Zweitwohnungsteuer für Bundestagsabgeordnete - Sachstand - © 2007 Deutscher Bundestag WD 3 - 082/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zweitwohnungsteuer für Bundestagsabgeordnete Ausarbeitung WD 3 - 082/07 Abschluss der Arbeit: 29.03.2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Einleitung Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Oktober 20051 betrifft die Zweitwohnungsteuersatzungen der Städte Hannover und Dortmund. Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer für eine berufsbedingte Nebenwohnung eines verheirateten Berufstätigen ist danach verfassungswidrig. Das BVerfG hat beide Zweitwohnungsteuersatzungen insoweit mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für unvereinbar und nichtig erklärt, als auch die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, besteuert wird. In diesem Falle diskriminiere die Erhebung der Zweitwohnungsteuer die Ehe und verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Es fragt sich, ob die Ratio dieser Entscheidung auf Personengruppen übertragbar ist, die aus anderen Gründen gehindert sind, den Ort, an dem sie berufsbedingt oder aus Anlass vergleichbar gewichtiger Umstände eine Wohnung benötigen, zur Hauptwohnung zu machen. Im Folgenden wird dies für Mitglieder des Deutschen Bundestages geprüft, von denen erwartet wird, dass sie in dem Wahlkreis, in dem sie sich beworben haben, ihren Hauptwohnsitz beibehalten. 2. Die Entscheidung des BVerfG vom 11. Oktober 2005 Das BVerfG begründet seine Entscheidung vor allem mit der gesetzlichen Fiktion in § 12 Abs. 2 Satz 2 Melderechtsrahmengesetz bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Regelung, nach der bei einem Verheirateten die Hauptwohnung immer die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie ist, unabhängig davon, welche Wohnung er selbst vorwiegend benutzt. Wegen dieser Regelung sei er gegenüber dem nicht Verheirateten, der selbst bestimmen könne, welche Wohnung seine Hauptwohnung sei, benachteiligt. Das BVerfG beruft sich ausdrücklich auf das besondere Diskriminierungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, enthalte einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbiete, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Insbesondere untersage er eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen. Zum von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben gehöre die Entscheidung der Eheleute, zusammenzuwohnen und die gemeinsame Wohnung auch bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem Ortswechsel verbunden ist, aufrechtzuerhalten . Ändert sich der Beschäftigungsort eines Ehegatten, so dass dieser seiner Arbeit nicht mehr von der bisherigen gemeinsamen Wohnung aus nachgehen kann, habe 1 BVerfGE 114, S. 316. - 4 - dies in aller Regel nicht zur Folge, dass die gemeinsame Wohnung aufgegeben wird. Gleiches gelte, wenn die Ehegatten schon bei der Eheschließung ihrer Berufstätigkeit nicht von einer Wohnung aus nachgehen können. Die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnung sei in beiden Fällen die notwendige Konsequenz der Entscheidung zu einer gemeinsamen Ehewohnung an einem anderen Ort. Durch die Zweitwohnungsteuer, die für den Begriff der Zweitwohnung an die melderechtlichen Vorschriften anknüpft, werde die Entscheidung steuerlich belastet, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. Weil die maßgeblichen Meldegesetze für Verheiratete zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz bestimmten, sei es für sie ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung der Zweitwohnungsteuer zu entgehen . Wer hingegen nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung des Hauptwohnsitzes an den Beschäftigungsort abgehalten wird, werde von der steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer nicht erfasst. Die Zweitwohnungsteuer stelle daher eine besondere finanzielle Belastung des ehelichen Zusammenlebens dar. Dass die Steuer als Aufwandsteuer von allen Inhabern von Zweitwohnungen ungeachtet ihres Personenstandes