WD 3 - 3000 - 081/21 (15.04.2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Formulierungshilfe der Bundesregierung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 13. April 2021 (IfSG-E)1 sieht in § 28b Abs. 3 vor, dass wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 200 überschreitet, ab dem übernächsten Tag unter anderem die Durchführung des Präsenzunterrichts für Schulen untersagt ist. Es wird gefragt, ob diese Vorschrift zu einer Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates für die Gesetzesänderung führt. Der Zustimmung bedürfen Gesetze grundsätzlich nur, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt.2 Im vorliegenden Fall käme Art. 104a Abs. 4 GG in Betracht. Diese Vorschrift verlangt für Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, eine Zustimmung des Bundesrates. § 28b Abs. 3 IfSG-E sieht keine Geldleistungen der Länder vor. Die Aufhebung des Präsenzunterrichts könnte jedoch Entschädigungsansprüche für einen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1a in Verbindung mit § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG gegen die Länder auslösen und sie dadurch ohne eigene Mitwirkungsmöglichkeiten finanziell stärker belasten als vorher. Gemäß § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhält eine Person eine Entschädigung für einen Verdienstausfall, den sie erleidet, weil sie ein Kind aufgrund einer Aufhebung des Präsenzunterrichts aus Gründen des Infektionsschutzes durch die zuständige Behörde zu Hause betreuen muss. 1 Formulierungshilfe der Bundesregierung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 13. April 2021, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/B/4._BevSchG_Formulierungshilfe .pdf (Letzter Abruf: 14. April 2021). 2 Siehe zu einer Aufzählung aller Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit Kersten, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 77 Rn. 95. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Nachfrage zu WD 3 - 3000 - 079/21, Zustimmungsbedürftigkeit der geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes Kurzinformation Nachfrage zu WD 3 - 3000 - 079/21, Zustimmungsbedürftigkeit der geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Dieser Entschädigungsanspruch richtet sich gegen das Land, in dem die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wurde, § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG. Dem Wortlaut zufolge dürfte die Entschädigungspflicht aus § 56 Abs. 1a in Verbindung mit § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG jedoch nicht für eine gesetzlich angeordnete Aufhebung des Präsenzunterrichts gelten, sondern nur für Maßnahmen durch die jeweiligen zuständigen Behörden.3 Selbst wenn man eine Anwendbarkeit der Entschädigungsregelung annähme, ist zweifelhaft, ob eine solche Entschädigung als Geldleistung der Länder i.S.d. Art. 104 Abs. 4 GG zu bewerten ist. Geldleistungen, zu denen der Staat rechtlich verpflichtet ist, wie etwa Aufwendungsersatz, Entschädigung , Schadensersatz und Kaufpreiszahlung, stellen keine Geldleistungen im Sinne dieser Norm dar.4 Weiter liegt eine Geldleistung nur vor, wenn den Ländern im Verwaltungsvollzug kein Ermessensspielraum hinsichtlich der Höhe der verausgabenden Mittel zukommt.5 In § 56 Abs. 1a IfSG ist die Anzahl der entschädigungspflichtigen Fälle gesetzlich nicht zahlenmäßig vorbestimmt; sie hängt davon ab, ob und an wie vielen Schulen der Präsenzunterricht durch die landeseigenen Behörden bzw. Kommunen aufgehoben wird. *** 3 Vgl. Eckart/Kruse, in: BeckOK Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 3. Edition Stand: 01.01.2021, § 56 Rn. 51, § 66 Rn. 6, 8; Gerhardt, in: Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage 2021, § 56 Rn. 15d. 4 Heun, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2018, Art. 104a Rn. 27; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 104a Rn. 28. 5 Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 104a Rn. 37.