© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 085/13 Die Abgabe von Aufgaben der Bundeswehr in den Geschäftsbereich anderer Bundesministerien Auswirkungen auf die Arbeit und Rechte des Verteidigungsausschusses und des Wehrbeauftragten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 085/13 Seite 2 Die Abgabe von Aufgaben der Bundeswehr in den Geschäftsbereich anderer Bundesministerien Auswirkungen auf die Arbeit und Rechte des Verteidigungsausschusses und des Wehrbeauftragten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 085/13 Abschluss der Arbeit: 10. Mai 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 085/13 Seite 3 1. Einleitung In ihrem Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien beschlossen, eine Neuausrichtung der Bundeswehr anzustreben. Diese Neuausrichtung der Bundeswehr zielt darauf ab, die Organisationsstruktur inklusive der Führungs- und Verwaltungsstrukturen zu straffen und dadurch die Effizienz und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen.1 Im Rahmen dessen sind auch Veränderungen in der Wehrverwaltung vorgesehen. So haben die Staatssekretäre der Ressorts Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), Bundesministerium des Innern (BMI) und Bundesministerium der Finanzen (BMF) in einer Ressortvereinbarung am 2. November 2012 beschlossen, bestimmte Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements der Bundeswehr auf den Aufgabenbereich des BMI und des BMF zu übertragen. Damit sollen Dienstleistungen in der Bundesverwaltung ressortübergreifend konzentriert werden.2 Für den Bereich der Personalabrechnung (Besoldung, Entgeltzahlung, Beihilfe, Familienkasse) wurde die Abgabe an das BMI und das BMF bis zum 1. Juli 2013 vereinbart. Aufgaben, die an das BMF übermittelt werden, sollen in den Service-Centern der Zollverwaltung und im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) durchgeführt werden. Die Abrechnungsaufgaben des Travel Managements (Reisekosten, Trennungsgeld, Inlandsumzugskosten ) sollen schrittweise möglichst bis Ende 2015 dem BMI übergeben werden. Wahrgenommen werden sollen diese Aufgaben im Bundesverwaltungsamt (BVA). Rund 2.500 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden hierfür den Geschäftsbereich wechseln , wobei der Arbeitgeber, die Bundesrepublik Deutschland, derselbe bleibt. Um einen möglichst sozialverträglichen Übergang sicherzustellen, verbleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mindestens fünf Jahre an ihren derzeitigen Beschäftigungsorten.3 Die folgende Ausarbeitung beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die die Auslagerung dieser Aufgaben aus der Bundeswehrverwaltung auf die Arbeit und Rechte des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages sowie des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestag haben wird. 1 Siehe näheres zur Neuausrichtung der Bundeswehr unter: http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/ TcoxDoAg DEDRs3gBurt5C3UxoBUatBBoMfH0Mpo_vg8r9Ng28lYosb1ghmWn0T3G3c2bSnvAEpCk5nSRUDROc D6YCiGUa3W0h9R9j_ZDizbq1H5FMhxGj6qrQnv/ (Stand 26.04.2013). 2 BMVg, Informationspaket zur Abgabe von Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements der Bundeswehr, S. 3, abrufbar unter: http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/NYvBCsIwEET_aDcRBPF m6UWhIL1oe0vbEFaabFk39eLHmxycgXeYx-CIpcntFJwSJ7fiE4eZztMHprgHeHGWskKkRG_1Qjnio34WDzMnr5 Xqk1JhEKcssLHoWk0WKQZowcHYtjHW _GO_p7G7dfeDObbXpsctxssPr3H4bA!!/ (Stand 26.04.2013). 3 BMVg, Informationspaket zur Abgabe von Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements der Bundeswehr (Fn. 2), S. 1-3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 085/13 Seite 4 2. Auswirkungen der Abgabe der Aufgaben auf die Arbeit und Rechte des Verteidigungsausschusses Der Ausschussbildung im Deutschen Bundestag liegt der Grundsatz der funktionalen Symmetrie zugrunde.4 Dies bedeutet, dass die Ausschüsse jeweils in den entsprechenden Ressorts der Bundesregierung ihr fachliches Gegenüber haben.5 Die Übertragung der Bereiche Personalabrechnung und Travel Management auf das BMI und das BMF führt demnach dazu, dass für diese Bereiche der Innenausschuss bzw. der Finanzausschuss zuständig werden. Diesem Kompetenzverlust dürfte Art. 45a Abs. 1 GG nicht entgegenstehen. Zwar ist zu beachten, dass es sich bei dem Verteidigungsausschuss um einen obligatorischen Ausschuss handelt. Während es grundsätzlich dem Bundestag auf der Grundlage seiner Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG) freisteht, wie viele und welche ständigen Ausschüsse er einsetzt, besteht wegen Art. 45a Abs. 1 GG eine Verpflichtung von Verfassungs wegen, einen Ausschuss für Verteidigung einzusetzen.6 Daraus wird gefolgert, dass nicht nur eine Auflösung des Verteidigungsausschusses unzulässig ist, sondern auch eine Aushöhlung seiner Kompetenzen. 