© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 082/19 Zur Beschränkung einer Gegendemonstration Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 2 Zur Beschränkung einer Gegendemonstration Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 082/19 Abschluss der Arbeit: 16.04.2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 3 1. Fragestellung Es wird danach gefragt, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, Versammlungen und dabei insbesondere auch Gegendemonstrationen zu beschränken. Dabei soll auf grundlegende gerichtliche Entscheidungen hingewiesen werden. Weiter wird gefragt, ob es in der Vergangenheit Versuche des Gesetzgebers gegeben hat, Regelungen zur Beschränkung von Gegendemonstrationen einzuführen. 2. Verfassungsrechtlicher Schutz der Gegendemonstration Als eine Gegendemonstration wird eine Versammlung bezeichnet, die aus Protest gegen eine bestimmte andere Versammlung und deren Thema stattfindet. Regelmäßig finden beide Versammlungen zeitlich parallel und vielfach in räumlicher Nähe kollidierend statt.1 Es liegt in der Natur von Versammlungen, dass sie durch Wahl von Thema, Ort und Zeit Anstoß bei Dritten erregen können. Diese Bestandteile der Gestaltungsfreiheit sind aber vom Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG umfasst.2 Art. 8 GG schützt andererseits auch Versammlungen, die als Reaktion auf eine Ausgangsversammlung erfolgen.3 Beide Versammlungen sind rechtlich unter denselben Voraussetzungen zulässig und geschützt. Das Stattfinden einer Gegendemonstration ist als solches weder unfriedlich noch eine Gefahr. Versammlungsfreiheit bedeutet nicht, dass die Versammelnden völlige Freiheit von beeinträchtigenden Umständen oder Handlungen Dritter beanspruchen können.4 Ein generelles Verbot von Gegendemonstrationen wäre damit verfassungswidrig. Ein solches erscheint aber auch nicht notwendig, da in den Versammlungsgesetzen5 bereits ein Störungsverbot und Eingriffsbefugnisse zum Schutz einer Versammlung geregelt sind. Darüber hinausgehende Regelungsvorhaben zur Beschränkung von Gegendemonstrationen sind – soweit ersichtlich – nicht verfolgt worden.6 1 Zum Begriff „Gegendemonstration“ Gusy, in: Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Auflage, 2018. 2 Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage, 2016, Teil I Rn. 443. 3 „Auch Gegendemonstranten verhalten sich grundrechtskonform und können insoweit keine Störer sein.“ Dürig- Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, 1. Auflage 2016, Versammlungsrecht, VersammlG § 15 Rn. 70. 4 Gusy (Fn. 1). 5 Im Zuge der Föderalismusreform wurde die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht den Bundesländern übertragen. Von der neuen Gesetzgebungskompetenz haben Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Ausführlich hierzu siehe Kniesel (Fn. 2) Rn. 8 ff. Das Versammlungsgesetz des Bundes gilt nach Art. 125a Abs. 1 GG in den übrigen Bundesländern als Bundesrecht fort. Nach herrschender Meinung ist der Bund befugt, das Versammlungsgesetz fortzuschreiben, solange er dessen Grundkonzeption nicht ändert. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage 2018, K. Versammlungsrecht, Rn. 23. 6 Eine Übersicht zu den Gesetzesänderungen des Versammlungsgesetzes des Bundes findet sich bei Dietel/Gintzel/ Kniesel, Teil V, S. 623 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 4 3. Grenzen des verfassungsrechtlichen Schutzes Die Versammlungsfreiheit ist nicht bloß ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Aus ihr folgt vielmehr auch eine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates.7 Die Teilnehmer einer Versammlung können hierauf gestützt verlangen, dass die zuständige Behörde gegen Störungen wie bspw. Blockaden vorgeht.8 3.1. Unfriedliche Gegendemonstrationen Art. 8 Abs. 1 GG begrenzt den sachlichen Schutzbereich auf friedliche Versammlungen ohne Waffen. Unfriedliche und bewaffnete Versammlungen sind nicht durch Art. 8 GG geschützt. Herkömmlich wird eine Versammlung in Anlehnung