, den demokratischen Legitimationszusammenhang sicherzustellen und Maßnahmen zu ergreifen, um qualifizierte Kompetenzverschiebungen und im Unionsrecht nicht angelegte Kompetenzzuweisungen zu verhindern. Dem-entsprechend sei es Aufgabe des Gesetzgebers, im Sinne einer demokratischen Vorstrukturierung die konkreten Bereiche zu kennzeichnen, die einer vorläufigen Anwendung zugeführt werden sollen. Die mangelnde parlamentarische Einbeziehung in das CETA-Ausschusssystem widerspreche dem verfassungsidentitär geschützten Demokratieprinzip in evidenter und qualifizierter Weise. Zudem sei vom Bundestag sicherzustellen, dass die vorläufige Anwendung nach Art. 218 Abs. 5 AEUV auf Verlangen der Mitgliedstaaten beendet werden kann. ***