© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 083/14 Anspruch des Freistaats Thüringen auf Nachverhandlungen über den „Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen“ Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 2 Anspruch des Freistaats Thüringen auf Nachverhandlungen über den „Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen“ Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 083/14 Abschluss der Arbeit: 16. April 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 3 1. Einleitung Im Jahr 1999 haben der Freistaat Thüringen und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) einen „Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen“ (im Weiteren „Generalvertrag“) geschlossen. Wie sich aus der Präambel zu diesem Generalvertrag ergibt, gestalteten sich die Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien schwierig, da unter anderem die bestehenden Altlasten und der Finanzierungsbedarf für ihre Sanierung nicht einfach und im Konsens zu ermitteln waren. In dieser Situation einigten sich die Vertragsparteien darauf, in einer Generalbereinigung alle diesbezüglichen und im Generalvertrag genannten Verpflichtungen zwischen dem Freistaat Thüringen und der BvS „abschließend zu erledigen“ (Generalvertrag, Präambel, Abs. 5 i.V.m. Abs. 7). Dies betraf vor allem die bestehenden Finanzierungsverpflichtungen der BvS zur Sanierung der Altlasten. Die BvS verpflichtete sich, an den Freistaat insgesamt 443.778.000 DM (rd. 226.900.088 Euro) zu zahlen (§ 4.1 Generalvertrag). In dem Generalvertrag erklärte sich die BvS außerdem bereit, mit dem Freistaat unter bestimmten, im Vertrag genannten Voraussetzungen Nachverhandlungen über den Zahlungsumfang aufzunehmen (§ 2.6 Generalvertrag). Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 wandte sich der Freistaat Thüringen an die BvS und bat um die Aufnahme von Nachverhandlungen, da bestimmte Maßnahmen und Kosten von dem „Freistellungsvertrag “ (wohl Generalvertrag) nicht umfasst seien. Die BvS lehnte diese Forderung ab. Diese Ausarbeitung beschäftigt sich mit verschiedenen Fragen zum Anspruch des Freistaates Thüringen auf die geforderten Nachverhandlungen. Die Fragen sind unten jeweils wiedergegeben . Weder das Schreiben vom 5. Oktober 2011 noch das Antwortschreiben der BvS lag der Verfasserin bei der Erstellung dieser Ausarbeitung vor, so dass die genauen Gründe, auf die die Parteien ihre jeweilige Position stützen, nicht bekannt sind. Der Inhalt des Briefwechsels ist lediglich in dem Auftrag zu dieser Ausarbeitung selbst sowie in den Antworten der Bundesregierung vom 2. November 2011 auf die schriftlichen Fragen der Abgeordneten Göring-Eckardt umrissen.1 Neben dem Generalvertrag lagen der Verfasserin keine weiteren Unterlagen oder Informationen, z.B. über die Erfüllung der Zustimmungspflichten für das Wirksamwerden des Generalvertrages (§ 9 Ziff. 9.1 Generalvertrag) oder die Erfüllung der Zahlungspflichten der BvS, vor. Folglich können die gestellten Fragen nur auf der Basis des Generalvertrages beantwortet werden. 1 Antworten auf die Fragen Nr. 40 und Nr. 41, BT-Drs. 17/7584, S. 37 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 4 2. Erläuterungen 2.1. Block I. 2.1.1. Frage 1: Wie lauten die Tatbestandsmerkmale der Öffnungsklausel des § 2.6 des Generalvertrages , die für die Aufnahme von Nachverhandlungen erfüllt sein müssen? Folgende Tatbestandsmerkmale müssen für die Aufnahme von Nachverhandlungen erfüllt sein: Seit dem Wirksamwerden des Vertrages müssen zehn Jahre vergangen sein. Nach Ablauf der zehn Jahre muss feststehen, dass dem Freistaat Thüringen bis dahin Mehrausgaben in Höhe von über 20 % gegenüber den im Vertrag angenommenen Gesamtkosten (§ 2.1 Generalvertag) entstanden sind. Diese Mehrausgaben müssen nachweislich durch von beiden Vertragsparteien nicht erwartete neue Risiken in Bezug auf ökologische Schäden verursacht worden sein. Die Nachverhandlungen müssen innerhalb eines Jahres gefordert werden. Im Zusammenhang mit diesen Forderungen muss der Freistaat Thüringen die angefallenen Kosten offenlegen und nachweisen. 