an § 5 Nr. 3, § 13 Abs. 1 Nr. 2 Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) dann als „unfriedlich“ angesehen, wenn sie einen aufrührerischen oder gewalttätigen Verlauf nimmt. Versammlungen werden danach nicht schon dadurch unfriedlich , dass durch sie oder auf ihnen gegen die Rechtsordnung verstoßen wird.9 Soweit durch die Gegendemonstration Gewalttätigkeiten geplant sind, fällt sie nicht unter den Schutz des Art. 8 GG. Die Veranstalter der Ausgangsveranstaltung haben – unter der Voraussetzung , dass diese rechtmäßig angemeldet wurde und friedlich durchgeführt wird – gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Versammlungsrechts Anspruch auf polizeilichen Schutz vor gewaltbereiten Gegendemonstrationen.10 3.2. Blockadeaktionen Bei Blockadeaktionen ist zwischen Verhinderungsblockaden und passiven Blockaden zu unterscheiden : Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genießt eine Gegendemonstration den Schutz des Grundrechts der Versammlungsfreiheit, soweit der öffentliche Protest mit dem Ziel der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung im Vordergrund des gewaltfreien Widerstands stehe und die Blockade „nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit“11 ist. Bei solchen „passiven“ Blockaden, bei 7 Depenheuer, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 85. EL November 2018, Art. 8 Rn. 113. 8 Ullrich, Typische Rechtsfragen bei Demonstrationen und Gegendemonstrationen/Gegenaktionen, DVBl. 2012, S. 673. 9 Schneider, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 40. Edition, Stand: 15. Februar 2019, Art. 8 Rn. 13 f. mit weiteren Nennungen; a.A. Depenheuer (Fn. 7), Rn. 78 ff. 10 Schneider (Fn. 9), Rn. 66; BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. Mai 2006 – 1 BvQ 14/06 –, juris; OVG Lüneburg Beschluss vom 13. August 2010 – 11 ME 313/10 –, juris; VG Dresden BeckRS 2011, 45839 = SächsVBl 2011, 140 ff. 11 BVerfGE 104, 92 (104 f.), Hervorhebung nur hier. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 5 denen nicht Menschen oder Menschengruppen eingeschlossen oder etwa ein Demonstrationszug vollständig an seiner Bewegung gehindert wird, ist in der Regel von Friedlichkeit auszugehen.12 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts endet der Schutz des Art. 8 GG dort, „wo es nicht um die – wenn auch kritische – Teilnahme an der Versammlung, sondern um deren Verhinderung geht“ 13. Verhinderungsblockaden sind daher als unzulässige, nicht durch Art. 8 GG geschützte Selbsthilfeaktionen anzusehen.14 3.3. Störungsverbot In den Versammlungsgesetzen ist ein strafbewehrtes Störungsverbot normiert, das sich auf Verhinderungsstörungen bezieht.15 Entscheidend ist insoweit die subjektive Einstellung des Störers zu der Versammlung. Der Störer muss die Unterbrechung oder Aufhebung der Versammlung anstreben.16 Eine Verhinderungsstörung berechtigt die Versammlungsbehörde und die Polizei, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wie bspw. Platzverweise, um die Bildung von Blockaden im Vorfeld zu vermeiden sowie Auflösungsverfügungen und anschließende Zwangsräumung.17 4. Beschränkungen in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht Nach Art. 8 Abs. 2 GG können Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz eingeschränkt werden. Die aufgrund der insoweit abschließenden Versammlungsgesetze vorgenommenen versammlungsbeschränkenden Maßnahmen, wie bspw. das Verbot oder die Auflösung der Versammlung sowie die Erteilung von Auflagen (bspw. nach § 15 VersG), müssen ihrerseits den (strengen) Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen. 12 Vgl. dazu: Groscurth, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 1. Auflage 2015, G. Eingriffsbefugnisse, Rn. 46 mit weiteren Nachweisen; Kniesel/Poscher (Fn. 5), Rn. 68; Ullrich (Fn. 8), S. 672. 13 BVerfGE 84, 203 (209); siehe auch OVG Schleswig Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. Februar 2006 – 4 LB 10/05 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg: Polizeilicher Notstand und Gegendemonstration LKV 2016, 225 (227). 