© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 082/15 Verbot der Vollverschleierung Rechtslage in Deutschland sowie Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen und Schweden Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 2 Verbot der Vollverschleierung Rechtslage in Deutschland sowie Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen und Schweden Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 082/15 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Begriff der Vollverschleierung 4 3. Rechtslage in Deutschland 4 3.1. Vollverschleierung im öffentlichen Raum 4 3.2. Vollverschleierung bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes 5 3.2.1. Rechtslage in den Bundesländern 5 3.2.1.1. Regelungen für Lehrkräfte bzw. das Personal von Kindergärten 6 3.2.1.2. Regelungen für andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst 7 3.2.2. Rechtslage auf Bundesebene 8 3.3. Vollverschleierung beim Besuch von Schulen und Universitäten 8 3.4. Vollverschleierung beim Besuch von Behörden und anderen Liegenschaften des Bundes 9 3.5. Vollverschleierung bei Identitätskontrollen durch die Bundespolizei 10 4. Rechtslage im europäischen Ausland 11 4.1. Rechtslage in Belgien 11 4.2. Rechtslage in Dänemark 11 4.3. Rechtslage in Finnland 11 4.4. Rechtslage in Frankreich 12 4.5. Rechtslage in den Niederlanden 13 4.6. Rechtslage in Norwegen 13 4.7. Rechtslage in Schweden 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 4 1. Fragestellung Das Tragen einer Vollverschleierung erfährt in jüngerer Zeit vermehrte Aufmerksamkeit und die Möglichkeiten entsprechender Verbote werden in der Öffentlichkeit und der juristischen Literatur immer wieder diskutiert. Vor diesem Hintergrund wird nach der derzeitigen Rechtslage in Deutschland gefragt, insbesondere in Bezug auf das Tragen einer Vollverschleierung (Burka oder Niqab) in Bundesliegenschaften und Bundesbehörden, bei Kontrollen durch die Bundespolizei sowie bei Kontrollen an Flughäfen. Zudem soll die entsprechende Rechtslage in Belgien, Dänemark, Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden dargestellt werden.1 2. Begriff der Vollverschleierung Zur Vollverschleierung zählen unabhängig von weiteren Differenzierungen die Gewänder des Niqab und der Burka. Ein Niqab ist ein kopfbedeckender Gesichtsschleier mit schmalem Augenschlitz aus meist schwarzer Seide, Baumwolle oder Kunstfaser.2 Er wird in Verbindung mit einem Tschador oder einem anderen meist schwarzen Gewand getragen. Werden die Augen vollständig bedeckt, bezeichnet man das Kleidungsstück als Burka (Ganzkörperschleier). Die Burka wird insbesondere von muslimischen Frauen in Afghanistan, Ägypten, Pakistan, Saudi-Arabien und dem Irak getragen und ist ein den ganzen Körper bedeckender Umhang mit einem Einsatz aus Netzgewebe für die Augen.3 3. Rechtslage in Deutschland 3.1. Vollverschleierung im öffentlichen Raum In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage, die das Tragen der Vollverschleierung im öffentlichen Raum generell verbietet.4 1 Die Darstellung der Rechtslage im europäischen Ausland beruht auf einer Anfrage des Verfassers an die wissenschaftlichen Dienste der entsprechenden Parlamente 2 Brockhaus online, unter dem Stichwort: Niqab (publiziert am 1. Mai 2015). 3 Vgl. Harenberg Lexikon der Religionen, 2002, unter dem Stichwort „Burka“. 4 Zur Zulässigkeit eines solchen Verbots siehe die Ausarbeitungen von , Zur Vereinbarkeit eines Kopftuchverbots und eines Burkaverbots mit dem deutschen Recht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 112/10), 2010; , Burka-Verbot in öffentlichen Gebäuden – Lassen sich Burkas in öffentlichen Gebäuden verbieten?, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 444/10), 2010 sowie , Zur Verfassungsmäßigkeit eines Verbots der Gesichtsverschleierung – Unter besonderer Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 1. Juli 2014 – Az.: 43835/11, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 302/14), 2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 5 Lediglich bei öffentlichen Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes besteht gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 Versammlungsgesetz