© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 083/17 Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten in ausgewählten EU-Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 083/17 Seite 2 Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten in ausgewählten EU-Staaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 083/17 Abschluss der Arbeit: 17. Mai 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 083/17 Seite 3 1. Einleitung und Rechtslage in Deutschland Der Sachstand benennt die Polizeibehörden, die in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehen, und stellt ihre Aufgaben dar. Er beschreibt Formen der Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten des jeweiligen Staates, insbesondere gemeinsame Einrichtungen zum Austausch von Erkenntnissen und zur Koordination. Dabei ist zu beachten, dass die meisten Rechtsordnungen eine dem deutschen Trennungsgebot entsprechende strikte Unterscheidung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten nicht kennen. In Deutschland verfügt jedes der 16 Bundesländer über eine eigene Landespolizei. Grundsätzlich sind Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Aufgabe der jeweils örtlich zuständigen Landespolizei. Jede Landespolizei verfügt über ein Landeskriminalamt. Je nach Landesrecht sind die Landeskriminalämter für bestimmte Fälle schwerer Kriminalität, insbesondere für politisch motivierte Taten, organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität zuständig. Auf Bundesebene ist die Bundespolizei insbesondere für den Schutz der Bundesgrenze, für polizeiliche Aufgaben im Bereich der Eisenbahnen, für bestimmte Aufgaben der Luftsicherheit und für den Schutz von Bundesorganen zuständig, §§ 2 ff. Bundespolizeigesetz. Das Bundeskriminalamt ist als Zentralstelle zuständig für die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, insbesondere bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung, § 2 Abs. 1 Bundeskriminalamtgesetz . Das Zollkriminalamt ist die Zentralstelle für den Zollfahndungsdienst. Im deutschen Recht gilt das sogenannte Trennungsgebot.1 Zwischen Polizei und Nachrichtendiensten wird strikt unterschieden. Aus dem Trennungsgebot folgt nicht nur eine organisatorische Trennung, sondern auch ein Exekutivverbot für die Nachrichtendienste. Sie sind auf die Gewinnung und Auswertung von Informationen beschränkt. Dennoch bestehen, insbesondere im Bereich der Terrorismusbekämpfung, gemeinsame Einrichtungen von Polizeien und Nachrichtendiensten. So wurde 2004 als Kooperations- und Kommunikationsplattform das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum geschaffen. Es besteht aus Beamten von 40 deutschen Sicherheitsbehörden und beschäftigt sich ausschließlich mit islamistischem Terrorismus. Weiterhin wurde 2006 durch das Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz – ATDG) eine gemeinsame Datenbank zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geschaffen, an der 38 deutsche Sicherheitsbehörden beteiligt sind. Die Ausführungen zur Rechtslage in den nachfolgend genannten Staaten beruhen überwiegend auf Auskünften dieser Staaten. 1 Vgl. nur Nehm, Das nachrichtendienstrechtliche Trennungsgebot und die neue Sicherheitsarchitektur, in: NJW 2004, 3289. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 083/17 Seite 4 2. Frankreich In Frankreich sind dem Innenministerium drei Polizeibehörden unterstellt: die „Police national“, die „Gendarmerie national“ und die „Direction générale de la sécurité intérieure“ (DGSI). Die „Police national“ gliedert sich in zahlreiche Direktionen und Einheiten, darunter die für die Strafverfolgung zuständige „Direction centrale de la police judiciaire“ (DCPJ), die „Direction centrale de la sécurité publique“ (DCSP), die unter anderem für städtische Gewalt- und Drogenkriminalität und für Taten im Straßenverkehr zuständig ist, sowie die „Direction centrale de la police aux frontières“ (DCPAF), der der Grenzschutz obliegt.2 Zur „Police national“ gehört auch die „Unité de coordination de la lutte antiterroriste“ (Koordinationseinheit für die Terrorismusbekämpfung , UCLAT). Zu ihren Aufgaben zählen die Bewertung terroristischer Gefahren, die Analyse und Bekämpfung von terroristischer Radikalisierung und die Vertretung der „Police national“ bei