14 Siehe dazu auch Ullrich (Fn. 8), der sich mit diesem Thema ausführlich auseinandergesetzt und einschlägige Rechtsprechung ausgewertet hat. Zur Besonderheit von „Probeblockaden“ siehe zudem OVG Münster, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 1701/11 und OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Juli 2011 - 11 LA 101/11. 15 Vgl. § 2 Abs. 2, § 21 VersG; Art. 8, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Versammlungsgesetz; §§ 4, 20 Abs. 1 Nr. 2 Niedersächsisches Versammlungsgesetz; § 2 Abs. 2, § 22 Sächsisches Versammlungsgesetz; § 2 Abs. 2, § 20 Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge; § 7, § 23 Abs. 1 Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein. 16 Kniesel (Fn. 2), Teil II § 2 Rn. 17. 17 Dazu Ullrich (Fn. 8), S. 673. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 6 Die Wahl von Ort, Streckenverlauf und Zeit einer Versammlung stellt grundsätzlich genauso einen Teil der Grundrechtsausübung dar wie die Wahl des Veranstaltungsthemas.18 Daher kann auch die räumliche oder zeitliche Beschränkung einer Aufzugsroute den Anmelder und die Teilnehmer der Versammlung in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzen. Soweit dem Recht der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich gleichwertige Rechte Dritter gegenüberstehen (wie bspw. das Recht auf Versammlungsfreiheit der Teilnehmer einer Gegendemonstration), kann eine Einschränkung im Einzelfall zulässig sein. In diesen Fällen ist der Konflikt durch Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den betroffenen grundrechtlichen Rechtsgütern zu lösen.19 Die Versammlungsbehörde und u. U. im weiteren Verlauf auch die Polizei müssen somit zwei Ziele in Einklang bringen: „Einerseits ist unparteiisch dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Demonstrationsteilnehmer von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch machen können. Hierzu gehört auch, den Gegendemonstranten zu ermöglichen, ihren Protest den Teilnehmern der Ausgangsveranstaltung zur Kenntnis zu bringen. Andererseits müssen Gefahren für die öffentliche Sicherheit abgewehrt und insbesondere die Versammlungsteilnehmer von tätlichen Angriffen geschützt werden, was taktisch umso leichter gelingen kann, je weiter Demonstration und Gegendemonstration zeitlich und räumlich voneinander getrennt werden.“20 Beschränkende Maßnahmen sind primär gegen die Verantwortlichen zu richten, wobei im Versammlungsrecht grundsätzlich das Prioritätsprinzip gilt.21 Dies bedeutet im Fall einer Gegendemonstration , dass bei der Entscheidung, welcher Versammlung welche Beschränkungen aufzuerlegen sind, durch die eine Entzerrung bewirkt wird, das objektivste Kriterium das Erstanmelderprivileg ist. „Grundsätzlich dürfen beschränkende Verfügungen hinsichtlich Zeit und Ort der Versammlung nicht die zuerst angezeigte, sondern nur die später angemeldete Demonstration treffen.“22 5. Inanspruchnahme des Nichtverantwortlichen Auch im Versammlungsrecht gilt der Grundsatz, dass gefahrabwendende Maßnahmen gegen denjenigen zu richten sind, der die letzte Ursache für die Gefahr setzt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in folgenden Fällen denkbar: Zum einen, wenn die Ausgangsveranstaltung als Zweckveranlasser eingestuft werden kann. Zum anderen wenn ein echter oder unechter polizeilicher Notstand vorliegt. 18 Siehe dazu auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Zum räumlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit, WD 3 - 3000 - 114/17; OVG Münster Beschluss vom 24. Oktober 2015 – 15 B 1226/15, BeckRS 2015, 54277. Eine umfassende Rechtsprechungsübersicht zu zulässigen und unzulässigen Auflagen zu Ort und Zeit haben Braun/Keller, in: Dietel/Gintzel/Kniesel (Fn. 2), Teil III S. 429 ff. zusammengestellt . 19 OVG Münster (15. Senat), Beschluss vom 27. April 2017 - 15 B 491/17. 20 Ullrich (Fn. 8), S. 666, Hervorhebung nur hier. 21 Gusy (Fn. 1); VGH Mannheim, Urteil vom 28. August 1986 - 1 S 3241/85. 