und des Zwecks der Innehabung erhoben wird, rechtfertige diese Benachteiligung nicht. Die formal eheneutrale Anknüpfung der Steuer sei keine hinreichende Rechtfertigung. Denn für den steuerlichen Tatbestand werde an ein Verhalten angeknüpft, das spezifischer Ausdruck einer verfassungsrechtlich geschützten Form des ehelichen Zusammenlebens ist. Das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3 GG bezogen, sondern ausdrücklich auf das besondere Diskriminierungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG hingewiesen. Insofern können für andere Fallgruppen aus der Entscheidung keine unmittelbaren Schlüsse gezogen werden. Fraglich ist, ob die Ratio der Entscheidung des BVerfG auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zweitwohnungsteuer für Abgeordnete des Deutschen Bundestages nach dem Berliner Zweitwohnungsteuergesetz dennoch übertragbar ist. - 5 - 3. Vereinbarkeit des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes mit Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages2 Maßstab für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der verletzt ist, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt oder wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass dafür ein sachlicher Grund besteht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes ist zunächst, dass vergleichbare Personen, Personengruppen oder Situationen als Bezugspunkt feststellbar sind.3 Bezugspunkt ist hier das Innehaben einer Zweitwohnung in Berlin. Die zu vergleichenden Personengruppen sind die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die eine Zweitwohnung in Berlin haben4 auf der einen und alle anderen Inhaber von Zweitwohnungen in Berlin auf der anderen Seite. Diese werden in der Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer gleich behandelt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn die hier zu vergleichenden Personengruppen ungleich sind und bezüglich der Erhebung der Zweitwohnungsteuer mangels Rechtfertigung nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine Ungleichheit der Vergleichsgruppen könnte sich auf Grund der besonderen Stellung der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG ergeben, wenn daraus hergeleitet werden kann, dass Abgeordnete kein Wahlrecht haben, an welchem Ort sie ihren Wohnsitz begründen. Ähnlich der grundgesetzlichen Wertung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer nicht anderen Lebensgemeinschaften gleichgestellt werden darf, könnte die verfassungsrechtliche Wertung aus Art. 38 Abs. 1 GG einer Gleichstellung von Abgeordneten mit anderen Zweitwohnungsinhabern entgegenstehen. Der Abgeordnete nimmt als Vertreter des Volkes in seinem Wahlkreis5 eine volksrepräsentative Stellung mit Verfassungsrang wahr. Die Erbringung dieser Repräsentationsleistung ist die zentrale, von der Verfassung vorausgesetzte Aufgabe der Abgeordneten 2 Zur Frage der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Besteuerung von sog. Erwerbszweitwohnungen und anderer verfassungsrechtlicher Aspekte der Zweitwohnungsteuer vergleiche das in Anlage 1 beigefügte Gutachten Fachbereich WF III 167/00 des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 26.09.2000. Dieses Gutachten geht auch auf die Frage der Zweitwohnungsteuer für Verheiratete ein, ist in diesem Punkt jedoch durch die hier behandelte Entscheidung des BVerfG vom 11.10.2005 gegenstandslos geworden. 3 Vgl. Heun in: Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Band I, 2. Auflage 2004, Art. 3 Rn. 18. 4 Ausgenommen von der Prüfung sind sachlogisch Abgeordnete aus Berlin und Umgebung, die auf Grund der Nähe zum Sitz des Bundestages nur eine Wohnung halten. 