2.1.2. Frage 2: Enthält § 2.6 des Generalvertrages eine Frist, die zur Wahrung der Möglichkeit der Aufnahme von Nachverhandlungen durch den Freistaat Thüringen zwingend hätte eingehalten werden müssen? Für den Anspruch auf Nachverhandlungen sind zwei Fristen von Bedeutung: Die erste Frist bezieht sich auf den inhaltlichen Umfang möglicher Nachverhandlungen. Nach § 2.6 Abs. 1 des Generalvertrags können nur Mehrausgaben Gegenstand der Nachverhandlungen sein, die bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Wirksamwerden des Vertrages entstanden sind (der Vertrag spricht wörtlich von „bis dahin …entstanden sind“ und nimmt damit Bezug auf den „Ablauf von 10 Jahren“). Alle später entstandenen Mehrkosten, d.h. also solche, die erst nach dem Ablauf von zehn Jahren angefallen sind, umfasst der Anspruch auf Nachverhandlungen nach dem Wortlaut der Vertragsvereinbarung nicht.2 Der Generalvertrag wurde am 24. Februar 1999 von Vertretern des Freistaats Thüringen und der BvS unterzeichnet. Sein Wirksamwerden hing jedoch von der Zustimmung der in § 9 Ziff. 9.1 des Generalvertrags genannten Stellen und Gremien ab. Es liegen keine Informationen dazu vor, ob und wann diese Zustimmungen erteilt wurden, wir gehen jedoch davon aus, dass dies noch im Laufe des Jahres 1999 erfolgt ist. Unter dieser Voraussetzung lief die Frist für den inhaltlichen Umfang der möglichen Nachverhandlungen somit an dem Tag des Jahres 2009 ab, an dem zehn Jahre zuvor die letzte Zustimmung erteilt wurde. Die zweite Frist gilt für den Zeitpunkt, bis zu dem Nachverhandlungen gefordert werden können. Dazu regelt § 2.6 Abs. 2 des Generalvertrags zunächst (Satz 1), dass die Nachverhandlungen unter 2 Vgl. zu diesem Fall unten die Antwort auf die Frage Block II, Nr. 3 (unten Ziff. 2.2.3). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 5 der Voraussetzung stehen, dass „die Mehrausgaben nachweislich durch von beiden Vertragsparteien nicht erwartete neue Risiken in bezug auf ökologische Schäden verursacht wurden“. Sodann wird die Frist für die Forderung der Nachverhandlungen festgelegt (§ 2.6 Abs. 2 Satz 2): „Der Freistaat kann von der BvS in diesem Fall binnen eines Jahres […] die Aufnahme der vorgenannten Verhandlungen verlangen.“ Durch die Worte „in diesem Fall“ bezieht sich die Frist nicht nur auf die Voraussetzung, dass die Mehrkosten auf nicht erwarteten neuen Risiken beruhen , sondern auch darauf, dass dies nachgewiesen werden kann („nachweislich“ § 2.6 Abs. 2 Satz 1). Aufgrund dieser Formulierungen beginnt die Jahresfrist erst in dem Zeitpunkt, in dem dem Freistaat die geforderten Nachweise vorliegen. Dies kann auch ein Zeitpunkt nach dem Ablauf der oben dargestellten zehnjährigen Frist sein, wobei es sich immer um Kosten handeln muss, die innerhalb der zehnjährigen Frist entstanden sind. Allerdings wird man auf den Zeitpunkt der objektiven Nachweismöglichkeit abstellen müssen, so dass es nicht darauf ankommt, wann die Nachweise dem Freistaat tatsächlich vorlagen. Festzuhalten ist, dass sich die Jahresfrist für die Geltendmachung des Nachverhandlungsanspruchs somit nicht unmittelbar an die zehnjährige Frist des § 2.6. Abs. 1 des Generalvertrags anschließt. Es ist natürlich möglich, dass dem Freistaat mit Ablauf der zehnjährigen Frist des Abs. 1 bekannt war, dass Mehrkosten entstanden sind und er dies auch bereits zu diesem Zeitpunkt nachweisen konnte, so dass die Jahresfrist in diesem Fall spätestens mit Ablauf der zehn Jahre begann und im Jahr 2010 endete (der Tag des Fristablaufs wäre dann der Tag elf Jahre nach dem Wirksamwerden des Generalvertrages). 