© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 082/13 Landesrechtliche Zuständigkeiten der Kommunen im Bereich der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 83, 84 GG) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 082/13 Seite 2 Landesrechtliche Zuständigkeiten der Kommunen im Bereich der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 83, 84 GG) Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 082/13 Abschluss der Arbeit: 6. Mai 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 082/13 Seite 3 1. Einleitung Art. 83 des Grundgesetzes (GG) gibt den Grundsatz vor, dass die Bundesländer die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen. Dies entspricht dem in Art. 30 GG niedergelegten Prinzip, dass alle staatlichen Aufgaben von den Ländern erfüllt werden, soweit das Grundgesetz nichts Abweichendes bestimmt. Als Ausnahmen von der landeseigenen Verwaltung existieren die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) und die bundeseigene Verwaltung (Art. 86 GG). Die Art. 83 bis 85 GG widmen sich grundsätzlich nur der Verbandskompetenz der Länder und den dabei bestehenden Leitungsrechten des Bundes, sodass die Länder ihre Binnenverwaltung selbst regeln können.1 Dem Bund ist es gem. Art. 84 Abs. 1 S. 7, 85 Abs. 1 S. 2 GG verwehrt, Aufgaben unmittelbar auf die Kommunen zu übertragen. Aufgabenübertragungen auf die Kommunen können seit der Föderalismusreform vom 2006 nur noch durch Landesgesetz erfolgen.2 Dies dient einerseits der Stärkung der Organisationshoheit der Länder, da sie frei entscheiden können, welche Behörde im Land das jeweilige Bundesgesetz ausführt.3 Andererseits bezweckt die Regelung vor allem den Schutz der Finanzkraft der Kommunen.4 Wenn die Länder eine Aufgabe den Kommunen zuweisen wollen, löst dies automatisch einen Kostenerstattungsanspruch der Kommunen aus, der sich aus den kommunalen Finanzgarantien in den Landesverfassungen ergibt.5 2. Überblick über kommunale Zuständigkeiten In den meisten Bundesländern, abgesehen von den Stadtstaaten, existiert eine allgemeine Vorschrift , welche die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Kommunen für zuständig zu erklären, wenn das Land Bundesrecht auszuführen hat.6 Im Übrigen ergibt sich die Verordnungsermächtigung aus dem jeweiligen Spezialgesetz. Wie und für welche Bundesgesetze eine solche Aufgabenzuweisung an die Kommunen im Weiteren erfolgt, ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Niedersachsen und 1 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 83 Rn. 4. 2 So ausdrücklich in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/813, 15. 3 Dittmann, in: Sachs, Grundgesetz, 6. Auflage 2011, Art. 83 Rn. 5. 4 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (Fn. 1), Art. 84 Rn. 155. 5 Art. 71 Abs. 3 baden-württembergische, Art. 83 Abs. 3 bayerische, Art. 97 Abs. 3 brandenburgische, Art. 137 Abs. 6 hessische, Art. 72 Abs. 3 mecklenburg-vorpommerische, Art. 57 Abs. 4 niedersächsische, Art. 78 Abs. 3 nordrhein-westfälische, Art. 49 Abs. 5 rheinland-pfälzische, Art. 120 saarländische, Art. 85 Abs. 1 und 2 sächsische , Art. 87 Abs. 3 sachsen-anhaltinische, Art. 49 Abs. 2 schleswig-holsteinische und Art. 93 Abs. 1 thüringische Landesverfassung. 6 Brandenburg: § 9 Abs. 2 LOG, Mecklenburg-Vorpommern: § 14 Abs. 1 S. 1 LOG, Niedersachsen: Artikel I § 5 des Fünften Gesetzes zur Verwaltungs- und Gebietsreform, Nordrhein-Westfalen: § 5 Abs. 3 S. 1 LOG, Saarland: § 5 Abs. 3 S. 1 LOG, Sachsen-Anhalt: § 151 GO, Schleswig-Holstein: § 28 Abs. 1 LVwG, Thüringen: § 7 Verkündungsgesetz . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 082/13 Seite 4 Sachsen-Anhalt beispielsweise existieren Verordnungen, die eine katalogähnliche Auflistung derjenigen Bundesgesetze enthalten, deren Ausführung den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden zugewiesen ist.7 In der überwiegenden Zahl der Bundesländer gibt es für jedes betroffene Bundesgesetz eine einzelne Rechtsverordnung mit eigener Zuständigkeitsregelung. In Anbetracht der Vielzahl der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen kann an dieser Stelle nur ein grober Überblick darüber gegeben werden, welche Bundesgesetze häufig den Kommunen zur landeseigenen Verwaltung übertragen worden sind. Die Auswahl beruht auf einer Sichtung der Zuständigkeitsregelungen in Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Für folgende, sich aus Bundesgesetzen ergebenden Aufgaben sieht das Landesrecht häufig eine Zuständigkeit der Kommunen vor: die Änderung und verbindliche Feststellung von Familiennamen nach dem Gesetz über die Änderung von Familiennahmen und Vornamen8 aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen der Ausländerbehörde im Sinne des § 71 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes9 Anträge auf Aufhebung einer Ehe, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB Gewährung von Elterngeld und Beratung über Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz10 Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Bundesvertriebenengesetz11 Erteilung von Auskünften über alle sozialen Angelegenheiten nach § 15 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs12 die Feststellung und Erhaltung von Gräbern nach § 5 des Gräbergesetzes13 die Aufgaben nach dem Passgesetz14 7 Niedersachsen: „Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom)“ vom 14. Dezember 2004, Nds. GVBl. Nr. 41/2004, S. 589; Sachsen-Anhalt: „Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom)“ vom 7. Mai 1994, GVBl. LSA 1994, 568. 8 Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, RGBl. I S. 9. 9 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl. I S. 162. 10 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) vom 5. Dezember 2006, BGBl. I S. 2748. 11 Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007, BGBl. I S. 1902. 12 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015. 13 Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Januar 2012, BGBl. I S. 99. 14 Passgesetz vom 19. April 1986, BGBl. I S. 537. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 082/13 Seite 5 Aufgaben nach dem Personenstandsgesetz15 die Ausstellung von Ersatzurkunden nach § 9 Abs. 1 und die Erteilung von Genehmigungen nach § 14 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen16 Aufgaben der Versicherungsämter nach § 93 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs17 Durchführung des Wohngeldgesetzes18 Beglaubigungen nach §§ 29, 30 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs19 Aufenthaltsregelungen nach § 10 Abs. 1 des Zivilschutzgesetzes.20 15 Personenstandsgesetz (PStG) vom 19. Februar 2007, BGBl. I S. 122. 16 Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957, BGBl. I S. 844. 17 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009, BGBl. I S. 3710. 18 Wohngeldgesetz (WoGG) vom 24. September 2008, BGBl. I S. 1856. 19 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001, BGBl. I S. 130. 20 Zivilschutzgesetz (ZSG) vom 25. März 1997, BGBl. I S. 726.