ein Vermummungsverbot.5 Der Begriff Vermummung umfasst dabei eine Aufmachung zur Vereitelung der Identitätsfeststellung mittels Veränderung oder Verhüllung des Gesichts.6 Dass die Aufmachung die Identitätsfeststellung verhindert, begründet allein das Verbot jedoch noch nicht. Es muss hinzukommen, dass der Versammlungsteilnehmer sie auch verhindern will, dass die Aufmachung also dem Zweck dient, ein Wiedererkennen durch Zeugen oder auf Grund von Lichtbildern, Video- und Filmaufnahmen zu verhindern.7 Ob eine solche Absicht vorliegt und dementsprechend das Verbot eingreift, ist stets eine Frage des konkreten Einzelfalls. Auch aus den polizeirechtlichen Generalklauseln8 lässt sich kein generelles Verbot für die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit herleiten.9 Aus der bloßen Tatsache, dass eine vollverschleierte Frau nicht identifizierbar ist, ergibt sich noch keine ausreichende Gefahrenlage für ein polizeiliches Schutzgut. Ein bloßes Unsicherheitsgefühl von Teilen der Bevölkerung ist hierfür nicht ausreichend .10 Unabhängig davon ist die Polizei jedoch befugt, bei einer Kontrolle der Identität einer vollverschleierten Person die für die Identitätsfeststellung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.11 3.2. Vollverschleierung bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes 3.2.1. Rechtslage in den Bundesländern Als Reaktion auf das sogenannte Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 200312 haben mehrere Bundesländer Regelungen hinsichtlich des Tragens religiöser Symbole in Ausübung eines öffentlichen Amtes erlassen. 5 Die folgenden Ausführungen zum Tragen einer Vollverschleierung im öffentlichen Raum beruhen auf der Ausarbeitung von , Das Tragen einer Burka im öffentlichen Raum, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 46/10), 2010. 6 Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, K Rn. 303. 7 Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, K Rn. 304; Wache, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 201. EL 2015 (Kommentierung: 159. EL 2005), § 17a VersG Rn. 7. 8 Vgl. die entsprechenden Generalklauseln der Länder, beispielsweise in Berlin § 17 Abs. 1 Allgemeines Sicherheitsund Ordnungsgesetz, für die Bundespolizei § 14 Abs. 1 Bundespolizeigesetz. 9 Ausführlich dazu: Barczak, „Zeig mir dein Gesicht, zeig mir, wer du wirklich bist“, DÖV 2011, S. 54 (58 f.). 10 Barczak, „Zeig mir dein Gesicht, zeig mir, wer du wirklich bist“, DÖV 2011, S. 54 (58). 11 Siehe hierzu unten unter 3.5. 12 BVerfGE 108, 282. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 6 3.2.1.1. Regelungen für Lehrkräfte bzw. das Personal von Kindergärten Entsprechende Regelungen für Lehrkräfte bzw. das Personal von Kindergärten finden sich in Baden- Württemberg,13 Bayern,14 Berlin,15 Bremen,16 Hessen,17 Niedersachsen,18 Nordrhein-Westfalen19 und dem Saarland20.21 Während in Berlin bei den entsprechenden Beschäftigten alle religiösen Symbole verboten sind, gilt in den übrigen Ländern das Verbot nur, wenn die betreffenden Symbole – geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber den Schülern und Eltern oder den politischen , religiösen und weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden (Baden-Württemberg, ähnlich in Bremen, Hessen und dem Saarland); – den Eindruck eines Auftretens gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung hervorrufen können (Baden-Württemberg, ähnlich Nordrhein-Westfalen); – als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist (Bayern). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. Januar 2015 entschieden, dass ein generelles Verbot religiöser Bekundungen in öffentlichen Schulen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagogen mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar ist.22 Die entsprechenden Regelungen des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes seien daher verfassungskonform dahingehend einzuschränken, dass von einer äußeren religiösen Bekundung nicht nur eine abstrakte, sondern eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgehen müsse, um ein 13 § 38 Abs. 2 Schulgesetz Baden-Württemberg, § 7 Abs. 8 Kindertagesbetreuungsgesetz Baden-Württemberg. 