7 Der Aufgabenbereich des Verteidigungsausschusses ist auf die militärische Verteidigung bezogen und begrenzt.8 Diese Kompetenz des Ausschusses bliebe daher selbst in dem – hypothetischen – Fall bestehen, dass auf Regierungsebene dem Bundesminister der Verteidigung ein Teil seiner Zuständigkeiten auf diesem Gebiet genommen würde.9 In der Praxis umfasste der Bereich der militärischen Verteidigung stets auch Personal- und Haushaltsangelegenheiten der Bundeswehr.10 Es dürfte jedoch verfassungsrechtlich nicht zwingend sein, dies auch in Zukunft so zu handhaben, da Fragen der Personalabrechnung und des Travel Managements nicht zum Kernbereich der militärischen Verteidigung gehören dürften. In der Rahmenvereinbarung wurden gerade Angelegenheiten, die kernbereichsrelevant sein könnten, wie z.B. solche, die das Statusverhältnis der Bediensteten betreffen, explizit dem Geschäftsbereich des BMVg vorbehalten.11 Es steht dem BMVg grundsätzlich frei, die Bundeswehrverwaltung neu zu organisieren, da die Verwaltung sich veränderten gesellschaftli- 4 Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage 2006, Art. 45a Rn. 6; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 45a Rn. 2. 5 Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 45a Rn. 17 6 Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (Fn. 5), Art. 45a Rn. 2. 7 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 12. Auflage 2012, Art. 45a Rn. 1. 8 Brocker, in: Beck`scher Online-Kommentar GG, Stand 01.01.2013, Art. 45a Rn. 5; Heun, in: Dreier, Grundgestz Kommentar (Fn. 4), Art. 45a Rn. 8. 9 Dürig/Klein, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar (Fn. 5), Art. 45a Rn. 21 f. 10 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Art. 45a Abs. 1 Rn. 20. 11 BMVg, Informationspaket zur Abgabe von Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements der Bundeswehr (Fn. 2), S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 085/13 Seite 5 chen und technischen Rahmenbedingungen anpassen können muss. Entscheidend ist, dass eine effektive Erledigung der Verwaltungsaufgaben gewährleistet ist.12 Zur Frage der Vereinbarkeit der Aufgabenverlagerung mit den Vorgaben des Art. 87b GG sei an dieser Stelle auf eine frühere Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes13 sowie ein Rechtsgutachten im Auftrag des Verbandes der Beamten der Bundeswehr e.V. (VBB) im Deutschen Beamtenbund 14 hingewiesen. 3. Auswirkung der Abgabe der Aufgaben auf die Arbeit und Rechte des Wehrbeauftragten Der Tätigkeitsbereich des Wehrbeauftragten ist in zweifacher Hinsicht begrenzt. Staatsorganisatorisch wird sein Tätigkeitsbereich durch das Bundesstaatsprinzip begrenzt, d.h. als Hilfsorgan des Bundestages ist es ihm verwehrt, seine Kontrolle über den Bereich auszudehnen, welcher der Kontrolle des Bundestages unterliegt.15 Folglich ist die Tätigkeit der Länder und ihrer Behörden der unmittelbaren Kontrolle des Wehrbeauftragten entzogen. Thematisch ist der Kontrollbereich des Wehrbeauftragten bereits seiner Bezeichnung nach beschränkt auf das Verteidigungswesen. Dieses umfasst nach allgemeiner Ansicht in der Literatur die militärische Landesverteidigung und die Bundeswehrverwaltung.16 Zu Letzterer wiederum gehört gemäß Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG auch das Personalwesen, worunter wiederum die Bereiche Personalabrechnung und Travelmanagement zu fassen sind.17 Der Aufgabenbereich des Wehrbeauftragten ist mit dem des BMVg nicht deckungsgleich.18 So kann er einerseits über dessen Aufgabenbereich hinaus reichen, weil Aufgaben der militärischen Landesverteidigung auch außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg vollzogen werden, etwa in anderen Bundesressorts oder durch Landes- und Kommunalbehörden aufgrund eigener Zuständigkeit oder durch Zusammenarbeit in unterschiedlicher Weise mit dem BMVg.19 Auch hierauf erstreckt sich aber die Wehrkontrolle des Bundestages und damit die Zuständigkeit des Wehrbeauftragten . Andererseits kann der Bundeskanzler aufgrund seiner Organisationsgewalt dem 12 Personalwesen als Aufgabe der Bundeswehrverwaltung - Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufgabenverlagerung, Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (WD 3 – 3000 – 031/12), S. 5 f. 13 Personalwesen als Aufgabe der Bundeswehrverwaltung - Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufgabenverlagerung, Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (WD 3 – 3000 – 031/12). 