2.1.3. Frage 3: Hat der Freistaat Thüringen heute grundsätzlich noch die Möglichkeit, die Aufnahme von Nachverhandlungen auf Grundlage des § 2.6 des Generalvertrages zu verlangen, beispielsweise wenn er nachweisen kann, dass ihm bereits bis 2009 aufgrund des Generalvertrages Mehrkosten von über 20% gegenüber den in § 2.1 des Generalvertrages angenommenen Gesamtkosten entstanden sind? Diese Frage spielt auf die oben dargestellte erste inhaltliche Frist an. Inhaltlich können Mehrkosten von über 20%, die bis zum vermuteten Ablauf der zehn Jahre seit Wirksamwerden des Generalvertrages im Jahr 2009 entstanden sind, Gegenstand der Nachverhandlungen sein. Es gilt jedoch auch die soeben dargestellte Geltendmachungsfrist von einem Jahr. Dafür kommt es darauf an, wann der Freistaat diese Mehrkosten „nachweisen“ konnte. Lagen ihm die entsprechenden Nachweise im Jahr 2009 vor oder hätten sie ihm vorliegen können, lief die Frist im Jahr 2010 ab. 2.2. Block II. 2.2.1. Frage 1: Inwieweit bedingt die Regelung des § 2.5 des Generalvertrags das Recht der Vertragsparteien zur Anfechtung des Vertrags oder die Geltendmachung des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage wirksam ab? In § 2.5 des Generalvertrags haben die Vertragsparteien unter anderem folgendes erklärt: „Die Vertragsparteien verzichten daher auch hiermit – soweit gesetzlich zulässig – für den Fall einer späteren Über- oder Unterschreitung des § 2.1 pauschalierten Gesamtaufwandes auf das Recht zur Anfechtung des Vertrages oder die Geltendmachung des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage ; lediglich für den Fall von unerwarteten neuen Risiken haben die Vertragsparteien in § 2.6 eine abschließende Ausnahmeregelung vereinbart.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 6 Außerhalb öffentlich-rechtlicher Verträge können Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wirksam abbedungen werden.3 Unter diesem Rechtsregime wäre die oben wiedergegebene Vereinbarung in § 2.5 des Generalvertrages somit wirksam. Nachverhandlungen könnten allein auf der Basis der Regelungen in § 2.6 des Generalvertrages gefordert werden. Für öffentlich -rechtliche Verträge (§§ 54 bis 62 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG4) sieht § 60 Abs. 1 VwVfG eine besondere gesetzlich ausformulierte Regelung für die Anpassung des Vertrages wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (Wegfall der Geschäftsgrundlage) vor. Diese Regelungen können zwar in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht gänzlich abbedungen werden,5 allerdings gehen spezielle vertragliche Anpassungsklauseln, wie sie auch in § 2.6 des Generalvertrags vorgesehen sind, der gesetzlichen Regelung vor.6 Auch unter diesem Rechtsregime richten sich die Ansprüche des Freistaates auf Nachverhandlungen bzw. eine Vertragsanpassung somit allein nach § 2.6 des Generalvertrages. Das Recht der Vertragsparteien auf Anfechtung des Generalvertrags richtet sich nach Regeln für privatrechtliche Verträge (§ 119 ff. BGB7, ggf. i.V.m. § 59 Abs. 1, § 62 Satz 2 VwVfG). Die Anfechtung einer Vertragspartei8 kann in einem individuell verhandelten Vertrag, wie dem Generalvertrag , wirksam abbedungen werden.9 2.2.2. Frage 2: Soweit § 2.5 des Generalvertrags teilweise unwirksam ist, um welche allgemeinen Fallkonstellationen handelt es sich bei § 2.5 des Generalvertrags bei denen sich die Vertragsparteien nicht mehr auf den Wegfall der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage berufen können? Wie sich aus verschiedenen Stellen des Generalvertrags ausdrücklich ergibt, wollten die Vertragsparteien die Kosten des Sanierungsaufwandes abschließend zwischen sich aufteilen.10 Insbesondere in § 2.5 wurde folgendes festgelegt: „Die damit [mit der Kostenverteilungsregel] verbundenen Risiken von Mehr- oder Minderkosten wurden von den Vertragsparteien bewußt hinge- 3 Vgl. dazu die Kommentierung zur zivilrechtlichen Vorschrift über die Störung der Geschäftsgrundlage bei Finkenauer , in: Münchner Kommentar zum BGB, 12. Auflage 2012, Band 2, § 313 Rdnr. 51. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003, BGBl. I S. 102, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013, BGBl. I S. 2749. 5 BVerfGE 34, 216, 230 ff.; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Auflage 2014, § 60 Rdnr. 6; Spieht, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck'scher Online-Kommentar VwVfG (Stand: 01.01.2014), § 60 vor Rdnr. 1. 6 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Auflage 2014, § 60 Rdnr. 6. 7 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738, zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013, BGBl. I S. 3719. 8 Im vorliegenden Fall käme wohl vor allem die Anfechtung wegen Irrtums, § 119 BGB, in Betracht. 9 Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage 2014, § 119 Rdnr. 3; Wendtland; in: Bamberger /Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB (Stand: 01.01.2014); § 119 Rdnr. 3. 10 Siehe die Präambel Abs. 6, § 1.1; § 2.1; § 2.5 und § 2.6 des Generalvertrags. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 7 nommen und sind abschließend geregelt.“ Die Anpassungsklausel (§ 2.6 Generalvertrag) soll nur dann gelten, wenn unerwartete neue Risiken in Bezug auf ökologische Schäden auftreten und diese Mehrkosten die angenommenen Gesamtkosten (§ 2.1 Generalvertrag) um 20% überschreiten . Damit haben die Vertragsparteien das Kostenrisiko vertraglich festgelegt. Es wurde so verteilt , dass der Freistaat das Risiko einer 20%igen Überschreitung allein trägt und die Parteien über etwaige Mehrkosten mit dem Ziel nachverhandeln, diese dem Finanzierungsschlüssel des Vertrages entsprechend zwischen sich aufzuteilen. Etwaige Kostenunterschreitungen kommen vollständig dem Freistaat zu Gute (§ 2.5 Generalvertrag). Diese Vertragsvereinbarungen gehen dem Institut des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ bzw. dem § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vor. Wenn die tatsächlichen Sanierungskosten die in dem Generalvertrag angenommenen Gesamtkosten übersteigen, gilt die Anpassungsvereinbarung des § 2.6, die die Vertragsparteien genau für diesen Fall der Änderung ihrer Geschäftsgrundlage vorgesehen haben. 2.2.3. Frage 3: Inwieweit bedingt die Regelung des § 2.6 des Generalvertrags das Recht der Vertragsparteien zur Geltendmachung des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage wirksam ab, soweit davon auch unerwartete neue Risiken betroffen sind, die erst nach Ablauf von 10 Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags feststehen ? Der Anspruch des Freistaats auf Nachverhandlungen im Sinne des § 2.6. Generalvertrag besteht auch dann, wenn die Mehrkosten zwar innerhalb von zehn Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrages entstanden sind, sie jedoch erst danach feststehen bzw. nachweisbar sind. Allerdings muss auch dabei die Jahresfrist für die Geltendmachung des Anspruches beachtet werden .11 Für alle Mehrkosten, die erst nach Ablauf der Frist von zehn Jahren seit Wirksamwerden des Vertrages entstehen, trifft die Öffnungsklausel keine Aussage. Dies könnte zwei verschiedene Bedeutungen haben: Zum einen könnte der Fall, dass Mehrkosten erst nach Ablauf der zehn Jahre entstehen, von den Vertragsparteien schlicht übersehen worden sein. Sie hätten dann dafür keine besondere vertragliche Anpassungsklausel vorgesehen. Da – wie oben dargestellt12 – die Anpassungsvorschrift des § 60 Abs. 1 VwVfG (Wegfall der Geschäftsgrundlage) nicht abbedungen werden kann, könnte der Freistaat in diesem Fall eine Anpassung in der Form von Nachverhandlungen nach § 60 Abs. 1 VwVfG fordern, wenn auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Ein solcher