14 Art. 59 Abs. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen. 15 § 2 Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin; § 10 Abs. 2 Kindertagesförderungsgesetz Berlin. 16 § 59b Abs. 4-6 Bremisches Schulgesetz. 17 § 86 Abs. 3 Hessisches Schulgesetz. 18 § 51 Abs. 3 und Abs. 4 Niedersächsisches Schulgesetz. 19 § 57 Abs. 4 Schulgesetz Nordrhein-Westfalen. 20 § 1 Abs. 2a Schulordnungsgesetz Saarland. 21 Darüber hinaus existieren in den einzelnen Landesschulgesetzen Regelungen über die Wahrnehmung des staatlichen Unterrichts- und Erziehungsauftrags und die Wahrung der religiösen Neutralität. In § 4 Abs. 4 Brandenburgisches Schulgesetz wird beispielsweise betont, dass kein Schüler einseitig beeinflusst werden darf. 22 BVerfG, NJW 2015, S. 1359. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 7 Verbot zu rechtfertigen. Darüber hinaus stelle die Regelung des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes , die eine Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen vorsehe, einen Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen dar und sei daher nichtig. In Nordrhein-Westfalen wurde in Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Gesetzentwurf zur Novellierung des Landesschulgesetzes vorgelegt.23 Auch in den übrigen Bundesländern gibt es Reaktionen auf den Beschluss des Gerichts.24 3.2.1.2. Regelungen für andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst In Berlin, Hessen und Niedersachsen beziehen sich die Verbotsnormen auch auf andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst.25 So dürfen in Berlin nach dem sogenannten Neutralitätsgesetz26 Beamte, die im Bereich der Rechtspflege , des Justizvollzuges oder der Polizei beschäftigt sind, innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt im Bereich der Rechtspflege nur für Beamte, die hoheitlich tätig sind. Für Angestellte und Auszubildende der Berliner Verwaltung, die in den genannten Bereichen tätig sind, gilt das Verbot entsprechend.27 Für Beamte im Vorbereitungsdienst und andere in der Ausbildung befindliche Personen können Ausnahmen zugelassen werden.28 In Hessen haben sich die Beamten nach dem Landesbeamtengesetz im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten.29 Insbesondere dürfen sie keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Bei der Beurteilung dieser Tatbestandsvoraussetzungen 23 LT-Drs. 16/8441. 24 Zum Beispiel hat in Bayern die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 9. April 2015 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vorgelegt (verfügbar unter https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000004000/0000 004135.pdf, zuletzt abgerufen am 18. Mai 2015). Eine Anpassung des Landesschulgesetzes angekündigt hat der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, siehe Die Welt vom 17. Mai 2015 (verfügbar unter: http://www.welt.de/ regionales/baden-wuerttemberg/article138514633/Kretschmann-will-nach-Kopftuch-Urteil-Schulgesetz-anpassen.html, zuletzt abgerufen am 18. Mai 2015). 25 Unberücksichtigt sollen an dieser Stelle Regelungen über das Tragen von Dienstkleidung bleiben, die zwar faktisch das Tragen einer Vollverschleierung verbieten, jedoch eine grundsätzlich andere Zielrichtung besitzen. 26 § 1 Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin. 27 § 5 Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin. 28 § 4 Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin. 29 § 45 Abs. 2 Hessisches Beamtengesetz. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 8 ist der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat mit Rundschreiben vom 2. Februar 201130 klargestellt, dass diese Neutralitätsverpflichtung auch für Tarifbeschäftigte gilt. Gleichzeitig hat es die Bediensteten angewiesen (insbesondere solche, die Bürgerkontakt haben), keine Burka oder andere Formen der Gesichts- oder Vollverschleierung während der Dienstzeit zu tragen. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen Körperschaften , Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird in dem Schreiben empfohlen, ebenso zu verfahren. Eine speziell für die Verhüllung des Gesichts geltende Regelung ist im Landesbeamtengesetz von Niedersachsen enthalten. Danach dürfen die Landesbeamten bei Ausübung ihres Dienstes ihr Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.31 3.2.2. Rechtslage auf Bundesebene Auf Bundesebene gibt es keine – mit der oben dargestellten Landesgesetzgebung vergleichbaren – Regelungen, die das Tragen einer Vollverschleierung bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes verbieten. In Bezug auf Bundesbeamte ist in diesem Zusammenhang allenfalls das politische Mäßigungsgebot zu nennen, welches den Beamten während ihrer Dienstzeit das Tragen oder Verwenden von Kennzeichen oder Symbolen, die eine parteipolitische Botschaft vermitteln, verbietet. Dieses greift im vorliegenden Fall jedoch nur ein, wenn das Tragen einer Vollverschleierung nachweisbar nicht aus religiösen Gründen geschieht, sondern als Ausdruck einer politisch-fundamentalistisch Gesinnung gedeutet werden kann, die sich gegen die Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richtet.32 3.3. Vollverschleierung beim Besuch von Schulen und Universitäten Nach der Rechtsprechung kann die in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Freiheit, die Lebensführung an der Glaubensüberzeugung auszurichten, insoweit eingeschränkt werden, als religiös bedingte Verhaltensweisen die Durchführung des Staats-, Bildungs- und Erziehungsauftrags gefährden .33 Vor diesem Hintergrund hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2014 entschieden, dass ein Verbot, während des Unterrichts an einer Berufsoberschule einen gesichtsverhüllenden Schleier zu tragen, das Recht einer Schülerin auf freie Religionsausübung nicht in unzulässiger Weise begrenzt.34 Gerechtfertigt sei der Eingriff – so das Gericht – aufgrund des staatlichen Bestimmungsrechts aus Art. 7 Abs. 1 GG, das den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag umfasse und die staatlichen Stellen zur Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischen Ausgestaltung 30 StAnz. Nr. 12/2011, S. 522. 31 § 56 Abs. 1 Niedersächsisches Beamtengesetz. 32 Vgl. Sicko, Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung durch die Landesgesetzgeber, 2008, S. 55. 33 Siehe den Überblick bei Hufen, Grundrechte und Schulrecht: Ausschluss vom Unterricht wegen gesichtsverhüllender Verschleierung, JuS 2015, S. 186 (186) sowie Rohe, Muslime in der Schule, BayVBl. 2010, S. 257 (263). 34 VGH München, NVwZ 2014, S. 1109 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 9 des Schulwesens ermächtige. Hierzu gehöre auch die Bestimmung der Unterrichtsmethode, etwa in Form offener Kommunikation.35 Entsprechende Verbotsanordnungen können auf Generalklauseln in den Schulgesetzen gestützt werden, wonach die Schüler sich so zu verhalten haben, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann (siehe beispielsweise Art. 56 Abs. 4 S. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen).36 Die oben genannten Überlegungen bezüglich der offenen Kommunikation gelten auch für den Besuch von Lehrveranstaltungen an Hochschulen.37 Medienberichten zufolge wurde dementsprechend im Mai 2015 einer Studentin der Universität Gießen die Teilnahme an Lehrveranstaltungen mit einer Vollverschleierung untersagt.38 Die Teilnahme von vollverschleierten Studierenden an Prüfungen explizit geregelt hat beispielsweise die Technische Hochschule Ingolstadt.39 Danach muss überall dort, wo eine Person zweifelsfrei identifiziert werden muss, das Gesicht erkennbar sein. Studierende, die vollverschleiert und somit nicht ohne weiteres identifizierbar sind, müssen vor einer geeigneten beauftragten Person der Hochschule (weiblich für weibliche Studierende oder gegebenenfalls männlich für männliche Studierende), ihr Gesicht zur Identifikation freilegen. Die Überprüfung ist dabei an einem separaten, nicht einsehbaren Ort vorzunehmen. 