nationalen und internationalen Kooperationseinrichtungen und Organisationen.3 Die „Gendarmerie national“ wird zwar in der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums aus Soldaten gebildet, untersteht bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aber dem Innenministerium. Sie gliedert sich in Direktionen und Unterdirektionen.4 Die „Gendarmerie national“ erfüllt insbesondere allgemeine Polizeiaufgaben im ländlichen Raum und verfügt mit der „Sous-direction de l'anticipation opérationnelle“ (SDAO) über eine nachrichtendienstliche Einheit mit Zuständigkeiten im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Auch die DGSI, der Inlandsnachrichtendienst, wird in Frankreich zu den Polizeien gezählt. Während der Auslandsnachrichtendienst teilweise Soldaten beschäftigt, besteht die DGSI aus Polizeibeamten. Sie ist unter anderem für die Terrorismus- und Extremismusbekämpfung zuständig .5 Zur Koordinierung der französischen Nachrichtendienste besteht seit 2008 der „Conseil national du renseignement“ (Nationaler Rat der Nachrichtendienste, CNR) als Teil des „Conseil de défense et de sécurité nationale“ (Nationaler Verteidigungs- und Sicherheitsrat, CDSN). Dem CNR gehört auch die DGSI an. Der CNR bestimmt die strategische Ausrichtung der Dienste und koordiniert den Einsatz menschlicher und technischer Quellen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung .6 2 Die Gliederungen der „Police national“ sind aufgelistet unter http://www.police-nationale.interieur.gouv.fr/Organisation ; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 16. Mai 2017. 3 Eine Übersicht über die Aufgaben der UCLAT ist abrufbar unter http://www.police-nationale.interieur .gouv.fr/Organisation/Entites-rattachees-directement-au-DGPN/UCLAT. 4 Informationen zum Aufbau der „Gendarmerie national“ sind abrufbar unter http://www.gendarmerie.interieur .gouv.fr/Notre-institution/Nos-composantes/Au-niveau-central/Direction-generale. 5 Eine Übersicht über die Aufgaben der DGSI ist abrufbar unter http://www.interieur.gouv.fr/Le-ministere/DGSI. 6 Vgl. Art. R*1122-6 ff. des „Code de la défense“, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Code.do;?idSectionTA=LEGISCTA000021544340&cidTexte=LEGITEXT000006071307&dateTexte=20170510. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 083/17 Seite 5 3. Niederlande In den Niederlanden besteht eine einheitliche nationale Polizei. Sie gliedert sich in eine zentrale und zehn regionale Einheiten. Die zentrale Einheit ist unter anderem für die Strafverfolgung bei schweren Straftaten und im Bereich organisierter Kriminalität zuständig. Für die Terrorismusbekämpfung besteht dort eine „Special Interventions Division“.7 Für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten wurde die Stelle des „Nationaal Coördinator Terrorismebestrijding en Veiligheid“ (Nationaler Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit, NCTV) eingerichtet. Sie ist außerdem für Internet-Sicherheit und für den Katastrophenschutz zuständig.8 4. Spanien In Spanien gibt es zwei nationale Polizeibehörden: Das „Cuerpo Nacional de Policía“ (Nationales Polizeikorps, CNP, auch: „Policía Nacional“) untersteht dem Innenministerium. Die „Guardia Civil“ ist, ähnlich der französischen Gendarmerie, paramilitärisch organisiert und untersteht sowohl dem Innen- als auch dem Verteidigungsministerium. Daneben bestehen mehrere regionale Polizeien: In den Autonomen Gemeinschaften Baskenland und Katalonien sind die regionalen Polizeien allein für die öffentliche Sicherheit zuständig; bei grenzüberschreitenden Straftaten arbeiten sie mit den nationalen Polizeien zusammen. In den Autonomen Gemeinschaften Navarra, Galicien und Kanarische Inseln teilen sich nationale und regionale Polizeien die Zuständigkeiten. Die übrigen Autonomen Gemeinschaften verfügen über keine regionale Polizei. Die Ortspolizeien sind für den Schutz kommunaler Behörden und für den Straßenverkehr zuständig . Beim Innenministerium besteht das „Centro de Inteligencia contra el Terrorismo y el Crimen Organizado“(CITCO), das unter anderem terrorismusbezogene Informationen sammelt und analysiert und Polizeioperationen koordiniert. Für die Zusammenarbeit zwischen dem Nachrichtendienst CNI und den nationalen Polizeibehörden ist die „Comisión Delegada del Gobierno para Asuntos de Inteligencia“ zuständig. 