Nachverhandlungsanspruch würde bestehen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Vertragsvereinbarungen maßgebend gewesen sind, seit Vertragsabschluss so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei (hier dem Freistaat) das Festhalten an diesen Vertragsregeln nicht zuzumuten ist (§ 60 Abs. 1 VwVfG). Der Anspruch muss jedoch eine hohe Hürde nehmen: Er ist nur gerechtfertigt, wenn die Veränderungen zu „untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings unvereinbaren Ergebnisse“ führen und dies im öffentlichen Interesse vermieden 11 Vgl. dazu oben Ziff. 2.1.2, S. 4. 12 Siehe oben Ziff. 2.2.1, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 083/14 Seite 8 werden soll.13 Ob dies der Fall ist, würde jedoch von den genauen Umständen, insbesondere der Höhe und dem Grund der Mehrkosten, abhängen, zu denen keine Informationen vorliegen. Zum anderen könnten die Vertragsparteien aber auch bewusst Mehrkosten, die erst nach dem Ablauf der zehn Jahre entstehen, nicht in die Anpassungsklausel aufgenommen haben. In diesem Fall wäre beabsichtigt gewesen, dass der Freistaat dieses Kostenrisiko alleine trägt. Für ein solches Verständnis des Generalvertrags spricht zunächst, dass die Anpassungsklausel für alle von ihr nicht erfassten Fälle auf die abschließende Regelung des § 2.5 des Generalvertrages verweist (§ 2.6 am Ende). Die Parteien haben somit durchaus gesehen, dass es Sachverhalte geben kann, die nicht von der Anpassungsklausel erfasst werden. Dafür spricht auch der Vermerk vom 28. Januar 1999 über die Ergebnisse der Absprachen des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz und der BvS, der dem Generalvertrag als Anlage 8 beigefügt ist. Daraus ergibt sich, dass die Anpassungsklausel erst im Zuge der Verhandlungen in den Vertrag hineinkam und die bis dahin vorgesehene abschließende Regelung entschärfen sollte. Auf dieser Basis ist anzunehmen, dass diese „Erleichterung“ für den Freistaat nur soweit gelten sollte , wie sie auch in der Anpassungsklausel vorgesehen ist, und weitergehende Risiken nicht schlicht „übersehen“ wurden. Schließlich spielt auch eine Rolle, dass sich die Mehrkosten nach Ablauf der zehn Jahre auch aufgrund von Verzögerungen bei den Sanierungsarbeiten ergeben können. Mit dem Generalvertrag ist die Sanierungsverantwortlichkeit allein auf den Freistaat Thüringen übergegangen, der die Sanierungen in Eigenregie durchführt (Präambel Abs. 4, § 3, § 5 ff. Generalvertrag). Da somit der Freistaat den Zeitpunkt beeinflussen kann, in dem die Sanierungskosten entstehen, erscheint es schlüssig, dass die Anpassungsklausel auf einen Zeitraum von zehn Jahren beschränkt wurde, um so auch das Kostenrisiko der BvS zeitlich zu begrenzen. Diese Erwägungen sprechen somit dafür, dass der Freistaat für Mehrkosten, die erst nach Ablauf der zehnjährigen Frist entstanden sind, keinen Anspruch auf Nachverhandlungen hat. Da somit die Vertragsparteien auch diesen Fall vertraglich geregelt und nicht – wie im ersten Fall unterstellt – übersehen haben, findet weder eine Anpassung aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch nach § 60 Abs. 1 VwVfG statt. 2.2.4. Frage 4: Besteht die Möglichkeit, dass der Freistaat Thüringen sich auf den Wegfall der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage berufen und auf diesem Wege Nachverhandlungen und eine Vertragsanpassung erreichen kann? Wie dargestellt, hat der Freistaat Thüringen nach hiesiger Auffassung keinen Anspruch auf Nachverhandlungen auf der Basis der Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage . Dies gilt sowohl für die Mehrkosten, die innerhalb, als auch für die, die nach Ablauf der zehnjährigen Frist des § 2.6 des Generalvertrags entstanden sind. 13 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz – Kommentar, 8. Auflage 2014, § 60 Rdnr. 6 m.w.N. aus der Rechtsprechung in Fn. 39.