3.4. Vollverschleierung beim Besuch von Behörden und anderen Liegenschaften des Bundes Es existieren keine gesetzlichen Regelungen, die das Tragen einer Vollverschleierung beim Besuch von Behörden oder anderen Liegenschaften des Bundes verbieten. Auch auf der Ebene der Hausordnungen der Einrichtungen sind keine entsprechenden Regelungen bekannt.40 So beschränken sich beispielsweise die Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften 41 und die Hausordnung des Deutschen Bundestages42 darauf, vorzugeben, dass die Kleidung und das Verhalten der Besucher der Würde des Hauses entsprechen müssen. Für den Besuch von Plenarsitzungen ist zudem geregelt, dass Besucher vor dem Betreten des Plenarsaals unter anderem Mäntel an den Garderoben abzugeben haben. Auch in der Dienstanweisung für die Einlasskontrolle 35 Hierzu auch Preuß in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 2001, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 31. 36 Vgl. VGH München, NVwZ 2014, S. 1109 (1110). In Rheinland-Pfalz wurde einer vollverschleierten Schülerin der Schulbesuch für sechs Tage untersagt, siehe LT-Drs. 16/4786. 37 So auch Hufen, Grundrechte und Schulrecht: Ausschluss vom Unterricht wegen gesichtsverhüllender Verschleierung , JuS 2015, S. 186 (188). 38 Siehe beispielsweise die Meldung von spiegel-online unter http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/niqab-studentin -der-uni-giessen-muss-schleier-fuer-seminare-ablegen-a-969167.html (zuletzt abgerufen am 18. Mai 2015). 39 Online verfügbar unter: http://www.thi.de/studium/studienangelegenheiten/pruefung.html#jfmulticontent_c5902-5 (zuletzt abgerufen am 18. Mai 2015), unter dem Stichwort „Änderung des Prüfungsverfahrens“. 40 Zum Schutz von Bundesorganen durch die Bundespolizei und entsprechenden Regelungen siehe unten unter 3.5. 41 Hausmitteilung der Verwaltung des Deutschen Bundestages Nr. 117/2005 vom 27. Mai 2005, S. 17. 42 §§ 4 und 5 der Hausordnung des Deutschen Bundestages. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 10 beim Deutschen Bundestag ist der Umgang mit vollverschleierten Besuchern nicht spezifisch geregelt. 3.5. Vollverschleierung bei Identitätskontrollen durch die Bundespolizei Der Bundespolizei sind vielfältige Aufgaben übertragen, in deren Zusammenhang sie auch zur Feststellung der Identität einer Person befugt ist. So kann die Bundespolizei beispielsweise gemäß § 23 Bundespolizeigesetz (BPolG) im Rahmen des Grenzschutzes43 und in ihrer Funktion als Bahnpolizei sowie nach § 4 BPolG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 S. 1 Luftsicherheitsgesetz zum Schutz der Luftsicherheit die Identität einer Person feststellen. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 BPolG kann die Bundespolizei dabei zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese stellen die Begleitmaßnahmen dar, durch welche die Bundespolizei in die Lage versetzt werden soll, die Identität festzustellen.44 Danach kann eine Person angehalten werden und von ihr verlangt werden, dass sie ihr Gesicht zeigt, um einen Sichtabgleich mit den ausgehändigten Ausweispapieren vornehmen zu können.45 Darüber hinaus gehört nach § 5 BPolG zu den Aufgaben der Bundespolizei auch der Schutz von bestimmten Bundesorganen. Dies gilt beispielsweise für das Bundeskanzleramt, den Amtssitz des Bundespräsidenten, des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums des Innern, des Bundesministers der Justiz sowie das Bundesverfassungsgericht.46 Gemäß § 23 Abs. 5 BPolG kann die Bundespolizei verlangen, dass sich Personen ausweisen, die eine solche Einrichtung betreten wollen oder darin angetroffen werden. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen zum Sichtabgleich. Ein derartiger Sichtabgleich setzt voraus, dass auf dem Lichtbild des Identitätspapiers das Gesicht zu erkennen ist. Dementsprechend schreiben die Personalausweisverordnung (PAuswV) bzw. die Passverordnung (PassV) vor, dass das Lichtbild die Person ohne Kopfbedeckung zeigen muss.47 Hiervon kann die zuständige Behörde Ausnahmen zulassen.48 Nach der Anlage 8 der Passverordnung gilt in einem solchen Fall jedoch, dass das Gesicht von der unteren Kinnkante bis zur Stirn erkennbar sein muss (Stichwort „Kopfbedeckung“). Nach diesen Grundsätzen ist eine über ein Kopftuch hinausgehende Verschleierung unzulässig.49 43 Zum Verhältnis des Bundespolizeigesetzes zum Schengener Grenzkodex und dem Schengener Durchführungsübereinkommen siehe Schenke, in: ders./Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 23 BPolG Rn. 8 ff. 44 Wehr, Bundespolizeigesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 14. 