5. Vereinigtes Königreich In Großbritannien wird unterschieden zwischen „territorial police forces“, Polizeien mit regionaler Zuständigkeit, und „national police forces“, Polizeien mit sachlicher Zuständigkeit. 7 Informationen in englischer Sprache zu Aufgaben und Aufbau der Polizei sind abrufbar unter https://www.government.nl/topics/police/contents/organisation-of-the-dutch-police. 8 Vgl. zu den Aufgaben des NCTV https://english.nctv.nl/organisation/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 083/17 Seite 6 Die meisten Polizeiaufgaben werden von den „territorial police forces“9 auf Grundlage unterschiedlicher Polizeigesetze10 erfüllt. Sie verfügen jeweils über spezialisierte Einheiten, darunter solche für schwere Straftaten, für Wirtschaftskriminalität und sogenannte „Special Branches“, die für die Terrorismusbekämpfung zuständig sind. Eine besondere Einheit ist beim „Metropolitan Police Service“, der für den Großraum London zuständigen Polizeibehörde, angesiedelt: Die „National Domestic Extremism and Disorder Unit“ koordiniert die Polizeiarbeit mit Bezug zu inländischem Extremismus. Die den „Special Branches“ anderer Polizeibehörden entsprechende Einheit heißt in London „Counter Terrorism Command“ (CTC, auch: SO15). Zu den „national police forces“ zählen mehrere Polizeibehörden mit landesweiter aber sachlich begrenzter Zuständigkeit: Das „National Police Chief’s Council“ (NPCC) berät die Regierung zu strategischen Fragen der Terrorismusbekämpfung. Dort ist das „National Counter Terrorism Security Office“ angesiedelt. Die „British Transport Police“ ist zuständig für Polizeiaufgaben im Bereich der Eisenbahnen und Stadtbahnen. Im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums bestehen die „Ministry of Defence Police“ und die „Armed Forces Police“, gegliedert nach den Teilstreitkräften „Royal Navy“, „Royal Military“ und „Royal Airforce“. Die „National Crime Agency“ (NCA) koordiniert insbesondere das landesweite Vorgehen gegen die organisierte Kriminalität. Die „Border Force“ ist für den Grenzschutz, für Einreisekontrollen und für den Zoll zuständig. Daneben besteht ein „Counter Terrorism Policing Network“, das als zentrale Stelle in Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten, mit nationalen Polizeien und mit internationalen Partnern für Terrorismusermittlungen, Terrorismusbekämpfung und Prävention zuständig ist.11 Es untersteht dem „Counter Terrorism Coordination Committee” (CTCC), das wiederum Teil des NPCC ist. Es besteht aus einem nationalen Hauptquartier („National Counter Terrorism Policing Headquarters“, NCTPHQ; „National Counter Terrorism Policing Operations Centre“, NCTPOC) und elf regionalen Einheiten („Counter Terrorism Units“, CTU; „Counter Terrorism Intelligence Units“, CTIU). Alle Polizeibehörden arbeiten bei der Terrorismusbekämpfung eng mit dem Inlandsnachrichtendienst MI5 (auch: „Security Service“) zusammen. Dabei ist der Nachrichtendienst grundsätzlich für die Informationsgewinnung zuständig, die Polizei dagegen für exekutive Aufgaben wie Festnahmen . Eine strikte Trennung zwischen polizeilichen und nachrichtendienstlichen Aufgaben und Handlungsformen besteht jedoch nicht, zumal die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut wurde. Die Zusammenarbeit findet auch im Rahmen des „Joint Terrorism Analysis Centre“ (JTAC) statt, einer 2003 gegründeten Stelle, die beim MI5 angesiedelt ist. Dort arbeiten Vertreter von 16 Regierungsbehörden zusammen. Das JTAC führt strategische Analysen durch, beurteilt Bedrohungen und gibt Warnungen heraus.12 *** 9 Eine Liste aller regionalen Polizeien ist abrufbar unter https://www.police.uk/contact/force-websites/. 10 Für England und Wales gilt der „Police Act 1996“, abrufbar unter http://www.legislation .gov.uk/ukpga/1996/16/contents; für Schottland gilt der „Police and Fire Reform (Scotland) Act 2012“, abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/asp/2012/8/contents/enacted; für Nordirland gilt der „Police (Northern Ireland) Act 2000“, abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2000/32/contents. 11 Vgl. zu Aufgaben und Aufbau http://www.npcc.police.uk/CounterTerrorism/CounterTerrorismPolicing.aspx. 12 Vgl. https://www.mi5.gov.uk/joint-terrorism-analysis-centre.