5 Dies gilt in vollem Umfang auch für die Abgeordneten, die über keinen Wahlkreis verfügen, sondern die über die Listen gewählt wurden, die sich politisch vielfach in besonderer Weise für einen bestimmten Wahlkreis engagieren sind im Sinne der Statusgleichheit der Abgeordneten - 6 - des Deutschen Bundestages, Art. 38 Abs. 1 GG.6 Repräsentationsleistung bedeutet die Vermittlung zwischen den Sphären des Staates und der Gesellschaft.7 Der Abgeordnete übt auf der einen Seite ein öffentliches Mandat aus, in dem er als Teilorgan des obersten Verfassungsorgans Bundestag parlamentarisch tätig wird. Auf der anderen Seite ist er als Bürger in der Gesellschaft verankert. Dementsprechend findet ein Teil seiner verfassungsrechtlich vorausgesetzten Aufgabe am Sitz des Parlaments in Berlin, ein anderer Teil in der Sphäre der Gesellschaft (Wahlkreis) statt. Aus dieser verfassungsrechtlichen Sonderstellung des Abgeordneten kann aber gerade nicht hergeleitet werden, welcher der beiden Wohnsitze der Haupt- bzw. der Zweitwohnsitz im melderechtlichen Sinn zu sein hat. Anders als bei der ehelichen Lebensgemeinschaft existiert keine gesetzliche Fiktion, welcher Wohnsitz der Hauptwohnsitz im melderechtlichen Sinn ist. Der Abgeordnete , der zwei Wohnungen innehat, ist rechtlich in der Entscheidung frei, an welchem Wirkungsort er seinen Haupt- bzw. Zweitwohnsitz nimmt. Gemäß § 15 Bundeswahlgesetz (BWG) ist die Sesshaftigkeit im Wahlgebiet auch keine Wählbarkeitsvoraussetzung .8 Eine gesetzliche Verpflichtung, seinen Zweitwohnsitz in Berlin zu begründen , liegt – wie im Falle des nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten – nicht vor. Denn dies wäre auch eine höchst bedenkliche Einschränkung der Freiheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 GG. Daraus folgt, dass es bereits an der wesentlichen Ungleichheit der Vergleichsgruppen – Mitglieder des Deutschen Bundestages, die eine Zweitwohnung in Berlin haben auf der einen und alle anderen Inhaber von Zweitwohnungen in Berlin auf der anderen Seite – fehlen dürfte. Ähnlich der grundgesetzlichen Wertung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer nicht anderen Lebensgemeinschaften gleichgestellt werden darf, wie es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts feststellt, steht die verfassungsrechtliche Wertung aus Art. 38 Abs. 1 GG einer Gleichstellung von Abgeordneten mit anderen Zweitwohnungsinhabern also nicht entgegen . Die Ratio des Bundesverfassungsgerichtsurteils ist auf den zu prüfenden Sachverhalt danach auch nicht übertragbar. Im Ergebnis kann eine abschließende Bewertung der Frage der Ungleichheit der Gruppen hier ausbleiben, da ihre Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Anforderungen an die sach- 6 Trute in: Von Münch/Kunig, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage, München 2001, Art. 38 Rn 73. 7 Klein in: Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band IV, Art. 48 Rn 41. 8 Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, Kommentar zum Bundeswahlgesetz , 6. Auflage, Köln 1998, § 15, Rn. 2. - 7 - lichen Gründe steigen, je stärker sich diese Gleichbehandlung von ungleichen Personengruppen auf diese nachteilig auswirkt.9 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Abgeordnete eine steuerfreie Aufwandspauschale erhalten, die ihre mandatsbedingten Kosten decken soll. Diese Aufwandspauschale könnte dazu führen, dass der vermögenswerte Nachteil der Zweitwohnungsteuer sich nicht realisiert, d.h. lediglich formal besteht ohne eine tatsächliche Auswirkung zu haben. Von der Aufwandsentschädigung in Form der monatlichen Kostenpauschale nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 Abgeordnetengesetz sind auch diejenigen Mehraufwendungen erfasst, die der Abgeordnete für den Dienstsitz Berlin leisten muss. Diese Mehraufwendung umfassen auch die Kosten für eine Zweitwohnung am Parlamentssitz . Zu diesen Kosten der Zweitwohnung zählen auch die damit verbundenen steuerlichen Lasten nach dem BlnZwStG. Wenn aber diesen steuerlichen Belastungen durch eine Kostenpauschale Rechnung getragen wird, so erleidet der Abgeordnete keine finanziellen Einbußen und daher keine nachteiligen Auswirkungen aus der Pflicht zur Entrichtung der Zweitwohnungsteuer. Im Ergebnis dürfte daher unter keinem Gesichtspunkt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. ( ) ( ) 9 Heun in: Dreier, Art. 3 Rn 31.