45 Barczak, „Zeig mir dein Gesicht, zeig mir, wer du wirklich bist“, DÖV 2011, S. 54 (58). 46 Siehe die Auflistung bei Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 5 BPolG Rn. 17. 47 § 7 Abs. 3 S. 1 PAuswV bzw. § 5 S. 2 PassV. 48 § 7 Abs. 3 S. 4 PAuswV bzw. § 5 S. 4 PassV. 49 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 4 Rn. 68. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 11 4. Rechtslage im europäischen Ausland 4.1. Rechtslage in Belgien In Belgien wurde 2011 mit Art. 563bis eine Regelung in das dortige Strafgesetz eingefügt, mit der das Tragen einer Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum verboten wurde.50 Die Verschleierungsarten sind zwar nicht weiter differenziert, umfasst sind aber jedenfalls Burka und Niqab und jegliche Verschleierungen, die das Gesicht vollständig oder teilweise verdecken. Der Begriff „öffentlicher Raum“ ist weit zu verstehen und beinhaltet jegliche Plätze und Einrichtungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Ein Verstoß gegen dieses Gesetz kann mit einer Geldstrafe von 15 € bis 25 € und – alternativ oder in Kombination – mit einer Freiheitsstrafe von einem bis sieben Tagen geahndet werden. Die Einführung des Verbots wurde insbesondere mit Aspekten der öffentlichen Sicherheit sowie mit der Bedeutung des Gesichts als Wiedererkennungsmerkmal für die soziale Integration in einer multikulturellen Gesellschaft begründet. Ausgenommen sind lediglich Privaträume sowie nach einem Urteil des Belgischen Verfassungsgerichts Gotteshäuser und Kultstätten. Zudem kann sich eine Ausnahme aus arbeitsrechtlichen Vorschriften oder dem Polizeirecht, beispielsweise im Rahmen von Karnevalsveranstaltungen, ergeben. 4.2. Rechtslage in Dänemark In Dänemark gibt es kein generelles Verbot der Voll- oder Gesichtsverschleierung.51 Zwar wurde durch Mitglieder der Dansk Folkeparti am 8. Oktober 2009 ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der ein Verbot der Gesichtsverschleierung auf öffentlichen Plätzen vorsah. Dieser wurde jedoch von der Mehrheit des dänischen Parlaments am 2. Februar 2010 abgelehnt. Im Februar 2012 teilte der Justizminister dem dänischen Parlament mit, dass die Regierung Dänemarks kein Gesetz plane, das die Verschleierung des Gesichts im öffentlichen Raum verbietet. 4.3. Rechtslage in Finnland Das in der finnischen Verfassung verankerte Recht auf persönliche Freiheit umfasst auch das Tragen einer Vollverschleierung und kann nur aus zwingenden, sozialen Gründen eingeschränkt werden. Vor diesem Hintergrund gibt es kein generelles Verbot der Vollverschleierung in Finnland, weder für Lehrkräfte oder Beamte, noch für Schülerinnen bzw. Studentinnen oder beim Besuch von Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen. 50 51 Siehe ausführlich zur Diskussion in Dänemark über die Vollverschleierung im öffentlichen Raum sowie an Schulen und Universitäten eine Untersuchung der Universität Kopenhagen, veröffentlicht im August 2012 und online verfügbar unter: http://www.ft.dk/samling/20111/almdel/kiu/bilag/73/1148485.pdf (zuletzt abgerufen am 26. Mai 2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 12 Das finnische Strafgesetz enthält sei 2004 ein Vermummungsverbot für öffentliche Versammlungen und Veranstaltungen. Das Verbot gilt dabei für eine Vermummung, die lediglich dem Zweck dient, bei Gewaltanwendungen gegen andere Personen oder Sachbeschädigungen unerkannt zu bleiben. Zum Umgang mit der Vollverschleierung bei der Kontrolle durch Polizeibehörden existieren keine speziellen Regelungen, doch muss gewährleistet sein, dass die Identität jeder Person festgestellt werden kann. Die Beamten haben insoweit situationsabhängige Einzelfallentscheidungen zu treffen. Dies gilt auch für die Durchführung von Grenzkontrollen. Um eine Identitätskontrolle bei einer vollverschleierten Person durchzuführen, können die Polizeibeamten verlangen, dass das Gesicht für einen Lichtbildabgleich gezeigt wird. Die Identitätsfeststellung der betroffenen Person soll von Polizeibeamten des gleichen Geschlechts durchgeführt werden, sowie umsichtig und in angemessener , nicht diskriminierender Weise erfolgen (Finnish Border Guard Act, section 6). Dabei ist unter Berücksichtigung der Grund- und Menschenrechte der finnischen Verfassung das mildeste Mittel zu wählen (Finnish Border Guard Act, section 11). 