WD 3 - 3000 - 085/21 (19. April 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Urteile der Landesverfassungsgerichte zu Paritätsgesetzen der Länder Brandenburg und Thüringen 1.1. Thüringer Landesverfassungsgerichtshof vom 15. Juli 2020, VerfGH 2/20 Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes - Einführung der paritätischen Quotierung vom 30. Juli 2019 (Paritätsgesetz) sollte die abwechselnde Besetzung der Landeslisten der politischen Parteien mit Frauen und Männern geregelt werden. Wahlvorschläge, die dieser Regelung nicht entsprachen, sollten zurückgewiesen werden. Der Verfassungsgerichtshof erklärte das Gesetz für verfassungswidrig. Es beeinträchtige die gesetzliche Verpflichtung der politischen Parteien, Landeslisten zur Wahl des Thüringer Landtags paritätisch zu besetzen, das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl nach Art. 46 Abs. 1 ThürVerf sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und die Chancengleichheit der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG als in das Landesverfassungsrecht hineinwirkendes Bundesverfassungsrecht. Diese Rechte erstreckten sich auch auf wahlvorbereitende Akte wie die Aufstellung von Listenkandidaten. 1.2. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg vom 23. Oktober 2020, VfGBgb 55/19 Das Verfassungsgericht Potsdam hat nach Klagen von AfD und NPD entschieden, dass das Paritätsgesetz des Landes Brandenburg, das die politischen Parteien verpflichten sollte, bei der Aufstellung ihrer Landeslisten für die Wahlen zum Landtag Brandenburg abwechselnd Frauen und Männer zu berücksichtigen, verfassungswidrig sei. Das Verfassungsgericht stellte eine Verletzung der Grundrechte für die Parteien auf Gleichheit der Wahl in der Ausprägung als passive Wahlrechtsgleichheit und des Verbots der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts fest und erklärte die Vorschriften, die eine paritätische Besetzung der Wahllisten fordern, für nichtig. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Geschlechterparitätische Besetzung in den Parlamenten – Verfassungsgerichtsurteile sowie aktuelle und abgelehnte Gesetzgebungsvorhaben Kurzinformation Geschlechterparitätische Besetzung in den Parlamenten – Verfassungsgerichtsurteile sowie aktuelle und abgelehnte Gesetzgebungsvorhaben Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 2. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 2 BvC 46/19 – Wahlprüfungsbeschwerde bezogen auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts bei der Bundestagswahl Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. Dezember 2020 eine Wahlprüfungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Mit der Wahlprüfungsbeschwerde wurde das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen durch die politischen Parteien gerügt. Es sei jedoch nicht hinreichend begründet worden, dass der Bundesgesetzgeber zu einer solchen paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts der politischen Parteien verpflichtet sei. 3. Aktuelle Gesetzgebungsverfahren 3.1. Bundestag Der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD „Gesetz zur Wiederherstellung der Gleichberechtigung im Wahlrecht und in den politischen Parteien“ (BT-Drs. 19/7936) wurde am 4. März 2020 im Innenausschuss abgelehnt (Beschlussempfehlung BT-Drs. 19/17569). Die 2. und 3. Lesung hat noch nicht stattgefunden. 3.2. Nordrhein-Westfalen Der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes in Nordrhein-Westfalen – Einführung einer paritätischen Aufstellung der Wahllisten mit Frauen und Männern“ (LT-Drs. 17/7753) befindet sich noch in der Beratung. 3.3. Sachsen-Anhalt Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. „Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung einer paritätischen Zusammensetzung der Verfassungsorgane des Landes Sachsen-Anhalt mit Frauen und Männern (Parité-Gesetz Sachsen-Anhalt)“ (Drs. 7/3968) befindet sich noch in der Beratung 4. Abgelehnte Gesetzesinitiativen in den Ländern Bayern: Gesetzentwurf der Fraktion der SPD „Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes und des Zuständigkeitsgesetzes - Einführung paritätischer Vorgaben im Landeswahlrecht“ (Drs. 18/51). Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern und des Landeswahlgesetzes - Tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im Wahlrecht“ (Drs. 18/206). Brandenburg: Gesetzentwurf der Fraktion CDU „Gesetz zur Chancengerechtigkeit bei der politischen Teilhabe (Brandenburgisches Chancengerechtigkeitsgesetz – BbgChG)“ (Drs. 6/10373). Sachsen: Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE. „Gesetz zur Gewährleistung der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern im Sächsischen Landtag - Sächsisches Parité-Gesetz (Sächs- ParitéG)“ (Drs. 6/16948). ***