14 Die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung für das Personalwesen der Bundeswehr - Vorgaben des Art. 87b Abs. 1 GG für eine Strukturreform der Bundeswehr, Rechtsgutachten vorgelegt von Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff, Inhaber Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht und Verfassungsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), 19. Oktober 2011. 15 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 10), Art. 45b Rn. 69. 16 Schmidt-Radefeldt, in: Beck‘cher Online-Kommentar GG (Fn. 8), Art. 45b Rn. 5. 17 Wolff, Die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung für das Personalwesen der Bundeswehr (Fn. 14), S. 46 - 49. 18 Busch, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 48. Lieferung, Mai 1984, Art. 45b Rn. 129. 19 Busch, in: Schneider/Zeh: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 51 Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 085/13 Seite 6 BMVg auch andere Aufgaben als solche der militärischen Landesverteidigung übertragen, für welche der Wehrbeauftragte dann nicht zuständig wäre.20 Zwar liegt im Geschäftsbereich des BMVg praktisch der Schwerpunkt der Tätigkeit des Wehrbeauftragten . Sein Handeln ist jedoch grundgesetzlich nicht einem formell abgegrenzten Ministerressort unterworfen.21 Eine Bindung des Zuständigkeitsbereichs des Wehrbeauftragten an den Geschäftsbereich des BMVg würde auch Gefahren für die Wirkungsbreite der parlamentarischen Kontrolle in sich bergen.22 Maßgeblich für den Kontrollbereich des Wehrbeauftragten ist materiell allein die Zuständigkeit des Bundestages im Bereich des Verteidigungswesens.23 Dies ergibt sich nicht zuletzt bereits aus der Stellung des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages.24 Da die Zuständigkeit des Bundestages für die militärische Verteidigung unangetastet bleibt, wenn Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements an das BMI und BMF abgegeben werden, ändert sich mithin auch an der Zuständigkeit des Wehrbeauftragten für diese Angelegenheiten nichts. Dieser Grundsatz hat auch Eingang in die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten (WBeauftrG)25 gefunden. Der Wehrbeauftragte hat einen umfassenden Informationsanspruch gegen den Bundesminister der Verteidigung und dessen Geschäftsbereich, § 3 Nr. 1 WBeauftrG. Gemäß § 4 WBeauftrG sind „alle Gerichte und Verwaltungsbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verpflichtet, dem Wehrbeauftragten bei der Durchführung der erforderlichen Erhebungen Amtshilfe zu leisten.“ Die Grundsätze der Amtshilfe sind auch hierbei zu beachten, das heißt die ersuchte Behörde darf nur die Maßnahmen vornehmen, die der ersuchenden Behörde – also dem Wehrbeauftragten – aufgrund ihrer Zuständigkeit und Kompetenzen erlaubt sind.26 Im Bedarfsfalle könnte der Wehrbeauftragte damit auch gegen die mit den Aufgaben der Personalabrechnung und des Travel Managements beauftragten Behörden seinen Informationsanspruch geltend machen. 20 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (Fn. 5), Art. 45b Rn. 32. 21 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 10), Art. 45b Rn. 71. 22 Busch, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 18), Art. 45b Rn. 131. 23 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 10), Art. 45b Rn. 71; Busch, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 18), Art. 45b Rn. 129; Krings, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 13. Ergänzungslieferung VII/O5, Art. 45b Rn. 19; a.A. Martens, Grundgesetz und Wehrverfassung, Abhandlungen aus dem Seminar für Öffentliches Recht, Heft 49, 1961, S. 178: Beschränkung auf den Geschäftsbereich des BMVg. 24 Busch, in: Schneider/Zeh: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland (Fn. 19), § 51 Rn. 30 f. 25 Gesetz zu Artikel 45b des Grundgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 1982 (BGBl. I S. 677), das zuletzt durch Artikel 15 Absatz 68 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert worden ist. 26 Ausführlich zum Ganzen Busch, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn.18), Rn. 257.