4.4. Rechtslage in Frankreich Mit dem Gesetz n° 2010-1192 vom 11. Oktober 2010 wurde in Frankreich ein umfassendes Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum erlassen, das zum 11. April 2011 in Kraft getreten ist.52 Konkret verboten sind gemäß Art. 1 de la LOI n° 2010-1192 solche Kleidungsstücke, die dazu bestimmt sind, das Gesicht zu verdecken. Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Verschleierungsarten (beispielsweise Burka und Niqab) wird dabei nicht vorgenommen. Das Gesetz soll immer dann Anwendung finden, wenn durch die Verschleierung eine Identifikation der Person nicht möglich ist. Der Begriff „öffentlicher Raum“ umfasst alle Plätze, die dem Zutritt der Öffentlichkeit unbeschränkt offen stehen. Das sind öffentliche Straßen und Plätze – beispielsweise Parkanlagen, Promenaden und Strände – aber auch öffentliche Transportmittel, Bahnhöfe und Kinos (Art. 2 Abs. 1 de la LOI n° 2010-1192). Umfasst sind zudem Behörden und andere öffentliche Gebäude, wie Verwaltungs- und Gerichtsgebäude, Krankenhäuser, Poststellen, Bibliotheken sowie Schulen und Universitäten. Wird bei einem Behördenbesuch gegen das Verbot der Vollverschleierung verstoßen, sind die Beamten ermächtigt, den Personen die Dienstleistung zu verweigern. Die Beamten haben die Personen auf das geltende französische Recht hinzuweisen und sie zu bitten, sich kenntlich zu machen oder die Einrichtung zu verlassen. Kommt die Person keiner der Aufforderungen nach, ist die Polizei hinzuziehen. Die zuständige Polizeibehörde kann Zuwiderhandlungen feststellen und zu Protokoll geben sowie gegebenenfalls eine Identitätskontrolle durchführen. Bei Widerstand kann die Person zur Feststellung der Identität auf die Polizeiwache mitgenommen werden, wo dann die Identität kenntlich zu machen ist. Das Verbot der Gesichtsverschleierung gilt jedoch nicht ausnahmslos.53 Entsprechende Ausnahmen gelten beispielsweise für Fälle, in denen das Tragen einer Gesichtsverschleierung durch Rechts- 52 Am 1. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass das Gesetz nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, siehe EGMR, NJW 2014, S. 2925. 53 Art. 2 Abs. 2 de la LOI n° 2010-1192. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 13 oder Verwaltungsvorschriften zulässig ist. Weiter kann das Tragen einer Gesichtsverschleierung aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen, im Rahmen von sportlichen Aktivitäten, von Feierlichkeiten sowie von künstlerischen oder traditionellen Veranstaltungen erlaubt sein. Mit Art. 3 de la LOI n° 2010-1192 wird das Tragen der Gesichtsverschleierung zur Straftat erklärt. Bei wiederholten Zuwiderhandlungen wird eine Geldbuße von 150 € erhoben.54 Alternativ oder in Verbindung mit der Geldbuße kann die betroffene Person zur Teilnahme an einem Staatsbürgerkundekurs mit Informationen zu den Institutionen und Werten der Französischen Republik verpflichtet werden. Gleichzeitig ist es verboten, eine andere Person zu zwingen, aufgrund ihres Geschlechts eine Gesichtsverschleierung zu tragen.55 Ein Verstoß gegen dieses Verbot wird mit einem Jahr Freiheitsstrafe und 30.000 € Bußgeld geahndet. Wird der Zwang auf Minderjährige ausgeübt, verdoppelt sich das Strafmaß. Die Art und Weise der Zwangsausübung ist unbeachtlich. Bereits das Aufbürden einer moralischen Verpflichtung ist strafbar. Das Verhalten der Person, die zum Tragen der Gesichtsverschleierung gezwungen wurde, bleibt straflos. 