22 Ullrich (Fn. 8), S. 667. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 7 5.1. Zweckveranlasser Unter einem Zweckveranlasser ist derjenige zu verstehen, der „eine Handlung vornimmt, die als solche die Gefahrenschwelle nicht unmittelbar überschreitet, aber in zurechenbarer Weise einen Dritten zur Gefährdung (oder Störung) der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung veranlasst“23. Nach ständiger Rechtsprechung berechtigt die polizeirechtliche Figur des Zweckveranlassers nur in Ausnahmefällen zur Inanspruchnahme der Ausgangsveranstaltung und wird regelmäßig abgelehnt.24 Verlangt werden besondere, über die inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltung hinausgehende provokative Begleitumstände.25 5.2. Polizeilicher Notstand Auch unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands darf die Ausgangsversammlung als Ganzes als Nichtverantwortliche in Anspruch genommen werden. Auch hier setzt die Rechtsprechung der Annahme eines solchen polizeilichen Notstands enge Grenzen. Ein Vorgehen gegen die Ausgangsversammlung ist danach nur zulässig, wenn ein anderweitiger Schutz weder durch die Polizei selbst noch durch ein Vorgehen gegen die Nichtverantwortlichen möglich ist.26 Es wird hierbei zwischen zwei Fällen unterschieden: Dem echten und dem unechten polizeilichen Notstand . Von einem echten polizeilichen Notstand kann ausgegangen werden, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass wegen anderweitiger Bindung erheblicher Polizeikräfte die Versammlungsbehörde nicht in der Lage wäre, den Schutz der Ausgangsversammlung zu gewährleisten .27 Maßgeblich können hierfür die große Zahl erforderlicher Polizeikräfte, die erhebliche Zahl von Teilnehmern einer oder beider Versammlungen sowie ungünstige örtliche oder zeitliche Verhältnisse im Einzelfall bzw. die Unvorhersehbarkeit dieser Faktoren sein.28 Ein unechter polizeilicher Notstand liegt dagegen vor, „wenn die Schäden für die öffentliche Sicherheit bei einem Einschreiten gegen die Störer in einem extremen Missverhältnis zu den 23 Ullrich (Fn. 8), S. 667. 24 Dürig-Friedl (Fn. 3), Rn. 71. 25 BVerfG Einstweilige Anordnung v. 1. September 2000 – 1 BvQ 24/00, DVBl 2001, 62; VGH Mannheim Beschluss vom 30. April 2002 – 1 S 1050/02, VBlBW 2002, 383 (384); OVG Bautzen Beschluss vom 2. Oktober 2004 – 3 BS 392/04, SächsVBl. 2005, 48; OVG Lüneburg Beschluss vom 16. Oktober 2006 – 11 ME 275/06; Schneider (Fn. 9) Rn. 66 und Gusy (Fn.1). 26 Peters/Janz, Aktuelle Fragen des Versammlungsrechts – Rechtsprechungsübersicht, LKV 2016, S. 195 mit Rechtsprechungsnachweisen . 27 BVerfG Beschluss vom 26. Juni 2007 – 1 BvR 1418/07, NVwZ-RR 2007, 641; OVG Lüneburg Urteil vom 29. Mai 2008 – 11 LC 138/06, DVBl 2008, 987 (990); siehe auch Schneider (Fn. 9). 28 Gusy (Fn. 1). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/19 Seite 8 Nachteilen stehen würden, die im Vergleich dazu durch ein Vorgehen gegen die friedliche Versammlung eintreten“29. Nach einhelliger Auffassung reicht die pauschale Behauptung eines Notstandes nicht aus.30 Auch ein bewusst unterbesetztes behördliches Antreten wäre rechtswidrig.31 Weiter kann sich die Behörde nicht auf eine Notstandslage berufen, wenn sie es versäumt hat, versammlungsrechtliche Maßnahmen gegen eine die Ausgangsversammlung gefährdende Gegendemonstration zu treffen.32 Ullrich kommt zu der Bewertung, dass es mit Blick auf die zugunsten der Teilnehmer der Ausgangsversammlung wirkenden grundrechtlichen Schutzpflicht und auf die polizeilichen Möglichkeiten es fast ausgeschlossen wäre, auf Basis eines unechten polizeilichen Notstandes von vornherein ein Versammlungsverbot gegen eine von Störern attackierte Versammlung auszusprechen.33 *** 29 Ullrich (Fn. 8), S. 669. 30 BVerfG Beschluss vom 24. März 2001 – 1 BvQ 13/01, NJW 2001, 2069 (2072); BayVGH BeckRS 2011, 46426; Schneider (Fn. 9) Rn. 67. 31 Gusy (Fn. 1); Ullrich (Fn. 29), S. 669. 32 OVG Berlin-Brandenburg (Fn 13); Ullrich (Fn. 29). 33 Ullrich (Fn. 29).