4.5. Rechtslage in den Niederlanden Ein landesweites Verbot der Vollverschleierung gibt es in den Niederlanden bislang nicht. Am 3. Februar 2012 wurde seitens der Regierung ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der ein Verbot der Vollbzw . der Gesichtsverschleierung vorsieht. Der Gesetzesentwurf wird derzeit noch im Parlament erörtert. Auf lokaler Ebene gibt es aber bereits Regelungen, die ein Verbot der Gesichtsverschleierung auf öffentlichen Plätzen, in Schulen, öffentlichen Gebäuden und Behörden vorsehen. Schulen können in den Niederlanden Vorgaben in Bezug auf das Verhalten und die Bekleidung der Schüler machen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Regelungen nicht diskriminierend wirken und ihr Erlass für die Erreichung eines bestimmten Schutzzwecks erforderlich ist. Auch Behörden und öffentliche Einrichtungen können entsprechende Regelungen über das Verhalten und die Bekleidung ihrer Mitarbeiter bzw. Besucher erlassen. Für Polizeikontrollen gibt es derzeit keine speziellen Regelungen zum Umgang mit der Vollverschleierung . Doch gilt der Grundsatz, dass jede Person gegenüber der zuständigen Polizeibehörde verpflichtet ist, eine Identitätsfeststellung und somit auch einen Lichtbildabgleich mit dem Pass zu ermöglichen. 4.6. Rechtslage in Norwegen Auch in Norwegen gibt es kein generelles Verbot der Gesichtsverschleierung. In der Praxis können aber viele Aufgaben im öffentlichen Dienst, wie beispielsweise die von Lehrern, nicht vollverschleiert wahrgenommen werden, da sie eine uneingeschränkte Kommunikation und Identifizierung voraussetzen . Entsprechende Regelungen für Lehrer werden von den einzelnen Schulen oder von den Trägern der Schulen, das heißt den Kommunen bzw. Bezirken erlassen. 54 Art. 3 Abs. 1 de la LOI n° 2010-1192 i.V.m. Art. 131-13 du code pénal. 55 Art. 225-4-10 du code pénal. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 082/15 Seite 14 Für Schülerinnen und Studentinnen gibt es kein landesweites Verbot der Vollverschleierung, allerdings entsprechende regionale Vorschriften. Dies gilt beispielsweise für die Bezirke von Oslo und Akershus. Auch wurde einer Lehramtsstudentin der Universität von Telemark das Tragen ihrer Gesichtsverschleierung in den Vorlesungen untersagt. Speziell für Polizei- bzw. Grenzkontrollen gibt es keine Vorschriften, die den Umgang mit vollverschleierten Personen festlegen. Den Beamten muss es jedoch möglich sein, die Identität einer Person festzustellen. Zu diesem Zweck dürfen sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Das beinhaltet in der Regel, dass die betroffene Person die Gesichts- bzw. Vollverschleierung ablegen muss. Soweit möglich wird diese Kontrolle von einer Polizeibeamtin und in einem gesonderten Raum durchgeführt. Um einen Lichtbildabgleich zu ermöglichen, darf bei der Anfertigung von Passfotos grundsätzlich keine Kopfbedeckung getragen werden. Von diesem Grundsatz kann aus religiösen Gründen abgewichen werden, doch müssen auch dann das vollständige Gesicht sowie beide Ohren erkennbar sein. 4.7. Rechtslage in Schweden In Schweden gibt es kein generelles Verbot des Tragens einer Vollverschleierung. Jedoch gilt nach dem „Ban on Concealing the Face in Certain Cases Act“ aus 2005 (SFS 2005:900) für Versammlungen auf öffentlichen Plätzen ein Verbot der Verhüllung des Gesichts, wenn die Verhüllung die Identifizierung erschwert und im Rahmen der Veranstaltung eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht oder zu erwarten ist. Das Verbot geht zurück auf die Ausschreitungen im Rahmen des EU-Gipfels in Göteborg 2001. Es greift jedoch nicht ein, wenn die Verschleierung aus religiösen Gründen getragen wird. Das Recht, religiöse Kleidung zu tragen, gilt in Schweden nicht uneingeschränkt. Daher kann das Tragen derartiger Kleidung am Arbeitsplatz untersagt werden, etwa wenn dies aus Sicherheitsgründen erforderlich ist. Auch in Schulen und Universitäten gilt kein generelles Verbot der Vollverschleierung. Das Nationale Bildungsministerium in Schweden hat klargestellt, dass die Leitungen der Schulen Kleidung nur in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen verbieten kann. Ein Verbot ist danach gerechtfertigt, wenn die Kleidung im konkreten Einzelfall die Sicherheit und Ordnung in der Schule oder die Verwirklichung des schulischen Lehrauftrags gefährdet. Dementsprechend kann auch das Tragen einer Vollverschleierung im Einzelfall untersagt werden. Die Lehrperson hat dabei zu beurteilen, ob das Tragen der Vollverschleierung den Kontakt und die Interaktion zwischen Lehrern und Schülern grundlegend beeinträchtigt. Darüber hinaus gibt es keine speziellen Vorschriften, die den Umgang mit der Vollverschleierung, etwa beim Besuch von Behörden und öffentlichen Einrichtungen oder im Rahmen von Polizeikontrollen , betreffen.